Hessisches LAG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 Sa 587/13
Fundstelle
openJur 2014, 9035
  • Rkr:

1.Eine bereits zuvor erfolgte schriftliche Geltendmachung wahrt nicht die Ausschlussfrist des § 70 Satz 1 BAT für nachher infolge einer Höhergruppierung aufgrund Übertragung höherwertiger Tätigkeiten entstehende Vergütungsansprüche.2.Es fehlen die Voraussetzungen für "denselben Sachverhalt" iSd. § 70 Satz 2 BAT, da nach einer Höhergruppierung von keiner unveränderten rechtlichen oder tatsächlichen Lage auszugehen ist.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2013 - Aktenzeichen 8 Ca 4803/12 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug allein noch über die Frage, ob Ansprüche des Klägers auf Zahlung weiterer Differenzvergütung wegen Altersdiskriminierung durch die Vergütung des BAT nach Lebensaltersstufen für die Zeit vom 1. Dezember 2008bis 31. Dezember 2009 verfallen sind.

Der 34-jährige (geboren  xxxxxxx ) Kläger steht als vollbeschäftigter Angestellter langjährig in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich bis zum 31. Dezember 2009 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1des zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 15.Dezember 2008 (Bl. 37 bis 39 d. A.) nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Der Kläger erhielt bis zum 30. November 2008 Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT unter Zugrundelegung seiner jeweiligen individuellen Lebensaltersstufe.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 (Bl. 36 d. A.) machte der Kläger gegenüber dem beklagten Land „Zahlung meiner Grundvergütung“ nach der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) geltend. In dem Schreiben heißt es wie folgt:

„Geltendmachung der Zahlung meiner Grundvergütung nach der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) gemäß § 27 BATSehr geehrte Damen und Herren,das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 11.09.2008 (Az: 20 Sa 2244/07) festgestellt, dass die vom Land Berlin vorgenommene Vergütung entsprechend der tariflichen Lebensaltersstufen eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Die unterschiedliche Vergütung auf der Grundlage des Lebensalters ist nach den Regelungen des europäischen Arbeitsrechts und den Regelungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) unzulässig. Den Beschäftigten erwächst daraus ein Anspruch, entsprechend der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) bezahlt zu werden. Ich beantrage deshalb mit Wirkung zum 01.11.2008 die Zahlung der Grundvergütung aus der jeweiligen Endstufe meiner Vergütungsgruppe zu zahlen und zwar:41. (in den Verg. Gruppe Vc)Ich darf Sie daher bitten, rückwirkend für sechs Monate meine monatliche Vergütung auf der Grundlage der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) entsprechend § 36 BATzu berechnen, die entsprechende Abrechnung auszuhändigen und den festgestellten Differenzbetrag auf mein Konto zu überweisen.Die regelmäßige monatliche Grundvergütung ist auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Bislang wird mir die Grundvergütung nach Lebensaltersstufe 29 = 29. Lebensjahr bezahlt.Mit steht die Endgrundvergütung meiner Vergütungsgruppe zu. Dies ist die Grundvergütung der Lebensaltersstufe nach vollendetem 41.Lebensjahr.Bestätigen Sie bitte den Eingang dieses Schreibens.Mit freundlichen Grüßen…“.Mit Wirkung zum 15. Dezember 2008 übertrug das beklagte Land dem Kläger eine höherwertige Tätigkeit. Im Schreiben des beklagten Landes an den Kläger vom 15. Dezember 2008 (Bl. 117 d. A.) heißt es hierzu:

„Eingruppierung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT)Übertragung höherwertiger Tätigkeiten Sehr geehrter Herr xxxx,ich freue mich Ihnen mitteilen zu können, dass Sie mit Wirkung vom 15. Dezember 2008 in die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 Teil IIAbschnitt L Unterabschnitt I der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert sind.Damit sind Ihnen ab diesem Zeitpunkt zu Ihren derzeitigen Tätigkeiten schwierige Aufgaben übertragen.Mit freundlichen Grüßen…“.Zugleich schlossen die Parteien in diesem Zusammenhang unter dem Datum des 15. Dezember 2008 einen neuen Arbeitsvertrag,hinsichtlich dessen nähere Einzelheiten auf Bl. 37 bis 39 d. A.verwiesen wird. Nach seiner Höhergruppierung erhielt der Kläger vom beklagten Land Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT unter Zugrundelegung seiner jeweiligen individuellen Lebensaltersstufe.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2012 (Bl. 4) kündigte das beklagte Land gegenüber dem Kläger unter Bezugnahme auf sein Geltendmachungsschreiben vom 29. Oktober 2008 unter Berücksichtigung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist des § 70BAT Nachzahlungen wegen „angenommener Diskriminierung des Vergütungssystems des § 27 Abschnitt A BAT“ für die Zeit vom 1. April 2008 bis 30. November 2008 an.

Mit seinem Schreiben vom 12. Juni 2012 (Bl. 5 und 6 d. A.)verlangte der Kläger vom beklagten Land Zahlung der Grundvergütung nach der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) auch für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2009, was das beklagte Land mit Antwortschreiben vom 19. September 2012 (Bl. 6 d.A.) ablehnte.

Mit seiner am 12. Dezember 2012 bei dem Arbeitsgericht Fulda eingegangenen und dem beklagten Land am 19. Dezember 2012 (Bl. 8 d.A.) zugestellten Klage hat der Kläger von dem beklagten Land für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2009 Zahlung eines - in der Höhe von dem beklagten Land nicht bestrittenen -Betrages in Höhe von € 5.889,58 brutto als Differenz zwischen der Vergütung seiner individuellen Lebensaltersstufe und der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe V b BATverlangt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe auch für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Dezember 2009 Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe seiner Vergütungsgruppe zu. Mit seinem Schreiben vom 29. Oktober 2008 habe er die Differenz zur jeweils höchsten Lebensaltersstufe nicht nur aus einer bestimmten Vergütungsgruppe sondern aus der jeweiligen Vergütungsgruppe geltend gemacht. Es handele sich trotz der Höhergruppierung um „denselben Sachverhalt“.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger rückständige Vergütung für die Zeit von Dezember 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von   € 5.889,58 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, der Anspruch des Klägers auf Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe V b BAT für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31.Dezember 2009 sei gemäß § 70 BAT verfallen. So ergebe weder der Wortlaut noch die Auslegung des Geltendmachungsschreibens des Klägers vom 29. Oktober 2008, dass auch eine Vergütung der Vergütungsgruppe V b BAT nach der Höhergruppierung des Klägers erfasst sein sollte. Weiter erfülle das Geltendmachungsschreiben vom 29. Oktober 2008 nicht die Voraussetzungen des § 70 Satz 1 BAT,da Vergütungsansprüche aus der Vergütungsgruppe V b BAT erst anschließend nach erfolgter Höhegruppierung überhaupt entstanden (und damit fällig geworden) seien. Schließlich erfordere eine Anwendung des § 70 Satz 2 BAT „denselben Sachverhalt“,der aufgrund Übertragung der höherwertigen Tätigkeit und damit verbundener Höhergruppierung des Klägers zum 15. Dezember 2008nicht gegeben sei. Es fehle insoweit ein ständig gleicher Grundtatbestand.

Das Arbeitsgericht Fulda hat mit einem am 10. April 2013verkündeten Urteil - 1 Ca 556/12 (Bl. 62 - 68 d. A.) - der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das beklagte Land schulde dem Kläger wegen Altersdiskriminierung durch die Vergütung des BAT nach Lebensaltersstufen für den Zeitraum 1. Dezember 2008bis 31. Dezember 2009 Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT aus der höchsten Lebensaltersstufe. Dieser Anspruch sei auch nicht verfallen, denn der Kläger habe ihn mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 unter Berücksichtigung von § 70 Satz 2 BAT wirksam geltend gemacht. Einer weiteren Geltendmachung habe es nicht bedurft, da der Kläger mit diesem Schreiben die Zahlung einer altersdiskriminierungsfreien Vergütung nach der Endstufe der Vergütungsgruppe gefordert habe. Durch die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit habe sich lediglich die tariflich vorgesehene Berechnungsgröße geändert. Hingegen habe sich die tatsächliche und rechtliche Lage in Bezug auf die Altersdiskriminierung durch die Vergütung des BAT nach Lebensaltersstufen nicht geändert, denn das anspruchsbegründende Prinzip sei auch infolge der Höhergruppierung unverändert geblieben. Es sei von einer durchgehenden Kontinuität auszugehen.

Das erstinstanzliche Urteil ist dem beklagten Land am 15. April 2013 (Bl. 70 d. A.) zugestellt worden. Die Berufung des beklagten Landes ist am 8. Mai 2013 (Bl. 71 ff. d. A.) und seine Berufungsbegründung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Juli 2013 (Bl. 85 d. A.) am 15. Juli 2013 (Bl. 86 ff.d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Das beklagte Land meint, die Ansprüche des Klägers seien jedenfalls gemäß § 70 BAT verfallen. Zunächst setze eine wirksame Geltendmachung im Sinne von § 70 Satz 1 und 2 BAT voraus, dass ein Anspruch überhaupt entstanden sei. Damit habe durch das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 29. Oktober 2008 keine Wahrung von Ansprüchen aus der höheren Vergütungsgruppe erfolgen können, da diese Ansprüche erst infolge der Höhergruppierung mit Wirkung zum 15. Dezember 2008 überhaupt entstanden seien. Weiterhin sei aufgrund des Wortlautes bzw. der gebotenen Auslegung des Schreibens des Klägers vom 29. Oktober 2008 keine Geltendmachung einer höheren Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe erfolgt.Schließlich liege aufgrund der Höhergruppierung des Klägers für die Zeit ab dem 15. Dezember 2008 auch nicht mehr derselbe Sachverhalt im Sinne des § 70 Satz 2 BAT vor.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 10. April 2013 - 1 Ca 556/12, zugestellt am 15. April 2013, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er meint, es handele sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, so dass die einmalige Geltendmachung nach § 70 Satz 2 BAT auch diesen Sachverhalt und damit die später entstehenden Ansprüche erfasse.Das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 29. Oktober 2008umfasse daher auch die nachfolgende Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT. Ohnehin werde allgemein die Auffassung vertreten, dass der Anspruch des Angestellten auf Vergütung entsprechend seiner Tätigkeit nicht der Ausschlussfrist nach § 70BAT unterliege; da sich diese aufgrund der Tarifautomatik entsprechend seiner Tätigkeit ergebe, müsse auch die pauschale Geltendmachung der jeweils höchsten Lebensaltersstufe auch für zukünftige Änderungen der Vergütungsgruppe aufgrund einer Änderung der Tätigkeit genügen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen vom 15. Juli 2013(Bl. 105 - 123 d. A.), 12. August 2013 (Bl. 136 und 137 d. A.) und 6. September 2013 (Bl. 142 - 145 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2013 (Bl. 147 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 10. April 2013 - 1 Ca 556/12 - ist gem.§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG als Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft und auch im Übrigen zulässig,insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

II.

In der Sache hat die Berufung auch Erfolg, weil sie begründet ist. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütungsdifferenzen wegen Altersdiskriminierung durch die Vergütung des BAT nach Lebensaltersstufen in Höhe von insgesamt € 5.889,58 brutto für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Dezember 2009 nicht zu.Dieser Anspruch ist verfallen, denn der Kläger hat die Ausschlussfrist des § 70 BAT nicht gewahrt. Dieses Entscheidungsergebnis beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), der aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, zuletzt in § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 15. Dezember 2008, bis zum 31.Dezember 2009 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, lautet in § 70 wie folgt:

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nicht anderes bestimmt ist.

Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.

2. Danach hat der Kläger seinen Klageanspruch auf Zahlung von Differenzvergütung für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31.Dezember 2009 nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 70 BATschriftlich geltend gemacht.

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern.Dies braucht zwar nicht wörtlich, muss jedoch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird (BAG, Urteil vom 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe, AP TVG §4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr.111). Die Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT setzt voraus,dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, das heißt der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so zu kennzeichnen,dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird.Deshalb müssen für den Arbeitgeber die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG, Urteil vom 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe mit weiteren Nachweisen, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4Ausschlussfristen Nr. 136).

b) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger gegenüber dem beklagten Land mit seinem Schreiben vom 29. Oktober 2008 entsprechend den genannten Anforderungen auch bereits seinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BATaus der höchsten Lebensaltersstufe geltend gemacht hat. Eine Wahrung der Ausschlussfrist des § 70 BAT scheitert bereits daran,dass der Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht entstanden war.

aa) Die Kammer folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es für die ordnungsgemäße Geltendmachung eines Anspruchs nach § 70 Satz 1 BAT nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs ankommt, sondern bereits entstandene Ansprüche auch schon vor ihrer Fälligkeit wirksam geltend gemacht werden können (So bspw. BAG, Urteil vom 16. Juni 2010 - 4 AZR924/08 - zitiert nach JURIS, Rz. 35). Das heißt, jedenfalls die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssen nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Fehlt es daran, liegt noch kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte. Auch ist das Verfallen eines Anspruchs, nämlich das Untergehen oder Erlöschen, vor seinem Entstehen nicht möglich (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 6AZR 539/02 - zitiert nach JURIS, Rz. 45). Zudem ist vor Entstehen eines Anspruchs ungewiss, ob, wann und in welchem Umfang der Arbeitgeber überhaupt zur Zahlung verpflichtet sein wird.Ausschlussfristen sollen zur raschen Klärung von Ansprüchen beitragen. Dieser Zweck kann nicht erfüllt werden, wenn Ansprüche vor ihrer Entstehung geltend gemacht werden und damit letztlich nur als möglich angekündigt werden (BAG, Urteil vom 22. Januar 2009- 6 AZR 5/08 - zitiert nach JURIS, Rz. 14).

(1) Vorliegend war zum Zeitpunkt des Schreibens vom 29. Oktober 2008 der Anspruch des Klägers gegen das beklagte Land auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT noch nicht entstanden. Dies geschah erst infolge der Höhergruppierung des Klägers nach Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit mit Wirkung ab dem 15. Dezember 2008.Erst danach waren die Anspruchsvoraussetzungen gegeben, damit der Kläger von dem beklagten Land für die Zeit ab 1. Dezember 2008 (§27 Abs. 3 Satz 1 BAT) Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BATverlangen konnte.

(2) Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 2013- Aktenzeichen 10 AZR 863/11. Zwar kann danach eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden. Allerdings soll dies - ausnahmsweise - nur dann in Betracht kommen, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist (BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - zitiert nach JURIS, Rz. 31).Voraussetzung ist, es liegt dem Streit ein „ständig gleicher Grundtatbestand“ zugrunde (BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - zitiert nach JURIS, Rz. 33 f.). Daran fehlt es hier. Der Kläger verlangt für die Zeit nach seiner Höhergruppierung infolge der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ab dem 1. Dezember 2008 Vergütungsdifferenzen unter Zugrundelegung der Vergütungsgruppe V b BAT höchste Lebensaltersstufe. Damit liegt ein „ständig gleicher Grundtatbestand“, wie er im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 2013 - Aktenzeichen 10 AZR 863/11 (a.a.O.) - vorausgesetzt wird, im Streitfall gerade nicht vor. Ansprüche auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT,wie sie der Kläger bis zum 30. November 2008 erhielt, und auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT, wie sie der Kläger nach seiner Höhergruppierung zum 15. Dezember 2008 seit dem 1. Dezember 2008 erhält, folgen nicht aus dem „ständig gleichen Grundtatbestand“.

(3) Entgegen der Ansicht des Klägers findet § 70 BAT Anwendung auf sämtliche Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber (Bredemeier/Neffke-Neffke, BAT/-O, 2. Aufl., § 70Rz. 2). Deshalb kann ein Arbeitnehmer ungeachtet der vom Kläger bemühten Tarifautomatik Vergütungsansprüche aus einer höheren Vergütungsgruppe, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit entspricht, auch nur für die Monate verlangen, für die er seine Ansprüche im Falle der Nichtleistung durch den Arbeitgeber unter Wahrung der Ausschlussfrist des § 70 BAT geltend gemacht hat.

bb) Entgegen seiner Ansicht kommt dem Kläger auch nicht Satz 2des § 70 BAT zugute.

(1) Diese Tarifnorm verlangt nur eine einmalige Geltendmachung von Ansprüchen „für denselben Sachverhalt“ und erstreckt deren fristwahrende Wirkung auch auf später fällig werdende Leistungen. Damit soll die Notwendigkeit einer wiederkehrenden Geltendmachung von Einzelforderungen ausgeschlossen werden, wenn der zugrundeliegende Anspruch schon geltend gemacht worden ist und der Sachverhalt sich nicht geändert hat. § 70 Satz 2BAT unterscheidet zwischen dem „Anspruch“, der geltend zu machen ist, und später fällig werdenden Leistungen, die nicht mehr geltend gemacht werden müssen. Anspruch und spätere Leistungen müssen durch „denselben Sachverhalt“ verknüpft sein.Ein solcher liegt nur vor, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind (BAG, Urteil vom 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 -zitiert nach JURIS, Rz. 29).

(2) Ungeachtet dessen, dass auch eine Geltendmachung im Sinne des § 70 Satz 2 BAT bereits entstandene Ansprüche voraussetzt (BAG, Urteile vom 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - zitiert nach JURIS, Rz. 17, und 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zitiert nach JURIS, Rz. 47), ist hier nicht „derselbe Sachverhalt“ gegeben. Bei der Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe V b BAT ist ein anderer Sachverhalt betroffen, da die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Schreibens vom 29. Oktober 2008 weder erfüllt noch Gegenstand des Schreibens waren (So für den Bewährungsaufstieg ausdrücklich BAG, Urteil vom 21. März 2012 -4 AZR 374/10 - zitiert nach JURIS, Rz. 55). Vielmehr handelt es sich bei der Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten an den Kläger um einen besonderen, von der Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen abhängigen Sachverhalt, der zur Höhergruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe V b BAT führte. Zu Recht hat das beklagte Land weiter darauf hingewiesen, dass dem Kläger infolge der Höhergruppierung ab dem 15. Dezember 2008 nur noch Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V b BAT übertragen werden dürfen und eine Zuweisung „unterwertiger“ Tätigkeiten der vormaligen Vergütungsgruppe V c BAT fortan ausgeschlossen ist. Auch daran zeigt sich, dass seitens des Klägers für die Zeit ab 1.Dezember 2008 gerade nicht bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage Ansprüche auf Zahlung restlicher Vergütung wegen Altersdiskriminierung durch die Vergütung des BAT nach Lebensaltersstufen hergeleitet werden; es fehlt der hierfür erforderliche ständig gleiche Grundtatbestand.

c) Hingegen konnte das Schreiben des Klägers vom 12. Juni 2012(Bl. 5 d. A.) die Ausschlussfrist des § 70 BAT nicht (mehr) wahren,da Ansprüche auf Zahlung von Differenzvergütung für die Monate Dezember 2008 bis einschließlich Dezember 2009 zu dieser Zeit bereits verfallen waren.

3. Die Berufung des beklagten Landes auf die von Amts zu beachtende Ausschlussfrist verstößt schließlich nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Zwar muss ein Schuldner unter Umständen den Anspruch trotz Verstreichens der Ausschlussfrist als bestehend hinnehmen, wenn er selbst durch sein Verhalten die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Gläubiger den Anspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat (BAG, Urteil vom 13.Dezember 2007 - 6 AZR 223/07 - zitiert nach JURIS, Rz. 31).Vorliegend ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das beklagte Land den Kläger zur Untätigkeit veranlasst hätte.

III.

Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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