OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2012 - 6 U 90/12
Fundstelle
openJur 2014, 8146
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.04.2012 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, die X, macht als Eigentümerin der Bundesautobahn A ... materielle Schadenersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, der mit einem LKW der Beklagten zu 2), der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, verursacht wurde.

Bei Kilometer ...#, Fahrtrichtung Münster, kollidierte am 13.07.2010 gegen 13.15 Uhr ein Sattelzug der Beklagten zu 2) zunächst mit einem weiteren Fahrzeug und sodann mit der rechten Schutzplanke und der dahinter stehenden Schallschutzwand. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach war zwischen den Parteien unstreitig. Die Instandsetzungsarbeiten, insbesondere die Reparatur der Lärmschutzwand, gab die Klägerin bei Drittfirmen in Auftrag, die dafür 6.990,42 €, 1.304,10 €, 6.193,44 €, 3.585,26 € und 78.656,86 €, jeweils inklusiv 19 % Umsatzsteuer, in Rechnung stellten. Auf sämtliche Forderungen der Klägerin zahlten die Beklagten zunächst 60.257,19 €, nach Rechtshängigkeit nochmals 16.269,53 €.

Mit der Klage hat die Klägerin die ihr entstandenen Schäden geltend gemacht und dazu behauptet, sie habe Eigenkosten für die unfallbedingten Säuberungs- und Absicherungsmaßnahmen am Unfalltag in Höhe von 1.197,03 € und für Vorbereitungstätigkeiten für die Instandsetzung in Höhe von 6.990,42 € gehabt. Durch den Unfall habe es Deckenschäden gegeben, die für 1.304,10 € brutto durch eine Drittfirma repariert worden seien. Auch die Sicherungsarbeiten an der Lärmschutzwand seien erforderlich gewesen. Diese hätte ebenfalls eine Drittfirma übernommen. Dafür habe diese 6.193,44 € brutto in Rechnung gestellt. Weitere Kosten in Höhe von 3.585,26 € brutto seien für Verkehrseinrichtungen einer Drittfirma angefallen, die auch nicht von der Klägerin durchgeführt worden seien. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten hätten die Schäden in voller Höhe und inklusive der Umsatzsteuer auszugleichen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe kein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 1) zu, da der Anwendungsbereich des § 115 VVG eng begrenzt und die Klägerin, die X, nicht schutzbedürftig sei. Die Klägerin könne die durch die Tätigkeit der Drittfirmen angefallene Umsatzsteuer ohnehin nicht geltend machen, da die Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen (2. AVVFStr) dies ausschließe. Die 2. AVVFStr habe Außenwirkung. Zudem sei hinsichtlich § 19 Abs. 3 dieser Verwaltungsvorschrift eine Selbstbindung der Klägerin eingetreten. Auch wegen eines Verstoßes gegen ihre Schadensminderungspflicht komme eine Zahlung der Umsatzsteuer nicht in Betracht. Der Klägerin sei angeboten worden, die Aufträge im Namen der vorsteuerabzugsberechtigten Beklagten zu 2) zu vergeben. Wäre dies geschehen, hätten diese die Umsatzsteuerforderung unmittelbar verrechnen können. Sie wäre nicht zu zahlen gewesen. Aufgrund des hohen Alters der Lärmschutzwand und der Schutzplanke sei auch ein erheblicher Zeitwertabzug vorzunehmen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteienvertreter übereinstimmend erklärt: "Wir streiten ausschließlich noch über die Frage, ob die Mehrwertsteuer zu erstatten ist, was die Fremdkosten anbelangt. Hinsichtlich der Eigenkosten befindet sich noch ein weiterer Betrag im Streit." Die Klägerin hat die Klage sodann in Höhe von 140,01 € zurückgenommen. Der Klägervertreter hat dazu weiter erklärt: "Dies entspricht dem Betrag, über den die Parteien hinsichtlich der Eigenleistungen noch streiten."

Das Landgericht hat sodann der Klage hinsichtlich des noch im Streit befindlichen Teils stattgegeben und die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner 21.285,38 € nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 1) gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu. Gem. § 249 BGB sei der Klägerin auch die an die Drittfirmen gezahlte Umsatzsteuer zu erstatten. Diese müsse sich die Umsatzsteuer nicht im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen. Auch ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB sei der Klägerin nicht vorzuwerfen. Es sei der Klägerin nicht zumutbar, sich auf das Angebot der Beklagten einzulassen. Das Wahlrecht des Geschädigten gem. § 249 BGB werde damit umgangen. Zudem bestünde die Gefahr einer Haftung gem. § 179 Abs. 1 BGB. Auch § 19 Abs. 3 der 2. AVVFStr stehe der Geltendmachung der Umsatzsteuer nicht entgegen. Die Norm habe ausschließlich verwaltungsinterne Bedeutung. Eine Selbstbindung mit der Folge eines subjektiven Rechts der Beklagten sei nicht eingetreten. Ein Abzug neu für alt komme ebenfalls nicht in Betracht.

Diese Entscheidung greifen die Beklagten mit ihrer Berufung an. Sie machen geltend:

Die Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert. Der Direktanspruch des § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG komme der BRD nicht zugute, da diese nicht schutzbedürftig sei. Es sei eine verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung des Anwendungsbereichs vorzunehmen.

Die für die Schadensbeseitigung angefallene Umsatzsteuer sei nicht zu erstatten. Zwar werde ein Vorteilsausgleich nicht geltend gemacht. Der Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer bestehe aber wegen der Schadensminderungspflicht der Klägerin gem. § 254 Abs. 2 BGB nicht. Der Klägerin sei angeboten worden, den Reparaturauftrag im Namen der vorsteuerabzugsberechtigten Beklagten zu 2) zu vergeben mit der Folge, dass keine Partei mit der Umsatzsteuer belastet worden wäre. Das Landgericht habe die Obliegenheit der Klägerin gem. § 254 BGB verkannt.

Hinsichtlich der Geltendmachung der Umsatzsteuer bestehe gem. § 19 Abs. 3 2. AVVFStr keine Vertretungsmacht des Landes. Zudem sei diese Norm unmittelbar auch zugunsten der Beklagten anwendbar, da sie Außenwirkung entfalte. Es bestehe eine Selbstbindung der Klägerin gem. Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Essen vom 05.04.2012 (Az. 8 O 278/11) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil mit weiteren Ausführungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagten gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG in der geltend gemachten Höhe zu.

Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach für den Verkehrsunfall vom 13.07.2010 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte zu 2) war Halterin des LKW, der das Eigentum der Klägerin beschädigt hat. Die Schädigung erfolgte auch bei dem Betrieb des Fahrzeugs. Haftungsbeschränkungen gem. §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG sind nicht ersichtlich.

In Höhe von 5.841,08 € ist die Klage schon deshalb begründet und ist die Berufung zurückzuweisen, weil der Forderung der Klägerin keine Einwände der Beklagten entgegenstehen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung erster Instanz übereinstimmend erklärt, nur noch über die zu ersetzende Umsatzsteuer aus den Rechnungen der Drittfirmen zu streiten. Diese haben der Klägerin insgesamt 81.285,78 € netto und 96.730,08 € brutto, also Umsatzsteuer in Höhe von 15.444,30 € in Rechnung gestellt. Da die Parteien die restlichen Forderungen und damit die diesen zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig gestellt haben, haben die Beklagten die Differenz zwischen verbliebener Klageforderung und in Rechnung gestellter Umsatzsteuer in Höhe von 5.841,08 € zu erstatten.

Aber auch den Umsatzsteueranteil aus der Klageforderung haben die Beklagten der Klägerin zu erstatten. Zu Recht hat das Landgericht der Klage auch insoweit stattgegeben.

1.

Dieser Anspruch steht der Klägerin gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auch unmittelbar gegen die Beklagte zu 1) zu. Die Klägerin ist "Dritte" im Sinne des § 115 VVG. Dritter ist jeder, der einen vom Schutzzweck der betreffenden Pflichtversicherung erfassten Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer hat, demnach jeder, der durch den Versicherungsfall einen dem Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung unterfallenden Anspruch erwirbt (BGHZ 44, 166; Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 115 Rn. 3). Dass die X, die hier einen Anspruch erworben hat, der dem Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung unterfällt, aus dem weit aufzufassenden Kreis der sog. Dritten auszuschließen sein könnte, ist nicht ersichtlich und wird in Rechtsprechung und Lehre nicht vertreten. Eine teleologische Reduktion, wie von den Beklagten gefordert, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht (BGH NJW 2004, 1468; BGH NJW-RR 2012, 163; BGH NJW 2012, 1951). Dies liefe auf eine Einzelfallprüfung im Rahmen jedes Schadensfalles hinaus, ob der mögliche Dritte schutzbedürftig ist oder nicht. Eine solche Einzelfallprüfung hat der Gesetzgeber bei der Anwendung von § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gerade nicht beabsichtigt.

Die Regelungen im Pflichtversicherungsgesetz stehen dieser Wertung nicht entgegen. § 2 PflVG zeigt nicht, dass die X nicht schutzbedürftig ist, sondern dass der Geschädigte eines besonderen Schutzes über die Haftpflichtversicherung nicht benötigt, da die X ausreichend liquide ist. Die Regelung in § 12 Abs. 1 S. 5 PflVG wurde durch den Gesetzgeber getroffen, da "der Entschädigungsfonds in erster Linie dem wirtschaftlich schwachen Geschädigten und damit dem Opferschutz dienen soll" (amtl. Begründung, BT-Drucks. 14/8770, S. 16; Feyock/Jacobsen/Lemor, KraftfahrV, 3. Aufl. 2009, § 12 PflVG Rn. 85). Der X Opferschutz zugutekommen zu lassen, liefe dem Sinn und Zweck des Opferschutzes zuwider. Zugleich besteht aber kein Anlass, die X im Rahmen des § 115 VVG ungleich zu behandeln.

2.

Die Klägerin ist auch nicht durch § 19 Abs. 3 2. AVVFStr gehindert, die Umsatzsteuer einzufordern. Verwaltungsvorschriften binden in der Regel nur die Verwaltung, nicht aber Dritte. Sie entfalten regelmäßig keine Außenwirkung (BVerfGE 78, 214; 80, 257; BVerwGE 34, 278; 44, 136). Eine normähnliche Wirkung entfalten Verwaltungsvorschriften nur, wenn sie in regelmäßige Verwaltungspraxis umgesetzt worden sind und sich die Behörden so wegen des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) selbst binden (BverfGE 116, 135). Auch in diesem Falle wird die Verwaltungsvorschrift aber nicht zu einer nach außen wirkenden Rechtsquelle. Vielmehr begründet Art 3 GG wegen der Verwaltungsübung einen rechtlichen Anspruch des Bürgers auf ein bestimmtes Behördenhandeln (BVerwG NJW 1972, 1483). Allerdings bleibt die Bindung der Behörde elastisch. Art 3 GG gestattet als bloßes Willkürverbot ein Abgehen von der Verwaltungspraxis in begründeten Einzelfällen oder die grundsätzliche Änderung eines bisherigen Verwaltungsbrauchs wegen neuer rechtlicher Erkenntnisse oder veränderter Umstände in der Zukunft (vgl BVerwGE 92, 153).

Eine Außenwirkung der 2. AVVFStr ist trotz ihrer unstreitigen Veröffentlichung nicht gegeben. Diese regelt die Verwaltung der Bundesfernstraßen grundsätzlich ohne unmittelbaren Bezug zu Dritten. Die entgegenstehende Behauptung der Beklagten wird nicht belegt. Das Bestreiten der Vertretungsmacht erfolgt in Blaue hinein. Die Veröffentlichung einer Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung alleine begründet keine Außenwirkung. Die Verwaltungsvorschrift wurde aber auch nicht in regelmäßige Verwaltungspraxis umgesetzt mit der Folge einer Bindung der Behörde. Dies haben die Beklagten bereits nicht ausreichend dargelegt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin gibt es eine tatsächliche ständige Übung, nach der Regelung des § 19 Abs. 3 2. AVVFStr zu verfahren, nicht. Obwohl Schäden des Bundes auf Autobahnen von der Beklagten zu 1) regelmäßig auszugleichen sein dürften, vermochte diese nichts Gegenteiliges zu belegen. In der Berufungsbegründung wird lediglich die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 2) habe einen Anspruch darauf, nicht anders als andere Haftpflichtige behandelt zu werden, bei denen das Land die Umsatzsteuer nicht einfordere. Dass dieses tatsächlich unterlassen wird, haben die Beklagten nicht dargelegt. Tatsächlich scheinen die Länder die über 56 Jahre alte Verwaltungsvorschrift nicht anzuwenden (so selbst Schwab, VersR 2012, 1229). Eine Selbstbindung ist dementsprechend nicht eingetreten.

3.

Die Ersatzpflicht in Höhe der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer scheitert schließlich nicht an einem Verstoß der Klägerin gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht. Die X ist gem. § 254 Abs. 2 BGB nicht gezwungen, das ihr gem. § 249 BGB zustehende Restitutions-Wahlrecht so auszuüben, wie die Beklagten es angeboten haben.

Gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB ist der Geschädigte im Interesse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden zu mindern. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde (BGH MDR 2011, 978; BGHZ 4, 170, 174; Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 254 Rn. 36). Handelt es sich dagegen um Maßnahmen, die dem Geschädigten zur Schadensminderung nicht zugemutet werden können, führt ihr Unterlassen nicht zum Mitverschulden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf nämlich ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGHZ 55, 329, 332 ff; BGHZ 161, 389, 396; Palandt, Vorbem v § 249 Rn. 70). Der danach gebotene Abgrenzungsmaßstab ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGHZ 4, 170, 176; Palandt, § 254 Rn. 36).

Die Klägerin musste nach diesen Vorgaben des Bundesgerichtshofs das Angebot der Beklagten nicht annehmen. Nach dem Ergebnis der umfassenden Interessenabwägung von Treu und Glauben (BGHZ 135, 333; Palandt, § 242 Rn. 5) ist der Klägerin dieses nicht zumutbar. Es würde die Geschädigte unangemessen be- und den Schädiger unangemessen entlasten.

Für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin könnte zwar sprechen, dass die unstreitig ausgelöste Umsatzsteuer faktisch von keiner Partei bezahlt werden müsste, da der Beklagten zu 2) aufgrund ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung eine Verrechnung möglich wäre. Dies könnte sich auch theoretisch günstig auf die von den Verbrauchern zu zahlenden Versicherungsbeiträge auswirken. Zudem müsste die X möglicherweise kein Vergabeverfahren durchführen und mit den Reparaturkosten nicht in Vorlage treten.

Diese für eine Verpflichtung zur Annahme des Angebots der Beklagten sprechenden Gründe überwiegen jedoch die entgegenstehenden nicht. Denn eine solche Verpflichtung liefe auf eine Beschränkung des Wahlrechts des Gläubigers auf Geltendmachung von Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB oder Geldersatz gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hinaus. Schon dem Wortlaut des § 249 BGB lässt sich eine Einschränkung des Wahlrechts nicht entnehmen. § 254 Abs. 2 BGB wird insoweit kein Vorrang gegenüber § 249 BGB eingeräumt.

Anderenfalls verlöre der Geschädigte weitgehend seine Rolle als Herr des Restitutionsgeschehens. Würde von der X als nicht vorsteuerabzugsberechtigter Gläubigerin verlangt, zur Umgehung der Umsatzsteuererstattung die Reparatur im Namen der vorsteuerabzugsberechtigten Schuldnerin in Auftrag zu geben, müsste man dies gem. Art. 3 GG von allen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Gläubigern verlangen können (vgl. Huber, NJW 2005, 952). Die Folge wäre, dass bei allen Schädigungen durch vorsteuerabzugsberechtigte Schuldner in Zukunft keine Umsatzsteuer mehr vereinnahmt würde. Dieses hat der Gesetzgeber weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich erreichen wollen.

Gleiches würde gelten, wenn der Geschädigte die Aufträge im Namen der Versicherung vergeben müsste, die stets vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. Huber, NJW 2005, 952). Hätte der Gesetzgeber eine solche Bevorzugung der Naturalrestitution gewollt, hätte er es in § 249 BGB und/oder dem Versicherungsvertragsgesetz geregelt.

Die Annahme einer Verletzung der Schadensminderungspflicht der Klägerin würde auch dem Sinn und Zweck der Vorsteuerabzugsberechtigung widersprechen, nach dem nur der Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet werden soll und der Unternehmer daher berechtigt ist, diese nur fiktiv abzurechnen. Im vorliegenden Fall ist die Schädigerin diejenige, die wie ein Endverbraucher die unstreitig entstandene Umsatzsteuerschuld zu begleichen hat (vgl. BGH NJW-RR 2009, 319).

Die Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB liegen auch deshalb nicht vor, weil der Vorschlag der Beklagten eine komplizierte juristische Konstruktion zur Folge hätte, die gleich mehrere Rechtsgeschäfte erfordern würde (Bevollmächtigung, Abtretung). Diese führten zu rechtlichen Unsicherheiten (z.B. § 179 BGB), denen wiederum mit Rechtsgeschäften (Verzicht, weitere Abtretung u.a.) begegnet werden müsste. Das Eingehen derartiger rechtlicher Risiken ist dem Geschädigten gem. § 254 Abs. 2 BGB nicht zumutbar. Hierdurch würde der Geschädigte unangemessen belastet.

Die Klägerin kann zudem nicht auf das Angebot der Beklagten verwiesen werden, da dies die Mitwirkung an steuerlichen Umgehungsgeschäften bedeuten würde. Eine solche Mitwirkung ist ihr gem. § 254 Abs. 2 BG nicht zumutbar. Diese würden zu hohen Steuerausfällen führen, die wiederum die Schädiger unangemessen entlasten würden, und dieses lediglich, weil sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Letztlich führte eine Pflicht zur Angebotsannahme auch zur Umgehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vorteilsausgleichung, nach der der X das Steueraufkommen nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon zusteht, auf welchen Vorgang das umsatzsteuerpflichtige Geschäft zurückzuführen ist (vgl. BGH NJW 2004, 3557).

Mangels Verstoßes der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht steht dieser der Anspruch gegen die Beklagten in voller Höhe zu.

Hinsichtlich der Zins- und sonstigen Nebenentscheidungen haben die Beklagten das erstinstanzliche Urteil nicht angegriffen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Unterlassen des Ausspruchs der Abwendungsbefugnis gem. § 711 ZPO wird wegen offenbarer Unrichtigkeit des Tenors berichtigt, § 319 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.