LAG Hamm, Urteil vom 10.12.2013 - 9 Sa 689/13
Fundstelle
openJur 2014, 7205
  • Rkr:

1. In eine Namensliste eines Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG dürfen ausschließlich Arbeitnehmer aufgenommen werden, die aus der eigenen Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zu Grunde liegenden Betriebsänderung zu kündigen sind. Werden andere, etwa zum freiwilligen Ausscheiden bereite Arbeitnehmer aufgenommen, entfallen die Vermutungswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG.

2. Umstände wie die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit anderen, an sich schutzwürdigeren und auf der Namensliste genannten Arbeitnehmer sind für die Kausalität eines Fehlers bei der Sozialauswahl dann beachtlich, wenn sie bereits bei dem Ausspruch der Kündigung vorlagen. Eine auf einen anderen Stichtag vorverlagerte Prüfung ist insoweit unzulässig. Denn der Arbeitgeber ist nicht zu irgendeiner Sozialauswahl, sondern zu einer solchen zum maßgeblichen Zeitpunkt und unter Zugrundelegung der zu diesem bestehenden, tatsächlichen Verhältnisse verpflichtet. Dagegen spricht nicht, dass die Berechnung von Alter und Betriebszugehörigkeit zur Erstellung der Auswahlliste zu einen festen Stichtag zulässig ist (BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 443/05 - NZA 2007, 197, 203 Rn. 59). Dieser Gesichtspunkt trägt lediglich für die Feststellung der Sozialdaten Alter und Betriebszugehörigkeit zu einem Stichtag.

3. Für andere Sozialdaten als das Alter und die Betriebszugehörigkeit ist nicht auf einen Stichtag, sondern auf den Zeitpunkt der Kündigung abzustellen. Die von den faktisch notwendigen Abläufen der Sozialauswahl im Verfahren des Interessenausgleichs mit einer Namensliste und der Betriebsratsanhörung vor der Kündigung nahegelegte Vorverlegung der Ermittlung des Alters und der Betriebszugehörigkeit kann zumindest hinsichtlich des Familienstandes und der Unterhaltspflichten den an sich maßgeblichen Zeitpunkt des Standes dieser Daten, nämlich den Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung, nicht weiter verändern, als diese vorhergehenden Abläufe es erfordern und auch nur soweit die Grundsätze der Sozialauswahl nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Sonst würde entgegen § 1 Abs. 3 KSchG die Sozialauswahl letztlich zeitlich und auch inhaltlich von der Kündigung entkoppelt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 07.05.2013, Az. 5 Ca 2573/12, wird zurückgewiesen.

Der Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferer-Industrie. Sie unterhält in Deutschland zwei Produktionsstätten, eine in P mit zuletzt ca. 270 Arbeitnehmern und eine in I mit zuletzt 351 Arbeitnehmern. Für jedes der Werke amtiert ein Betriebsrat, ein Gesamtbetriebsrat wurde eingerichtet.

Der 1967 geborene Kläger ist geschieden und seit dem 12.09.2011 mit einer anderen Ehefrau neu verheiratet, die mit dem gemeinsamen, am 27.09.2012 geborenen Kind B bis in das Jahr 2013 noch in der Türkei wohnte. Ein Kinderfreibetrag ist auf seiner Lohnsteuerkarte für seine bei ihm lebende Tochter S eingetragen. Außerdem sind dem Kläger jeweils 0,5 Freibeträge für die beiden bei seiner geschiedenen Ehefrau wohnenden Kinder N und N1 steuerrechtlich zugeordnet.

Der Kläger wurde von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ab dem 15.10.1988 für den gewerblichen Bereich eingestellt und in deren Werk in P eingesetzt, u. a. als Verpacker in der Lackieranlage und zuletzt im Bereich "Fertigung Stabilisatoren - Endfertigung" bei einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E04A. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein - Westfalen Anwendung. Der Kläger erzielte einen durchschnittlichen Monatsverdienst in Höhe von 3.320,00 € brutto.

Am 19.09.2012 schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens einen Interessenausgleich nebst Namensliste ab, durch Spruch der Einigungsstelle wurde ein Sozialplan nebst Ergänzungsvereinbarung geschaffen. Der Kläger ist in der das Werk P betreffenden Namensliste unter der Personalnummer 12345 nebst Geburtsdatum und der Angabe "Fert. Stabis - Endfertigung" namentlich genannt.

Der Interessenausgleich sieht unter § 3 die Reduzierung des Personalbestandes bei der Beklagten um 179 Arbeitnehmer vor, davon 114 am Standort I und 65 am Standort P.

§ 5 des Interessenausgleichs lautet u.a.:

§ 5

Sozialauswahl

Bei der Durchführung wird unterschieden zwischen Beschäftigten in direkten und indirekten Bereichen. In beiden Bereichen wird eine Sozialauswahl innerhalb von Altersgruppen nach den folgenden Kriterien durchgeführt:

Betriebszugehörigkeit

je Dienstjahr

1 Punkt

ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr

2 Punkte

bis max. zum 55. Lebensjahr

d.h. maximal 70 Punkte

Lebensalter

für jedes volle Lebensjahr

1 Punkt

Unterhaltspflichten

je unterhaltsberechtigtem Kind

4 Punkte

verheiratet

8 Punkte

Schwerbehinderung

bis 50 %

5 Punkte

über 50 % je 10 %

1 Punkt

Die Altersgruppen werden wie folgt gebildet: bis zu 24 Jahre, 25-34 Jahre, 35-44 Jahre, 45-54 Jahre, 55-64 Jahre und ab 65 Jahre.

Für die Betriebe besonders Qualifizierte, auf deren Know How nicht verzichtet werden kann, ohne die Geschäftsabläufe in besonderem Umfang zu gefährden, werden sodann gemeinsam festgelegt.

Für die betroffenenBeschäftigten der indirekten Bereiche wird im Anschluss an die Sozialauswahl eine Namensliste im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG erstellt, die diesem Interessenausgleich als Anlage beigefügt wird.

Am 20.09.2012 vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat eine Ergänzungsvereinbarung zum Interessenausgleich. Diese lautet u.a.:

1. Die im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen sollen nach Abschluss des Sanierungstarifvertrages beginnen und spätestens bis zum 30.09.2013 umgesetzt sein.

2.In § 5 Abs. 4 des Interessenausgleichs vom 19.09.2012 ("Sozialauswahl") liegt ein redaktioneller Fehler vor. Es muss richtig wie folgt lauten:

Für die betroffenen Beschäftigten wird im Anschluss an die Sozialauswahl eine Namensliste im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG erstellt, die diesem Interessenausgleich als Anlage beigefügt wird."

Es entfallen die Worte "der indirekten Bereiche".

3...

4.Der Interessenausgleich dient zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats im Sinne des § 17 KSchG

Der in Ziffer 1. der Ergänzungsvereinbarung erwähnte Sanierungstarifvertrag wurde am 22.10.2012 geschlossen.

Die Beklagte unterrichtete den Betriebsrat für das Werk P mit dem am selben Tage zugegangenem Schreiben vom 16.11.2012 und einer Begründung in dessen Anlage (Blatt 87 bis 90 d. A.) über ihre Absicht, gegenüber dem Kläger - u. a. mit den Angaben "Familienstand: ledig" und "Kinder lt. Steuerkarte: 1" - eine ordentliche Kündigung mit einer Frist von 7 Monaten zum 30.06.2013 auszusprechen.

Auf der Lohnabrechnung der Beklagten für den Kläger befindet sich in der Rubrik "Kinderfreibeträge" der Eintrag 1,0; die daneben befindliche Rubrik "Kinder" ist nicht ausgefüllt.

Das Anhörungsschreiben vom 16.11.2012 (Blatt 88 bis 90 d. A.) an den Betriebsrat enthält weiter u. a. die folgenden Ausführungen:

"... Eine der Organisationsänderungen betrifft den Bereich "Fertigung Stabilisatoren Endfertigung". Dort waren zuletzt 79 Mitarbeiter eingesetzt. Als eine der Organisationsmaßnahmen wurde entschieden, die Tätigkeiten in diesem Bereich spätestens zum 30.06.2013 an die geringeren Auslastungsziele anzupassen. Diese Neuausrichtung begründet spätestens zu diesem Zeitpunkt den Wegfall von 25 Arbeitsplätzen. ...

Im Rahmen der Verhandlungen des Interessenausgleichs einschließlich der Namensliste haben wir uns über die Anforderungsprofile der zukünftigen Arbeitsplätze verständigt und unter Berücksichtigung der jeweiligen Einsetzbarkeiten eine Sozialauswahl vorgenommen. Bei dieser wurden Altersgruppen gebildet, um eine ausgewogene Personalstruktur zu wahren. Die vorliegenden Kündigungen ergeben sich insbesondere daraus, dass ...

- Frau L, Herr P1 und Herr T in ihrer Altersgruppe ("35 bis 44 Jahre") mit der Entgeltgruppe E04A zu kündigen ist. ..."

In der durch den Vorsitzenden E des Betriebsrats P unterzeichneten Stellungnahme vom 22.11.2012 (Blatt 87 d. A.) heißt es: "Zur Kenntnis genommen".

Bereits am 21.11.2012 hatte die Arbeitsagentur Hagen einen Bescheid (Blatt 91 d. A.) erlassen, gemäß dem die am 05.10.2012 eingegangene Massenentlassungsanzeige vom 05.10.2012 (Blatt 109 bis 112 d. A.) am selben Tage wirksam geworden sei und der Ablauf der Sperrfrist auf den 05.11.2012 festgesetzt wurde.

Mit dem am 29.11.2012 übergebenen Schreiben vom 27.11.2012 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis "ordentlich zum nächst zulässigen Zeitpunkt", dem 30.06.2013. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 06.12.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 04.12.2012, in der die Beklagte sogleich aufgefordert worden ist, die Gründe einer etwa durchgeführten Sozialauswahl mitzuteilen. Außerdem verlangt der Kläger seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei sozialwidrig und nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Der Interessenausgleich vom 19.09.2012 mit Namensliste könne bereits deshalb keine Vermutungsgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG bilden, weil er mit dem nicht zuständigen Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden und außerdem nicht formgerecht zustande gekommen sei. Ein Formverstoß ergebe sich jedenfalls aus § 112 Abs. 3 Satz 3 BetrVG, wonach der in der Einigungsstelle abgeschlossene Interessenausgleich nicht nur von den Betriebsparteien, sondern zwingend auch von der Vorsitzenden der Einigungsstelle hätte unterschrieben werden müssen. Selbst wenn aber der Interessenausgleich die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung begründen könnte, wäre diese Vermutung dadurch widerlegt, dass die Beklagte zur gleichen Zeit die auslaufenden befristeten Arbeitsverträge mindestens der 10 in seinem Schriftsatz vom 13.03.2013 auf Seite 3 (Blatt 119 d. A.) unter I. genannten Mitarbeiter in der Produktion entfristet habe.

Im Übrigen sei die durchgeführte Sozialauswahl grob fehlerhaft. Die Betriebsparteien hätten den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zu eng gezogen, weil der Kläger an verschiedenen Arbeitsplätzen in mehreren Werken der Beklagten und nicht nur in der Endfertigung tätig gewesen sei, so auch als Funker, in der Vorfertigung, Teilfertigung, Vergütung und im Versand. Deshalb habe die Beklagte mit der Angabe der Sozialdaten von nur 12 Mitarbeitern der Abteilung "Fertigung Stabilisatoren Endfertigung", welche in die Entgeltgruppe E04A eingruppiert waren, ihre Auskunftspflicht aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG nicht erfüllt. Bereits aus diesem Grunde sei seine Behauptung, die Beklagte habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt, als unstreitig anzusehen. Es komme hinzu, dass bei der Sozialauswahl fälschlicherweise die Unterhaltspflichten nur für zwei Kinder, nicht aber die für seine geschiedene und diejenige für seine jetzige Ehefrau sowie für seine beiden weiteren Kinder berücksichtigt worden seien. Anknüpfungspunkt für die im Rahmen der Sozialauswahl maßgeblichen Unterhaltspflichten müssten aber die tatsächlich bestehenden und fest absehbaren Unterhaltsverpflichtungen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sein, während die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte dafür nur einen wichtigen ersten Anhaltspunkt bieten würden. Nach dem Punkteschema in § 5 des Interessenausleichs hätte er dann 45 Punkte für sein Lebensalter, 38 Punkte für die 24-jährige Betriebszugehörigkeit, 8 Punkte für den Familienstand "verheiratet" und 16 Punkte für seine 4 Kinder, mithin insgesamt 107 Sozialpunkte erhalten müssen. Damit sei er zumindest sozial schutzbedürftiger als der nicht gekündigte Mitarbeiter N2, mit dem ihn die Beklagte nach der Tabelle in ihrem Schriftsatz vom 13.02.2013 auf Seite 2 (Blatt 106 d. A.) selbst für vergleichbar halte. Auch soweit die Beklagte von einer altersgruppenübergreifenden Sozialauswahl abgewichen sei, rücke er bei den insgesamt 4 in seiner Altersgruppe befindlichen und im Schriftsatz der Beklagten vom 13.02.2013 auf Seite 3 oben (Blatt 107 d. A.) aufgelisteten Arbeitnehmern mit 107 Sozialpunkten auf die letzte Stelle, so dass dann nicht ihm zu kündigen gewesen sei. Ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung des unmittelbar mit ihm vergleichbaren, aber deutlich weniger schutzbedürftigen Kollegen V liege nicht vor. Weil bezüglich der angeblichen Schlüsselposition dieses Mitarbeiters eine Unterrichtung des Betriebsrats fehle, sei die Beklagte mit entsprechendem Vortrag im Prozess ohnehin ausgeschlossen.

In der Betriebsratsanhörung habe die Beklagte keine ausreichenden und richtigen Ausführungen zum Kündigungsgrund und zur Sozialauswahl gemacht habe, jedenfalls seien die Angaben zu seinem Familienstand und zur Anzahl seiner Kinder falsch.

Schließlich sei die Kündigung auch unwirksam, weil die Beklagte keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige vorgenommen sowie das dazugehörige Konsultations- und Unterrichtungsverfahren nicht dargelegt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2012 nicht zum 30.06.2013 beendet wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses als gewerblichen Arbeitnehmer weiter zubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Dies werde wegen des Interessenausgleichs vom 19.09.2012 mit Namensliste unter Einschluss des Klägers gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet. Dieser Interessenausgleich sei wegen des unternehmensweiten Personalabbaus mit dem zuständigen Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden und auch sonst formell wirksam zustande gekommen. Soweit § 112 Abs. 3 Satz 3 BetrVG im Fall der Einigung vor der Einigungsstelle zusätzlich die Unterschrift vom Vorsitzenden vorsehe, beziehe sich dies ersichtlich auf eine hier nicht vorliegende vollständige Einigung sowohl über den Interessenausgleich als auch über den Sozialplan. Außerdem sei die Nichtunterzeichnung des Interessenausgleichs durch die Einigungsstellenvorsitzende auch deshalb unschädlich, weil es den Betriebsparteien jederzeit freistehe, eine Einigung außerhalb der Einigungsstelle zu erzielen. Das Einverständnis der Einigungsstellenvorsitzenden sei überdies dem von ihr unterzeichneten Protokoll der Einigungsstellenverhandlung vom 19.09.2012 zu entnehmen. Auch die Weiterbeschäftigung von ursprünglich befristet eingestellten Mitarbeitern könne keine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung bewirken. Denn die 10 vom Kläger benannten Mitarbeiter aus dem Bereich "Fertigung Stabilisatoren - Endfertigung" seien mit Ausnahme der Kollegin M höher eingruppiert und bereits deshalb mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Die insgesamt nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachprüfbare Sozialauswahl könne der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg beanstanden. Bei der betriebsbezogen und zur Wahrung einer ausgewogenen Altersstruktur in 6 Altersgruppen vorgenommenen Sozialauswahl habe sie dargelegt, welche subjektiven Auswahlüberlegungen angestellt worden seien und wie die Gewichtung der Sozialkriterien erfolgt sei, so dass von einer Nichterfüllung ihrer Auskunftspflicht keine Rede sein könne. Zur Vermeidung von späteren Umgruppierungen seien zudem die Kündigungen auf die verschiedenen Vergütungsgruppen zu verteilen gewesen. Sieben der zehn betroffenen Arbeitsplätze würden auf die unterste Vergütungsgruppe E04A entfallen, in welcher auch der Kläger und insgesamt die 12 in ihrem Schriftsatz vom 13.02.2013 auf Seite 2 (Blatt 106 d. A.) aufgelisteten Mitarbeiter eingruppiert seien. Bereits bei einer fiktiven, nämlich altersgruppenübergreifend und ohne die Berücksichtigung von betrieblichen Bedürfnissen hinsichtlich der Weiterbeschäftigung einzelner Mitarbeiter erfolgten Sozialauswahl gehöre der Kläger an siebter Stelle liegend zum Kreis der zu kündigenden Arbeitnehmer.

Auch innerhalb der Altersgruppe des Klägers ("35 bis 44 Jahre"), auf die drei der sieben Kündigungen entfallen würden, sei dem ausweislich der Tabelle in ihrem Schriftsatz vom 13.02.2013 auf Seite 3 oben (Blatt 107 d. A.) an dritter Stelle liegenden Kläger zu kündigen gewesen. Auch der hinter dem Kläger positionierte Mitarbeiter P1 habe die Kündigung erhalten, weil der an zweiter Stelle aufgeführte Kollege V mit insgesamt 62 Sozialpunkten aus der Sozialauswahl aufgrund berechtigter betrieblicher Interessen herausgenommen worden sei.

Innerhalb der Entgeltgruppe E04 würden außerdem die Mitarbeiterin M und der Mitarbeiter X nach dem übereinstimmenden Verständnis der Betriebsparteien weiterhin benötigt, so dass der Kläger selbst bei einer altersgruppenübergreifenden Sozialauswahl und zusätzlich 16 Punkten zum Kreis der zu kündigenden Mitarbeiter gehören würde. Davon abgesehen habe sie sich auf die ihr bekannten, in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Angaben verlassen dürfen, zumal grundsätzlich der Arbeitnehmer für die Unterrichtung des Arbeitgebers über Veränderungen seiner Personalien verantwortlich sei.

Von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates mit ihrem Schreiben vom 16.11.2012 (Blatt 87 d. A.) nebst Anlage (Blatt 88 bis 90 d. A.) sei auszugehen. Die irrtümliche Angabe nur eines Kindes statt der beiden bekannten Kinder könne keine Unwirksamkeit der Anhörung begründen, zumal es auf diesen Aspekt letztlich nicht angekommen sei. Außerdem habe sie im Rahmen der Verhandlungen zum Interessenausgleich mit Namensliste dem zuständigen Betriebsratsgremium ergänzende Informationen gegeben. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass der Vorsitzende des P Betriebsrats, Herr E, zugleich Mitglied des Gesamtbetriebsrats sei.

Schließlich habe sie eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige mit dem Formularschreiben vom 05.10.2012 (Blatt 109, 110 d. A.) nebst Anlage (Blatt 111, 112 d. A.) und der mit Schreiben vom 30.10.2012 (Blatt 115 d. A.) nachgereichten Liste der zur Entlassung vorgesehenen Mitarbeiter (Blatt 116 d. A.) abgegeben und auch die Unterrichtungspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 7.5.2013, Az. 5 Ca 2573/12, stattgegeben.

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die mit Schreiben der Beklagten vom 27.11.2012 ausgesprochene Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und habe daher das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, weil die vom Kläger erhobene Rüge der (grob) fehlerhaften Sozialauswahl durchgreife. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, die von ihr mit dem Gesamtbetriebsrat getroffene Sozialauswahl nachvollziehbar und vollständig darzulegen, trotz des Auskunftsverlangens in der Klageschrift vom 04.12.2012 auf nicht nachgekommen. Auf den Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl komme es nicht mehr an.

Jedenfalls fehle es an der Darlegung der im Schriftsatz der Beklagten vom 12.04.2013 auf Seite 8 (Blatt 146 d. A.) unter 1.4.2. nur pauschal vorgebrachten "berechtigten betrieblichen Interessen", die sie und den Gesamtbetriebsrat zur Ausklammerung des in der Altersgruppe des Klägers von 35 bis 44 Jahre befindlichen und an sich vergleichbaren Mitarbeiters Aydin V aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG veranlassten. Die Beklagte habe zu irgendwelchen Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen des vergleichbaren Mitarbeiters V, die dessen Weiterbeschäftigung als im berechtigten betrieblichen Interesse liegend begründen könnten, keine Tatsachen vorgetragen. Auch habe die Beklagte keine Angaben dazu gemacht, dass und wie die im Rahmen der Leistungsträgerregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu berücksichtigenden Belange miteinander abgewogen worden seien

Zudem habe die Beklagte den Betriebsrat nicht über die spezifischen Gründe informiert, die einer Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstünden und die weitere Beschäftigung des nicht gekündigten Arbeitnehmers bedingen würden, weshalb sie mit derartigem Sachvortrag im Rechtsstreit präkludiert sei.

Auch der Weiterbeschäftigungsantrag sei begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 31.05.2013 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 31.05.2013 eingelegte und mit dem am 31.07.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Die Beklagte wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie trägt ergänzend u.a. vor, nach einer Klausurtagung mit Vertretern der Betriebsräte der Standorte I und P vom 5. bis 7. September 2012 seien ab dem 10. September 2012 unternehmensseitig die Namenslisten erarbeitet worden. Am 14. September 2012 habe eine Sitzung zwischen Vertretern der Beklagten und je zwei Mitgliedern der Betriebsräte der beiden Standorte, die zugleich dem Gesamtbetriebsrat angehörten, stattgefunden. In dieser Sitzung seien die "Namens- bzw. Personallisten" an die beiden Betriebsräte übergeben und dezidiert erläutert worden. Sodann habe die Beklagte mit den Arbeitnehmervertretern gemeinsam anhand von Exel-Tabellen, in denen alle Mitarbeiter u.a. mit ihren Berufsgruppen, Sozialdaten, Sozialpunkten gemäß dem Punkteschema und Qualifikationen aufgeführt gewesen seien, über die Namensliste beraten und einerseits die zu kündigenden Mitarbeiter festgelegt und gekennzeichnet, andererseits aber auch kenntlich gemacht, welche Mitarbeiter als sogenannte Leistungsträger nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG anzusehen seien. Beide Betriebsräte hätten am 17.09.2013 eigenständig beraten, danach sei eine Erörterung der Betriebsparteien erfolgt. Nach weiteren Beratungen am Vormittag des 19.09.2012, bei denen sich die Betriebsräte ein umfassendes Bild der Gesamtumstände (vergleichbarer Mitarbeiter usw.) hinsichtlich aller von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer hätten machen können, sei dann am Nachmittag eine Einigung erfolgt.

Einer Unterschrift der Vorsitzenden der Einigungsstelle unter den Interessenausgleich nebst Namensliste habe es nicht bedurft. Im Hinblick darauf, dass eine Einigung der Betriebsparteien über einen Interessenausgleich auch außerhalb eines Einigungsstellenverfahrens erfolgen könne, werde ein innerhalb des Einigungsstellenverfahrens vereinbarter Interessenausgleich nicht durch das Fehlen der Unterschrift der Vorsitzenden unwirksam. Zudem ergebe sich aus dem Protokoll des Einigungsstellenverfahrens, dass der Interessenausgleich nicht innerhalb der Einigungsstelle vereinbart worden, sondern lediglich anlässlich eines Einigungsstellenverfahrens beschlossen worden sei. Das Schriftformerfordernis beziehe sich im Übrigen lediglich auf eine auch den Sozialplan umfassende Gesamteinigung.

Eine der in dem Interessenausgleich vorgesehenen Betriebsänderungen betreffe den Bereich "Stabilisatoren Endfertigung". Dort seien zuletzt 79 Mitarbeiter eingesetzt gewesen. Es sei entschieden worden, die Tätigkeiten in diesem Bereich an die geringeren Auslastungsziele anzupassen. Diese Neuausrichtung begründe im Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" den Wegfall von 25 Arbeitsplätzen.

Die Betriebsparteien hätten sich im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich über die Anforderungsprofile der künftigen Arbeitsplätze verständigt und unter Berücksichtigung der jeweiligen Einsetzbarkeiten eine bereichsbezogene Sozialauswahl vorgenommen. Zur Wahrung einer ausgewogenen Personalstruktur seien Altersgruppen gebildet worden. Zudem seien die Kündigungen auf die verschiedenen Vergütungsgruppen zu verteilen gewesen, um spätere Umgruppierungen zu vermeiden.

Der Aufgabenwegfall im Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" wirke sich besonders bei der niedrigsten Entgeltgruppe (E04A) aus, welcher auch der Kläger angehöre. Dort seien 7 der 12 Arbeitsplätze weggefallen. Davon würden 3 auf die Altersgruppe 35 bis 44 Jahre entfallen, in der sich der Kläger befinde. Alle vorhandenen Altersgruppen seien weitestgehend gleichmäßig bedacht worden, indem zunächst je Gruppe die Hälfte der Arbeitsplätze zu streichen gewesen sei. Da die Gruppe der 35 bis 44 - Jährigen (entgeltgruppenübergreifend) in diesem Bereich größer als die der 45 bis 54 - Jährigen und der an dritter Stelle der erstgenannten Gruppe weniger schutzbedürftig als der an vierter Stelle der Altersgruppe 45 bis 54 Jahre stehende Arbeitnehmer sei, wäre die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden.

Sowohl bei einer innerhalb der Altersgruppe wie auch bei einer über alle Altersgruppen hinweg durchgeführten Sozialauswahl sei dem Kläger zu kündigen gewesen. Auf die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern aufgrund eines berechtigten betrieblichen Interesses komme es somit nicht an.

Der Anspruch auf Auskunft des Klägers über die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl sei erfüllt. Die Mitteilungspflicht der Beklagten sei auf die von ihr tatsächlich angestellten Auswahlüberlegungen beschränkt.

Alle zehn zuvor in befristeten Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeitnehmer, deren Vertragsverhältnis entfristet wurde, seien zwar im Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" beschäftigt, sie seien mit Ausnahme der Frau M jedoch in anderen Entgeltgruppen als der Gruppe E04A eingruppiert und daher mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Da der Vorsitzende des Betriebsrates der Betriebsstätte in P auch Mitglied des Gesamtbetriebsrates sei, genüge es, dass die Beklagte im Anhörungsverfahren auf die vorangegangenen Erörterungen mit dem Gesamtbetriebsrat im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens Bezug genommen habe.

Die Beklagte habe eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige mit Schreiben vom 5.10.2013 erstattet. Der Interessenausgleich mit Namensliste ersetze gemäß § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG eine gesonderte Stellungnahme des Betriebsrats. Weiter bezieht sich die Beklagte auf die Eingangsbestätigung der Agentur für Arbeit Siegen vom 15. Oktober 2012 über einen Eingang der Massenentlassungsanzeige am 5. Oktober 2012.

Auch das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dies ergebe sich aus der gemeinsamen Beratung mit Arbeitnehmervertretern anhand von Excel Tabellen, in denen alle Mitarbeiter unter anderem mit ihren Berufsgruppen, Sozialdaten, Sozialpunkten gemäß Punkteschema und Qualifikationen aufgeführt gewesen seien und in deren Rahmen die zu kündigenden Mitarbeiter festgelegt und gekennzeichnet worden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 7. Mai 2013 - 5 Ca 2573/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage. Er verweist u.a. darauf, dass sich unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten für seine Ehefrau und 4 Kinder sowie des Lebensalters 45 Jahre nach der Punktetabelle für ihn die Punktzahl 107 ergibt. Zuzüglich 8 Punkten für die unterhaltsberechtigte, geschiedene frühere Ehefrau kämen 8 Punkte hinzu, so dass sich insgesamt 115 Punkte ergäben. In der Berufungsverhandlung wurde zudem unstreitig, dass der Kläger seit dem 12.09.2012 verheiratet ist und vier Kinder hat. Weiter bezieht sich der Kläger auf sein bereits erstinstanzliches Bestreiten der ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens sowie der Anzeige einer Massenentlassung und meint, die von der Beklagten vorgetragene Massenentlassungsanzeige enthalte zwingend erforderliche Angaben nicht.

Er trägt vor, die Altersgruppenbildung innerhalb der Entgeltgruppe E04A sei ungeeignet, weil in der Hälfte der Gruppen kein Mitarbeiter vorhanden sei. Eine Herausnahme von Mitarbeitern als Leistungsträger sei nicht begründet.

Aus den eingereichten Schriftstücken ergebe sich nicht, dass die Beklagte dem Betriebsrat betriebliche Gründe für einen Entfall von Arbeitsbedarf substantiiert mitgeteilt habe. Sowohl im Interessenausgleich als auch in der Anhörung des Betriebsrats seien Vergleichsgruppen nicht anhand von Entgeltgruppen gebildet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.Vm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2012 nicht aufgelöst.

a) Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

aa) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Gründen wie Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion oder von Arbeitsabläufen oder aus außerbetrieblichen Gründen ergeben (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - NZA 2008, 939, 940 Rn. 14; BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - NZA 2012, 1223, 1225 Rn. 21). Eine solche unternehmerische Organisationsentscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 14; BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 154/05 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 46). Die Entscheidung selbst ist nicht auf ihre rechtliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 14; BAG 21.09.2006 - 2 AZR 607/05 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130). Diese beschränkte Überprüfung ändert allerdings nichts an der Darlegungslast des Arbeitgebers, substantiiert zu schildern, dass die Durchführung des unternehmerischen Organisationsaktes zu einem Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit führt. Der Arbeitgeber muss vielmehr im Einzelnen die Auswirkung der unternehmerischen Entscheidung und des sie umsetzenden Konzepts auf den Arbeitsbedarf für den oder die zu kündigenden Arbeitnehmer darlegen (Ascheid, Der Betrieb 1987, S. 1144 ff. und Hillebrecht, ZIP 1985, S. 257 ff.).und ggf. auch beweisen. Dies gilt auch dafür, dass diese bei Ausspruch der Kündigung bereits vorlag und greifbare Formen angenommen hat. Nachzuprüfen ist auch, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - NZA 2012, 1223, 1225 Rn. 21).

bb) Die Betriebsbedingtheit der Kündigung wird nicht bereits gemäß § 1 Abs. 5 KSchG vermutet.

(1) Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die darauf, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und der Arbeitnehmer in einem wirksam zustande gekommenen Interessenausgleich benannt ist, gegründete Vermutungsbasis hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 386/11 - NZA 2013, 334, Rn. 16; BAG 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - NZA 2008, 1060, 1062 Rn. 21).

Dabei setzen der Gesetzeszweck des § 1 Abs. 5 KSchG und die an die Namensliste geknüpften Rechtsfolgen voraus, dass in ihr ausschließlich Arbeitnehmer bezeichnet sind, die aus der eigenen Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung zu kündigen sind. Das Zustandekommen der Einigung der Betriebsparteien darf nicht auf außerhalb des Gesetzeszwecks liegenden Erwägungen der Betriebsparteien beruhen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ausreichend sichergestellt, dass sich die Betriebsparteien in jeder Hinsicht bei der Erstellung der Namensliste mit der Betriebsnotwendigkeit der Kündigung der in ihr bezeichneten Arbeitnehmer befasst haben und sich Gedanken darüber gemacht haben, welche Arbeitnehmer als vergleichbar für eine Sozialauswahl in Betracht kommen, welche soziale Rangfolge zwischen ihnen besteht und wer aus der Sozialauswahl ausscheidet (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - NZA 2009, 1151 ff., Rn. 37; BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1).

Die Verantwortung des Betriebsrats gegenüber allen in der Namensliste benannten Arbeitnehmern besteht darin - auch bezogen auf einen in Aussicht genommenen Kündigungstermin -, nur unvermeidbaren Entlassungen zuzustimmen und darauf zu achten, dass bei der Auswahl der Ausscheidenden soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - NZA 2009, 1151, Rn. 38). In eine Namensliste eines Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG dürfen ausschließlich Arbeitnehmer aufgenommen werden, die aus der eigenen Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zu Grunde liegenden Betriebsänderung zu kündigen sind (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - NZA 2009, 1151 ff.).

(2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht vollständig erfüllt. Es kann gerade nicht mit der vom Gesetzgeber für den Regelfall zugrunde gelegten Gewissheit angenommen werden, dass der Gesamtbetriebsrat seiner vorgenannten Verantwortung gerecht geworden ist. Die von den Betriebsparteien vereinbarte Namensliste zu dem Interessenausgleich vom 19.09.2012 enthält nicht nur Arbeitnehmer, denen aus der Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zu Grunde liegenden Betriebsänderung die Kündigung zu erklären gewesen wäre. Vielmehr enthält die Namensliste auch solche Arbeitnehmer, die in rentennahen Jahrgängen individuell Ausscheidenswünsche geäußert haben. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der auch hier Beklagten in dem den Parteien bekannten Rechtsstreit LAG Hamm 9 Sa 764/13 mit identischen Prozessbevollmächtigten, in welchem die Berufungsverhandlung am selben Tag stattfand, woraus sich ergibt, dass der Vortrag neben dem Vorsitzenden auch den Beisitzern bekannt und damit gerichtsbekannt ist. Dieser Vortrag der Beklagten (S. 7 des Schriftsatzes vom 11.09.2013 in 9 Sa 764/13) lautet wörtlich: "Trotz der Altersgruppenbildung, die nicht in allen Bereichen 1:1 umgesetzt werden konnte, sind die einzelnen Altersgruppen sehr gleichmäßig bedacht worden. Die vergleichsweise hohe Zahl betroffener Mitarbeiter bei den rentennahen Jahrgängen ist individuellen Ausscheidenswünschen geschuldet:" Hieraus folgt zwingend, dass die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat individuelle Ausscheidenswünsche rentennaher Mitarbeiter bei der Aufstellung der Namensliste berücksichtigt haben und sich damit gerade nicht in dem Rahmen zulässiger Auswahlüberlegungen gehalten haben. Dieser Fehler führt dazu, dass der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG gänzlich die Grundlage entzogen ist (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 296/07 - NZA 2009, 1151 ff., Rn. 36 ff.). Diese Umstände wurden mit den Parteien in der Berufungsverhandlung erörtert, ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

(3) Eine Betriebsbedingtheit der Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ergibt sich auch nicht ohne die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG aus dem Vortrag der Beklagten. Im Streitfall hat die die Beklagte hinreichende Tatsachen für einen Wegfall des Bedarfs für die Arbeitsleistung des Klägers nicht dargelegt. Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, welche konkrete Änderung der Arbeitsorganisation sie im Arbeitsbereich des Klägers aufgrund welcher Umstände mit welcher sich aus welchen konkreten Einzeltatsachen ergebenden Änderung des Arbeitsbedarfes vorgenommen haben will noch, dass alternativ unter - ggf. teilweiser - Beibehaltung der bisherigen Organisation die Arbeitsmenge spätestens für den Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist in einem solchen Umfang reduziert sein würde, dass der Arbeitsbedarf für die Tätigkeit des Klägers entfallen würde.

b) Die Kündigung ist auch deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die Sozialauswahl der Beklagten nicht ausreichend ist, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Sie wäre, würden die Voraussetzungen für den Eintritt der Vermutungswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG entgegen den obigen Feststellungen vorliegen, auch grob fehlerhaft.

aa) Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 3 S 1 Halbs. 2 KSchG besteht uneingeschränkt auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11- NZA 2013, 559, 563, Rn.44) Der Arbeitnehmer, der sich auf die Fehlerhaftigkeit oder grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl beruft, hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11- NZA 2013, 559, 564, Rn. 46). Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft, so kann der Arbeitnehmer beim Fehlen eigener Kenntnis seiner aus § 1 Abs. 3 KSchG i.V.m. § 138 Abs. 1 ZPO herzuleitenden Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist sein Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - NZA 2013, 559, 564, Rn.47).

Diese Auskunftspflicht hat die Beklagte nicht erfüllt. Dabei ist von der Bestimmung des Sozialauswahlkreises auszugehen, den die Beklagte dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben mitgeteilt hat. Sollte die Beklagte dem Betriebsrat in den Verhandlungen über den Interessenausgleich davon abweichende Auswahlüberlegungen mitgeteilt haben, hätte sie den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darauf hinweisen müssen, dass entgegen den Ausführungen zum Auswahlkreis im Anhörungsschreiben welche exakt darzustellende Mitteilung zu Auswahlüberlegungen aus den früheren Verhandlungen gelten sollte. Derartiges ist nicht ersichtlich. Der Betriebsrat konnte damit nur davon auszugehen, dass die zuletzt im Anhörungsschreiben mitgeteilte Eingrenzung des Auswahlkreises gelten sollte.

Die im Anhörungsschreiben dem Betriebsrat mitgeteilte Bestimmung des Auswahlkreises lautete, es müssten von 79 Arbeitnehmern in dem Bereich "Fertigung Stabilisatoren Endfertigung" 25 Arbeitsplätze wegfallen. Damit hat die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat den Auswahlkreis als auf die in diesem Bereich beschäftigten 79 Mitarbeiter erstreckt mitgeteilt. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass von den 17 Mitarbeitern auf der Namensliste, deren Ausscheiden bereits vor Beginn der Anhörung des Betriebsrats die Beklagte diesem im Anhörungsschreiben mitgeteilt hat, lediglich 3 Arbeitnehmer in der im Rechtsstreit vorgetragenen Liste aufgeführt sind, welche die in die Entgeltgruppe E04A eingruppierten Mitarbeiter enthält. Daraus ergibt sich denknotwendig, dass die Beklagte die 25 für ein Ausscheiden vorgesehenen Mitarbeiter entgeltgruppenübergreifend ausgewählt haben musste, sonst hätten die 17 vor der Anhörung ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht auf die Zahl von 25 aus 79 Mitarbeitern angerechnet werden können. Die Beklagte hat die relevanten Sozialdaten und Namen der 79 Mitarbeiter in dem Bereich "Fertigung Stabilisatoren Endfertigung" dem Kläger weder außergerichtlich noch im Verlauf des Rechtsstreits mitgeteilt. Bereits damit ist nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen der Vortrag des Klägers, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend.

bb) Auch davon abgesehen ist die Sozialauswahl selbst für den Fall eines unterstellt formell wirksamen Interessensausgleichs mit Namensliste und des Eingreifens der Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG grob fehlerhaft, selbst wenn weiter unterstellt wird, die Beklagte habe eine Sozialauswahl im Bereich "Fertigung Stabilisatoren Endfertigung" auf Entgeltgruppen begrenzt vorgenommen und dies auch dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren mitgeteilt - für letzteres ist ohnedies nichts vorgetragen noch ersichtlich. Dabei kann weitergehend dahinstehen, ob zu Gunsten des Klägers weitere Sozialpunkte deshalb in Ansatz zu bringen waren, weil in der Berufungsverhandlung unstreitig wurde, dass der Kläger seit dem 12.09.2012 verheiratet ist und bereits vor der Betriebsratsanhörung vier Kinder hatte.

(1) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind solche vergleichbaren Arbeitnehmer in die Sozialauswahl nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Aus dem Umstand, dass das Gesetz dafür ein betriebliches Interesse nicht ausreichen lässt, sondern fordert, dieses müsse "berechtigt" sein, folgt, dass ein betriebliches Interesse auch "unberechtigt” sein kann. Nach dem Gesetz sind danach dem betrieblichen Interesse entgegengesetzte Interessen denkbar, die einer Herausnahme von sogenannten Leistungsträgern aus der Sozialauswahl entgegenstehen können. Bei den gegenläufigen Interessen kann es sich angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der Sozialauswahl statuiert, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Diese sind im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG demnach gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme von Leistungsträgern abzuwägen. Je schutzbedürftiger dabei der sozial schwächere Arbeitnehmer ist, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - NZA 2013, 86, 90 Rn. 34). Diese Abwägung ist anhand eines konkreten Vergleiches durchzuführen (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - NZA 2013, 86, 90 Rn. 34; BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98).

(2) Die Herausnahme der maximal 67 Punkte erzielenden Mitarbeiter X, V und der zuvor befristet beschäftigten Mitarbeiterin M aus der Sozialauswahl war grob fehlerhaft. Für sie sind keine konkreten betrieblichen Gründe vorgetragen.

(3) Unter deren Einbeziehung der genannten Mitarbeiter in die Sozialauswahl steht der Kläger selbst nach den von der Beklagten vergebenen Punkten auf Platz 7 der Punktereihung innerhalb der Entgeltgruppe E04A. Damit konnte bei der Sozialauswahl der Kläger nicht mehr von einer Kündigung betroffen sein.

(a) Denn die sozial an sich schutzwürdigeren, auf Platz 11 und 12 stehenden Mitarbeiter N3 und C haben bereits vor Ausspruch der Kündigung und Beginn der Betriebsratsanhörung mit der Beklagten Einvernehmen über ihr Ausscheiden erzielt. Dies hat zur Folge, dass letztlich nur noch fünf Kündigungen auszusprechen waren und der Kläger von diesen nach den durch die Beklagte behaupteten Auswahlmaßstäben der Betriebsparteien nicht mehr betroffen sein konnte.

(b) Das Ausscheiden der Mitarbeiter N3 und C ist bei der Prüfung der Kausalität von Auswahlfehlern für das Ergebnis bezüglich des Klägers, beachtlich.

(aa) Für die Wirksamkeit einer Kündigung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs maßgeblich. Deshalb ist die später, nach der Kündigungserklärung eintretende Entwicklung, etwa der Ausgang von nachgehenden Kündigungsschutzverfahren anderer Arbeitnehmer und die hierdurch ggf. bedingte Veränderung der Kausalitätsbeurteilung eines Auswahlfehlers für einen konkreten Arbeitnehmer, unerheblich (BAG 9. November 2006 - 2 AZR 892/05 - NZA 2007, 549, 551 Rn. 20 zu B. I. 2. b) cc) der Gründe).

Umgekehrt sind Umstände wie die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit anderen, an sich schutzwürdigeren Arbeitnehmer bei ihrem Eintreten bereits vor Kündigungsausspruch beachtlich. Denn der Arbeitgeber ist nicht zu irgendeiner Sozialauswahl, sondern zu einer solchen zum maßgeblichen Zeitpunkt und unter Zugrundelegung der zu diesem maßgeblichen, tatsächlichen Verhältnisse verpflichtet. Dagegen spricht nicht, dass es wegen der erforderlichen Planung einer Massenentlassung zulässig ist, dass der Arbeitgeber die Erhebung einzelner Sozialdaten in einem angemessenen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigungen durchführt. Die Berechnung von Alter und Betriebszugehörigkeit erfordert es, zur Erstellung der Auswahlliste einen festen Stichtag zu Grunde zu legen (BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 443/05 - NZA 2007, 197, 203 Rn. 59). Dieser Gesichtspunkt trägt jedoch lediglich für die Feststellung der Sozialdaten Alter und Betriebszugehörigkeit zu einem Stichtag. Im Streitfall geht es hingegen um die Feststellung der Kausalität eines Auswahlfehlers (der nicht berechtigten Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl) für die im Ergebnis bezüglich eines konkreten Arbeitnehmers, hier des Klägers, eintretende Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses. Diese Prüfung erfordert gerade keine Stichtagsregelung, sondern lediglich, dass die den Fehler bedingende Tatsachengrundlage bereits bei Ausspruch der Kündigung vorlag. Dies ist im Streitfall gegeben. Die genannten zwei schutzwürdigeren Mitarbeiter hatten bereits vor dem Ausspruch der Kündigung, nämlich sogar vor der Einleitung der Betriebsratsanhörung, ihr Ausscheiden mit der Beklagten vereinbart und konnten daher nicht an Stelle der fehlerhaft aus der Sozialauswahl herausgenommenen Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis verbleiben. Der behauptete Stichtag - der 19.09.2012 - ist somit für die Beurteilung der Kausalität des Auswahlfehlers für die Kündigung gegenüber dem Kläger bedeutungslos.

(bb) Dem steht auch nicht entgegen, dass keine wesentliche Änderung der Sachlage im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 3 KSchG vorliegt, wenn das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmern nach Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste dazu führt, dass Kündigungen einzelner, in der Namensliste aufgeführter Arbeitnehmer vermieden werden, was insbesondere gilt, wenn die Betriebsparteien hierfür bei Abschluss des Interessenausgleichs eine Regelung vorgesehen haben (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - NZA 2009, 1023, 1024 Rn. 20, 21). Diese Erwägung betrifft lediglich die Frage, wann eine wesentliche Änderung der Sachlage vorliegt, nicht jedoch die Beurteilung der Kausalität von Fehlern bei der Sozialauswahl für einen zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer.

(cc) Zudem wäre ein Abstellen auf die Verhältnisse am von der Beklagten behaupteten Stichtag dem 19.09.2012 auch derart, dass ein einvernehmliches Ausscheiden schutzwürdigerer Arbeitnehmer die Beurteilung der Betroffenheit von der Kündigung im Rahmen der Sozialauswahl nicht mehr berühren würde, willkürlich und mit den Pflichten der Betriebsparteien aus § 75 BetrVG nicht zu vereinbaren. Bei einem derartigen Verständnis des Inhaltes des Interessenausgleiches wäre dieser unwirksam.

Die Betriebsparteien würden, ohne dass es hierfür einen tragenden Grund gäbe, auf tatsächliche Verhältnisse zu einem rechtlich nicht maßgeblichen Zeitpunkt abstellen. Sie würden gleichheitswidrig ein faktisch wirkendes System installieren, bei dem für einen Teil der Arbeitnehmer, in deren Auswahlgruppe zwischen Stichtag und Kündigung keine schutzwürdigeren Arbeitnehmer ausscheiden, die Sozialauswahl nach den maßgeblichen Verhältnissen zum Kündigungszeitpunkt geprüft würde und für den anderen Teil derjenigen, in deren Auswahlkreis vor der Kündigung sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer freiwillig ausscheiden, die Beurteilung fiktiv auf einen an sich unmaßgeblichen Stichtag vorverlegen. Damit würden sie letzterem Personenkreis faktisch die Beurteilung anhand der rechtlich maßgeblichen Kriterien vorenthalten.

Der Zeitpunkt für die Beurteilung der möglichen Kausalität von Auswahlfehlern kann jedenfalls hier nicht auf den mehr als zwei Monate vor Ausspruch der Kündigung liegenden Zeitpunkt des faktischen Abschlusses des Interessenausgleichs mit Namensliste fixiert werden, zumal die Ergänzungsvereinbarung dilatorisch den Beginn der Umsetzung des Interessenausgleichs an die vorherige Vereinbarung eines Sanierungstarifvertrages knüpft, welcher erst am 22.10.2012 und damit mehr als einen Monat nach dem Interessenausgleich abgeschlossen wurde.

(c) Damit standen in der von der Beklagten in der Berufungserwiderung vorgetragenen Gruppe, ihre Maßgeblichkeit zu Gunsten der Beklagten unterstellt, nur noch fünf Kündigungen in einer Gruppe von 12 Mitarbeitern an. Von einer der fünf Kündigungen konnte der Kläger offensichtlich nicht betroffen sein. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgetragenen Tabelle:

Name

Geb.-Datum

Eintritt

Unterhaltspflichten

SB

Punkte

gekün-

Pkt.

Pkt.

verh.

Kinder

Pkt.

Pkt.

It. SP

digt?

00.05.1968

44

01.07.2008

ja

nein

56

ja

00.01.1970

42

01.06.2008

ja

16

nein

62

nein

00.08.1966

46

01.03.2012

ja

16

nein

63

nein

00.08.1954

58

01.07.2008

ja

nein

67

nein

B1

00.06.1960

52

01.03.2012

ja

16

nein

69

ja

T1

00.01.1961

51

04.01.1999

18

nein

nein

69

ja

KLÄGER

00.10.1967

44

15.10.1988

38

nein

nein

90

ja

P1

00.02.1970

42

02.11.1988

38

ja

16

nein

96

ja

N2

00.10.1966

45

27.08.1986

42

ja

12

nein

99

nein

10

B2

00.05.1965

47

12.03.1990

36

ja

24

nein

107

nein

11

N3

00.04.1961

51

07.03.1979

58

ja

nein

117

ja

12

00.11.1952

59

01.07.1975

56

ja

nein

123

ja

Schon angesichts eines Punktabstandes von 21 Punkten zwischen je 69 Punkten der unmittelbar vor dem Kläger gelisteten Arbeitnehmer B1 und T1 zu 90 Punkten des Klägers ist die Auswahl bereits anhand der von der Beklagten vergebenen Punktwerte grob fehlerhaft. Die Punktedifferenz beträgt 23,33 % der dem Kläger durch die Beklagte zuerkannten Punkte.

cc) Auf die alternativ durch die Beklagte angeführte, noch engere Auswahl innerhalb der Altersgruppe der 35 bis 44 - Jährigen ist nicht abzustellen. Die Bildung von Altersgruppen innerhalb der Entgeltgruppe E04A ist ausgeschlossen.

Die Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in Abweichung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zulässig, wenn dies zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet ist (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - NZA 2013, 86, 89 Rn. 26). Zur Erhaltung der Altersstruktur der Belegschaft ist eine Altersgruppenbildung nur dann geeignet, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibt. Dies kann sie nur leisten, wenn die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen prozentual der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden entspricht. Dadurch wird die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss deshalb eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der Altersstruktur muss die Folge der proportionalen Beteiligung sämtlicher Altersgruppen auch innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Es ist das Kennzeichen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb von Vergleichsgruppen zu erfolgen hat (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - NZA 2013, 86, 89 Rn. 31; BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33).

Im Streitfall ergibt sich anhand der Verteilung der 12 Mitarbeiter des Bereichs "Stabilisatoren Endfertigung" und der Zahl der vorgesehenen 7 Kündigungen folgendes Bild:

Altersgruppe

Arbeitnehmer in der Gruppe

Zahl der Kündigungen in der Gruppe

Prozentualer Anteil der gekündigten je Gruppe

bis 24 Jahre

entfällt

25 bis 34 Jahre

entfällt

35 bis 44 Jahre

75 %

45 bis 54 Jahre

50 %

55 bis 64 Jahre

50 %

ab 65 Jahre

entfällt

Dabei wird davon ausgegangen, dass auch die Mitarbeiter, die jeweils 24, 34, 44, 54 oder 64 Jahre alt sind, der mit "bis" zu diesem Alter definierten Gruppe zugehörig sind. Sonst würden diese Mitarbeiter keiner Altersgruppe zugehörig sein (zu einer vergleichbaren Fallgestaltung vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08, Rn. 15 ff.). Weiter bleibt bei dieser auf den Daten der Beklagten beruhenden Aufstellung unbeachtet, dass der der Gruppe bis 44 Jahre zugeordnete Kläger angesichts seines Geburtsdatums 7.10.1967 zwar am 19.09.2012 noch 44 Jahre alt war, jedoch bei Abschluss des Sanierungstarifvertrages, vor dessen Vereinbarung eine Umsetzung des Interessenausgleichs ausgeschlossen war, ebenso wie bei Beginn der Betriebsratsanhörung bereits das 45 Lebensjahr vollendet hatte.

Die in obiger Tabelle dargestellte Verteilung zeigt, dass eine hinreichend proportionale Verteilung der Kündigungen auf die derart kleinteilig gebildete Sozialauswahlgruppe nicht möglich ist. Damit ist die Altersgruppenbildung im Streitfall insoweit nicht zulässig.

dd) Es bedarf damit aus jedem der zuvor dargestellten Gründe keiner weiteren Erörterung, wie es sich auswirkt, dass die Beklagte dem Betriebsrat von Kindern lt. Steuerkarte - noch dazu eingestanden falsch mit 1 statt 2 - berichtete, dass real der Kläger bereits wieder verheiratet war und erheblich vor Ausspruch der Kündigung, nämlich schon am 27.09.2012, Vater eines 4. Kindes wurde.

Ebenso kann offen bleiben, ob die Beklagte den Tag der Unterzeichnung des Interessenausgleichs als Stichtag für die Feststellung der Sozialdaten entsprechend ihrem Vortrag tatsächlich festgelegt hat und ob es durch den Stichtag dem Kläger verwehrt sein könnte, selbst bei Mitteilung seines nach dem "Stichtag" und vor der Anhörung des Betriebsrats geborenen Kindes noch am 27.09.2012 dessen Berücksichtigung bei der Sozialauswahl zu erwirken. Eine Festlegung des 19.09.2012 als derartiger Stichtag ist zudem nach dem Inhalt der Gerichtsakte bereits weder dem Betriebsrat mitgeteilt oder mit diesem vereinbart worden noch sonst als verbindlich festgelegt ersichtlich. Gegen eine mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Festlegung des 19.09.2012 als Stichtag spricht auch der Umstand, dass die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 31. Juli 2013 auf S. 8 (Bl. 220 d. A.) im ersten Satz die Verteilung der zwölf Beschäftigten des Bereichs "Stabilisatoren Endfertigung" in der EG 04A zum 30.09.2012 und damit zu einem nicht mit dem behaupteten Stichtag identischen Datum mitteilt.

Zudem spräche vieles für die Unzulässigkeit einer derartigen Festlegung. Allerdings ist es wegen der erforderlichen Planung einer Massenentlassung zulässig, dass der Arbeitgeber die Erhebung der Sozialdaten Alter und Betriebszugehörigkeit in einem angemessenen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigungen durchführt. Die Berechnung von Alter und Betriebszugehörigkeit erfordert es, zur Erstellung der Auswahlliste einen festen Stichtag zu Grunde zu legen (BAG 6. Juli 2006 - 2 AZR 443/05 - NZA 2007, 197, 203 Rn. 59). Dies wird für das Alter und die Betriebszugehörigkeit unproblematisch sein, da die durch Geburtstage und Vollendung von vollen Jahren der Betriebszugehörigkeit sich ergebenden Unschärfen typischerweise relativ geringfügig sind und eine willkürliche Steuerung in diesem Bereich angesichts der statistisch bei Massenverfahren bedingten Streuwirkung der großen Zahl Betroffener praktisch ausscheiden dürfte. Zudem steigen die Punktwerte, wenn auch in Jahressprüngen, typischerweise linear an, so dass eine auf denselben Stichtag bezogene Kappung des weiteren Anwachsens bis zur Kündigung die Arbeitnehmer im Ansatz gleich trifft.

Diese von den faktisch notwendigen Abläufen der Sozialauswahl im Verfahren des Interessenausgleichs mit einer Namensliste und der Betriebsratsanhörung vor der Kündigung nahegelegte Vorverlegung der Ermittlung des Alters und der Betriebszugehörigkeit kann jedoch zumindest hinsichtlich des Familienstandes und der Unterhaltspflichten den an sich maßgeblichen Zeitpunkt des Standes dieser Daten, nämlich den Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung, nicht weiter verändern, als diese vorhergehenden Abläufe es erfordern. Sonst würde entgegen § 1 Abs. 3 KSchG die Sozialauswahl letztlich zeitlich und auch inhaltlich von der Kündigung entkoppelt. Dies würde zu völlig zufälligen, nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen, wenn z.B. ein Arbeitnehmer im Grenzbereich der Sozialpunkte zwischen zu kündigenden und nicht zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmern in der Zeitspanne zwischen dem Stichtag für die Auswahldaten und der Anhörung des Betriebsrats seine von ihm schwangere Freundin heiratet und ggf. noch die Geburt zumindest eines Kindes (es kann auch Mehrlingsgeburten geben) in diesen Zeitraum fällt. Auch hierdurch kann leicht eine erhebliche Veränderung des Auswahlergebnisses eintreten. Deren Nichtbeachtung mit der Folge des Arbeitsplatzverlustes für einen nach den tatsächlichen Daten hiervon nicht (mehr) betroffenen Arbeitnehmer könnte nur gerechtfertigt sein, wenn und soweit dies durch die Notwendigkeiten des Interessenausgleichsverfahrens und der ebenfalls der Kündigung vorgeschalteten Anhörung des Betriebsrats zwingend erforderlich würde. Davon kann jedenfalls im Streitfall bei einer Zeitspanne von mehr als zwei Monaten zwischen der Erstellung der Namensliste und dem Ausspruch der Kündigung nicht mehr ansatzweise die Rede sein.

Denn die Beklagte weist selbst darauf hin, dass sie bereits im Sommer 2012 mit dem Betriebsrat informelle Vorgespräche wegen der beabsichtigten Betriebsänderung geführt hat und sodann ab dem 5. bis 7. September 2012 eine Klausurtagung mit den Betriebsräten beider Standorte, der IG Metall und des Arbeitgeberverbandes durchführte, was nach weiteren Besprechungen der Betriebsparteien in den Interessenausgleich vom 19.09.2012 mündete. Der Beklagten war daher bereits spätestens Anfang September 2012 bekannt, dass Kündigungen mit dem Erfordernis einer Sozialauswahl anstanden. Ihr Interesse an einer zügigen Verwirklichung der Betriebsänderung durch Abgabe von Kündigungserklärungen wäre in keiner Weise beeinträchtigt worden, hätte sie damals die in Betracht kommenden Arbeitnehmer unter individueller Mitteilung der jeweils für den einzelnen Arbeitnehmer angenommenen Sozialdaten aufgefordert, zur Vorbereitung einer Sozialauswahl eventuelle Korrekturen oder Aktualisierungen dieser Daten unter Beifügung von Nachweisen binnen einer kurzen (gleichwohl angemessenen) Frist mitzuteilen und anschließend ggf. bis zum Beginn der Betriebsratsanhörung zu aktualisieren. Ein solches Vorgehen war insbesondere deshalb geboten, weil die Umsetzung des Interessenausgleichs ausweislich der Ergänzungsvereinbarung bis zum ungewissen Abschluss eines Sanierungstarifvertrages aufgeschoben war. Hieraus ergab sich eine zusätzliche, erhebliche Verzögerung.

Zudem hätte es nicht fern gelegen, für den Fall einer Änderung der Sozialdaten zwischen dem Auswahlvorgang bei der Aufstellung der Namensliste und dem Beginn der Betriebsratsanhörung bzw. dem Kündigungsausspruch vorzusehen, dass dann die Namensliste unter Beachtung der sich aus dem jeweils geänderten Sozialdatum ergebenden, geänderten Punktzahl in der Reihung der Punkte innerhalb des jeweils betroffenen Auswahlkreises im Rahmen eines kurz festgelegten Verfahrens (z.B. neue Reihung nach neuem Punktwert, bei Punktgleichheit Vorrang Merkmal A, hilfsweise B, dann hilfsweise C) korrigiert würde. Dies hätte lediglich vorausgesetzt, dass die Betriebsparteien die einzelnen Kreise der Sozialauswahl im Interessenausgleich oder einer durch ihn und wechselseitig in Bezug genommenen, unterzeichneten Anlage dokumentiert hätten. Mit dieser Dokumentation wäre keine erhebliche Belastung der Beklagten verbunden gewesen, zumal sie ohnehin gegenüber dem Betriebsrat zur Mitteilung ihrer Auswahlüberlegungen verpflichtet war.

c) Würde unterstellt, die Beklagte hätte die Sozialauswahl so vorgenommen, wie sie diese im Rechtsstreit als in zulässiger Weise vornehmbar vorträgt, nämlich entsprechend ihrem Berufen auf eine in den Grenzen von Entgeltgruppen vorzunehmende Auswahl, wäre gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG die Anhörung des Betriebsrats und damit aus diesem Grund wiederum die Kündigung unwirksam.

Der Betriebsrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände für die Kündigung unterbreitet hat. Dagegen handelt es sich um keine Frage der subjektiven Determinierung der Kündigungsgründe und ihrer Mitteilung im Anhörungsverfahren, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewusst irreführend - auch durch Verschweigen wesentlicher Umstände - schildert. Der Arbeitgeber trägt auch die Beweisführungslast für die nicht bewusste Irreführung des Betriebsrats. (BAG 22.09.1994 - 2 AZR 31/94 - NZA 1995, 363). Nach diesem Maßstab hätte die Beklagte bei einer tatsächlich von ihr in den Grenzen von Entgeltgruppen vorgenommenen Sozialauswahl den Betriebsrat nicht wahrheitsgemäß über die Sozialauswahl informiert.

Denn die Beklagte hat dem Betriebsrat, wie bereits zuvor zur Sozialauswahl dargelegt wurde, hinsichtlich der Bildung der Auswahlgruppe mitgeteilt, es müssten von 79 Arbeitnehmern in dem Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" 25 Arbeitsplätze wegfallen. Damit hat sie gegenüber dem Betriebsrat den Auswahlkreis als auf die in diesem Bereich beschäftigten 79 Mitarbeiter erstreckt mitgeteilt. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass von den 17 Mitarbeitern auf der Namensliste, deren Ausscheiden bereits vor Beginn der Anhörung des Betriebsrats die Beklagte diesem im Anhörungsschreiben mitgeteilt hat, lediglich 3 Arbeitnehmer in der im Rechtsstreit vorgetragenen Liste aufgeführt sind, welche die in die Entgeltgruppe E04A eingruppierten Mitarbeiter enthält. In der Gruppe der 17 einvernehmlich ohne Kündigung ausscheidenden Mitarbeiter befinden sich damit 14 anders eingruppiere Mitarbeiter. Daraus ergibt sich denknotwendig weiter, dass die Beklagte die 25 ausscheidenden Mitarbeiter entgeltgruppenübergreifend ausgewählt haben musste, sonst hätten die 17 vor der Anhörung ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht auf die Zahl von 25 aus 79 Mitarbeiter angerechnet werden können. Sie wären vielmehr vornherein nach Entgeltgruppen gegliedert darzustellen gewesen und hätten sodann den zuvor ihrerseits den unterschiedlichen Entgeltgruppen zugeordneten 79 Mitarbeitern gegenüber gestellt werden müssen, um so den je Entgeltgruppe noch zur Kündigung anstehenden Überhang und die hierauf bezogenen Auswahlüberlegungen mitteilen zu können.

Der Betriebsrat als Erklärungsempfänger, auf dessen Empfängerhorizont bei der Auslegung des Anhörungsschreibens abzustellen ist, konnte somit anhand des Anhörungsschreibens nur annehmen, die Sozialauswahl sei durch die Beklagte bezüglich des Klägers in der Gruppe der 79 Mitarbeiter in dem Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" vorgenommen worden. Der weitere Inhalt des Anhörungsschreibens, die Kündigung des Klägers und zweier weiterer Mitarbeiter ergebe sich insbesondere daraus, dass ihnen in ihrer Altersgruppe und innerhalb der Entgeltgruppe E04A zu kündigen sei, ändert daran nichts. Hiermit wird lediglich ein Ergebnis postuliert, ohne eine Aussage darüber zu treffen, welche Zahl von Kündigungen auf welche konkrete Auswahlgruppe nach welchen Kriterien zu verteilen gewesen sein soll. Zumindest konnte der Betriebsrat angesichts der zuvor getroffenen Aussage, von zuletzt 79 Mitarbeitern in dem Bereich "Stabilisatoren Endfertigung" würden 25 Arbeitsplätze wegfallen, nichts anderes annehmen. Dass die Beklagte dem Betriebsrat anderweitig eine andere Sozialauswahl mitgeteilt hätte, ist nicht substantiiert vorgetragen. Die am Ende des Anhörungsschreibens erfolgte Bezugnahme auf Erörterungen im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich ändert daran nichts. Durch sie würde zumindest nicht deutlich, welche Abgrenzung des Auswahlkreises bei einer - unterstellt - anderen Mitteilung der Bestimmung des Auswahlkreises im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich vorrangig sein soll.

Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ohnehin an die Festlegung des Sozialauswahlkreises in einerseits einen direkten Bereich und andererseits einen indirekten Bereich gebunden war, wie dies der Text des § 5 Satz 1 des Interessenausgleichs vom 19.09.2012 vorsieht, wobei diese Bereiche noch wesentlich weiter gefasst sind als der hier angenommene Bereich der "Stabilisatoren Endfertigung" und welche Folgen sich aus der Nichtbeachtung einer solchen, weiteren Grenzziehung des Auswahlkreises insbesondere für die Sozialauswahl ergeben würden.

d) Zudem ist die Kündigung wegen des Fehlens eines ordnungsgemäßen Konsultationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 KSchG i. V. mit § 134 BGB rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.

aa) Die Durchführung des Konsultationsverfahrens ist ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Kündigung (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - NZA 2013, 966, 967 Rn. 19). § 17 Absatz 2 KSchG ist ein Verbotsgesetz i. S. von § 134 BGB (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - NZA 2013, 966, 967 Rn. 21, 23 ff.).

Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat gem. § 17 Abs.2 Satz 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich über die im Gesetz näher bestimmten Umstände zu unterrichten. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen abzumildern.

bb) Die von der Beklagten beabsichtigten Entlassungen waren nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, in dem Betrieb I sei, ausgehend von bisher 351 Arbeitnehmern gegenüber 114 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen die Kündigung beabsichtigt, nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtig.

cc) Der Arbeitgeber, der nach § 17 Absatz 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen beabsichtigt, hat den Betriebsrat gem. § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG schriftlich insbesondere über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie für die Berechnung etwaiger Abfindungen zu unterrichten.

Soweit diese ihm gegenüber dem Betriebsrat obliegenden Pflichten mit denen aus § 102 Absatz 1 und aus § 111 BetrVG übereinstimmen, kann er sie gleichzeitig erfüllen (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - NZA 2013, 966, 967 Rn. 15; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - NZA 2013, 32, 35 Rn. 47). Er muss in diesem Fall jedoch hinreichend klarstellen, dass und welchen Pflichten er gleichzeitig nachkommen will (BAG 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - NZA 2013, 32, 35 Rn. 47). Die Pflicht zur Beratung gem. § 17 Absatz 2 Satz 2 KSchG geht dabei über eine bloße Anhörung deutlich hinaus (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - NZA 2013, 966, 967 Rn. 15). Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat über die Entlassungen beziehungsweise die Möglichkeiten ihrer Vermeidung verhandeln, zumindest muss er ihm dies anbieten (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - NZA 2009, 1267, 1271 Rn. 58).

Die Frage einer praktischen Durchführbarkeit der gleichzeitigen Erfüllung der Pflichten aus § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG und aus § 102 Absatz 1 BetrVG bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

dd) Es ist bereits weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte bei der Erteilung irgendeiner Information noch sonst vor Ausspruch der Kündigung geschweige denn rechtzeitig i. S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG dem Betriebsrat erkennbar gemacht hat, dass und welche Informationen sie ihm - ggf. auch - zum Zwecke der Einleitung des Konsultationsverfahrens übermittelt und dem Betriebsrat gerade - ggf. auch - auch unter diesem Gesichtspunkt Gelegenheit zur Beratung gem. § 17 Absatz 2 Satz 2 KSchG geben wollte. Auch aus den dem Betriebsrat übergebenen Informationen, soweit deren Inhalt durch die Beklagte in den Rechtsstreit eingeführt wurde, ergibt sich bereits eine Einleitung des Konsultationsverfahrens nicht.

Daran ändert die Aussage zu Nr. 4 der Ergänzungsvereinbarung vom 20.09.2012 zum Interessenausgleich vom 19.09.2012 nichts. Sie lautet: "Der Interessenausgleich gilt zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats im Sinne des § 17 KSchG." Damit bezieht sie sich lediglich auf die der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit gemäß § 17 Absatz 3 Satz 2 KSchG beizufügende Stellungnahme des Betriebsrats. Das Konsultationsverfahren und insbesondere seine Einleitung durch Erteilung konkreter Informationen werden dadurch nicht berührt.

2. Auch die auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits gerichtete Klage ist begründet. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch ist für den Fall des erstinstanzlichen Obsiegens des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess und des Fehlens eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers an der Suspendierung der Beschäftigung anerkannt (BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - NZA 1985, 702). Obsiegt der Arbeitnehmer in der Berufungsinstanz, besteht dieser Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur Zustellung des eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses oder dem Abschluss des Revisionsverfahrens (BAG Urteil vom 8. April 1988 -- 2 AZR 777/87 - NZA 1988, 741, 743).

Die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung wurde zuvor festgestellt. Ein hinreichendes, überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Das weitere Vorbringen der Parteien, welches die Kammer bedacht hat, bedarf danach keiner Erörterung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

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