FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2013 - 5 K 2444/12
Fundstelle
openJur 2014, 7416
  • Rkr:
Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 15. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 wird dahingehend geändert, dass bei den sonstigen Einkünften des Klägers ein weiterer Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.095 EUR berücksichtigt wird, so dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften insgesamt mit 104.945 EUR anzusetzen sind. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Tatbestand

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als ... hauptsächlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die Klägerin befand sich in Elternzeit. Neben geringfügigen selbständigen Einkünften sowie Einkünften aus Kapitalvermögen hatte der Kläger zudem in erheblichem Umfang Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Der Kläger erwarb am 23. September 2008 für sein Depot bei der X-Bank 1.000 Anteilsscheine des mit der Wertpapierkennnummer (WKN) ABC versehenen Wertpapiers mit der Bezeichnung TURBOS O.END Z.. (D) zum Kurs von 10,07 EUR pro Anteilsschein. Der Anschaffungspreis betrug einschließlich einer Provisionsgebühr in Höhe von 25,18 EUR insgesamt 10.095,18 EUR (vgl. Abrechnung der X-Bank über den Kauf von Wertpapieren vom 23. September 2008, Bl. 178 Finanzgerichts-FG-Akte). Dabei handelte es sich um ein sog. Knock-Out-(KO)-Zertifikat Typ TurboShort auf den Basiswert der Z-Stammaktie. Der Basiswert der Stammaktie betrug zum Zeitpunkt des Erwerbs ca. 286 EUR. Das Zertifikat berechtigte den Kläger bei Einlösung einen Abrechnungsbetrag zu verlangen. Es war neben einer sog. Knock-Out-(KO)-Schwelle mit einer zuvor greifenden sog. Stopp-Loss-Schwelle versehen. Bei Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle endete nach den Vertragsbedingungen der Emittentin die Laufzeit des Zertifikats automatisch.

Der Kläger hatte vorher ein entsprechendes Angebot, bestehend aus den Endgültigen Angebotsbedingungen Nr. 20 ... der D für Open End Turbo Long bzw. Short-Optionsscheine mit Stopp-Loss-Level bezogen auf den Kurs von Aktien / Indizes / Edelmetallen / Future Kontrakten ... (vgl. Bl. 62 ff FG-Akte), einer tabellarischen Aufstellung der Werte der angebotenen Optionsscheine sowie den Optionsscheinbedingungen (vgl. Bl. 88 ff FG-Akte) erhalten. Hieraus ergaben sich auch die Angebotswerte des Zertifikats ABC (vgl. Tabelle 1 Angaben zu den Optionsscheinen, Bl. 84 ff FG-Akte; auf die wegen des weiteren Inhalts Bezug genommen wird).

Gemäß § 1 (1) der Optionsscheinbedingungen gewährte die D GmbH, Y, (die Emittentin) dem Inhaber von Open End Turbo Long- bzw. Short-Optionsscheinen mit Stopp-Loss-Level, bezogen auf den Basiswert (...) das Recht (das Optionsrecht), nach Maßgabe dieser Optionsscheinbedingungen die Zahlung des Abrechnungsbetrages gemäß § 2 (1) zu verlangen. Basiswert war dabei die in der Angebotstabelle 1 und 2 als Basiswert angegebene Aktie der angegebenen Gesellschaft. Der Abrechnungsbetrag entspricht nach § 2 (1), vorbehaltlich der Regelung des § 4a, dem Betrag, um den der Abrechnungskurs den jeweils gültigen Basiskurs am Bewertungstag überschreitet (bei Long-Optionsscheinen) bzw. unterschreitet (bei Short-Optionsscheinen), multipliziert mit dem Bezugsverhältnis am Bewertungstag. Der Abrechnungskurs entspricht dem Referenzkurs des Basiswerts am Bewertungstag (§ 2 (2) der Optionsscheinbedingungen). Gemäß § 4a der Bedingungen entspricht der Stopp-Loss-Level am in der Tabelle 1 angegebenen Bewertungsstichtag dem in der Tabelle 1 angegebenen Stopp-Loss-Level. Weiter heißt es: Sollte der Kurs des Basiswerts zu irgendeinem Zeitpunkt während der Laufzeit der Optionsscheine ...(auch intraday) den Stopp-Loss-Level erreichen oder unterschreiten (bei Long-Optionsscheinen) bzw. erreichen oder überschreiten (bei Short-Optionsscheinen), ist die Laufzeit der Optionsscheine automatisch beendet und das Optionsrecht gemäß § 1 erlischt automatisch, ohne dass es einer gesonderten Kündigung der Optionsscheine durch die Emittentin bedarf (Stopp-Loss-Ereignis). In diesem Fall entspricht der Abrechnungsbetrag dem von der Optionsstelle festgelegten, in EUR ausgedrückten bzw. gemäß diesem Absatz umgerechneten Stopp-Loss-Abrechnungsbetrag. Der Stopp-Loss-Abrechnungsbetrag entspricht mindestens der Differenz, um die der von der Optionsstelle ... bei Eintreten des Stopp-Loss-Ereignisses nach Maßgabe der nachstehenden Sätze festgelegte Kurs des Basiswerts (der Stopp-Loss-Kurs) den Basiskurs gegebenenfalls ... unterschreitet (bei Short-Optionsscheinen), multipliziert mit dem Bezugsverhältnis (...). Der Stopp-Loss-Kurs wird von der Optionsstelle (...) anhand der Kurse innerhalb eines Zeitraums von drei Handelsstunden nach Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses festgelegt, und zwar ... bei Short-Optionsscheinen anhand maximal des höchsten Kurses innerhalb dieses Zeitraums. ....

Die Laufzeit der Optionsscheine begann gemäß § 5 (4) der Bedingungen am 18. September 2008, wobei das Ende der Laufzeit noch nicht feststand. Gemäß § 6 (1) sind die von der Emittentin begebenen und in der Tabelle 1 mit einer Wertpapierkennnummer angegebenen Optionsscheine jeweils durch einen Dauer-Inhaber-Sammeloptionsschein (der Inhaber-Sammeloptionsschein) verbrieft. Effektive Optionsscheine wurden nicht ausgegeben, ein entsprechender Anspruch war ausgeschlossen.

In den Endgültigen Angebotsbedingungen Nr. 20 der D GmbH erläuterte die Emittentin die Wirkungsweise der von ihr ausgegebenen Zertifikate weiter dahingehend, dass es sich bei Turbo Long bzw. Short-Optionsscheinen mit Stopp-Loss-Level um Open End-Optionsscheine handelt, die ein Recht auf Zahlung eines Abrechnungsbetrages gewähren, dessen Höhe vom Wert des zugrunde gelegten Basiswerts am jeweiligen Bewertungsstichtag abhängt, vorbehaltlich der vorzeitigen Beendigung der Optionsscheine und des Erlöschens des Optionsrechts aufgrund des Erreichens bzw. Überschreitens (bei Short-Optionsscheinen) des Stopp-Loss-Levels während der Laufzeit (ggf. auch intraday). Für den Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses heißt es (vgl. Ziff. 5, Bl. 70 ff FG-Akte): ...Die Open End Turbo Long- bzw. Short-Optionsscheine sind zusätzlich mit einem Stopp-Loss-Level ausgestattet. Dies bedeutet, dass die Optionsrechte aus den Optionsscheinen bei Erreichen des Stop-Loss-Level (auch intraday) (das Stopp-Loss-Ereignis) automatisch verfallen, und der Optionsscheininhaber entsprechend dem Bezugsverhältnis einen Abrechnungsbetrag erhält, der dem Betrag aus der Differenz zwischen dem jeweils gültigen Basiskurs und dem Stopp-Loss-Abrechnungskurs entspricht. Die Anleger sollten beachten, dass die Anbieterin bis zum ersten Bankgeschäftstag nach Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses einen auf der Grundlage des Stopp-Loss-Abrechnungskurses errechneten Ankaufskurs für die Optionsscheine stellen wird. Dies ermöglicht dem Optionsscheininhaber entgegen der üblichen Überweisung des Stopp-Loss-Abrechnungsbetrages innerhalb von fünf Bankgeschäftstagen nach dem Bewertungstag eine Überweisung des Ankaufspreises innerhalb von zwei Bankgeschäftstagen nach Ausführung der Verkaufsorder. .... Für Optionsscheine mit Knock-Out-Level wies die Emittentin darauf hin, dass das Risiko eines wirtschaftlichen Totalverlustes bestehe, wenn der Kurs des Basiswerts während eines in den Optionsscheinbedingungen definierten Beobachtungszeitraums bzw. an definierten Beobachtungstagen eine bestimmte Kursschwelle verletzt (Knock-Out-Ereignis). Ein derartiges Knock-Out-Ereignis löse die vorzeitige Beendigung der Laufzeit der Optionsscheine ohne Zahlung eines Abrechnungsbetrages oder allenfalls eines geringen Abrechnungsbetrages aus (vgl. Ziff. 6, Bl. 72 FG-Akte).

Bereits am 7. Oktober 2008 stieg der Kurs der Z-Aktie nach einem Eröffnungskurs von 290,20 EUR auf 452,00 EUR, wobei der Abschlusskurs bei 287,00 EUR lag. Dabei wurden die Stop-Loss- und die KO-Schwelle des ABC-Zertifikats innerhalb kürzester Zeit überschritten. Es gelang dem Kläger nicht, das Zertifikat über die depotführende X-Bank zu veräußern. In der Folge wurde das Zertifikat ohne Endabrechnung aus dem Depot ausgebucht. Eine Auszahlung des Restwerts nach Auflösung durch den Emittenten erfolgte nicht. Auf der von der X-Bank für das Portfolio des Klägers erstellten Umsatzliste für den Zeitraum 7. Oktober bis 31. Oktober 2008 erscheint das Zertifikat ABC auf den Schlusstag 27. Oktober 2008 zu einem Kurs von 0,0 mit einem Wert von 0,00 EUR und ist mit der Bemerkung Tausch versehen.

Die Emittentin des Wertpapiers ABC, die französische D teilte dem Kläger per E-Mail am 9. September 2009 mit: Der Open End Turbo mit der WKN ABC ist am 7.10.2008 ausgeknocked und hatte einen Restwert von 0,00 EUR. Außerdem äußerte sich die X-Bank dem Kläger gegenüber über den Vorgang am 10. Dezember 2009 folgendermaßen:

 ... Am 27. Oktober 2008 waren die 1.000 Optionsscheine D GmbH TurboS O.End Z.. (WKN ABC) endfällig. Ein Verkauf der Optionsscheine konnte nur bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Leider wurde die Rücknahme dieser Scheine nach erfolgtem Knock-Out bis zur Endfälligkeit zu einem Wert von 0,001 Euro/ Stück nicht angeboten, was eine steuerliche Geltendmachung von Spekulationsverlusten erschwert. Da keine Veräußerung des Optionsscheins stattgefunden hat, wird dieser Umsatz nicht als Privates Veräußerungsgeschäft in Ihrer Jahresbescheinigung 2008 aufgeführt. Für die vorgenannte Optionsscheinposition können wir Ihnen bestätigen, dass eine wertlose Ausbuchung am 27. Oktober 2008 erfolgte. ...

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 105.064 EUR. In einer dazu gereichten Anlage listete er in tabellarischer Form sämtliche Veräußerungsvorgänge unter Angabe der jeweiligen Wertpapierkennnummer und des Wertpapiertyps auf. Danach handelte es sich überwiegend um sog. KO-Zertifikate. Die Summe der aufgrund der einzelnen Zertifikate erzielten Gewinne und Verluste ergab 104.945 EUR. In einer weiteren, ausführlichen Erläuterung seiner Angaben (vgl. Bl. 37 Einkommensteuer-ESt-Akte) gab der Kläger zunächst an, dass die Laufzeit aller angegebenen Wertpapiergeschäfte weit unter zwölf Monaten gelegen habe, weshalb er auf die Angabe der Kauf- und Verkaufsdaten verzichtet hätte. Einzig für das streitgegenständliche Zertifikat ABC gab der Kläger neben dem verursachten Verlust in Höhe von 10.095,18 EUR als Datum des Kaufs den 23. September 2008 an und trug in der Spalte für die Angabe des Verkaufsdatums KO 7.10. ein. Außerdem erläuterte er den Ablauf des streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfts näher.

Der Beklagte berücksichtigte den Verlust aus dem Wertpapiergeschäft ABC nicht. Er ging im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 15. Januar 2010 stattdessen von sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 114.879 EUR aus und legte nach Verrechnung mit Verlustvorträgen in Höhe von 79.841 EUR positive Einkünfte in Höhe von 35.038 EUR der Besteuerung zugrunde. Der hiergegen am 14. Februar 2010 eingelegte Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 ohne Erfolg.

Mit der dagegen am 19. Oktober 2010 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, das Zertifikat habe auch primär keinen nennenswerten Restwert mehr gehabt, da der deletäre Kursanstieg der Z-Aktie den Markt in diesen Tagen in Chaos versetzt habe. Mangels wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit habe er (der Kläger) daher im Oktober 2008 letztlich darauf verzichtet, einen formalen Verkauf des Wertpapiers an den Emittenten zu einem symbolischen Rücknahmepreis von z.B. 0,001 EUR pro Anteilsschein zu erzwingen. Nach der Ausbuchung zum Restwert 0 EUR sei ihm aus diesem Wertpapiergeschäft ein Komplettverlust in Höhe von 10.095,18 EUR entstanden. Bei dem Wertpapier ABC handele es sich um ein Knock-Out-Zertifikat aus der Gruppe der Hebelprodukte (Turbo), mit Stop-Loss-Level und unbegrenzter Laufzeit (open end) auf den Basiswert Z Stammaktie (WKN 123..). Es sei vom Emittenten so gestaltet worden, dass bei Erreichen der Kursschwelle 386,32 EUR durch den Basiswert der innere Wert des Zertifikats völlig aufgebraucht sei und dann das KO-Ereignis zum Restwert Null eintreten würde. Um einen solchen Totalverlust zu vermeiden, habe das Papier eine inhärente Stop-Loss-Schwelle bei 367,00 EUR aufgewiesen. Sobald der Basiswert diese Schwelle berühre, werde das Zertifikat fällig gestellt und zum Restwert ausbezahlt. Es sei also mit dem Kauf des Zertifikats zeitgleich eine implizite Stop-Loss-Verkaufsorder basierend auf dem Kurs des Basiswertes gesetzt worden. Die KO-Schwelle stelle dabei eine rein rechnerische Größe dar. Der Eintritt eines Totalverlusts durch Reißen der KO-Schwelle sei bei normalen Marktbedingungen ein eher theoretisches Risiko, könne aber bei erratischen Kursbewegungen, wie vorliegend geschehen, eintreten. Entgegen der Auffassung des Beklagten reiche es aus, wenn das einst angeschaffte Wirtschaftsgut irreversibel aus der Verfügungsgewalt des Steuerpflichtigen entfernt werde, im vorliegenden Fall durch die Ausbuchung aus dem Wertpapierdepot. So würden auch im Rahmen des durch Art. 1 des UntStRefG vom 14. August 2007 eingeführten weiten Veräußerungsbegriffs des § 20 Abs. 2 EStG Veräußerungssurrogate wie u.a. Einlösung, Rückzahlung, Abtretung und verdeckte Einlage als Veräußerung behandelt. Soweit der Beklagte auf den Veräußerungspreis abstelle, sei nicht ersichtlich, warum dieser nicht auch mit 0 EUR angesetzt werden könne, zumal dann, wenn sich durch diesen Preis sogar ein wirtschaftlicher Vorteil für den Veräußernden realisiere (Differenzgeschäft). Der Vorteil für die Abgabe eines Wirtschaftsguts könne durchaus auch im Verzicht auf weitergehende Forderungen, z.B. aus der Auflösung des Absicherungs-Differenzgeschäfts, bestehen. Allein der Umstand, dass die depotführende Bank die Ausbuchung nicht als (erzwungenen) Verkauf behandelt habe, könne nicht maßgeblich sein. Außerdem habe er (der Kläger) einen aktiven Verkauf des effektiven Wertpapiers zum Restwert angestrebt. Es könne ihm nicht zugemutet werden, wirtschaftlich sinnlosen Aufwand zu betreiben, nur um einen Verkaufsbeleg über einen minimalen Erlös in den Händen halten zu können. Der BFH habe nunmehr in seiner Entscheidung vom 26. September 2012 IX R 50/09 anerkannt, dass das Gesetz vom Steuerpflichtigen kein wirtschaftlich sinnloses Verhalten verlange, sondern ihn nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit besteuere. Ausgehend von der Formulierung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sei davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Wertpapier als Termingeschäft i.S.d. Satzes 1 einzustufen sei. Das Basisgeschäft sei durchgeführt worden, nämlich durch Feststellung eines Stopp-Loss Ereignisses und der daraus zwingend folgenden Berechnung des Restwerts des KO-Zertifikats (basierend auf der Glattstellung der Kontrahentengeschäfte bzw. der Basiswert-Kursentwicklung innerhalb einer drei-Stunden-Frist) durch die Emittentin. Zwar habe die Restwertermittlung den Wert Null ergeben, das Basisgeschäft sei aber dennoch ausgeübt worden. Es habe sich um einen aktiven Vorgang seitens der Emittentin gehandelt, der in den Emissionsbedingungen so festgeschrieben worden sei. Den Entscheidungen des BFH vom 19. Dezember 2007 (IX R 11/06) und vom 9. Oktober 2008 (IX R 69/07) habe hingegen ein passiver Vorgang zugrunde gelegen. Im Gegensatz zu Optionen, die typischerweise ohne Zutun des Inhabers verfielen, wenn die Ausübung des zugrundliegenden Differenzgeschäfts wirtschaftlich sinnlos geworden sei, bestehe diese Möglichkeit des Nichtstuns bei KO-Zertifikaten mit Stopp-Loss-Schwelle gar nicht. Zur Endfälligkeit des Zertifikats, entweder durch KO oder durch Laufzeitende, sei zwingend die Berechnung und Erstattung des Restwerts vorgesehen. Ein Vorteil bestehe schließlich auch im Verzicht auf eine Nachschusszahlung seitens des Emittenten, wenn der rechnerische innere Wert des Zertifikats nach dem Stopp-Loss-Ereignis negativ gewesen sei. Optionsscheine seien dadurch charakterisiert, dass sie neben ihrem inneren Wert noch einen Zeitwert aufweisen. Der Zeitwert verbleibe auch, wenn ein Optionsschein aus dem Geld sei, und bewege sich mit zunehmendem Näherrücken des Ausübungstermins gegen Null. Der Verfall komme also langsam und vorhersehbar, so dass dem Optionsscheininhaber genügend Zeit verbleibe, den Verkauf bzw. die Glattstellung des Kontraktes zu erreichen und somit einen geldlichen Vorteil im Sinne des Gesetzes zu erlangen. Der (innere) Wert des Knock-Out-Zertifikats bestehe ganz transparent nahezu ausschließlich aus der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs des Basiswertes und der KO-Schwelle. Der Inhaber habe daher bis zum nominellen Laufzeitende eben nicht die Chance auf eine werthaltige Auflösung des zugrundeliegenden Differenzgeschäfts. Stattdessen sinke der innere Wert des KO-Zertifikats bei Eintritt des KO-Ereignisses abrupt auf Null. Dementsprechend werde das Wertpapier auch nicht wie im Falle von Termingeschäften mit der Erwartung einer positiven Entwicklung des Basiswertes zum Erfüllungstermin, sondern als Spekulationsobjekt mit Verlustbegrenzung eingesetzt. Statt des kapitalintensiven Direktinvestments in den Basiswert investiere der Anleger nur einen Betrag X in das KO-Zertifikat. Der Maximalverlust sei im Gegensatz zum Direktinvestment von vornherein auf den Betrag X begrenzt. Es handele es sich um Wertpapiere in Form von Schuldverschreibungen bzw. Anleihen. Offensichtlich habe dies der Gesetzgeber auch so gesehen und in der Neufassung des § 20 EStG durch Art. 1 des UntStRefG vom 14. August 2007 Erträge aus spekulativen Zertifikaten in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erfasst. Typisches Beispiel für einen Vorteil bei Termingeschäften sei die Lieferung des Basiswerts zum vereinbarten Basispreis bei Kontrakterfüllung, wobei der Vorteil in der Differenz zwischen dem gezahlten Basispreis und dem zwischenzeitlich gestiegenen börslichen Preis liege. Nichts anderes passiere bei der Beendigung des vorliegenden KO-Kontraktes zum Rückzahlungspreis von 0 EUR, denn der innere Wert sei eigentlich bereits negativ gewesen. Ein negativer Restwert im Sinne einer Nachschusspflicht sei vertraglich ausgeschlossen gewesen. Zu beachten sei ferner, dass die Ausübung des Basisgeschäfts mittels Durchführung der Restwertberechnung durch den Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses veranlasst werde, also noch während der Laufzeit des Zertifikats bei einem über Null liegenden inneren Wert und zeitlich vor dem Eintritt des Knock-Out-Ereignisses. Die Ausübung des Basisgeschäftes erfolge daher unabhängig vom Knock-Out-Ereignis. Im Gegensatz zu klassischen Termingeschäften könnten Derivate daher wie hier nach der Emission ausschließlich nur durch aktive Veräußerungsprozesse beendet werden, und zwar durch Kündigung seitens des Emittenten, durch Verkauf seitens des Anlegers oder durch Feststellung der Endfälligkeit bei Verletzung des Stopp-Loss-Levels. Der Vorgang sei schließlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass er (der Kläger) im Streitjahr mehr als 200 Kauf- und Verkaufsaufträge mit Derivaten, also KO-Zertifikaten und Optionsscheinen, getätigt habe, deren Laufzeit überwiegend kürzer als ein Jahr gewesen sei. Die auf diese Weise erfolgte Generierung von steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen aus Knock-Out-Zertifikaten sei untrennbar mit der Inkaufnahme des Knock-Out-Risikos bei allen Geschäften verbunden gewesen. Es bestehe insoweit ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung von KO-Zertifikaten und dem nicht wirksam gewordenen Aufwand für den Erwerb eines anderen, im Risikoprofil aber äquivalenten Knock-Out-Zertifikats. Soweit der Verlustausgleich verwehrt werde, liege ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor. Außerdem leuchte nicht ein, dass ein Verlust aus einem KO-Ereignis eines mit einem Stopp-Loss-Mechanismus versehenen gehebelten (Aktien-) Investments anders bewertet werde als ein Verlust aus einem ungehebelten Aktien-Direktinvestment gleicher Laufzeit nach Ausübung der Stopp-Loss-Order. Er verweise im Übrigen auf die in der Anlage zur Klagebegründungsschrift auszugsweise dargestellten Ausführungen der Internetpräsenz der D (Bl. 50 ff FG-Akte) sowie auf die ebenfalls auszugsweise vorgelegten Endgültigen Angebotsbedingungen Nr. 20 der D GmbH (Emittentin). Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Kläger wird im Übrigen auf die Schriftsätze vom 29. Dezember 2010 (Bl. 23 ff FG-Akte), vom 1. November 2012 (Bl. 139 FG-Akte) und vom 17. Mai 2013 (Bl. 162 ff FG-Akte) sowie die von den Klägern vorgelegten Unterlagen ausdrücklich Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 15. Januar 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 dahingehend zu ändern, dass ein (weiterer) Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.095,18 EUR anerkannt wird.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des BFH, wonach sog. Knock-Out-Zertifikate nicht unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG subsumiert werden könnten, jedenfalls dann nicht, wenn, wenn sie lediglich verfallen seien. Außerdem verweist er auf das zum Urteil des BFH vom 29. September 2012 IX R 50/09 ergangene BMF-Schreiben vom 27. März 2013 (BStBl. I 2013, 403).

Aufgrund Beschlusses vom 10. März 2011 ruhte das Verfahren auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten im Hinblick auf ein beim Bundesfinanzhof anhängiges Beschwerdeverfahren. Mit Verfügung vom 20. Juli 2012 wurde das Verfahren unter dem nunmehr angegebenen Aktenzeichen wiederaufgenommen (vgl. Bl. 132 ff FG-Akte).

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte hat den von den Klägern geltend gemachten Verlust in Höhe von 10.095,18 EUR im Zusammenhang mit dem KO-Zertifikat Typ TurboShort auf die Z-Stammaktie mit der WKN ABC zu Unrecht außer Ansatz gelassen.

Der Vorgang ist nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung steuerbar. Denn er gilt als ein Termingeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG a. F., durch das der Kläger einen Differenzausgleich oder einen durch einen Wert einer veränderlichen Größe bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Da zwischen dem Erwerb des Zertifikats und der Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr lag, ist das Geschäft steuerbar und steuerpflichtig.

1.) Das streitgegenständliche KO-Zertifikat stellt ein Zertifikat dar, das Aktien vertritt, und gilt daher als Termingeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 EStG.

a) Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung unterliegen private Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt, als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 2 EStG) der Besteuerung. Gleiches gilt gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG für Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Schließlich gelten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne des Satzes 1.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG bezieht sich insoweit auf die in § 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) als Derivate und Optionsscheine definierten Finanztermingeschäfte. Als Derivate bestimmt das Gesetz auch als Optionsscheine ausgestaltete Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von bestimmten Basiswerten abhängt. Im Übrigen unterscheidet das WpHG Wertpapiere (wie verbriefte Rechte, Zertifikate, die Aktien ersetzen, Genussscheine und Optionsscheine) von Derivaten und behandelt alle Optionen als Finanztermingeschäfte und damit gleich. Hiernach fallen Optionen, die keine Wertpapiere sind, unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG und solche, die als Optionsscheine Wertpapiere sind, unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (vgl. Urteil des BFH vom 17. April 2007 IX R 40/06, BStBl II 2007, 608). Nach dem gleichen Prinzip erfasst die Norm nach ihrem klaren Wortlaut Zertifikate, unabhängig davon, ob sie die Voraussetzungen eines Termingeschäftes erfüllen, jedoch nur solche Zertifikate, die Aktien vertreten (vgl. Beschluss des BFH vom 24. April 2012 IX B 154/10, BStBl II 2012, 454). Darunter versteht man Finanzinstrumente, die wirtschaftlich an die Stelle der unmittelbaren Beteiligung am Grundkapital der Aktiengesellschaft treten (vgl. BFH-Beschluss vom 24. April 2012 IX B 154/10, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).

b) Unter Anwendung dieser Maßstäbe fällt das vom Kläger erworbene KO-Zertifikat unter § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, denn es vertritt Aktien.

Knock-Outs sind als spezielle Terminkontrakte anzusehen, die mit begrenzter und unbegrenzter Laufzeit angeboten werden. Wegen der Hebelwirkung partizipiert der Anleger wertmäßig überproportional an der Entwicklung des Basiswerts, weil statt dem Aktienpreis ein wesentlich geringerer Einsatz für den Erwerb des Zertifikats aufgewendet werden muss (vgl. Beschluss des BFH vom 24. April 2012 IX B 154/10, a.a.O.). Der Streitfall unterscheidet sich von dem der Entscheidung des BFH vom 24. April 2012 IX B 154/10 zugrundeliegenden Sachverhalt, der ein Knock-Out-Zertifikat auf den Goldpreisindex betraf. Das vom Kläger erworbene KO-Zertifikat bezieht sich auf die Z-Stammaktie, die eine Beteiligung am Grundkapital der Aktiengesellschaft vermitteln würde. Aufgrund des Zertifikats kann der Kläger vertragsgemäß zu bestimmten definierten Terminen bzw. Ereignissen einen Abrechnungsbetrag erlangen, der sich am Referenzkurs des Basiswerts Z-Aktie orientiert (vgl. § 2 der Optionsscheinbedingungen der D). Damit tritt das Zertifikat wirtschaftlich an die Stelle der Aktie. Der Kläger partizipiert mittelbar - je nachdem, ob er auf steigende oder fallende Kurse gesetzt hat - an der Entwicklung des Aktienkurses des Basiswertes Z-Aktie. Der Wert des Hebelprodukts steigt oder fällt, je nachdem wie der Basiswerts fällt oder steigt.

Soweit das vorliegende Geschäft bereits von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfasst wird, kann dahinstehen, ob es (auch) ein Termingeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG darstellt. Es gilt jedenfalls als Termingeschäft im Sinne von Nr. 4 Satz 1. Es spricht jedoch einiges für die Auffassung des Hessischen Finanzgerichts im Beschluss vom 22. Oktober 2010 8 V 1268/10 (EFG 2011, 448), wonach ausgehend vom gesetzgeberischen Willen alle Geschäfte zu erfassen sind, die ein Recht auf Zahlung eines Geldbetrages oder auf einen sonstigen Vorteil einräumen, der sich nach anderen Bezugsgrößen richtet. Das trifft auch auf das vorliegende Geschäft in Form einer Inhaberschuldverschreibung zu. Auch im Schrifttum wird die Position des Inhabers des Knock-Out-Zertifikats mit derjenigen aus einem Finanztermingeschäft vergleichbar angesehen (vgl. Kube in Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, Rz. 10 zu § 23; BFH-Beschluss vom 24. April 2012 IX B 154/10, a.a.O; mit weiteren Nachweisen). Hiervon muss wohl auch der Beklagte selbst ausgegangen sein, denn er hat den - positiven - Saldo einer Reihe von sog. Knock-Out-Geschäften des Klägers (vgl. Liste des Klägers Bl. 31 ff ESt-Akte 2008), augenscheinlich ohne nähere Prüfung, der Besteuerung unterworfen. Nur das vorliegende Geschäft hat er ausgeschieden.

2.) Der Kläger hat aus dem nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerbaren und steuerpflichtigen Geschäft einen Verlust in Höhe von 10.095,18 EUR erlitten.

a) Gewinn oder Verlust bei einem Termingeschäft nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ist der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Werbungskosten (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG). Die Bedeutung der Vorschrift liegt neben dem Verzicht auf die Tatbestandsmerkmale Wirtschaftsgut und Veräußerung in der Konstituierung der Beendigung des Rechts als Realisierungsmoment (vgl. Urteil des BFH vom 17. April 2007 IX R 40/06, BStBl. II 2007, 1075; Urteil des BFH vom 26. September 2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231).

Das Recht wird beendet, wenn es zu einem Differenzausgleich führt. Den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt (nur), wer durch die Beendigung des erworbenen Rechts tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt. Die Vorschrift erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen (vgl. Urteil des BFH vom 26. September 2012 IX R 50/09, a.a.O.). Kommt es wie bei Derivatgeschäften üblicherweise nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Geschäft durch einen Barausgleich beendet. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG (so jetzt ausdrücklich BFH-Urteil v. 26. September 2012 IX R 50/09, BStBl. II 2013, 231).

Auf der Basis der vertraglichen Vereinbarungen stellte im Streitfall der bereits bei Erwerb des KO-Zertifikats in Form der Stopp-Loss-Order gegenüber der Emittentin erteilte Verkaufsauftrag den Barausgleich im o.g. Sinne und damit den Differenzausgleich im Sinne von § 23 EStG dar. Denn der Kläger hatte auch und gerade im Falle des Erreichens der sog. Stopp-Loss-Schwelle einen Anspruch auf Abrechnung des Geschäftes. Durch den Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses wurde die Laufzeit des Zertifikats zwar automatisch beendet, das Zertifikat verfiel aber nicht zwingend als wertlos. Im Unterschied zu dem im Verfahren IX B 154/10 zu beurteilenden KO-Zertifikat war vorliegend das Stopp-Loss-Ereignis dem sog. KO vorgeschaltet. Für diesen Fall ist vertraglich eine Abrechnung, d.h. die Gewährung eines Differenzausgleichs, zum dem nach den Emissionsbedingungen zu ermittelndem Restwert vorgesehen. Nach den zugrundeliegenden vertraglichen Bestimmungen war der Abrechnungsmodus grundsätzlich der Gleiche, wie im Falle einer planmäßigen Einlösung (vgl. § 2 und §4a der Optionsscheinbedingungen). Der Abrechnungsbetrag entspricht dem Betrag, um den der Abrechnungskurs den jeweils gültigen Basiskurs unterschreitet, multipliziert mit dem Bezugsverhältnis. Während bei planmäßiger Einlösung der Abrechnungskurs sich aus dem Referenzkurs des Basiswertes ermittelt, wird dieser bei Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses auf den höchsten Kurs des Basiswerts innerhalb von drei Handelsstunden nach Eintritt des Stopp-Loss-Ereignisses festgelegt. D.h. infolge des stark gesunkenen inneren Werts des Papiers (gesetzt war ja auf die gegenteilige Entwicklung des Basiswerts) fällt der abzurechnende Wert wesentlich niedriger aus bzw. tendiert gegen Null. Der Fall stellt sich damit nicht so dar, dass der Kläger von seinem Recht auf Durchführung der Abrechnung keinen Gebrauch gemacht hat, sondern die Abrechnung hat einen Wert von 0 bzw. gar einen negativen Wert ergeben. Dies erklärt sich vorliegend aus dem Umstand, dass innerhalb kurzer Zeit nicht nur die Stopp-Loss-Schwelle erreicht wurde, sondern auch die KO-Schwelle, so dass der Abrechnungskurs negativ gewesen sein dürfte. Dies bestätigte die Emittentin im Übrigen in ihrer E-Mail-Antwort an den Kläger am 9. September 2009.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, es sei ihm (technisch) nicht möglich gewesen, das Zertifikat bei der Emittentin (noch) einzulösen, so betrifft dies nicht die Abrechnung im vorgenannten Sinne. Vielmehr hatte die Emittentin ausweislich Ziffer 5 der Endgültigen Optionsscheinbedingungen in Aussicht gestellt, im Falle des Eintritts des Stopp-Loss-Ereignisses, einen auf der Grundlage des Stopp-Loss-Abrechnungskurses errechneten Ankaufskurs für die Optionsscheine zu stellen. Dies ermöglichte dem Anleger, statt der Überweisung des Abrechnungsbetrages eine Verkaufsorder auszuführen, das Zertifikat also trotz Erreichen der Stopp-Loss-Schwelle einzulösen. Hintergrund dessen ist offensichtlich, dass der Abrechnungsvorgang sich dann nach außen als ein normaler Veräußerungsvorgang darstellt und als solcher bescheinigt werden kann (vgl. Mitteilung der depotführenden X-Bank an den Kläger vom 10. Dezember 2009). Es handelt sich aber lediglich um eine Alternative zu der in jedem Fall vorgesehenen Abrechnung des Zertifikats. Dies setzt voraus, dass noch ein Wert darstellbar ist, zu dem das Zertifikat angekauft werden kann, was nicht der Fall, wenn der Wert bereits 0 beträgt oder negativ ist.

b) Aus dem Umstand, dass weder ein Ankauf durch die Emittentin stattfand, noch ein Barausgleich zugunsten des Klägers ermittelt wurde, folgt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass kein Differenzausgleich im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG stattgefunden hat.

Das Gesetz erfasst nämlich nicht nur die positive Differenz, sondern auch folgerichtig eine negative Differenz als Verlust. Vorteil im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist daher auch der Nachteil, soweit er auf dem Basisgeschäft beruht (vgl. Urteil des BFH vom 26. September 2012 IX R 50/09, a.a.O.). Nichts anderes liegt dem streitgegenständlichen Vorgang zugrunde, soweit das KO-Zertifikat mit einem Restwert von 0 ausgebucht worden ist. Denn der Ermittlung dieses Restwerts liegt die vertraglich vereinbarte Abrechnung zugrunde, bei der die in Bezug genommene Referenzgröße des Basiswerts ausschlaggebend war. Danach ergab sich nach den Wertverhältnissen des - hier lediglich in Bezug genommenen - Basisgeschäfts, dass das Zertifikat keinen darstellbaren Wert mehr hatte bzw. negativ abwich. Der Vorgang ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als die Nichtausübung einer Option zur Vermeidung einer negativen Differenz und damit der Realisierung eines (höheren) Verlustes. Der BFH hat in seiner Entscheidung IX R 50/09 nunmehr klargestellt, dass auch die negative Differenz oder ein Nachteil im Rahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerbar ist (Urteil des BFH vom 26. September 2012, a.a.O.). Wird also das Recht auf Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil dadurch beendet, dass ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird, stellt dies nach der insoweit fortentwickelten Rechtsprechung des BFH einen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbaren Vorgang dar.

Nichts anderes kann gelten, wenn - wie im Streitfall - der negative Differenzausgleich schon vertraglich ausgeschlossen ist. Der Kläger war vorliegend nicht gehalten, zur Vermeidung eines negativen Differenzausgleichs sein Recht auf Differenzausgleich nicht auszuüben. Der negative Differenzausgleich war bereits aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des Geschäfts ausgeschlossen worden. Nach dem vereinbarten Abrechnungsmodus war klar, dass kein negativer Wert in Rechnung gestellt werden würde. Eine Ausgleichspflicht des Klägers im Hinblick auf einen negativen Differenzbetrag bestand nicht.

3.) Die Kosten hat gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- der Beklagte zu tragen.