SG Konstanz, Urteil vom 17.12.2013 - S 8 EG 2317/13
Fundstelle
openJur 2014, 7716
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld.

Die im Jahr 19 ... geborene Klägerin ist Mutter des am ...2013 geborenen Kindes V. Die Klägerin lebt in Deutschland und arbeitete zuletzt vor der Geburt ihrer Tochter als Grenzgängerin in einer abhängigen Beschäftigung in der Schweiz. Sie war dabei über die schweizerische V. AG krankenversichert. Die Klägerin erhielt von der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich im Zeitraum vom 02.04.2013 bis 08.07.2013 eine Mutterschaftsentschädigung.

Mit Bescheid vom 27.06.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag Elterngeld in Höhe von 0 EUR (erster bis dritter Lebensmonat), in Höhe von 848,49 EUR (vierter Lebensmonat) und in Höhe von 1.095,96 EUR (fünfter bis zwölfter Lebensmonat). Bei der Elterngeldberechnung berücksichtigte die Beklagte eine dem Mutterschaftsgeld vergleichbare Leistung und kürzte insoweit das Elterngeld. Das elterngeldrelevante Einkommen vor der Geburt ermittelte die Beklagte aus den in der Schweiz erzielten Bruttoeinkünfte der Klägerin und zog hiervon einen Arbeitnehmerpauschbetrag, Steuern und Sozialabgaben ab. Für die Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung nahm die Beklagte pauschal neun Prozent der durchschnittlichen Monatseinkünfte.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass sie in Deutschland nicht versicherungspflichtig sei und somit als freiwillig oder privat krankenversichert gelte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dabei führte sie an, dass zur Ermittlung des Elterngeldes Abzüge für Steuern und Sozialabgaben in pauschalierter Form vorgenommen worden seien. Die tatsächlichen Abzüge seien unbeachtlich. Als Grenzgängerin mit einem Beschäftigungsverhältnis in der Schweiz sei sie dort krankenversicherungspflichtig. Diese Krankenversicherungspflicht sei einer Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 Sozialgesetzbuch (SGB) V gleichzustellen. Ebenfalls gleichzustellen sei ihre Versicherungspflicht in der schweizerischen Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Am 12.09.2013 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Sie führt an, dass ihre Krankenversicherung in der Schweiz einer privaten Krankenversicherung gleiche. Während des Elterngeldbezuges werde die Versicherung nicht beitragsfrei fortgeführt, d.h. sie müsse weiterhin die Prämien für die Versicherung bezahlen. Damit werde sie benachteiligt. Abzüge für Sozialabgaben erfolgten nur insoweit zu Recht, als eine Versicherungspflicht in dem jeweiligen Zeig der gesetzlichen Sozialversicherung oder einer vergleichbaren Einrichtung bestehe. Für freiwillig und privat Krankenversicherte erfolge kein Abzug. Grenzgänger, die insoweit nicht der deutschen Sozialversicherung unterlägen, könnten schon deshalb nicht mit den (deutschen) Pauschalen behandelt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, höheres Elterngeld zu gewähren, indem bei der Ermittlung des elterngeldrelevanten Einkommens keine Abzüge für eine Kranken- und Pflegeversicherung erfolgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben und ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) statthaft. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 27.06.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 13.08.2013, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Von den schweizerischen Einkünften aus Erwerbstätigkeit wurden von der Beklagten zutreffend auch eine Pauschale für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für den streitigen Zeitraum richtet sich nach den am 01.01.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vom 05.12.2006 (BGBl. I 2006, 2748) in der Fassung des ab 18.09.2012 gültigen Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (EGeldVereinfG) vom 10.09.2012 (BGBl. I 2012, 1878).

Die Klägerin erfüllt die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 BEEG. Insbesondere lebt sie mit ihrer Tochter in einem Haushalt und betreut und erzieht sie. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Ebenfalls unstreitig zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung der aus der Schweiz gezahlten Mutterschaftsentschädigung, die mit einer deutschen Mutterschaftsleistung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG) vergleichbar ist, auf das Elterngeld.

Für die hier allein streitige Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin sind §§ 2 ff. BEEG maßgebend. Nach § 2 Abs. 1 BEEG wird Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich dabei nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland zu versteuern sind. Die Berechnung der Abzüge für Sozialabgaben ergibt sich aus § 2f Abs. 1 BEEG. Danach sind als Abzüge für Sozialabgaben die Beträge für die gesetzliche Sozialversicherung oder für eine vergleichbare Einrichtung sowie für die Arbeitsförderung zu berücksichtigen. Die Abzüge für Sozialabgaben werden dabei einheitlich für die Einkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit anhand von Beitragssatzpauschalen ermittelt, wenn Versicherungspflicht bestand (§ 2f Abs. 1 Satz 2 BEEG). Für die Kranken- und Pflegeversicherung ist eine Beitragssatzpauschale in Höhe von neun Prozent vorgegeben, falls die berechtigte Person in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig gewesen ist (§ 2f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BEEG).

Da Elterngeld zu den Familienleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1j VO (EG) 883/2004 gehört (vgl. hierzu Vießmann/Merkel, Die europäische Koordinierung von Familienleistungen nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, NZS 2012, 572, 573), ist insoweit auch die Gleichstellungsregelung des Art. 5b VO (EG) 883/2004 anwendbar. Hat danach nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Die EG-Verordnung ist in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten ab dem 01.04.2012 anwendbar (vgl. revidierter Anhang II zum Freizügigkeitsabkommen vom 13.02.2012).

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass für die in Deutschland lebende und vor der Geburt ihres Kindes in der Schweiz arbeitende Klägerin zum einen Einkommen, das in der Schweiz versteuert wurde, nach Art. 5 VO (EG) 883/2004 im Inland versteuertem Einkommen gleichzustellen und damit insgesamt der Elterngeldberechnung zu unterwerfen ist. Zum anderen bedeutet die Sachverhaltsgleichstellung in der EG-Verordnung aber auch, dass für das in der Schweiz erzielte Einkommen bei einer dortigen Krankenversicherungspflicht auch pauschale Abzüge für Sozialabgaben im Bereich Kranken- und Pflegeversicherung stattzufinden haben. Dementsprechend geht der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung für die Neuregelung des § 2f BEEG von einer Anwendung der Beitragssatzpauschale für Einkommen aus, die in einem dem EU-Ausland gleichgestellten Staat einer Sozialabgabenpflicht unterliegen (vgl. BT-Drs. 17/9841 S. 26).

Die Klägerin unterlag als Grenzgängerin über ihre Erwerbstätigkeit in der Schweiz dort der Krankenversicherungspflicht. Neben den Personen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz haben (vgl. Art. 3 des schweizerischen Bundesgesetzes über die Krankenversicherung - KVG), sind nämlich dort seit dem Inkrafttreten der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union per 01.06.2002 auch EG-Staatsangehörige wie die Klägerin krankenversicherungspflichtig, wenn sie im EG-Raum wohnen, aber in der Schweiz erwerbstätig sind (vgl. Art. 11 Abs. 3a VO (EG) 883/2004). Von der Möglichkeit, sich von der obligatorischen Krankenversicherung in der Schweiz befreien zu lassen (vgl. Anhang XI Deutschland Nr. 2 zur VO (EG) 883/2004), hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Sie war im Bemessungszeitraum, d.h. im Jahr vor der Geburt ihres Kindes, bei einem schweizerischen Krankenversicherungsunternehmen krankenversichert. Dass dabei die Mitgliedschaft bei einer Krankenversicherung - anders als in Deutschland - nicht automatisch mit Beginn der Erwerbstätigkeit und den Arbeitgeber abgewickelt wird, sondern der Grenzgänger sich selbst um seinen (privaten) Versicherungsschutz kümmern muss, steht einer Krankenversicherungspflicht nicht entgegen.

Aufgrund der Krankenversicherungspflicht der Klägerin in der Schweiz anlässlich ihrer dortigen Erwerbstätigkeit, was einer Krankenversicherungspflicht in Deutschland nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entspricht, hat die Beklagte damit zu Recht pauschale Abzüge für Sozialabgaben von dem Einkommen berücksichtigt.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), wonach die Klägerin gegenüber in Deutschland Privatversicherten, die wie sie für die Zeit des Elterngeldbezuges zwar Krankenversicherungsbeiträge weiterzahlen müssten, jedoch die Beiträge dann nicht bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden dürften, benachteiligt wäre, konnte die Kammer in der Regelung nicht erkennen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nämlich nicht jede Differenzierung. Der Gesetzgeber hat gerade auch im Bereich des Elterngeldrechts einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2013, Az. B 10 EG 10/12 R m.w.N.).

Die vorliegende gesetzliche Regelung dient vor allem der Verwaltungsvereinfachung (vgl. BT-Drs. 17/9841 S. 26). Bei Bestehen einer Versicherungspflicht sollen bei allen Pflichtversicherten pauschale Beiträge vom Bemessungsentgelt abgezogen werden. So kann die Bemessungsgrundlage vereinfacht und unabhängig von der tatsächlichen Beitragshöhe ermittelt werden. Ein Abzug macht auch Sinn, da die Sozialversicherungsbeiträge - wie auch bei der Klägerin - das berücksichtigungsfähige Einkommen des Elterngeldberechtigten mindern, und das Elterngeld nur das frühere Nettoeinkommen ersetzen soll. Dass demgegenüber bei in Deutschland privat oder freiwillig Krankenversicherten die Krankenversicherungsbeiträge bei der Elterngeldberechnung nicht absetzbar sind, mag zwar leichte Ungereimtheiten aufwerfen (vgl. hierzu Röhl, jurisPR-SozR 1/2013 Anm. 4). Allerdings wirkt sich die Nichtberücksichtigung der Beitragszahlung nicht nur zugunsten dieses Versichertenkreises, sondern auch zu seinen Lasten aus. Denn die privat oder freiwillig Krankenversicherten dürfen die Krankenversicherungsbeiträge auch nicht zur Reduzierung des während des Elterngeldbezuges erzielten Einkommens heranziehen. Ein Überschreiten der Schwelle der Verfassungswidrigkeit aufgrund einer Ungleichbehandlung kann insoweit nicht gesehen werden.

Da im Übrigen weder Fehler bei der konkreten Elterngeldberechnung geltend gemacht wurden noch solche ersichtlich sind, war die Klage nach alledem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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