AG Büdingen, Urteil vom 07.04.2014 - 2 C 359/12
Fundstelle
openJur 2014, 10225
  • Rkr:

Bestehen zwischen einem Wohnungseigentümer und dem Verwalter erhebliche Differenzen ist die Wohnung des Verwalters ein unzumutbarer Ort für eine Wohnungseigentümerversammlung.

Tenor

Die in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in ... vom 08. März 2012 unter TOP 1 bis 5 gefassten Beschlüsse sind ungültig.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 250,00Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagten sind die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in ... Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Beigeladene. Zwischen der Verwalterin und der Klägerin bestehen seit Jahren Differenzen über die Art und Weise der Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Verwalterin ist Geschäftsführerin der ... GmbH. In 2011veranlasste sie, dass diese GmbH gegenüber der Klägerin Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft aus Abrechnungen für die Jahre 2009 und 2010 gerichtlich geltend machte (Amtsgericht Büdingen, AZ:1a C 469/11). Nachdem das Gericht in der mündlichen Verhandlung auf die fehlende Aktivlegitimation der GmbH und fehlende Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft hingewiesen hatte, wurde die Klage zurückgenommen. Die Kosten des Verfahrens wurden der damaligen Klägerin auferlegt.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2012 hat die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung für Donnerstag, den 8. März 2012 in die Wohnung des Beklagten zu 1., dem Ehemann der Verwalterin,eingeladen –wegen des Inhalts der Einladung wird Bezug genommen auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 12 d.A.). Die Klägerin schrieb daraufhin die Verwalterin an und äußerte ihre Bedenken hinsichtlich des Tagungsortes. Die Eigentümerversammlung fand ohne die Klägerin am 8. März 2012 dennoch an dem vorgesehenen Tagungsort statt. Über die Versammlung wurde ein Protokoll gefertigt –wegen des Inhalts des Protokolls wird Bezug genommen auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 11 und 11R d.A.).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beschlüsse seien aufgrund des für sie unzumutbaren Tagungsortes unwirksam. Darüber hinaus seien die Beschlüsse aber auch noch aus anderen Gründen unwirksam. Aus dem Protokoll seien förmliche Abstimmungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten nicht zu entnehmen. Soweit unter TOP 1 über den Tagungsort ein Beschluss gefasst worden sei, habe sich nicht aus der Einladung ergeben, dass über den Tagungsort abgestimmt werden solle. Über die Abrechnungen für die Jahre 2009/2010 (TOP 2)habe nicht abgestimmt werden dürfen, da die Abrechnungen der Einladung nicht beigefügt gewesen seien. Auch seien die Abrechnungen unvollständig und fehlerhaft. Der Beschluss unter TOP3 sei schon deshalb ungültig, weil nach diesem Beschluss der Klägerin die Kosten des von der Verwalterin veranlassten gerichtlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht Büdingen aufgebürdet würden. Soweit unter TOP 4 beschlossen worden sei, auf Wirtschaftspläne zu verzichten, verstoße dies gegen § 28 WEG.Soweit unter TOP 5 die Kontoänderung gebilligt worden sei, verstoße der Beschluss gegen § 27 Abs. 5 S. 1 WEG.

Der Kläger beantragt,

die in der Versammlung vom 08.03.2012 unter TOP 1-5 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Die Beklagten zu 1) bis 5) und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1) bis 5) sind der Ansicht, der Tagungsort sei zumutbar gewesen, da dort am 31. Juli 2008 schon einmal eine Eigentümerversammlung stattgefunden habe.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 7. April 2012 die Klage auf Erklärung der Ungültigkeit der Beschlüsse eingereicht. Dieses Schreiben ist per Fax am gleichen Tag beim Amtsgericht Büdingen eingegangen. Mit gerichtlichen Schreiben vom 19. April 2012 wurde die Klägerin aufgefordert, binnen zwei Wochen Angaben zum Wert des Streitgegenstandes zu machen. Mit Schriftsatz vom 24. April 2012hat die Klägerin diesen Angaben nachgeholt, woraufhin die Klägerin mit gerichtlichen Schreiben vom 27. April 2012 aufgefordert wurde,die Angaben binnen zwei Wochen zu begründen. Nachdem dieses Schreiben beim Klägervertreter am 10. Mai 2012 eingegangen war, hat die Klägerin mit Schreiben vom 24. Mai 2012, eingegangen bei Gericht per Fax am gleichen Tag, die Streitwertangaben näher begründet. Mit Verfügung vom 29. Mai 2012 wurde daraufhin der Gebührenvorschuss angefordert. Die Zahlungsaufforderung der Gerichtskasse ist beim Klägervertreter am 14. Juni 2012eingegangen. Am 27. Juni 2012 hat der Klägervertreter den Vorschuss überwiesen. Dieser wurde dem Konto der Gerichtskasse am 28. Juni 2012 gutgeschrieben. Mit Verfügung vom 2. Juli 2012 wurde die Zustellung der Klage sodann vom Gericht veranlasst. Die Klage ist der Verwalterin daraufhin am 18. Juli 2012 zugestellt worden.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Auch gegenüber der Beklagten zu 6), die im Termin am 6. März 2014 unentschuldigt ausgeblieben ist, war durch Urteil und nicht durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Eine Anfechtungsklage ist nach § 46 Abs. 1 WEG zwingend gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Es handelt sich insoweit also um eine gesetzlich vorgeschriebene notwendige Streitgenossenschaft und nach § 62 ZPOwerden bei einer notwendigen Streitgenossenschaft, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

Nach § 46 Abs. 1 WEG ist die Klage eines oder mehrerer Wohnungseigentümers auf Erklärung der Ungültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Ferner ist die Klage nach dieser Vorschrift binnen eines Monats nach der Beschlussfassung zu erheben und binnen zwei Monaten nach der Beschlussfassung zu begründen.

Unerheblich ist insoweit zunächst, dass die Klägerin in der Klageschrift die anderen Wohnungseigentümer nicht angegeben hat.Nach § 45 Abs. 1 WEG ist der Verwalter Zustellungsbevollmächtigter der verklagten Wohnungseigentümer. Durch die Zustellung an die Verwalterin wurde die Klage damit gegenüber den verklagten Wohnungseigentümern erhoben und die Angaben der anderen Wohnungseigentümer hat die Klägerin im Verfahren in zulässiger Weise nachgeholt. Hat ein Wohnungseigentümer die Anfechtungsklage an den Verwalter als Zustellungsvertreter der übrigen Wohnungseigentümer zugestellt, so kann die fehlende Angabe der Namen und Anschriften bisher nicht genannter Wohnungseigentümer sogar noch im Berufungsrechtszug nachgeholt werden mit der Folge,dass der Mangel der Zulässigkeit der Klage geheilt wird (vgl.BGH, Urt.v. 08.07.2011, V ZR 34/11).

Die Klägerin hat auch die Anfechtungsfrist gewahrt. Die Klage gilt zwar erst mit der Zustellung an die Verwalterin am 18. Juli 2012 als erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO). Für die Einhaltung der Frist war im vorliegenden Verfahren jedoch der Eingang bei Gericht am 7.April 2012 ausreichend. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.Neben der zeitlichen Komponente wird dabei auch darauf abgestellt,ob der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen (vgl. Greger in: Zöller,Zivilprozessordnung, § 167 ZPO, Rdnr. 10). Erst bei allein vom Zustellungsbetreiber verursachten Zustellungsverzögerungen von mehr als 14 Tagen wird daher in der Regel die Zustellung nicht mehr „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sein (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 167 ZPO, Rdnr.11). Danach erfolgte die Zustellung demnächst im Sinne des §167 ZPO. Die Klägerin hat sowohl die erste als auch die zweite gerichtliche Anfrage innerhalb der gesetzten Fristen beantwortet.Auch den Gerichtskostenvorschuss hat sie innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Zahlungsaufforderung gezahlt.

Alle von den Wohnungseigentümern in der Versammlung am 8. März 2012 getroffenen Beschlüsse sind auch offensichtlich ungültig.

Schon die Auswahl des Versammlungsortes begründet die Unwirksamkeit aller in der Versammlung getroffenen Beschlüsse.Damit allen Wohnungseigentümern die Teilnahme ermöglicht und nicht erschwert wird, muss der Ort der Eigentümerversammlung verkehrsüblich zu erreichen und den Wohnungseigentümern zumutbar sein (vgl. BGH in: NJW 2002, 1647 ff. Rdnr. 29). Der Versammlungsort war für die Klägerin jedoch unzumutbar. Aufgrund der seit längerem bestehenden erheblichen Differenzen zwischen der Klägerin und der Verwalterin, hätte die Mitgliederversammlung an einem neutralen Ort und nicht in der Wohnung der Verwalterin und ihres Ehemannes stattfinden müssen. Dass in der Vergangenheit ein Eigentümerversammlung schon einmal in der Wohnung des Beklagten zu 1) statt gefunden hat, ist unerheblich, da die Unzumutbarkeit sich aus den mittlerweile bestehenden Differenzen zwischen der Klägerin und der Verwalterin ergibt.

Darüber hinaus sind die Beschlüsse aber auch aus weiteren Gründen für unzulässig zu erklären.

Nach § 23 Abs. 2 WEG ist für die Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet wird. Dass über den Versammlungsort abgestimmt werden sollte, ergab sich jedoch nicht aus der Einladung, so dass auch aus diesem Grund der unter TOP 1 gefasste Beschluss für ungültig zu erklären ist.

Nach § 28 Abs. 5 WEG haben die Wohnungseigentümer über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters durch Stimmenmehrheit zu beschließen. Es ist insoweit eine Selbstverständlichkeit, dass jedem Wohnungseigentümern zur Vorbereitung der Beschlussfassung nach § 28 Abs. 5 WEG der Gesamtplan bzw. die Gesamtabrechnung sowie mindestens der Einzelplan bzw. die Einzelabrechnung für sein Wohnungseigentum mit der Einladung zur Mitgliederversammlung zu übersenden ist (vgl.Bassenge in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 28 WEG, Rdnr. 3; LGItzehoe in: ZWE 2008, 445). Der Einladung zu der Mitgliederversammlung lagen jedoch die Abrechnungen für die Jahre 2009 und 2010 nicht bei. Darüber hinaus ist entgegen § 24 Abs. 6WEG aus dem Protokoll auch nicht ersichtlich, ob tatsächlich über die Abrechnungen für 2009 und 2010 abgestimmt wurde.

Auch hinsichtlich TOP 3 ist aus dem Protokoll nicht ersichtlich,welche konkreten Beschlüsse dort getroffen wurden. Soweit jedoch aus dem Protokoll ersichtlich ist, dass die Wohnungseigentümer Schulden der Klägerin gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft festgestellt und insoweit auch eine gerichtliche Geltendmachung beschlossen haben, entbehrt der Beschluss offensichtlich jeglicher Rechtsgrundlage. Ausweislich des Protokolls sollen gegenüber der Klägerin auch Gebühren, Auslagen, Gerichtskosten etc. geltend gemacht werden. Nach dem unstreitigen Sachverhalt kann es sich hierbei jedoch nur um die Kosten des Verfahrens beim Amtsgericht Büdingen unter dem AZ 1a C 469/11 handeln. Diese Kosten stellen aber keine Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft dar und unterliegen daher auch nicht der Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. § 20 WEG). Es ist offensichtlich, dass diese Kosten die damalige Klägerin alleine zu tragen hat.Eine Rechtsgrundlage dafür, dass nunmehr diese Kosten gegenüber einer Wohnungseigentümerin geltend gemacht werden könnten, ist nicht ersichtlich.

Der Beschluss, wonach auf Wirtschaftspläne verzichtet werden könne (TOP 4), verstößt gegen § 28 WEG. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEGhat der Verwalter für jedes Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Schon aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass es sich um eine Pflicht des Verwalters gegenüber allen Wohnungseigentümern handelt, so dass auf einen Wirtschaftsplan nicht durch einen Mehrheitsbeschluss verzichtet werden kann. Ob der Beschluss der Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 4. Juli 1996 insoweit wirksam war oder nicht, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Wenn überhaupt haben die Wohnungseigentümer damals nur auf einen Wirtschaftsplan für 1995 verzichtet.

Soweit die Wohnungseigentümer unter TOP 5 die Kontoführung der Verwalterin genehmigt haben, ist der Beschluss mit § 27 Abs. 3 Nr.5 und Abs. 5 S. 1 WEG unvereinbar. Nach § 27 Abs. 3 Nr. 5 WEG ist der Verwalter berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie im Rahmen der Verwaltung der eingenommenen Gelder Konten zu führen. Der Verwalter ist danach berechtigt Konten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu führen. Aufgrund dieser gesetzlichen Möglichkeit sind offene Treuhandkonten, bei den der Verwalter Vollrechtsinhaber ist, nicht mehr zulässig (vgl. Bassenge in: Palandt, Kommentar zum BGB, §27 WEG, Rdnr. 10). Dies folgt auch aus § 27 Abs. 5 S. 1 WEG,wonach der Verwalter verpflichtet ist, eingenommene Gelder von seinem Vermögen gesondert zu halten. Nach dem Beschluss der Wohnungseigentümer soll Kontoinhaberin jedoch die Verwalterin und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft sein.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.Aufgrund der notwendigen Streitgenossenschaft hätte die Beklagte zu 6) der Pflicht zur anteiligen Tragung der Kosten (vgl. § 100 Abs. 1ZPO) nur durch einen Beitritt auf Seiten der Klägerin entgehen können.