Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18.03.2014 - 10 LB 91/13
Fundstelle
openJur 2014, 6491
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 25. April 2013 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldnerin kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen des Kommunalverfassungsstreits darum, ob das Akteneinsichtsrecht nach § 58 Abs. 4 Satz 3 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (im Folgenden: NKomVG) die Darlegung eines Überwachungszweckes erfordert.

Die Klägerin beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober 2012, ihr durch ihren Vorsitzenden Akteneinsicht in insgesamt vier bestimmt bezeichnete Verträge der Stadt mit der Richard-Borek-Stiftung samt aller Zusätze, Änderungen und Ergänzungen zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, es gelte zu überwachen und zu kontrollieren, ob diese Verträge innerhalb des Kompetenzbereichs derer lagen, die sie abgeschlossen hätten und ob sie weiter inhaltlich zum Nutzen und Vorteil der Bürgerinnen und Bürger der Stadt aufgesetzt worden seien.

Mit zwei Schreiben vom 4. Dezember 2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil es an der Darlegung eines konkreten Kontrollinteresses fehle. Das Recht auf Akteneinsicht diene als Kontrollrecht des Rates ausschließlich dem Zweck der Überwachung der Durchführung von Beschlüssen und des sonstigen Ablaufs der Verwaltungsangelegenheiten. Diese Zweckgebundenheit folge aus der Systematik des § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG. Die Klägerin müsse zudem schlüssig begründen, welche Anhaltspunkte es für die Kontrollnotwendigkeit gebe. Der Kontrollzweck könne von der Verwaltung nur dann überprüft werden, wenn nicht allein der Gesetzestext formelhaft wiederholt oder nur pauschal oder pro forma ein Kontrollzweck benannt werde, für den es keinen hinreichend konkreten Anlass bzw. kein konkretes Kontrollinteresse gebe.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 wandte sich die Klägerin gegen die Rechtsauffassung des Beklagten und wiederholte ihr Akteneinsichtsbegehren, zu dessen Begründung sie auf die Kontrollpflicht des Rates sowie darauf hinwies, dass Transparenz und Kontrolle der Verwaltung geeignet seien, vorbeugend „Schlamperei, Korruption und Begünstigung einer Verwaltung“ entgegenzuwirken.

Unter dem 20. Dezember 2012 lehnte der Beklagte die Akteneinsicht erneut im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Begehren sei ausschließlich darauf angelegt, allgemeine Informationen im Rahmen der kommunalpolitischen Arbeit zu beschaffen, die nach dem Gesetz allein dem Auskunftsrecht einzelner Abgeordneter nach § 56 Satz 2 NKomVG vorbehalten sei. Ein überprüfbarer Kontrollzweck sei nicht plausibel dargelegt worden. Diese rechtliche Bewertung sei in einer vergleichbaren Angelegenheit vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport mit Schreiben vom 28. September 2012 bestätigt worden.

Die Klägerin hat am 7. Januar 2013 Klage erhoben. Sie hat zunächst sinngemäß beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr Akteneinsicht in die von ihr benannten vier Verträge zu gewähren. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass die Akteneinsichtnahme gerade den Zweck verfolge, nähere Informationen zu den Verträgen zu erhalten. Solange ihr der Inhalt der Verträge aber vorenthalten werde, könne sie detailliertere Angaben zum Überwachungszweck nicht machen. Im Klageverfahren hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. März 2013 weitere „konkrete Gründe aus öffentlich zugänglichen Medienberichten“ geltend gemacht. Danach gelte es zu kontrollieren, dass zwischen dem namentlich bezeichneten Münzhändler und dem Beklagten, die „Männerfreunde aus Politik und Wirtschaft“ seien, keine Geschäftspraktiken bestünden, welche die „Grenzen der Legalität tangieren“. Des Weiteren sei zu überwachen, ob „grenzwertige Geschäftspraktiken aus dem Münzhandel“ auf die vom Beklagten abgeschlossenen Verträge mit dem Münzhändler übertragen würden. Daraufhin hat der Beklagte ihr Akteneinsicht in die Vorgänge gewährt.

Die Klägerin hat ihren Klagantrag umgestellt und beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte bereits aufgrund ihres Antrags vom 26. Oktober 2012 verpflichtet war, ihr Einsicht in die Akten mit den vier genannten Verträgen zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Rechtsauffassung vertieft und ergänzend vorgetragen, dass er an den Erlass des Innenministeriums gebunden und der von der Klägerin ursprünglich angeführte Überwachungszweck „aus der Luft gegriffen“ sei. Auch sei das Akteneinsichtsrecht im Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht des einzelnen Ratsmitglieds zu betrachten. Ein einzelnes Ratsmitglied hätte vom Oberbürgermeister zunächst Auskunft verlangen und im Anschluss daran mit Hilfe eines sich eventuell daraus ergebenden konkreten Kontrollanlasses Akteneinsicht verlangen können.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der angegriffenen Entscheidung stattgegeben. Es hat zur Zulässigkeit ausgeführt, dass die Klage nach Klageänderung als Feststellungsklage zulässig sei. Sie betreffe ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nach § 43 VwGO, weil anhand eines konkreten Sachverhaltes zwischen den beteiligten Organen der Stadt Braunschweig streitig sei, ob die Einsichtnahme in die Akten schon aufgrund der ursprünglichen Antragstellung hätte gewährt werden müssen. Die Klägerin besitze ferner das erforderliche Feststellungsinteresse, obgleich der Beklagte die mit der zunächst erhobenen Leistungsklage erstrebte Akteneinsicht zwischenzeitlich gewährt habe und das Rechtsverhältnis insoweit einen vergangenen Streit betreffe. Denn der Konflikt habe noch Wirkungen für die Zukunft. Der Beklagte habe angekündigt, er werde auch zukünftig Anträge auf Akteneinsicht ablehnen, wenn keine aus seiner Sicht hinreichende Darlegung des Kontrollanlasses für ein Akteneinsichtsgesuch erfolge. Bei einer Wiederholungsgefahr sei regelmäßig ein Feststellungsinteresse gegeben. Vor diesem Hintergrund scheitere die Zulässigkeit auch nicht an der Subsidiarität der Feststellungsklage. Der Klägerin dürfe aus Gründen der Effektivität ihrer Funktionsrechte nicht zugemutet werden, den nächsten Konflikt abzuwarten, um (erst) dann (erneut) eine gerichtliche Klärung anstreben zu können. In der Sache hat das Verwaltungsgericht zur Begründung ausgeführt, dass das kommunale Akteneinsichtsrecht nicht von einem „Kontrollzweck“ abhängig sei. Es könne vielmehr auch zu („reinen“) Informationszwecken ausgeübt werden. Dies folge insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des kommunalen Akteneinsichtsrechts.

Der Senat hat auf Antrag des Beklagten mit Beschluss vom 11. November 2013 -10 LA 28/13 - die Berufung zugelassen, weil der Rechtssache aufgrund der Frage, „ob § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG eine voraussetzungslose Akteneinsicht der Vertretung bzw. von Minderheiten eröffnet oder ob der niedersächsische Gesetzgeber seit 1982 jeweils an einer Darlegung der gesetzlich vorgegebenen Überwachungszwecke festgehalten hat“, grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor, die Zweckgebundenheit des Akteneinsichtsrechts folge aus der Systematik der drei Sätze des § 58 Abs. 4 NKomVG. Satz 1 regele allgemein die Überwachungsaufgabe des Rates. Die Sätze 2 (Auskunftsrecht) und 3 (Akteneinsichtsrecht) legten fest, mit welchen Mitteln der Rat diese Überwachungsaufgabe wahrnehmen könne. Demzufolge seien die Rechte des § 58 Abs. 4 NKomVG nicht schrankenlos, sondern würden durch diese Zweckdienlichkeit beschränkt. Die Darlegung des Überwachungszweckes habe die Verwaltung daher zu prüfen. Eine Umkehr des Verhältnisses von Kontrollierten zu Kontrollierenden im Sinne einer Kontrolle des Rates durch die Verwaltung könne darin nicht erblickt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verstoße dieses Verständnis nicht gegen das Demokratie- und Rechtstaatsprinzip, weil die Bundes- und Landesparlamente mit der kommunalen Vertretung nicht vergleichbar seien. Anders als staatliche Parlamente übten Gemeindevertretungen und Kreistage weder Gesetzgebungstätigkeit aus, noch seien sie an der Regierungsbildung beteiligt. Der kommunalen Vertretung komme daher nicht die gleiche Rechtsstellung wie den Abgeordneten der Länder und des Bundes zu.

Auch lasse sich der Gesetzeshistorie nicht entnehmen, dass das Akteneinsichtsrecht gemäß § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG unabhängig von einem Überwachungszweck gewährt werde. Der Gesetzentwurf zur Kommunalreform von 1982 habe ausdrücklich Bezug genommen auf den Bericht der Niedersächsischen Sachverständigenkommission zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts vom April 1978. Danach habe der Gesetzgeber den § 40 Abs. 3 NGO lediglich im Hinblick auf den Minderheitenrechtsschutz neu regeln wollen. Ursprünglich sei das Akteneinsichtsrecht des Rates ausdrücklich zusammen mit dem Auskunftsrecht des Rates zum Zwecke der Kontrolle in dem Satz 2 geregelt worden. Die Formulierung des Akteneinsichtsrechts ausschließlich in dem Satz 3 sei auf den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zurückzuführen, der vorgeschlagen habe, den Inhalt des Abs. 3 kürzer und präziser zu formulieren. Ein Wegfall des Erfordernisses eines Überwachungszweckes sei damit nicht bezweckt gewesen. Ebenso wenig habe der Gesetzgeber mit der Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung im Jahr 1996 auf dieses Erfordernis verzichten wollen. Der Gesetzgeber habe lediglich das Auskunftsrecht des einzelnen Ratsmitglieds zum Zwecke der eigenen Unterrichtung in Satz 3 des § 40 Abs. 3 NGO einfügen wollen. Auch in den nachfolgenden Gesetzesänderungen bis hin zur heute gültigen Normierung habe sich an der Gesetzessystematik zum Akteneinsichtsrecht nichts geändert. Sogar der Wortlaut des § 40 Abs. 3 Satz 3 NGO und des § 58 Abs. 4 Satz 4 NKomVG seien identisch geblieben.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 25. April 2013 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag. Sie ist der Auffassung, den Antrag auf Akteneinsicht mit ihrem Vorbringen vom 26. Oktober 2012 und 12. Dezember 2012 hinreichend dargelegt zu haben. Ungeachtet dessen sei die Angabe eines Überwachungszweckes nicht erforderlich. Da die Ratsfraktion keine Ermittlungsbehörde sei, dürfe die Äußerung von „konkreter Verdachtsmomenten “ nicht zur Voraussetzung für das Akteneinsichtsrecht gemacht werden. “Eine Kontrolle der Kontrolleure“ könne nicht die Regel sein. Es lasse sich eine derartige Darlegungspflicht konkreter Überwach-ungszwecke ferner nicht der Entstehungsgeschichte des Akteneinsichtsrechts seit 1808 entnehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten A und B verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung hat Erfolg. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Klage nach Klageänderung als Feststellungklage gemäß § 43 VwGO zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Das Akteneinsichtsrecht gemäß § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG dient dem Zweck der Überwachung (dazu unter I.). Dieser Zweck ist hinreichend konkret darzulegen (dazu unter II.).

I. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts muss das Akteneinsichtsrecht gemäß § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG dem Zweck der Überwachung dienen. Das ergibt sich aus dessen Systematik zu den Sätzen 1 und 2 dieses Absatzes, die in ihrem Wortlaut wie folgt lauten:

(1) Die Vertretung überwacht die Durchführung ihrer Beschlüsse sowie den sonstigen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten. (2) Sie kann zu diesem Zweck vom Hauptausschuss und von der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten die erforderlichen Auskünfte verlangen. (3) Wenn ein Viertel der Mitglieder der Vertretung oder eine Fraktion oder Gruppe dies verlangt, ist einzelnen Abgeordneten Einsicht in die Akten zu gewähren.

Nach Überzeugung des Senats weist Abs. 4 dieser Vorschrift der Vertretung eine Überwachungsaufgabe zu, welche sie entweder durch das erforderliche Auskunftsverlangen (Satz 2) oder durch das Akteneinsichtsrecht (Satz 3) wahrnimmt. Dabei müssen sowohl das Auskunftsverlangen als auch das Akteneinsichtsrecht dem Zweck der Überwachung dienen (Thiele, NKomVG, 2011, § 58 Ziffer 4, S. 161; Ipsen-Koch, NKomVG, 2011, § 58 Rn. 79; a.A. Blum, NKomVG, Stand Juli 2013, § 58 Rn. 131). Denn § 58 Abs. 4 Satz 1 NKomVG macht deutlich, dass die in den Sätzen 2 und 3 nachfolgenden Rechte des Rates allein dem Zweck dienen, dem Rat die Überwachung der Durchführung seiner Beschlüsse sowie die Überwachung des sonstigen Ablaufs der Verwaltungsangelegenheiten zu ermöglichen. Der Umstand allein, dass der Wortlaut des § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG den Überwachungszweck nicht nennt, rechtfertigt daher nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Akteneinsichtsrecht ebenso wie das Auskunftsrecht nach § 56 Satz 2 NKomVG als allgemeines „Informations- und Aufklärungsrecht “ ausgestaltet und ein Überwachungszweck daher entbehrlich sei.

Das gegenteilige Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichts lässt sich weder systematisch in Hinblick auf § 56 Sätze 1 und 2 NKomVG (dazu unter 1.) noch aus der Entstehungsgeschichte des § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG (dazu unter 2.) begründen.

1. § 56 NKomVG regelt in den Sätzen 1 und 2 das Antrags- und Auskunftsrecht jedes Mitglieds der Vertretung. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann jede oder jeder Abgeordnete von der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten Auskünfte in allen Angelegenheiten der Kommune verlangen; dies gilt nicht für Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 1). § 56 NKomVG fordert demnach keinen Überwachungszweck (vgl. Senatsurteil vom 4. März 2014 - 10 LB 93/13 -). Das Akteneinsichtsrecht ist indes nicht Gegenstand dieser Vorschrift. Aus diesem Grund kann § 56 Satz 2 NKomVG auch kein „Beleg“ für die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein, dass „es keinen Sinn [macht], der Vertretung als Ganzes (weiterhin) nur einen prinzipiell beschränkten Auskunftsanspruch zuzubilligen, der von einem hinreichend dargelegten Überwachungs-Anlass abhängig wäre“. Das gleiche gilt auch für die weitere Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass „mit dem prinzipiell unbeschränkten Informationsrecht für die Abgeordneten und einem nicht lediglich anlassbezogenen Verständnis der Überwachungsfunktion der Vertretung nicht zuletzt aus systematischen Gründen auch eine Zweckbeschränkung des Akteneinsichtsrechts entfallen [muss] “. Denn gerade die Systematik spricht - wie aufgezeigt - deutlich gegen diese Auffassung.

2. Etwas anderes folgt ferner nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG.

a) Der Gesetzgeber war mit der Einführung des § 40 Abs. 3 Satz 4 NGO zum 1. Juli 1982 ausweislich der Landtagsdrucksache 9/1961 (S. 25) dem Vorschlag der Sachverständigenkommission, einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder durch Einräumung eines Einsichtsrechts Zugang zu den Akten zu verschaffen, lediglich unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes gefolgt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei dem Akteneinsichtsrecht zugleich das Erfordernis des Überwachungszweckes entfallen lassen wollte, lassen sich der Landtagsdrucksache 9/1961 nicht entnehmen.

b) Des Weitern folgt aus der Gesetzesänderung im Jahr 1996 nichts anderes. Zwar hatte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts im Jahr 1996 auch die Empfehlung der Enquete-Kommission, „Beschränkungen der Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte auf den Kontrollzweck aufzuheben und diese Rechte gleichermaßen als allgemeine Informationsbeschaffung wie als Kontrollrechte auszugestalten“, umsetzen wollen. Doch lässt dieser Umstand allein nicht den Schluss zu, dass dem Rat das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht nach § 40 Abs. 3 NGO unabhängig von einem Überwachungszweck zustand. Der Landtagsdrucksache ist lediglich zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des neuen Satz 3 in § 40 Abs. 3 NGO das Auskunftsrecht des einzelnen Ratsmitglieds zu Zwecken der eigenen Unterrichtung regeln wollte (LT-Drs. 13/1450, S. 15, 16). Dafür, dass der Gesetzgeber dem Rat das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht nach § 40 Abs. 3 NGO ungeachtet eines Überwachungszweckes einräumen wollte, gibt es keinen Beleg. Dagegen spricht schon der Wortlaut des § 40 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 NGO a.F., der wie folgt lautete:

(1) Der Rat überwacht die Durchführung seiner Beschlüsse sowie den sonstigen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten. (2) Er kann zu diesem Zweck von dem Verwaltungsausschuss und von der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister die erforderlichen Auskünfte verlangen. (3) Zum Zwecke der Überwachung und zum Zwecke der eigenen Unterrichtung kann jede Ratsfrau und jeder Ratsherr von der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister die erforderlichen Auskünfte in allen Angelegenheiten der Gemeinde verlangen. (4) Auf Verlangen von einem Viertel der Mitglieder des Rates oder von einer Fraktion oder Gruppe ist einzelnen Ratsfrauen oder Ratsherren Einsicht in die Akten zu gewähren.

Danach stand lediglich der einzelnen Ratsfrau und dem einzelnen Ratsherrn ein Auskunftsrecht zum Zwecke der eigenen Unterrichtung zu. Die Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte des Rates sahen den Zweck der eigenen Unterrichtung hingegen nicht vor. Vielmehr normierte Satz 1 dieser Vorschrift, dass der Rat die Durchführung seiner Beschlüsse sowie den sonstigen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten überwacht. Der Überwachungszweck wurde für Auskünfte von Seiten des Rates im Sinne des Satzes 2 dieser Vorschrift ausdrücklich vorausgesetzt. Da § 40 Abs. 3 Satz 4 NGO bereits die Akteneinsichtnahme des Rates geregelt hat und sachlich in einem unmittelbaren Sachzusammenhang zu dem vom Kontrollzweck abhängigen Auskunftsverlangen des Rates (Satz 2) stand, durfte das Recht des Rates auf Akteneinsichtnahme auch nach der NGO 1982 nur zu Kontrollzwecken wahrgenommen werden.

c) Ebenso wenig lässt sich aus der Einführung des - „anders motivierten und konstruierten“ - Auskunftsanspruches einzelner Abgeordneter nach § 56 Satz 2 NKomVG ableiten, dass die Akteneinsicht der Vertretung (nunmehr) unabhängig eines Überwachungszweckes gewährt wird (so aber Blum, NKomVG, Stand Juli 2013, § 58 Rn. 131). Denn der Gesetzgeber hat das Recht jeder Ratsfrau und jedes Ratsherrn auf Auskunftserteilung auch zum Zwecke der eigenen Unterrichtung (§ 40 Abs. 3 Satz 3 NGO a.F.) lediglich aus dem aktuell geltenden § 58 Abs. 4 NKomVG herausgelöst und nunmehr in § 56 NKomVG aufgenommen. Dabei hat er auf ein zusätzliches Auskunftsrecht jeder bzw. jedes Ratsmitglieds zum Zweck der Überwachung ganz verzichtet. Aufgrund des Wegfalls des Satz 3 (§ 40 Abs. 3 NGO) ist das Recht auf Akteneinsicht nach § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG systematisch sogar näher an das Auskunftsrecht der Vertretung nach Satz 2 dieser Vorschrift herangerückt, welches ausdrücklich nur zu Zwecken der Überwachung ausgeübt werden darf. Hätte der Gesetzgeber das Akteneinsichtsrecht der Vertretung zukünftig auch zum Zwecke der eigenen Unterrichtung einräumen wollen, hätte dies einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Daran fehlt es hier.

II. Die Klägerin hat bei ihrem Antrag auf Akteneinsichtnahme vom 26. Oktober 2012 den erforderlichen Zweck der Überwachung nicht hinreichend dargelegt. Denn dies setzt im Grundsatz voraus, dass die Begründung über pauschale, nichtssagende bzw. den Gesetzestext wiederholende Aussagen hinausgeht. Anderenfalls bliebe es bei einer bloßen Behauptung „ins Blaue hinein“, dass die Akteneinsicht zum Zweck der Überwachung des sonstigen Ablaufs der Verwaltungsangelegenheiten erfolge, und liefe es auf eine allgemeine Informationsbeschaffung hinaus. Welche Anforderungen an die Darlegung des Überwachungszweckes zu stellen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Akteneinsichtnahme unter Umständen erst die Möglichkeit verschafft, über einen Verwaltungsvorgang Informationen im Detail zu erhalten.

Den Anforderungen an die Darlegung des Überwachungszwecks wird der Antrag der Klägerin vom 26. Oktober 2012 nicht gerecht. Dieser beschränkt sich im Wesentlichen auf die konkrete Bezeichnung des Gegenstandes des Akteneinsichtsgesuchs. Hinsichtlich des Überwachungszweckes führt die Klägerin lediglich aus, dass es zu überwachen und zu kontrollieren gelte, ob die Vertragsschließenden innerhalb ihres „Kompetenzbereichs“ gehandelt hätten und die Verträge „zum Nutzen und Vorteil der Bürgerinnen und Bürger aufgesetzt wurden“. Umstände dafür, dass der Kompetenzbereich überschritten bzw. die Verträge nicht zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger wären, hat die Klägerin nicht im Ansatz vorgetragen. Folglich sind ihre Ausführungen zum Überwachungszweck zu pauschal gehalten und nicht geeignet, einen Überwachungszweck hinreichend darzulegen.

Die Frage, ob das Vorbringen der Klägerin vom 12. Dezember 2012 bzw. vom 14. März 2013 den Anforderungen an die Begründung des Überwachungszwecks genügt hat, ist vom Senat nicht zu beantworten. Denn Gegenstand der Feststellungsklage ist lediglich der Antrag vom 26. Oktober 2012.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.