LG Essen, Urteil vom 29.05.2012 - 9 O 182/10
Fundstelle
openJur 2014, 7203
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin wird auf die Widerklage hin verurteilt, an die Beklagte 7.858,02 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 04.05.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 93 %, die Beklagte zu 7 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Fachunternehmen für Abbruch, verlangt Zahlung einer restlichen Vergütung für Abbrucharbeiten. Die Beklagte erachtet einen Teil der Rechnungspositionen als unbegründet. Sie rechnet außerdem mit Gegenansprüchen auf Kostenersatz für Mängelbeseitigung sowie Verzugsschäden auf. Einen überschießenden Betrag macht sie im Wege der Widerklage geltend.

Die Beklagte erteilte der Klägerin am 17.09.2009 einen Auftrag über Abbrucharbeiten auf einem Grundstück N-Str./B-Str. in L, wo die Beklagte Neubauten errichten wollte. Das Leistungsverzeichnis umfasste insbesondere den Abriss von Lagerhallen, Wohnhäusern, Garagen und Schuppen, ferner die Entsorgung von Problemstoffen. Die Vertragssumme lautete über einen "Pauschalfestpreis" von 144.537,82 Euro netto (172.000,00 Euro brutto). Die VOB/B waren einbezogen. Einzelheiten: Auftragserteilung vom 17.09.2009 mit Verzeichnis der Leistungen, Bl. 14 - 34 d. A. Später beauftragte die Beklagte einen Nachtrag N1 für einen Abbruch per Hand. Die Klägerin verlangte außerdem, die Beklagte solle einen Nachtrag N2 für zusätzliche Entsorgungskosten von Problemstoffen beauftragen. Einzelheiten zu den Nachträgen sind streitig (siehe dazu die Sachverhaltsdarstellung in den Entscheidungsgründen).

Die Klägerin führte die Arbeiten aus. Die Beklagte nahm die Arbeiten am 28.01.2010 förmlich ab. Die Abnahme erfolgte "vorbehaltlich der Geltendmachung von VOB/B § 6 Nr. 6". Im Abnahmeprotokoll wurden Mängel festgehalten (Einzelheiten: Bl. 47 ff.).

Die Klägerin stellte am 04.02.2010 die Schlussrechnung (Einzelheiten: Bl. 51 ff.). Neben der berechneten Pauschalvergütung stellte die Klägerin Nachträge für einen Handabbruch (N1) und zusätzliche Entsorgungskosten (N2) in Rechnung, so dass die Rechnung über 157.137,02 Euro netto lautete. Abzüglich fünf im Einzelnen aufgeführter Teilzahlungen schloss die Rechnung sodann mit 36.913,54 Euro netto (43.927,11 Euro brutto). Hierauf zahlte die Beklagte nicht.

Am 16.11.2010 stellte die Klägerin eine weitere Rechnung, die sich auf dasselbe Bauvorhaben bezog. Sie berechnete darin den Abbruch alter Bodenplatten mit 20.034,84 Euro brutto. Die Beklagte zahlte auch diese Rechnung nicht.

Die Klägerin hat zunächst 43.927,11 Euro zuzüglich Zinsen eingeklagt (Schlusszahlung 1. Rechnung) und im weiteren Verfahrensverlauf die Klage um 20.034,84 Euro zuzüglich Zinsen erweitert (2. Rechnung).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte verurteilen, an die Klägerin 63.961,95 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 43.927,11 Euro und weiteren 20.034,84 Euro seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Nachtrag N2 (zusätzliche Entsorgungskosten) in Höhe von 10.830,88 Euro brutto sei unberechtigt, da er bereits im Hauptauftrag enthalten sei. Sie ist weiter der Auffassung, von dem Pauschalbetrag sei ein Betrag von 2.940,00 Euro netto (3.498,60 Euro brutto) für Stundenlohn abzuziehen (Einzelheiten siehe Entscheidungsgründe).

Die Beklagte behauptet, die Arbeiten der Klägerin seien nicht vertragsgemäß (Einzelheiten siehe Entscheidungsgründe). Sie rechnet auf mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch für Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 2.298,87 Euro. Die Beklagte rechnet weiter auf mit einem angeblichen Verzugsschadenanspruch in Höhe von 40.954,25 Euro (Einzelheiten siehe Entscheidungsgründe). Den überschießenden Betrag macht sie widerklagend geltend.

Die Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 13.578,81 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie behauptet, mangelfrei geleistet zu haben. Soweit sie ihre Arbeiten verspätet abgeschlossen habe, seien die Gründe dafür in der Sphäre der Beklagten zu suchen (Einzelheiten: Siehe Entscheidungsgründe).

Die Klage über 43.927,11 Euro ist der Beklagten am 27.08.2010 zugestellt worden. Die Klageerweiterung über 20.034,84 Euro ist am 31.01.2011 zugestellt worden. Die Widerklage ist der Klägerin am 03.05.2011 zugestellt worden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Zeugen F, X und L. Zum Inhalt der Beweisaufnahme wird auf Bl. 273 - 279 verwiesen. Die Kammer hat weiter die Zeugen T, X-K, H, G, N und B vernommen. Zum Inhalt der Vernehmungen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.03.2012 (Bl. 285 - 302) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Widerklage ist teilweise begründet.

1. Die Klägerin hat gemäß § 631 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die geleisteten Arbeiten. Die Fälligkeit des Anspruchs ist durch die förmliche Abnahme vom 27.01.2010 eingetreten. Der Anspruch besteht jedoch nicht in der geltend gemachten Höhe. Abzuziehen sind der Nachtrag N2 in Höhe von 10.830,88 Euro brutto und der Rechnungsbetrag der Rechnung vom 16.11.2010 in Höhe von 20.034,84 Euro, so dass 33.096,23 Euro verbleiben:

a) Von der Rechnung vom 04.02.2010 ist der Nachtrag N2 ("Entsorgungskosten Beton/Bauschutt mit PAK- und PCB-Anhaftungen" in Höhe von 9.101,58 Euro netto (10.830,88 Euro brutto) abzuziehen. Diesen Nachtrag kann die Klägerin nicht verlangen:

(1) Unstreitig zeigte die Klägerin der Bauleiterin der Beklagten an, dass zu entsorgender Beton mit PCB kontaminiert war. Die Beklagte - hier durch Bauleiterin Wortmann-Jung - bat um Hereingabe eines Nachtragsangebots, das die Klägerin am 26.11.2009 abgab (Nachträge N1.1 über händischen Abbruch, Nachträge N1.2, N1.3 über Entsorgung (Bl. 41)). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 04.12.2009 (Bl. 43): "Bezüglich der Entsorgung des Betons mit teerhaltigen Anhaftungen bitten wir um Einreichung der Wiegekarten und um Nachweis der Entsorgungskosten der Deponie, damit der Nachtrag geprüft werden kann."

Das Leistungsverzeichnis verhielt sich zu belasteten Abfällen: S. 2 enthält eine überschlägige Massenermittlung und einen Hinweis auf Abrisskataster einer L GmbH (Bl. 16). In der Massenermittlung heißt es "50 m² PCB-haltiger grüner Wandanstrich".

In Pos. 01.02.10 und 01.02.20 des Leistungsverzeichnisses heißt es: "Die Entsorgung von Problemabfallstoffen wie Dachpappen oder Faserzementplatten, Dämmstoffe und fest verlegte Oberböden werden nicht extra vergütet." In Pos. 01.02.30 fehlt diese Klausel, wobei die Textbausteine ansonsten identisch sind.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Entsorgung des Betons sei nicht von dem Pauschalauftrag umfasst. Das Schreiben vom 04.12.2009 sieht sie als "Anerkenntnis" des Nachtrags dem Grunde nach an. Der Prüfungsvorbehalt beziehe sich nur auf die Höhe des Nachtrags.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Entsorgung sei in der Pauschalvereinbarung enthalten. Sie meint weiter, wegen des Prüfungsvorbehalts sei das Schreiben vom 04.12.2009 kein "Anerkenntnis" des Nachtrags, eine Nachtragsvereinbarung sei nicht geschlossen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beton belastet gewesen sei, jedenfalls habe die Klägerin die Diffusion von PCB in Beton als Fachunternehmen kennen müssen. Die Entsorgung sei nicht nachgewiesen, die Nachtragsvergütung der Höhe nach nicht korrekt ermittelt (siehe im Einzelnen Bl. 77 ff.). Die von der Kl. vorgelegten Untersuchungsergebnisse der L GmbH zeigten, dass das PCB im Wesentlichen im Bitumen steckte, das mit dem Beton untrennbar verbunden sei. Bereits nach dem Leistungsverzeichnis habe die Klägerin diesen Schutt fachgerecht entsorgen müssen.

(2) Einen Anspruch auf Bezahlung des Nachtrags hat die Klägerin nicht. Die Beklagte hat den Nachtrag nicht schriftlich beauftragt. Im Schreiben vom 04.12.2009 (Bl. 43 d. A.) hat sie um Nachweise gebeten, um den Nachtrag prüfen zu können. Daraus ergibt sich keine Beauftragung dem Grunde nach, zumal die Beklagte Nachtrag 2 mit dem beigefügten Schreiben (Bl. 45f d. A.) ausdrücklich beauftragt hat. In der Prüfung der Teilschlussrechnung vom 22.12.2009 (Bl. 60f) hat die Beklagte den Nachtrag zwar nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber ebenfalls Nachweise für Kosten und Entsorgungsmengen verlangt. Da diese Erklärung derjenigen vom 04.12.2009 in der Sache gleicht, reicht sie nicht weiter.

Ohnehin hatte die Klägerin die dem Nachtrag zugrunde liegenden Leistungen bereits nach dem Ursprungsvertrag zu erbringen. Im Leistungsverzeichnis sind die "auffälligen" Baumaterialien, die anzutreffen sind, nicht abschließend aufgezählt (Bl. 16: "u.a."). In den Positionen 01.02.10 und 01.02.20 ist von zu entsorgenden Problemabfallstoffen "wie" Dachpappen, Faserzementplatten, Dämmstoffen und fest verlegten Oberböden die Rede. (In der ansonsten wortgleichen Position 01.02.30 ist dieser Passus offenbar vergessen worden.) Damit umfasst der Vertrag auch die Entsorgung von PCB-haltigem Wandanstrich als vergleichbarem Problemstoff, wie man ihn typischerweise in älteren Gebäuden findet. Anders wäre es allenfalls, wenn es sich um belastete Baumaterialien handelte, deren Vorkommen für die Klägerin überraschend und unvorhersehbar wäre. Dafür müsste nach der vertraglichen Risikoverteilung die Beklagte zusätzlich zahlen. Doch ist dazu nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Erteilt der Auftraggeber im Rahmen eines Werkvertrags "Zusatzaufträge”, stellt sich aber im Nachhinein heraus, dass es sich um Leistungen handelt, die der Auftragnehmer schon nach dem Ursprungsvertrag zu erbringen hat, schuldet der Auftraggeber dafür eine (zusätzliche) Vergütung nur, wenn er eine solche Forderung in Ansehung dieser Frage anerkannt hat oder die Parteien sich hierüber verglichen haben (BGH, NZBau 2005/453/454; BauR 1995/237; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, 3. Auflage, 2009, § 2 Rdnr. 191). Dem Klägervortrag ist nicht zu entnehmen, dass über die Frage, ob der Vertrag die Entsorgung erfasste, Zweifel bestanden hätten (Bl. 3f).

b) Ein Abzug von 2.940,00 Euro netto für Stundenlohnarbeiten von der Rechnung der Klägerin ist nicht vorzunehmen.

(1) Das Leistungsverzeichnis enthält unter Pos. 01.04 Stundenlohnarbeiten, und zwar als Eventualposition. Die Beklagte trägt vor, Stundenlohnarbeiten seien Bestandteil der beauftragten Pauschalsumme von 172.000,00 Euro, so dass die zusätzliche Geltendmachung von 2.940,00 Euro eine Doppeltberechnung wäre. Die Klägerin trägt vor, sie mache die Stundenlohnkosten nicht doppelt geltend.

(2) Ein Kürzung der Schlussrechnung um 2.940,00 Euro netto ist nicht gerechtfertigt.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten macht die Klägerin die Stundenlohnarbeiten nicht doppelt geltend. Die Rechnung vom 04.02.2010 enthält neben der Pauschalvergütung von 144.537,82 Euro zwei Nachträge: Die Entsorgungskosten für belasteten Beton (Nachtrag N2) haben mit Stundenlohnarbeiten nichts zu tun. Der Nachtrag N1 (erhöhte Abbruchkosten) war nach Einheitspreisen je kbm Abbruch beauftragt und berechnet worden. Er ist damit ebenfalls von den Eventual-Stundenlohnarbeiten aus dem Leistungsverzeichnis unabhängig.

Ein Abzug käme aber in Betracht, wenn keine Stundenlohnarbeiten angefallen sind. Der Unternehmer hat den Pauschalpreis verdient, wenn er die vertraglich vorgesehene Leistung erbracht hat. Ob er dabei mehr oder weniger leistungsmäßigen Aufwand betreiben musste, als ursprünglich veranschlagt war, spielt grundsätzlich keine Rolle. Haben die Parteien - wie hier - den Leistungsumfang in einem Leistungsverzeichnis näher festgehalten, sind nachträglich wegfallende Leistungen aber durch einen entsprechenden Abzug zu berücksichtigen, wenn es sich im Verhältnis zur vereinbarten Pauschale nicht um Bagatellbeträge handelt, was für eine Abweichung von 1,7% verneint worden ist (Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, VOB/B; 17. Auflage, 2010, § 2 Abs.7 Rdnr. 17; Jansen/von Rintelen, in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 2010, § 631 Rdnr. 345f). Beim Pauschalvertrag gelten die Nachweisregeln des § 15 Abs. 3 S. 2 VOB/B nicht. Es ist Sache des Auftraggebers nachzuweisen, dass der Aufwand nicht angefallen ist.

Allerdings handelt es sich bei den Stundenlohnarbeiten im vorliegenden Fall um Eventualpositionen. Beauftragt der Auftraggeber eine Eventualposition, so hat er damit eine geänderte oder zusätzliche Leistung angeordnet, für die der Preis schon feststand (Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, aaO, § 2 Rdnr. 161). Ändert sich der Vordersatz/die Menge, kommt beim Einheitspreisvertrag eine Änderung nach § 2 Abs. 3 VOB/B in Frage (Kapellmann/Messerschmidt, aaO). Diese Bestimmung ist aber auf den Pauschalpreisvertrag nicht anwendbar (Kapellmann, aaO, Rdnr. 233). Stimmt der Auftraggeber sehenden Auges einer Pauschalierung einer Eventualposition zu, nimmt er damit in Kauf, dass diese Leistungen eventuell nicht anfallen; es handelt sich um den äußersten Fall der Übernahme des Mengenrisikos.

c) Die Zahlung der Rechnung vom 16.11.2010 kann die Klägerin nicht verlangen.

(1) Mit Rechnung vom 16.11.2010 berechnete die Klägerin weitere 20.034,84 Euro brutto. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe im Zuge eines Ortstermins am 14.01.2010 angeordnet, dass die Klägerin zusätzlich zu den vertraglichen Leistungen begrünte Freiflächen zwischen den Lagerhallen und dem Ausstellungsgelände aufnehmen sollte, um darunter befindliche Bodenplatten und Fundamente einer älteren Bebauung zu entfernen. Diese hätten mit dem Leistungssoll des Vertrages in keinem Zusammenhang gestanden und seien räumlich deutlich getrennt gewesen. Sie habe die Arbeiten sachgemäß ausgeführt und am 16.11.2010 Rechnung gelegt. Die zusätzlichen Leistungen umfassten Stundenlohnarbeiten, Einsatz des Felsmeißels und Entsorgung des Betonabbruchs (siehe näher Bl. 147 ff.).

Die Beklagte ist der Auffassung, das in Rede stehende Fundament gehöre zu Pos. 01.02.80 des LV und sei ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen. Am 14.01.2010 hätten ihre Mitarbeiter N und B lediglich darauf hingewiesen, dass die betreffende Position des Leistungsverzeichnisses noch zu erbringen gewesen sei.

(2) Ein Anspruch der Klägerin besteht nicht, da die fraglichen Arbeiten bereits vom Leistungssoll des ursprünglichen Vertrages abgedeckt waren, und zwar von Position 01.02.80 des Leistungsverzeichnisses. Die Klägerin kann insoweit nicht argumentieren, der Abbruch eines separaten Fundaments (ohne aufstehende Bebauung) habe mit dem Leistungssoll des Vertrages nichts zu tun.

Die Aussage des Zeugen H, Bauleiter der Klägerin, war unergiebig. Die Zeugen X-K und N, Bauleiterin und Architekt der Beklagten, haben ausgesagt, bei den Vergabeverhandlungen sei der Abbruch der Bodenplatte thematisiert worden. Da die Dicke und die Bewehrung der mit Erde bedeckten Platte unbekannt gewesen seien, hätten sie sich mit den Mitarbeitern der Klägerin geeinigt, drei Eventualpositionen in das Leistungsverzeichnis aufzunehmen (Pos. 01.02.50, 01.02.60 und 01.02.70). Die Aussagen sind glaubhaft, denn sie stehen mit dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses im Einklang. Dies ergibt vor allem ein Vergleich der Position 01.02.80 mit den weiteren Abbruchpositionen. Denn die Positionen 01.02.10 (Lagerhallen abbrechen), 01.02.20 (Wohnhäuser abbrechen) und 01.02.20 (Schuppen) enthalten nach der Leistungsbeschreibung stets auch den Abbruch der jeweiligen Fundamente und der Bodenplatte. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass es sich bei der Position 01.02.80 um eine separate Betondecke handeln muss, und zwar - wie die Leistungsbeschreibung ausweist und die Zeugen ausgesagt haben - um die Bodenplatte einer alten Lagerhalle.

2. Die Beklagte hat einen aufrechenbaren Gegenanspruch gegen die Klägerin, und zwar in Höhe von (nur) 40.954,20 Euro. Damit ist die Forderung der Beklagten in Gänze durch Aufrechnung erloschen. In Höhe von 7.858,02 Euro verbleibt eine überschießende Widerklageforderung:

a) Ein Gegenanspruch in Höhe von 40.954,25 Euro besteht gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B i. V. m. § 5 Nr. 4 (Schadensersatz wegen Nichteinhaltung von Ausführungsfristen).

(1) Die Parteien hatten eine Ausführungsfrist vereinbart. Im Verhandlungsprotokoll heißt es dazu unter Ziffer 5.

"5.1 Mit den Arbeiten des AN ist auf der Baustelle nach Baugenehmigung zu beginnen, voraussichtlich 38 - 39 KW 2009.

5.2 Verbindlicher Fertigstellungstermin: 9 Wochen nach Auftragserteilung"

Die Beklagte gestattete den Beginn der Arbeiten (erst) ab 05.10.2009. Rechnerisch ergab sich nach 9 Wochen der Fertigstellungstermin 07.12.2009. Die Klägerin beendete die Arbeiten jedoch erst am 22.01.2009. Auf die Abbrucharbeiten der Klägerin sollte die Leistung einer F Umwelttechnik GmbH & Co. KG aufbauen, die von der Beklagten mit dem Bodenabtrag beauftragt war.

Die Beklagte behauptet, die F GmbH & Co. KG habe ihre Preise nur deshalb anbieten können, weil sie mit den entsprechenden Deponien Sonderkonditionen ausgehandelt habe (Anlieferung Deponie X-grund bis 31.12.2009, I Dr. N GmbH bis 15.01.2010). Durch die Verzögerungen seien der F2 GmbH & Co. KG Mehrkosten in Höhe von 40.954,25 Euro brutto entstanden (Berechnung siehe Bl. 82 f.), die an die Beklagte weiterbelastet und bezahlt worden seien.

Die Beklagte behauptet, die Verzögerungen seien im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Klägerin zu wenig Personal eingesetzt habe (Bl. 224 f.). Die Beklagte trägt vor, es hätte einer Behinderungsanzeige bedurft (siehe näher Bl. 178 f.).

Die Klägerin ist der Auffassung, der "Fertigstellungstermin" sei unverbindlich und keine verbindliche Vertragsfrist im Sinne des § 5 Abs. 1 VOB/B. Sie behauptet außerdem, die Verzögerungen lägen im Verantwortungsbereich der Beklagten: Die Baustelle sei am 05.10.2009 nicht geräumt gewesen. Die Medienleitungen in Lager, Büro und Wohnhaus I seien nicht getrennt gewesen, dies sei erst Anfang November geschehen. In der an das Wohnhaus I grenzenden Garage habe sich ein Oldtimer befunden. Die Halle III sei verschlossen gewesen, dort seien Sachen eingelagert gewesen. Dadurch seien vor allem die Asbestarbeiten in der Halle III verzögert worden und der gesamte Zeitplan habe umgestellt werden müssen. Die Räume seien erst Ende November/Anfang Dezember vollständig geräumt gewesen. Im November 2009 habe die Beklagte wegen statischer Probleme im Bereich gemeinsamer Wände einen Baustopp von vier Tagen verfügt, es sei ein Statiker hinzugezogen worden. Eine erforderliche Beprobung des Betonabbruchs habe die Entsorgung verzögert. Die Zeugin Worthmann-Jung sei ständig auf der Baustelle präsent gewesen, die Verzögerungen seien mehrfach mit ihr erörtert worden. Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der mit Nachtrag N1 beauftragte händische Abbruch sehr zeitaufwändig gewesen sei.

(2) Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin wegen Nichteinhaltung von Ausführungsfristen besteht gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B i. V. m. § 5 Nr. 4 VOB/B.

Die vertragliche Frist ist als Ausführungsfrist im Sinne der VOB/B zu verstehen. Darauf deutet der Wortlaut des Verhandlungsprotokolls "verbindlicher Fertigstellungstemin" hin. Unstreitig hat die Klägerin die Ausführungsfrist um rund 6 ½ Wochen überschritten.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, der mit dem Nachtrag N1 vereinbarte händische Abbruch habe eine Verzögerung bewirkt. Denn durch den Nachtrag ist die Ausführungsfrist nicht verlängert worden. In dem Auftragsschreiben der Beklagten heißt es insoweit: "Alle übrigen Bedingungen und Vereinbarungen des Hauptauftrags bleiben unverändert."

Im Übrigen hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Verzögerungen aus der Sphäre der Beklagten stammen. Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat den Nachweis nicht führen können. Keiner der Zeugen hat ihre Sachverhaltsdarstellung bestätigt:

Der Zeuge T, Bauarbeiter der Klägerin, hat zwar dargestellt, dass den Arbeiten einige "Hindernisse" entgegen gestanden hätten. So habe man zunächst eine Doppelgarage nicht abreißen können, weil der Voreigentümer, der Zeuge G, dort noch Sachen habe unterstellen dürfen. Bei einem abzureißenden Einfamilienhaus sei der Strom nicht abgeklemmt gewesen. Auch habe an einer Stelle ein Statiker erst "grünes Licht" für den Abbruch geben müssen. Schließlich habe ein Schadstoff-Gutachter zunächst keine Freigabe für den Abtransport von Bauschutt gegeben. Jedoch hätten all diese "Hindernisse" nicht zu nennenswerten Verzögerungen geführt. Denn das Gelände mit den abzureißenden Gebäuden sei so groß gewesen, dass die Bauarbeiter immer an anderen Stellen hätten arbeiten können. Zunächst seien sie zu zweit oder dritt gewesen. Am Ende hätten sie mit fünf oder sechs Leuten gearbeitet.

Dem entspricht im Wesentlichen die Aussage des Zeugen H, Bauleiter der Beklagten. Er hat ebenfalls die "Hindernisse" benannt. Die Baustelle habe aber niemals stillgestanden. Es treffe auch zu, dass anfangs nur zwei oder drei Arbeiter der Klägerin auf der Baustelle gewesen seien.

Der Zeuge F, Voreigentümer des Grundstücks, hat bestätigt, in einer Garage einen Oldtimer gelagert zu haben. Dies sei aber in Absprache mit beiden Parteien geschehen. Beschwerden habe es nie gegeben. Wegen der Größe des Geländes, wo die Arbeiter sich "von hinten nach vorn" vorgearbeitet hätten, habe es keine Verzögerungen gegeben. Einen Gabelstapler und einen Stapel Paletten in einer der Hallen habe er noch vor Beginn des Abbruchs entfernt.

Schließlich hat auch die Zeugin X-K ausgesagt, dass keine von der Beklagten zu verantwortenden Hindernisse für den Fortgang der Abbruch- und Entsorgungsarbeiten vorgelegen hätten.

Den Schaden hat die Beklagte nachgewiesen durch die schriftlichen Aussgen der Zeugen X1, F und L1, die die deponierten Mengen, die entstandenen Mehrkosten und die Weiterbelastung an die Beklagten durch die Engel GmbH & Co. KG bestätigt haben.

b) Ein Gegenanspruch auf Kosten für Mängelbeseitigung in Höhe von 2.298,87 Euro nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B scheidet allerdings aus.

(1) Nach dem Leistungsverzeichnis hatte die Klägerin beim Abbruch der Gebäude jeweils die vorhandenen Kanalhausanschlüsse an der Grundstücksgrenze fachgerecht zu schließen und lage- und höhenmäßig einzumessen. Unstreitig umfassten die von der Klägerin geschuldeten Abbrucharbeiten auch eine (im LV nicht ausdrücklich genannte) Toreinfahrt am Haus B- Str. sowie die Bodenplatte der Garage an der Toreinfahrt. Die Klägerin führte folgende Arbeiten nicht aus: Einmessen und Verschließen der Kanalanschlüsse des Wohnhauses N-Str., Einmessen und Verschließen der Kanalanschlüsse des Büros zum Grundstück B- Str. 16, Abbruch der Toreinfahrt in der B-Str. und Abbruch der Bodenplatte der Garage an der Toreinfahrt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.10.2010 (also bereits während des laufenden Zivilverfahrens) forderte die Beklage die Klägerin zur Mängelbeseitigung auf. Frist: 29.10.2010. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2010 wies die Beklagte die Mängelrügen zurück (Anlage K16, Bl. 107).

Die Klägerin behauptet: Der Kanal an der N-Str. habe offen bleiben sollen. Das Einmessen müsse nur dann erfolgen, wenn der Bereich mit Erdboden verfüllt werde, so dass die Lage der Kanalleitungen nicht mehr sichtbar sei, damit man sie wiederfinde. Die Beklagte habe angeordnet, den Kanal B.- Str. 16 nicht zu verschließen und den Rückbau bis zu einem Schacht vorzunehmen. Die Beklagte habe die Anweisung erteilt, die Toreinfahrt nicht abzubrechen, da durch diese und das dort vorhandene Rolltor die Baustelle habe gesichert werden sollen und noch immer gesichert werde

Die Beklagte behauptet: Der Kanalanschluss N-Str-. sollte zwar offen bleiben. Nach dem Leistungsverzeichnis sollte er aber eingemessen werden, woran es - insoweit unstr. - fehle. Die Einmessung sei auch dann erforderlich, wenn nicht verfüllt werde. Auf dem Grundstück B- Str. seien von zwei Kanalanschlüssen einer nicht verschlossen und beide nicht eingemessen worden. Die Toreinfahrt und die Bodenplatte hätten nur zunächst erhalten bleiben sollen, da sich der Baustellenverkehr durch die Einfahrt bewegte. Im Januar 2008 sei die defekte Anlage von der Fa. F entfernt worden, die Klägerin habe aber Restarbeiten erledigen müssen. Wegen des bereits eingetretenen Verzuges der Klägerin habe die Beklagte durch Frau X-K darum gebeten, das Tor zunächst stehen zu lassen, bis die Erdarbeiten begannen, damit der Abbruch den weiteren Fortschritt nicht behindere.

(2) Ein Gegenanspruch der Beklagten besteht nicht:

Gewährleistungsansprüche der Beklagten in Bezug auf das Einmessen und Verschließen der Kanäle sind ausgeschlossen gemäß § 640 Abs. 2 BGB i. V. m. § 12 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B. Im Abnahmeprotokoll vom 28.01.2010 sind Mängel in Bezug auf das Einmessen und Verschließen der Kanäle nicht vermerkt, ebenso wenig im Schreiben vom 26.01.2010. Da es sich um offensichtliche Mängel handelt, greift die Ausschlussbestimmung.

Vermerkt im Abnahmeprotokoll sind dagegen Einfahrt und Torbogen/Reste Garage B- Straße 16. Aber auch insoweit kann die Beklagte keine Gewährleistung verlangen. Denn die Beklagte hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die geschuldete Leistung nicht abgerufen, so dass im Ergebnis kein Mangel vorliegt. Die Zeugin X-K, Bauleiterin der Beklagten, hat ausgesagt, sie habe angeordnet, dass die Toranlage nebst der nebenstehende Garage zunächst nicht abgerissen werden sollte, um einen ungehinderten Zugang auf das Gelände zu gewähren. Denn Abrissarbeiten - so die Aussage der Zeugin - hätten den Zugang für mehrere Tage verhindert. Später, im Oktober 2010, habe der Geschäftsführer der Beklagten vor Ort angeboten, die Toranlage abzureißen. Sie habe ihm aber gesagt, dass er dies nicht mehr erledigen solle. Es sei nach ihrer Erinnerung zu diesem Zeitpunkt bereits das Bauunternehmen Engel beauftragt gewesen. Die Kammer folgt der Aussage der Zeugin X-K, die mit dem Inhalt der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin im Termin im Einklang steht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Klage: 63.961,95 Euro

Widerklage: 13.578,81 Euro

Gesamt: 77.540,76 Euro