Bayerischer VGH, Beschluss vom 25.03.2014 - 15 ZB 12.2014
Fundstelle
openJur 2014, 9388
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die dem Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 12. Dezember 2011 für die Nutzungsänderung eines bestehenden Stallgebäudes zur Schweinehaltung auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung G... Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juli 2012 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Kläger.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Der Einwand der Kläger, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von 300 gehaltenen Schweinen in Mittel- und Endmast sowie 60 gehaltenen Schweinen in Vormast ausgegangen, weil der Baugenehmigungsbescheid ohne Einschränkung auf die Anzahl der gehaltenen Schweine ergangen und auch keine Höchstgrenze festgelegt worden sei, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

In der auf Anforderung der Beklagten zum Bauantrag eingereichten Anlagenbeschreibung vom 24. Oktober 2011, die eine Bauvorlage i.S.d. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, § 1 Abs. 1 und § 9 BauVorlV ist, legt der Beigeladene dar, welche Art der Schweinehaltung seinem Bauantrag zugrunde liegt (Rein-Raus-Verfahren, Ausstallgewicht ca. 110 kg, Vormast und Endmast). Weiter wird in der zur Anlagenbeschreibung genommenen Anlage 2 die Buchtenaufteilung und die darin gehaltene Anzahl von Schweinen angegeben (in einer Stallung 60 Vormastplätze, in den übrigen Stallungen insgesamt 300 Plätze). Mit der Bezeichnung seines Vorhabens in den dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen hat der Beigeladene den Gegenstand des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens festgelegt (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 64 Rn. 3). Inhalt, Reichweite und Umfang der angefochtenen Baugenehmigung sind danach eindeutig erkennbar; Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Baugenehmigung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) bestehen nicht. Hiervon ausgehend bestand keine Veranlassung, den durch den Bauantrag konkret bezeichneten Umfang der Schweinehaltung durch Nebenbestimmungen (Art. 68 Abs. 3 BayBO, Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG) zur Baugenehmigung festzulegen.

Die in Ansatz gebrachten Großvieheinheiten ergeben sich aus der für die Geruchsbeurteilung durch den behördlichen Immissionsschutz im Baugenehmigungsverfahren herangezogenen VDI 3471 (Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine; vgl. Grundbegriffe/Großvieheinheit, Faktor GV/Tier für die Vormast 0,06 und für die Mittel-/Endmast 0,12).

b) Der Vortrag der Kläger, um das Anwesen des Beigeladenen sei letztlich nur noch Wohnbebauung gegeben, lässt keine ernstlichen Zweifel an der tatrichterlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen eines faktischen Dorfgebiets aufkommen.

Angesichts der auf dem Grundstück des Beigeladenen befindlichen Hofstelle, der in der Klageschrift vom 5. Januar 2012 bezeichneten weiteren landwirtschaftlichen Betriebe (vgl. auch Anlage A 4 zur Klageschrift) und der vorhandenen Wohnnutzungen, entspricht die nähere Umgebung der Eigenart eines Dorfgebiets (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 1 BauNVO). Der Charakter eines Dorfgebiets hängt im Übrigen nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der zulässigen Nutzungsarten ab (BVerwG, B.v. 19.1.1996 – 4 B 7/96 – juris).

2. Den Darlegungen im Zulassungsantrag lässt sich auch kein Verfahrensmangel entnehmen, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Die Kläger sind der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe angesichts der besonderen Grundstückssituation im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ein meteorologisches Gutachten zu den Windrichtungen und der Abströmungssituation auf dem Grundstück des Beigeladenen zum Grundstück der Kläger in Erwägung ziehen müssen. Ein Gutachten hätte ergeben, dass keinesfalls die angenommene meteorologische Situation Richtung W... zutreffend sei, sondern sich gerade Geruchsimmissionen in Richtung des klägerischen Grundstücks entwickeln könnten.

Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 26. Juli 2012 wurden die zu erwartenden Geruchswirkungen und die Abströmverhältnisse erörtert. Der Klägerbevollmächtigte hat dem Vortrag des Umweltingenieurs in der mündlichen Verhandlung weder widersprochen, noch hat er in der mündlichen Verhandlung einen dahingehenden förmlichen Beweisantrag gestellt. Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, wieso sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl sie von den bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägern nicht beantragt worden war. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30/06NVwZ-RR 2007, 285).

b) Soweit eingewandt wird, das Verwaltungsgericht habe auf eine Gesamttierzahl abgestellt, welche im Baugenehmigungsbescheid nicht fixiert sei, wird auf die Ausführungen unter Nr. 1 Buchst. a dieses Beschlusses verwiesen.

c) Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe in seine Entscheidung einfließen lassen, dass bisher seitens der Kläger keine Beschwerden an die Beklagte herangetragen worden sind und deshalb davon auszugehen ist, dass eine Geruchsbelästigung nicht vorliegt, ohne überhaupt ermittelt zu haben, in welchem Umfang bisher Schweinehaltung durch den Beigeladenen betrieben wurde, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, dass die Mastschweinehaltung im jetzt genehmigten Umfang bereits seit mindestens 10 Jahren existiert. Der Beklagtenvertreter hat hierzu erläutert, dass über den 10-jährigen Zeitraum der jetzt bestehenden Mastschweinehaltung von Klägerseite formell keine Beschwerden erhoben wurden, was der Klägerbevollmächtigte bestätigt hat. Weshalb sich dem Verwaltungsgericht dennoch eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl die Kläger dies weder beantragt noch dem Vortrag des Beigeladenen oder des Beklagtenvertreters widersprochen hatten, ist nicht nachvollziehbar. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht auf Grundlage der fachkundigen Stellungnahme des Umweltingenieurs und der VDI 3471 umfassend begründet, dass unzumutbare Geruchsbelästigungen zu Lasten der Kläger auszuschließen sind. Lediglich ergänzend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass in den letzten zehn Jahren, seitdem der landwirtschaftliche Betrieb des Beigeladenen diesen Umfang der Schweinehaltung aufweise, keine Nachbarbeschwerden amtsbekannt geworden sind. Auf dieser Feststellung beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts aber nicht tragend.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO

Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Die Wertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).