OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2013 - 14 U 26/12
Fundstelle
openJur 2014, 9175
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Dezember 2011 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (8 O 741/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112.024,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.04.2011 Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen je 400 Aktien der Beklagten mit den Seriennummern 074199, 074203, 072002, 072001, 074200 und 74205 zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der in Ziffer 1 genannten Aktien im Annahmeverzug befindet.

3) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 3.429,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.04.2011 zu zahlen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 112.024,05 €.

Gründe

I.

Der Kläger erwarb im Jahr 1999 nicht börsennotierte Aktien der Beklagten, bei der es sich um eine Aktiengesellschaft türkischen Rechts mit Sitz in der Türkei handelt. Der Kläger verlangt nunmehr seine Einlage von 219.100 DM zurück sowie Kosten für eine außergerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe mit der Beklagten über deren mehrjährigen Mitarbeiter K, einem Gründungsgesellschafter der Beklagten, der in deren Namen aufgetreten sowie von ihr zuvor entsprechend geschult worden sei, und ihn in seiner Wohnung in Düsseldorf aufgesucht habe, einen Anlagevertrag geschlossen. K habe ihm - wie von der Beklagten angewiesen (Bl. 70 GA) - versichert, dass er über das Geld jederzeit verfügen könne (Bl. 64 GA). Ihm sei die Firma Ko vorgestellt worden, wobei eine Unterscheidung zwischen den Gesellschaften nicht vorgenommen worden sei. Er habe auf seine Frage nach Risiken die Antwort erhalten, die Anlage sei völlig risikolos, er müsse sich keine Gedanken machen. In der Vergangenheit seien gute Renditen gegeben worden. K habe weder einen Prospekt noch die Statuten der Beklagten vorgelegt und sich auch nicht nach Erfahrungen der Kläger im Aktiengeschäft erkundigt. Er habe behauptet, die Anleger könnten ihr Geld jederzeit schnell und problemlos zurück erhalten, sie müssten ihm nur die Unterlagen der Beklagten zurück geben. Er sei Mitarbeiter der Beklagten und auch mit der Auszahlung von der Beklagten beauftragt, er könne ihr Geld aber auch direkt von der Beklagten zurück erhalten. Spätestens nach drei Monaten bekäme er dann sein Geld zurück. K habe dann ein Formular ausgefüllt, welches er unterzeichnet habe. Über die als problemlos dargestellte Rücknahme habe sich auch ein von einem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden B unterzeichnetes Rundschreiben verhalten. Tatsächlich habe er jedoch Aktien erhalten, die nach türkischem und deutschem Recht nicht an die Beklagte zurück gegeben werden dürften. Er sei getäuscht worden, weil er nicht börsennotierte türkische Namensaktien erhalten habe und eben keinen vertraglich gesicherten Rückgabenanspruch.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 112.024,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074199, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074203, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 072002, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 072001, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074200 und 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074205 zu zahlen, sowie

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der in Ziffer 1 genannten Aktien im Annahmeverzug befindet;

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 3.429,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Hingegen hat die Beklagte, die unstreitig die Einrede der Verjährung erhoben hat, vorgetragen, die Zuständigkeit des Gerichts werde gerügt. Mangels Vorlage von Unterlagen werde auch die Aktivlegitimation bestritten. Es sei zudem möglich, dass der Kläger die Aktien an Dritte übertragen habe.

K sei nicht ihr Mitarbeiter, sondern selbständiger Vermittler gewesen.

Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er nicht börsennotierte Aktien erwirbt, dass aufgrund der Art der Beteiligung es auch zu einem Verlust kommen könne und dass es für diese Aktien nur einen begrenzten Abnehmerkreis geben würde. Tatsächlich sei Ko den Aktionären entsprechend den geltenden Regeln des türkischen HGB bei der Rücknahme der ordnungsgemäß ausgegebenen Aktien bis zum Jahr 2000/2001 behilflich gewesen. Diese Praxis sei aber sodann - unvorhersehbar - faktisch nicht mehr möglich gewesen. Im Jahr 2001 sei es zu einer Wirtschaftskrise in der Türkei gekommen. Ein Verstoß gegen ein Registrierungsverbot sei unerheblich.

Die von der Klägerseite erzielten Renditen und die Erlöse aus der Rücknahme von Aktien durch eine Schwestergesellschaft seien anzurechnen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 16.012.2011 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es seine Zuständigkeit für deliktische Ansprüche angenommen, aber eine deliktische Haftung der Beklagten verneint. Es fehle bereits an einer hinreichenden Darlegung der Angaben des Vermittlers K. Offen bleibe auch, was der Kläger unter "sicher" und risikolos" verstehe, weil er gewusst habe, dass er Anteile an einem Unternehmen erwerbe und nicht in konservative Produkte wie Bankeinlagen investiert habe. Seine Beanstandungen hätten sich auf die garantierte Rückgabemöglichkeit bezogen, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei. In der Vergangenheit sei die Rückgabe schließlich auch praktiziert worden. Eine sittenwidrige Schädigung sei nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Hierzu trägt er unter Verweisung auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und mehrere OLG-Entscheidungen vor, es komme auf § 831 BGB nicht entscheidend an. Eine Haftung folge aus §§ 823 II BGB, 263 I StGB bzw. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.

Er sei über einen tatsächlich nicht bestehenden vertraglichen Rückgabeanspruch getäuscht worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 112.024,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074199, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074203, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 072002, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 072001, 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074200 und 400 Aktien der Beklagten mit der Seriennummer 074205 zu zahlen, sowie

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der in Ziffer 1 genannten Aktien im Annahmeverzug befindet;

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 3.429,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Dem ist die Beklagte entgegen getreten. Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit den Parteien die Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger die Wertpapiere im Original vorgelegt hat, eingehend erörtert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits, soweit deliktische Ansprüche in Betracht kommen, (international) zuständig sind (§ 32 ZPO), weil eine vorrangige internationale Gerichtsstandsregelung im Verhältnis zur Türkei, dem Sitz der Beklagten, nicht besteht.

Zur Begründung des Gerichtsstands reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich ein deliktischer Anspruch ergeben kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Begehungsort der vom Kläger behaupteten unerlaubten Handlungen liegt im Inland, weil er die Aktien der Beklagten im Inland erworben hat und der behauptete Schaden ebenfalls im Inland eingetreten ist (alle Rechtsprechungszitate nach juris: vgl. dazu BGH, Urteil vom 27.07.2010, VI ZR 217/09). Auch sind deliktische Ansprüche des Klägers aufgrund § 826 BGB von diesem schlüssig dargetan.

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb deren Aktien im Jahre 1999 jedenfalls der von ihm geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 112.024,05 € aus § 826 BGB Zug um Zug gegen Rückübertragung der von ihm erworbenen Aktien zu.

Aus demselben Rechtsgrund kann er die Beklagte zugleich auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch nehmen.

a) Der Kläger hat die von ihm erworbenen Aktien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Original vorgelegt. Sie sind auch von der Beklagten in Augenschein genommen worden. Einwände gegen den Erwerb durch den Kläger selbst waren bis dahin nicht vorgetragen worden und sind auch durch die Beklagte nicht vertieft worden. Hierzu hätte sich die Beklagte indes substantiiert äußern müssen. Daran fehlt es. Denn es traf sie die Obliegenheit, auf das Vorbringen konkret und wahrheitsgemäß zu entgegnen (§ 138 Abs. 2 ZPO). Diesen Anforderungen genügt ihr Vortrag nicht. Die Beklagte ist weder dem Vorbringen des Klägers zur Höhe der ihr erbrachten Leistungen noch dessen Vortrag, er habe die Aktien unmittelbar von ihr erworbenen, konkret entgegengetreten. Das pauschale Bestreiten der Beklagten, das in der mündlichen Verhandlung allein mit der Mutmaßung verknüpft worden ist, es könne auch ein Dritter die Aktien erworben haben, nämlich der Vater des Klägers, entbehrt jeder Substanz und ist ersichtlich nur "ins Blaue hinein" erklärt worden. Der Aktienerwerb durch den Kläger ist daher als nicht erheblich bestritten zu behandeln (§ 138 Abs. 1-3 ZPO).

Es bestehen mithin keine Zweifel daran, dass der Kläger diese Aktien selbst erworben hat. Soweit im Antrag die Seriennummer nicht zutreffend angegeben worden war, handelte es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. Der Antrag ist ohne weiteres dahin gehend auszulegen, dass er sich auf die im Original vorgelegten Aktien mit den auch im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgewiesenen Seriennummern bezieht.

b) Die Beklagte - handelnd durch ihren Vorstand - hat den Kläger dadurch sittenwidrig geschädigt, dass sie veranlasste oder zumindest bewusst zuließ, dass der Kläger als Anleger ihre Aktien erwarb, ohne dass er zuvor ausreichend über die Risiken dieser Anlageform informiert wurde.

aa) Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist deutsches Deliktsrecht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2010, VI ZR 57/09, WM 2010, 928). Ob das der Klage zugrunde gelegte, vom Kläger behauptete Geschehen als unerlaubte Handlung einzuordnen ist, richtet sich nach dem am Gerichtsstand geltenden Recht. Deutsches Recht ist sowohl nach den Regelungen in Art. 40 ff. EGBGB (in Kraft getreten zum 1. Juni 1999 durch Gesetz vom 21. Mai 1999, BGBl. I 1999 S. 1026) als auch nach dem zuvor geltenden deutschen Kollisionsrecht analog Art. 220 Abs. 1 EGBGB (BT-Drucks. 14/343 S. 7) anzuwenden. Auch die von Amts wegen zu beachtende Regelung in Art. 41 EGBGB führt nicht zur Anwendung des türkischen Rechts als des Heimatrechts der Beklagten. Sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort liegen in Deutschland. Der Erwerb türkischer Aktien begründet keine wesentlich engere Verbindung zum türkischen Recht, weil der Verkauf in Deutschland erfolgte, so dass die bestehenden Aufklärungspflichten hier zu erfüllen waren und der Schaden ebenfalls im Inland eingetreten ist.

bb) Der Kläger hat von der Beklagten zur Überzeugung des Senats im Jahr 1999 für umgerechnet insgesamt 112.024,05 € erworben, wobei die Aktienkäufe unter Inanspruchnahme eines oder mehrerer für die Beklagte tätigen Vermittler erfolgte.

Es kommt auch nicht darauf an, welche Person für die Beklagte handelte. Entscheidend ist vielmehr, dass das Geschäft durch eine Person vermittelt worden wurde, die mit Wissen und Wollen der Beklagten für diese tätig war. Der Aktienvertrieb der Gesellschaften der Ko-Gruppe war derart organisiert, dass Anleger gerade aufgrund von "Mundzu-Mund-Propaganda" auf die "selbstständigen" Vermittler der Beklagten zugehen sollten, die ihr als "freiwillige Helfer" weitere Investoren zuführen sollten. Der das Geschäft vermittelnde Mittelsmann gehörte jedenfalls zu dem Personenkreis, der mit Wissen und Wollen der Beklagten im Rahmen deren Aktienvertriebs tätig war. Die Beklage hat zugestanden, dass sich der Vermittler K tatsächlich - wenngleich selbständig - mit dem Verkauf der Aktien befasste.

cc) Die Beklagte hat den Kläger sittenwidrig geschädigt (§ 826 BGB), in dem sie falsche, oder zumindest bewusst unzureichende und irreführende Informationen über ihre Aktien verbreitete und damit gezielt türkische bzw. türkischstämmige Kleinanleger - wie den Kläger - veranlasste, ohne ordnungsgemäße Aufklärung Investitionen in eine mit erheblichen Risiken behaftete Anlageform zu tätigen.

Ein sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung zu bejahen, wenn die beanstandete Handlung nach ihrem Inhalt oder Gesamtcharakter, insbesondere aus einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 08.12.1982, IVb ZR 333/81, BGHZ 86, 82 - 90; BGH, Urteil vom 19.01.2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 - 1131 m.w.N., BGH, Urteil vom 19.10.2010,, VI ZR 124/09, MDR 2011, 34). Dabei ist die Beurteilung nach den zum Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens bestehenden Verhältnissen, d.h. aus einer ex ante Perspektive, vorzunehmen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.07.1952, IV ZR 1/52, BGHZ 7, 111 - 116; BGH, Urteil vom 28.02.1989, IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92 - 104 m.w.N.). Dass eine Handlung danach als unbillig erscheint, genügt für sich allein nicht, um einen Sittenverstoß anzunehmen. Ebenso ist die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten grundsätzlich auch dann als legitim anzusehen, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist.

Eine Gesellschaft, die hochriskante Anlagegeschäfte vermittelt, missbraucht jedoch ihre geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet daher aus § 826 BGB, wenn sie veranlasst oder bewusst nicht verhindert, dass Anleger ohne die erforderliche Aufklärung Anlagegeschäfte tätigen (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.1994, XI ZR 125/93, WM 1994, 453 - 455; BGH, Versäumnisurteil vom 01.04.2003, XI ZR 385/02, BGH WM 2003, 975 - 977; BGH, Urteil vom 22.11.2005, XI ZR 76/05, WM 2006, 84 - 87). Bei ungewöhnlichen Anlagegeschäften, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken behaftet sind, muss sich die Aufklärung auf die wesentlichen wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts erstrecken. Das gilt sowohl für Börsentermingeschäfte als auch für die Vermittlung von hochspekulativen Aktien (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1991, XI ZR 151/89, NJW 1991, 1108 - 1109; BGH, Urteil vom 27.11.1990, XI ZR 115/89, WM 1991, 127 - 130; BGH, Urteil vom 06.06.1991, III ZR 116/90, WM 1991, 1410 - 1412; BGH, Urteil vom 17.03.1992, XI ZR 204/91, NJW 1992, 1879 - 1881; BGH, Urteil vom 16.11.1993, XI ZR 214/92, WM 1994, 149 - 153). Hiernach hat der Vermittler solcher Geschäfte dem potentiellen Kunden ein zutreffendes Bild von den Gefahren und Chancen in der Weise zu verschaffen, dass der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. An die Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss sie bei hochriskanten Geschäften schriftlich erfolgen, um dem Anleger ein zutreffendes Bild von den schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen zu vermitteln. Die Darstellung muss dabei zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen Leser einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu verschaffen (vgl. BGH, 17.03.1992, XI ZR 204/91, NJW 1992, 1879 - 1881).

Die vorgenannten Grundsätze gelten für den Verkäufer von Aktien, wenn ein vergleichbares Schutzbedürfnis besteht (vgl. Senat, Urteile vom 18.04.2013, I-14 U 38/12, I-14 U 39/12, I-14 U 120/12; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2013, I-9 U 27/12; Senat, Versäumnisurteil und Urteil vom 29.03.2012, I-14 U 96/11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2009, I-9 U 175/08; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006, I-6 U 121/04, Juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2001, 21 U 27/01, NJW-RR 2002, 1051 - 1053). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Aktien einer ausländischen Aktiengesellschaft im Wege der Privatplatzierung angeboten werden. Diese entscheiden sich hinsichtlich der Anlageart und des Anlagerisikos erheblich von anderen Aktien, die von börsennotierten Unternehmen ausgegeben werden (vgl. Senat, Urteile vom 18.04.2013; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2013), weswegen insbesondere die sich aus der fehlenden Fungibilität der Anlage ergebenden Risiken schriftlich hinzuweisen war. An der danach gebotenen schriftlichen Aufklärung der Anleger fehlt es.

Selbst die Annahme, dass für die von der Beklagten angesprochenen Anlegerkreise der Umstand einer fehlenden Börsennotierung der durch die Beklagte vertriebenen Aktien irrelevant war (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2010, VI ZR 57/09; WM 2010, 928; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2009, I-17 U 181/09, WM 2009, 1464-1468), ändert nichts daran, dass die Beklagte im Übrigen wie jeder andere Vertreiber risikobehafteter Anlageformen die sonstigen mit der Anlage verbundenen Risiken ordnungsgemäß darzustellen hatte (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2012, I-9 U 90/11, vom Kläger zur Akte gereicht).

Ein solches Risiko ergab sich insbesondere aus der eingeschränkten Handelbarkeit der Aktien, die nicht an einer Börse notiert waren und für die auch im Übrigen kein gesicherter Zweitmarkt existierte. Gerade in Zeiten ungünstiger wirtschaftliche Entwicklungen oder gar Krisen war und ist es für Anleger deshalb äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ihre Aktien zu veräußern, um Verluste zu vermeiden oder zu begrenzen. Die grundsätzliche Bereitschaft der Beklagten und anderer Gesellschaften der Ko-Gruppe, im Bedarfsfall Übernahmeinteressenten zu vermitteln oder - falls rechtlich zulässig - selbst Aktien zu übernehmen, änderte daran nichts. Eine solche Unterstützung konnte naturgemäß nur solange gewährt werden und funktionieren, wie ausreichend Interessenten bzw. eigene Mittel zur Verfügung standen. Damit war jedoch insbesondere in Zeiten ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklungen nicht zu rechnen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2012, I-9 U 90/11, a.a.O.). An der nach gebotenen schriftlichen Information der Anleger über solche Risiken fehlt es. Die Anleger der Beklagten, auch der Kläger, wurden nicht durch Prospekte oder anderes Informationsmaterial hierüber aufgeklärt.

Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls eine deutliche mündliche Belehrung über die Risiken der angebotenen Investitionen zur hinreichenden Aufklärung der Anleger ausgereicht haben sollte, gäbe dies zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Dass die Beklagte den Kläger in der gebotenen Deutlichkeit über dieses Risiko informiert hat, ist von ihr weder substantiiert dargetan worden noch sonst ersichtlich. Die Beklagte hat es zur Überzeugung des Senats vielmehr bewusst unterlassen, beim Vertrieb ihrer Aktien ihre - geschäftlich unerfahrenen - Anleger über die mit der ihnen angebotenen Anlageform verbundenen Risiken in der gebotenen Weise deutlich aufzuklären, um hierdurch Gelder für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zu gewinnen.

Dem Vorstand der Beklagten war - sofern er nicht bewusst die Augen vor dieser Erkenntnis verschloss - bekannt und er nahm in gleicher Weise billigend in Kauf, dass der auf "Mundzu-Mund-Propaganda" aufbauende Vertriebsweg ohne jede schriftliche Aufklärung über die mit der Anlage verbundenen Risiken keine ordnungsgemäße Aufklärung der Anleger gewährleistete. Sollte er die sich aus diesen Umständen ergebenden Schlüsse nicht gezogen haben, kann dies die Beklagte nicht von ihrer Haftung entlasten. Der Vorstand der Beklagten hätte dann in Kenntnis des erheblichen Risikopotenzials der Aktien der Beklagten seine ihm auch gegenüber den Anlegern obliegende Verantwortung bewusst nicht wahrgenommen und damit in gleicher Weise deren Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen.

Dass die beworbenen Anleger in Bezug auf die Risiken der Anlage besonders schutzbedürftig war, ergab sich für den Vorstand der Beklagten aus dem von ihm bewusst gewählten Vertriebsweg und der deswegen zu erwartenden besonderen Unerfahrenheit der Anleger in Bezug auf einer Anlage in nicht börsennotierte Aktien. Insoweit mussten sich der Beklagten bereits Zweifel aufdrängen, ob der angesprochene Personenkreis, die Zielgruppe türkischer bzw. türkischstämmiger Privatpersonen in Deutschland, der Charakter der Anlage als einer unternehmerischen Beteiligung und die damit verbundenen Risiken überhaupt bewusst waren. Dagegen spricht der Umstand, dass die Beklagte ihren Anlegern, was mit einer typischen unternehmerischen Beteiligung unvereinbar ist, uneingeschränkt die vollständige Rückzahlung des angelegten Betrags innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Kündigung der Anlage versprochen hat. Dies entnimmt der Senat zum einen den urkundlich verwerteten Bekundungen, die die Vermittler Ö bzw. S vor den Landgerichten Konstanz sowie Hamburg gemacht haben, als auch dem Rundschreiben des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten. Diesen ist zu entnehmen, dass die Beklagte die mit dem Vertrieb der Aktien befassten Personen auf Schulungsveranstaltungen entsprechend informiert und instruiert hat. Bestätigt wird dies durch das Rundschreiben des früheren Vorstandsvorsitzenden der Ko-Gruppe, des Herrn B, das der Kläger zur Akte gereicht hat. Darin heißt es u.a.:

"Wie Sie wissen mussten Gesellschafter, die von der Teilhaberschaft zurücktreten wollen, früher einen Monat vorher einen entsprechenden Antrag einreichen. Die Frist wurde im Interesse unserer Firma und unsere Gesellschafter auf drei Monate erhöht. Jedoch soll dies nicht missverstanden werden. ... Wir zahlen sofort. Dieser Zustand ist lediglich ein vorsorglicher. ... Trotzdem sage ich es. In dringenden Fällen erfolgt die Rückzahlung sofort."

Dass die Vermittler von Aktien der Beklagten sich so verhielten, wie der frühere Vorstandsvorsitzende der Ko-Gruppe, Herr B, es ihnen im Rahmen der Schulungsveranstaltungen vorgegeben hatte, den Anlegern also die Rücknahme der Anlage binnen drei Monaten versprach, ergibt sich auch aus einer Vielzahl anderer Verfahren die vor dem Senat anhängig sind sowie den von den Parteien, insbesondere dem Kläger, vorgelegten Entscheidungen aus Parallelverfahren. Entsprechende Äußerungen ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden stellt die Beklagte auch nicht ernstlich infrage.

Dadurch wurde das stets mit einer Investition in ein Unternehmen verbundene unternehmerische Risiko der Anleger strukturell verschleiert. Die Beklagte hat bei ihren Anlegern den Eindruck erweckt, dass sie sich nicht lediglich freiwillig und unverbindlich an der Suche nach einem Übernahmeinteressenten beteiligen werde, gegebenenfalls auch aus dem Kreis der Ko-Gruppe, sondern dass ein darauf gerichteter Rechtsanspruch bestehe und die kurzfristige Rückzahlung der Anlage auf jeden Fall gesichert sei. Diese die tatsächliche Risikolage bewusst verschleiernde Information hat sie im Wege von Schulungen und Informationsveranstaltungen verbreitet, wobei sie bewusst auf "Mundzu-Mund-Propaganda" durch "selbstständige" Vermittler und "freiwillige Helfer" zurückgegriffen hat. Diese Art der Marktinformation kennzeichnete das Vertriebsmodell der Beklagten und brachte das auf der Hand liegende, zur Überzeugung des Senats durch den Vorstand der Beklagten auch erkannte Risiko einer unzureichenden Aufklärung über die Risiken der Anlage mit sich, dass sich noch dadurch vergrößerte, dass die Beklagte eine schriftliche Information der potentiellen Anleger vermied.

Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die Beklagte im Kreise potentieller Anleger bewusst und ständig den Eindruck erweckte und durch "Mundzu-Mund-Propaganda" verstärkte, die von ihr verkauften Aktien könnten jederzeit unproblematisch gegen Rückzahlung des eingezahlten Betrags mit einer Frist von höchstens drei Monaten an sie zurückgegeben werden. Dies tat sie, um im Kreise türkischer bzw. türkischstämmiger Kleinanleger Beiträge einzuwerben, die in Kenntnis der wahren Zusammenhänge, insbesondere der Unsicherheit bei wirtschaftlich ungünstigen Entwicklungen, nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise investiert worden wären.

Es kommt bei dieser Sachlage nicht darauf an, ob das Anlagemodell als solches seriös und werthaltig war bzw. ob die Aktien den geforderten Preis wert waren. Die mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftete Pflichtverletzung ergibt sich aus der zielgerichteten Täuschung und Irreführung bezüglich der Anlagerisiken zu dem Zweck, die Anlageentscheidung im Interesse der Beklagten zu beeinflussen. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger durch den Vermittler entsprechend den Vorgaben der Beklagten informiert wurde oder ob er nach Erhalten gleich lautender Informationen bereits zum Kauf entschlossen war. Auch ein solcher Geschehenszusammenhang ändert nichts an der generellen Praxis, bei der die Beklagte in Kenntnis der vorhandenen Informationswege zum Zwecke der Ausbreitung im Markt unzutreffende, unzureichende bzw. irreführende Informationen verbreitete (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2012, I-9 U 90/11, a.a.O.).

dd) Aus den Umständen des Falls ergibt sich zur Überzeugung des Senats weiter, dass der Vorstand der Beklagten in Bezug auf die Schädigung der Anleger zumindest bedingt vorsätzlich handelte.

Dass die Nachfrage nach den Aktien und die Fähigkeit anderer Gesellschaften der Ko-Gruppe, zurückzugebende Beteiligungen gegebenenfalls selbst zu übernehmen, von der allgemeinen wirtschaftlichen und der spezifischen Unternehmensentwicklung abhängen würde, lag für die Verantwortlichen der Beklagten auf der Hand und kann von ihnen nicht verkannt worden sein, zumal es schon zuvor Wirtschaftskrisen in der Türkei gegeben hatte. Wenn unter diesen Umständen dennoch uneingeschränkt mit der angeblichen Rückgabemöglichkeit der Aktien geworben wurde, belegt dies, dass die Beklagte in Bedeutung dieses Umstands bewusst in Kauf nahm, dass die angeworbenen Anleger ihre Anlageentscheidung auf Fehlinformationen stützen würden und gegebenenfalls auch Nachteile erleiden würden. Die Hoffnung, dass es nicht zu Problemen kommen werde und auch künftig immer genügend Übernahmeinteressenten vorhanden sein würden, steht dem bedingten Schädigungsvorsatz nicht entgegen.

ee) Dem Kläger ist durch den Erwerb der Aktien jedenfalls ein Schaden in Höhe des hier geltend gemachten Betrags entstanden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Anleger bei gehöriger Aufklärung die verlustreichen Geschäfte nicht abgeschlossen hätte. Der Aufklärungspflichtige muss beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erworben hätte, weil er den richtigen Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2011, XI ZR 191/10, WM 2011, 925-928; BGH, Urteil vom 28.11.1983, II ZR 72/83, WM 1984, 221-222). Umstände, die dazu geeignet wären, diese Vermutung zu widerlegen, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten hinreichend dargetan worden.

Dass der Beklagten durch die im Jahr 1999 getätigten Aktienkäufe des Klägers jedenfalls umgerechnet 112.024,05 € zugeflossen sind, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Angaben des Klägers, denen die Beklagte nicht erheblich entgegengetreten ist. Dass dem Kläger schadensmindernde Vorteile etwa in Gestalt von Renditen zugeflossen sind, hat die Beklagte zwar pauschal behauptet. Sie hat jedoch nicht im Ansatz aufgezeigt, dass tatsächlich Ausschüttungen an den Kläger erfolgten. Dass die Erwirtschaftung von Erlösen aus der Rücknahme von Aktien vorliegend eine Rolle gespielt haben könnte, ist nicht zu ersehen.

3. Die vom Kläger erhobene Forderung ist auch nicht verjährt.

Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Ein etwaiger deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Klägers war zu diesem Zeitpunkt nicht verjährt. Daher traten an die Stelle des § 852 Abs. 1 Altern. 1 BGB a.F. gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB n.F. Für die Berechnung der Verjährungsfrist, zu der auch der Beginn des Laufs der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehört, ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB das neue Verjährungsrecht maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2011, XI ZR 373/08, WM, 1465-1471).

Dass der Kläger bereits in rechtsverjährter Zeit die Umstände kannte, die die Haftung der Beklagten wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung begründen, oder insoweit grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, ist von der Beklagten, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, weder substantiiert dargetan worden noch sonst ersichtlich.

4) Der Schadensersatzanspruch umfasst auch die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten, da dieser Aufwand als der Rechtsverfolgung dienlich anzusehen ist. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288, 291 BGB.

5) Die Beklagte befindet sich mit der Annahme der Zug um Zug gegen die Zahlung der Hauptforderung angebotenen, von ihr jedoch ebenso wie die Zahlung selbst abgelehnten Aktien im Gläubigerverzug (§§ 295, 298 BGB).

6) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 05.06.2013 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.