VG Düsseldorf, Urteil vom 06.05.2014 - 3 K 8583/13
Fundstelle
openJur 2014, 10385
  • Rkr:

Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung vermag der sogenannte Formaldehydbonus gemäß § 27 Absatz 5 EEG 2009 vor der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Biogasanlage mangels legaler Betriebsaufnahme nicht gewährt zu werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger betreibt auf seinem Betriebsgelände P. 86 in L. eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk. Am 29. März 2011 beantragte er diesbezüglich bei der Bezirksregierung E. die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Die Bezirksregierung erließ (ebenfalls antragsgemäß) am 18. August 2011 zunächst gemäß § 8a BImSchG einen Zulassungsbescheid hinsichtlich des vorzeitigen Beginns der "Errichtung" der Biogasanlage. Die Zulassung schloss auch Maßnahmen ein, "die notwendig sind, um die Betriebstüchtigkeit der im Rahmen dieses Antrags wesentlich geänderten Anlage bzw. Anlagenteile zu prüfen". Mit Genehmigungsbescheid vom 26. Juli 2012 genehmigte die Bezirksregierung gemäß § 4 BImSchG die "Errichtung und Betrieb" der Biogasanlage inklusive Blockheizkraftwerk auf Grundlage der von dem Kläger vorgelegten Antragsunterlagen. Ausweislich eines Bestätigungsschreibens der Stadtwerke L. vom 15. Februar 2012 war die Einspeisung mittels Biomasse erzeugter Energie in das Netz schon zum 16. Dezember 2011 erfolgt; für den Zeitraum vom 16. bis zum 31. Dezember 2011 erfolgte bereits seitens der Stadtwerke ausweislich einer Einzelaufstellung "Einspeisung Netz" vom 9. Februar 2012 eine Abrechnung und Gutschrift hinsichtlich der tatsächlichen Einspeisung von Strom durch den Kläger.

Am 23. Januar 2013 beantragte dieser bei der Bezirksregierung E. die Erteilung einer Bescheinigung nach § 66 Abs. 1 EEG 2012 i. V. m. § 27 Abs. 5 EEG 2009 als Voraussetzung für die anschließende Auszahlung des sogenannten Formaldehydbonus durch die Stadtwerke. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem EEG lägen vor. Gleichzeitig überreichte der Kläger einen Bericht des TÜV-Süd vom 13. Dezember 2012 über die Durchführung von Emissionsmessungen (vom 29. November 2012) u. a. bezüglich Formaldehyd.

Die Bezirksregierung E. lehnte mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung ab. Sie vertrat im Wesentlichen die Ansicht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, weil die maßgebliche Inbetriebnahme der Biogasanlage erst im Jahr 2012 erfolgt sei.

Der Kläger hat hiergegen am 8. November 2013 Klage erhoben. Am 17. Januar 2014 hat er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt (3 L 94/14). Das Gericht hat mit Beschluss vom 21. Januar 2014 den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, weil von einer Inbetriebnahme der Anlage erst nach ihrer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit Bescheid vom 26. Juli 2012 ausgegangen werden könne. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 10. Februar 2014 unter Hinweis darauf, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei, zurückgewiesen (11 B 137/14).

Im Rahmen des Klageverfahrens verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er stellt im Wesentlichen vorrangig unter Hinweis auf die Vorschriften des EEG und den Zulassungsbescheid vom 18. August 2011 auf das tatsächliche Einspeisen von Strom bereits ab Dezember 2011 ab. Damit habe er die Anlage in Betrieb genommen, was nach dem allein maßgebenden Inbetriebnahmebegriff von § 3 EEG (2009) die alleinige gesetzliche Voraussetzung sei. Das EEG stelle gerade nicht (zusätzlich) auf das Vorhandensein auch einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ab.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Oktober 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm - dem Kläger - die beantragte Bescheinigung gemäß § 66 Abs. 1 EEG 2012 i. V. m. § 27 Abs. 5 EEG 2009 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und insbesondere zu den Ansichten der Beteiligten hinsichtlich der anwendbaren EEG-Vorschriften wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der entsprechenden Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten diesbezüglich schriftsätzlich ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Fall 2 VwGO ist unbegründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat auch nach einer erneuten umfassenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage in diesem Hauptsacheverfahren insbesondere unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens und seiner aktuellen weiteren Ausführungen im Klageverfahren keinen Anspruch auf die begehrte Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 66 Abs. 1 EEG 2012 i. V. m. § 27 Abs. 5 Satz 1 EEG 2009 bzw. nach § 66 Abs. 6 EEG 2012 als Voraussetzung der Erlangung einer sogenannten Formaldehydzulage (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht verbleibt damit bei seiner bereits in dem Beschluss vom 21. Januar 2014 in dem Verfahren 3 L 94/14 geäußerten Rechtsauffassung, der das Oberverwaltungsgericht in seiner Beschwerdeentscheidung in der Sache auch nicht entgegen getreten ist.

Es kann dahinstehen, ob § 66 Abs. 6 EEG 2012 tatsächlich als lex specialis gegenüber § 66 Abs. 1 EEG 2012 anzusehen ist, da die Klage nach keiner der beiden genannten Vorschriften Erfolg hat.

Die Anwendung des § 66 Abs. 6 EEG scheitert bereits daran, dass die Anlage des Klägers zum einen keinen Strom aus fester Biomasse erzeugt (Abs. 6 Nr. 1), zum anderen die Anlage erst durch Genehmigungsbescheid vom 26. Juli 2012 nach dem BImSchG genehmigt wurde und damit nicht vor dem 1. Januar 2012 (Abs. 6 Nr. 4). Die Anwendung des § 66 Abs. 1 EEG 2012 scheidet aus, weil die Anlage nicht vor dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen worden ist.

Der maßgebliche Inbetriebnahmebegriff nach § 3 Nr. 5 EEG 2009 setzt zwar nach seinem Wortlaut (nur) die erstmalige Inbetriebsetzung des Generators nach Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft voraus. Dies bedeutet nach übereinstimmender Auffassung zunächst die Herstellung der objektivtechnischen Betriebsbereitschaft und die anschließende Inbetriebsetzung des Generators durch den Anlagenbetreiber mit der Folge, dass die Anlage Strom erzeugen und in das Netz einspeisen kann bzw. dies tatsächlich erfolgt. Vor diesem Hintergrund wird auch ein Probebetrieb als tatbestandsmäßig erachtet.

Vgl. Frenz / Müggenborg, EEG, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 3 Rn. 87.

Ferner wird vertreten, dass es auf das Vorhandensein einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs‑)Genehmigung nicht ankomme, weil das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis der Gefahrenabwehr und -vorsorge diene und damit ein anderes gesetzgeberisches Ziel verfolge.

Vgl. Frenz / Müggenborg, a. a. O., § 3 Rn. 70, unter Verweis auf ein entsprechendes Votum 2009/26 der Clearingstelle EEG vom 13. April 2010, Rn. 22, www.clearingstelleeeg.de/votv/2009/26; Altrock / Oschmann, EEG, Kommentar, 4. Auflage 2013, § 3 Rn. 117 (ohne Begründung).

Das Gericht vermag dieser Auffassung indes (weiterhin) nicht zu folgen. Der Betrieb einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlage, hier die dauerhafte tatsächliche Einspeisung von Strom in das Stromnetz ausweislich der Angaben des Klägers und der Bescheinigungen der Stadtwerke L. vom 9. und 15. Februar 2012 bereits ab dem 16. Dezember 2011, darf naturgemäß erst mit wirksamer Bekanntgabe der entsprechenden Betriebsgenehmigung (hier durch den Genehmigungsbescheid zur Errichtung und Betrieb vom 26. Juli 2012) aufgenommen werden.

Der Zulassungsbescheid vom 18. August 2011 gemäß § 8a Abs. 1 BImSchG erlaubte dem Kläger ausweislich seines mit dem Gesetzeswortlaut übereinstimmenden Tenors allein den vorzeitigen Beginn der "Errichtung" seiner Biogasanlage, nicht aber ihren Betrieb. Die (dauerhafte) Inbetriebnahme mit der (dauernden) Einspeisung von Strom in das Stromnetz bereits ab Dezember 2011 war erkennbar auch keine zugelassene notwendige Maßnahme, um die Betriebstüchtigkeit der Anlage zu prüfen.

Der vom Kläger bereits am 16. Dezember 2011 aufgenommene Betrieb erweist sich damit als rechtlich illegal. Der Betriebsaufnahme kommt insbesondere keine legalisierende Wirkung zu, ohne dass es weiterer Ausführungen bedarf. Damit vermag sie auch keine Grundlage für die Gewährung einer (rechtmäßigen) Zulage nach dem EEG zu begründen. Es gilt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, die aus nachvollziehbaren Gründen bestimmte Anlagen einer Genehmigungspflicht unterwirft und wonach eine solche Anlage eben erst nach der Erteilung der förmlichen Legalität in Betrieb genommen werden darf, insbesondere im streng formalisierten, auf den Schutz von Menschen und Umwelt gerichteten Immissionsschutzrecht.

Die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht erfolgt. Das Gericht verneint eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es liegt ein Einzelfall vor, dessen Entscheidung nicht aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt erkennbar nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.