AG Herne, Urteil vom 20.10.2010 - 20 C 535/08
Fundstelle
openJur 2014, 8811
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen, im Hinblick auf den Kläger zu 2) als unzulässig, im Hinblick auf die Klägerin zu 1) bezogen auf den Antrag zu 1) als unzulässig und im übrigen als unbegründet. Auf die Widerklage werden die Kläger zu 1) und zu 2) verurteilt, die längs der Grenze zwischen den Grundstücken ... und ... in ... errichtete Abgrenzung aus Leitplanken zu beseitigen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreites. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 115 % der beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,- € (Klage: 4.000,- €; Widerklage: 1.000,- €).

Tatbestand

D... Kl.. zu 1) und d... B sind Grundstücksnachbarinnen (... und ... in ...). Der Kläger zu 2) ist Nießbrauchsberechtigter.Auf oder an der Grundstücksgrenze befinden sich zur ... gehörige drei Garagenwände, nachdem Teile dieser Garagen abgerissen wurden und von denen die Kläger meinen, dass ein Überbau vorliege. Die erste Garage wurde zwischen 1953 und 1958 errichtet, die zweite Garage in der Mitte der sechziger Jahre, die dritte Garage noch vor der zweiten Garage.Die Parteien hatten sodann letztlich erfolglose Verhandlungen über eine Einfriedigung der Grundstücksgrenzen verhandelt, und die Kläger ließen dann auf ihrem Grundstück (bestritten; lt. Beklagter teilweise auf ihrem Grundstück) wenige cm von der Grenze entfernt eine rund 2 m hohe Leitplankenkonstruktion errichten.

Die Kläger meinen, die Beklagte könne sich nicht auf einen Vermessungsriss aus dem Jahre 1959 berufen, denn der sei überholt, vielmehr sei ein Vermessungsriss aus dem Jahre 1970 zu berücksichtigen, der eindeutig den Überbau der drei Garagen feststelle. Eine Mauer, die als Garagenwand genutzt würde, sei jedenfalls bis 1872 nicht vorhanden gewesen, vielmehr stamme sie aus der Zeit zwischen 1959 und 1970. 1872 habe es auf den Grundstücken keine Gebäude gegeben.Die errichtete Leitplankenkonstruktion sei als Grenzzaun ortsüblich und nicht zu beanstanden.

Die Kläger beantragen,

1. Festzustellen, dass hinsichtlich der drei Garagenwände auf dem Grundstück ..., Gemarkung..., Flur-, Flurstück ... eine Überbauung zu dem Nachbargrundstück ..., Gemarkung ..., Flur-, Flurstück ... vorliegt.

2. Festzustellen, dass die Klägerin zu1) im Bereich der überbauten Fundamente und der darauf überbauten Garagenwände 1 - 3 Eigentümerin ist, soweit sich die Überbauung auf dem Flurstück ..., Gemarkung ..., Flur-, Flurstück ... befindet.

3. Festzustellen, dass die Klägerin zu 1) Miteigentum an der zweiten und der dritten Garagenwand auf dem Grundstück ..., Gemarkung ..., Flur-, Flurstück ... erworben hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte,

die Kläger zu 1) und zu 2) zu verurteilen, die längs der Grenze zwischen den Grundstücken ... und ... in ... errichtete Abgrenzung aus Leitplanken zu beseitigen.

Die Kläger beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet einen Überbau, was sich auch aus dem Vermessungsriss des Jahres 1959 ergebe. Es sei eine aus der Mitte des 19. Jahrhundert stammende Mauer als Seitenwand genutzt worden. Jedenfalls belege eine Karte aus 1874, dass es Gebäude auf den Grundstücken gegeben habe.Mindestens sei aber der - bestrittene - Überbau zu dulden, weil weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hätten bei Errichtung der Bauten, das ergebe sich gerade aus dem Vermessungsriss von 1959.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es wird auf Bl. 229 - 249 der Akte verwiesen.

Gründe

Die Klage des Klägers zu 1) ist unzulässig.Der Kläger hat nämlich im Verhältnis zur Beklagten kein rechtliches Interesse an der Feststellung, wer ganz oder teilweise Eigentümer der verbliebenen Garagenwände ist, denn er ist jedenfalls kein Miteigentümer des Nachbargrundstückes.Für den Kläger zu 1) macht es rechtlich nicht den geringsten Unterschied, wem ganz oder teilweise die Garagenwände gehören, ein besonderes Feststellungsinteresse liegt nicht vor, denn es besteht keinerlei Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten.Es mag zwar der Kläger zu 1) ein Interesse daran haben, dass die Garagen abgerissen werden, weil etwa ein Anbau gefährdet wäre, diese Frage ist aber nicht Streitgegenstand.Der Klageantrag zu 1) der Klägerin zu 2) ist unzulässig.§ 256 ZPO beschränkt sich auf die Feststellung oder Nichtfeststellung eines Rechtsverhältnisses, die bloße "Feststellung" eines Überbaus beinhaltet allerdings kein Rechtsverhältnis, sondern allenfalls die "Feststellung" von Tatsachen. Sie unterliegen allerdings nicht dem § 256 ZPO.Die Frage, ob die Beklagte die Garagen abreißen lassen kann, wobei evtl. die Anbauten gefährdet werden, ist nicht Streitgegenstand; keiner der Kläger hat beantragt, der Beklagten einen etwaigen Abriss zu verbieten.Die Klageanträge Nr. 1. und Nr. 2 der Klägerin zu 2) sind unbegründet.Dem Antrag auf Feststellung von Eigentum und/oder Miteigentum an den drei Garagenwänden kann nicht entsprochen werden, weil die Klägerin zu 2) weder Eigentum noch Miteigentum durch einen Überbau erworben hat.

Zwar lässt sich - soweit dies ohne (unstreitige) Grenzsteine überhaupt noch festgestellt werden konnte - ein Überbau durch die Beklagte nicht ausschließen, allerdings ist nach dem gesamten Sachverhalt (incl. umfangreicher Unterlagen) davon auszugehen, dass dieser unterstellte Überbau nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte, § 912 Abs. 1 BGB.Damit ist und bleibt die Beklagte Eigentümerin der Garagenwände (vgl. Palandt/Bassenge, RdZiffer 2 zu § 912 BGB).Letztlich konnte nicht wirklich überzeugend geklärt werden, ob überhaupt ein Überbau vorliegt, sollte dies allerdings (wenn das denn ohne Grenzsteine überhaupt festgestellt werden könnte) vorliegen, kann der Beklagten oder ihrem Rechtsvorgänger im Hinblick auf die Errichtung der drei Garagen weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit angelastet werden.Abgesehen von der ersten Garage, die bereits stand konnte die Beklagte (oder Rechtsvorgänger) bei Errichtung der weiteren Garagen nur auf den Vermessungsriss aus 1959 zurückgreifen, derjenige von 1970 lag noch nicht vor.Dieser Vermessungsriss zeigt aber deutlich, dass man damals nicht von einem Überbau der seinerzeit vorhandenen Garagen ausging (Garage Nr. 1 und Nr. 3), so dass die Annahme, die Grundstücksgrenze werde beachtet bei der Verlängerung der ersten Garage, sich nicht als grob fahrlässig (erst recht nicht vorsätzlich) erweist. Vielmehr konnte sich die Beklagte oder ihr Rechtsvorgänger auf die Richtigkeit des Vermessungsrisses verlassen; es handelte sich ja immerhin um eine von einen Fachmann erstelle Arbeit und nicht um irgendeine beliebige Skizze von fragwürdiger Herkunft.Nachdem aber der Überbau zuvor ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit errichtet wurde, kann der spätere Vermessungsriss aus dem Jahre 1970 an der Rechtsfolge des § 912 BGB nichts mehr ändern.Welche Grenzangaben (verschiedene Vermessungsrisse, Sachverständigengutachten) letztlich richtig sind, kann daher dahinstehen.

Die Widerklage ist begründet.Die Beklagte hat gegen beide Kläger einen Anspruch auf Entfernung der auf dem klägerischen Grundstück installierten Leitplankenkonstruktion, § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 31 NachbarRGNRW.Bei ihr handelt es sich nicht um eine Grundstückseinfriedigung nach §§ 32 ff NachbarRGNRW, denn die Anlage befindet sich nicht auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze, sondern ausschließlich auf dem klägerischen Grundstück (§ 36 Abs. 1 NachbarRGNRW), wie sich dem eingeholten Sachverständigengutachten entnehmen lässt. Im übrigen ist den zahlreich überreichten Lichtbildern auch deutlich zu entnehmen, dass die "Einfriedigung" auch keineswegs ortsüblich in der Gegend der beiden Nachbargrundstücke ist, § 35 Abs. 1 NachbarRGNRW.Vorliegend ist allerdings - wie ausgeführt - nicht von einer Einfriedigung auszugehen, sondern von einer Aufschichtung oder sonstigen Anlage, § 31 NachbarRGNRW.Nach Angaben des Klägers zu 1) beträgt der Grenzabstand lediglich ein paar cm, das Gebilde wahrt den Mindestabstand von 50 cm zur Grenze nicht.Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Anlage zu dulden, und zwar auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben; letzteres wäre allenfalls dann der Fall, wenn das Gebilde ortsüblich wäre und das Bestehen auf einer genauen Errichtung auf der Grenze als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre.Die Anlage ist allerdings nicht im mindesten als ortsüblich zu bezeichnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Herne, 07.10.2010Amtsgericht...

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