AG Ahlen, Urteil vom 29.10.2013 - 30 C 398/12
Fundstelle
openJur 2014, 5857
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil vom 09.07.2012 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Davon ausgenommen sind die Kosten der Säumnis, die dem Beklagten auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls in Anspruch, bei dem die Mutter des Klägers zu Tode gekommen ist.

Der Kläger ist Alleinerbe der am 03.11.2010 verstorbenen Frau S. Zwischen dieser und dem Beklagten kam es am Morgen des 03.11.2010 in Ahlen zu einem Verkehrsunfall. Sowohl die Mutter des Klägers als auch der Beklagte fuhren auf ihrem Fahrrad, als es zur Kollision kam. Der Beklagte bog von der C-straße links in die T-allee ab, nachdem kurz zuvor die Mutter des Klägers von der N-straße nach links in die T-allee abgebogen war. Der genaue Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig.

Die Mutter des Klägers verstarb am 03.10.2011 aufgrund eines Aneurysmas, welches auf den Verkehrsunfall zurückgeht.

Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung der Beerdigungskosten sowie von Mietkosten für den Monat Dezember 2010 in Anspruch genommen. Insgesamt wurde die Haftpflichtversicherung des Beklagten mit Schreiben vom 24.01.2011 zur Zahlung von 9.330,76 EUR aufgefordert. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 16 zu den Akten gereichte Schreiben des Klägervertreters verwiesen. Die Haftpflichtversicherung hat hierauf einen Betrag in Höhe von 5.000 EUR reguliert.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe das Fahrrad der Mutter des Klägers am Hinterrad erfasst, als diese bereits nach links in den Einmündungsbereich einer Fußgängerzone, eines Zufahrtswegs zu einer Arztpraxis, eingebogen sei. Dabei habe der Beklagte die Kurve geschnitten. Die Mutter des Klägers habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits bis auf wenige Zentimeter auf dem Zufahrtsweg zu der Arztpraxis befunden.

Ferner behauptet der Kläger, die Mutter sei nicht in dem Zufahrtsweg zur Arztpraxis abgebogen, sondern habe lediglich einen Vorplatz überfahren. Ein Handzeichen sei daher nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte den Unfall allein verschuldet habe. Er sei ihm daher zum Ersatz auch des weiteren Schadens in Höhe von 4.330,76 EUR verpflichtet. Ferner sei er zum Ausgleich der Rechtsanwaltsgebühren des Klägervertreters als Opferanwalt im Rahmen der Verhandlung der Strafsache verpflichtet, die er in Höhe von 321,30 EUR geltend macht. Auch habe er dem Beklagten die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung aus einem Streitwert von 5.000 EUR zu ersetzen, mithin einen Betrag in Höhe von 489,45 EUR. Nachdem die Haftpflichtversicherung des Beklagten die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 489,45 EUR zwischenzeitlich gezahlt hat, macht er nunmehr den Differenzbetrag zu einer 1,3er Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 9.330,76 EUR, mithin 240,50 EUR als Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung geltend.

Mit Versäumnisurteil vom 09.07.2012 hat das Amtsgericht B. den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 4.652,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2011 sowie zur Zahlung weiterer vorprozessualer Kosten in Höhe von 240,50 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.06.2012 verurteilt. Gegen das ihm am 14.07.2012 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 19.07.2012 fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Versäumnisurteil vom 09.07.2012 unter Zurückweisung des Einspruchs vom 19.07.2013 aufrecht zu halten.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.07.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Die entscheidende Ursache für den Unfall habe die Mutter des Klägers gesetzt. Diese habe gegen §§ 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO, insbesondere gegen die doppelte Rückschaupflicht verstoßen. Der Beklagte behauptet, die Mutter des Klägers und der Beklagte hätten zunächst die gleiche Straße etwa parallel in gleicher Fahrtrichtung befahren. Der Beklagte sei dabei leicht links versetzt hinter der Mutter des Klägers gefahren und habe angesetzt, diese zu überholen. In diesem Moment sei die Mutter des Klägers nach links abgebogen, ohne eine doppelte Rückschau vorzunehmen oder den Abbiegevorgang rechtzeitig anzuzeigen. Bei ordnungsgemäßen Verhalten der Mutter des Klägers wäre es nicht zu der Kollision gekommen. Der Beklagte habe seinerseits aufgrund des überraschenden und nicht angezeigten Abbiegemanövers eine Kollision nicht vermeiden können.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein etwaiger Anspruch gegen den Beklagten, eine schuldhafte Rechtsgutsverletzung durch diesen einmal unterstellt, durch die Zahlung in Höhe von 5.000 EUR im Wege der Erfüllung jedenfalls erloschen wäre. Ein weitergehender Anspruch bestehe nicht, da insofern jedenfalls ein Mitverschulden der Mutter des Klägers in Höhe von mindestens 50 % dem Anspruch entgegenzuhalten wäre.

Der Beklagte ist ferner der Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten für die Tätigkeit des von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten als Opferanwalt im Strafprozess nicht bestehe, da dies keine im Zivilprozess erstattungsfähige Schadensposition darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Herrn W., Herrn W1 und Herrn Q. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.10.2013 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Offen bleiben kann insofern, ob eine schuldhafte Rechtsgutverletzung des Beklagten vorliegt. Eine solche schuldhafte Rechtsgutverletzung durch den Beklagten einmal unterstellt, wäre ein etwaiger Anspruch des Klägers durch Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten in Höhe von 5.000 EUR sowie der weiteren, auf die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung geleisteten 489,45 EUR, bereits erfüllt, § 362 BGB.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht insofern zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein etwaiger Anspruch aufgrund eines Mitverschuldens der Mutter des Klägers gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen wäre. Dabei hält das Gericht eine Kürzung des Anspruchs in Höhe von wenigstens 50 % für angemessen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mutter des Klägers und der Beklagte zunächst aus entgegenkommender Richtung in die Straße T1 eingefahren sind und dort zunächst eine Weile schräg versetzt in gleicher Fahrtrichtung fuhren. Dabei fuhr der Beklagte leicht links hinter der Mutter des Klägers. Ferner steht zur Überzeugung des Gericht fest, dass die Mutter des Klägers anschließend nach links in die Zuwegung zur Arztpraxis eingebogen ist, ohne den Abbiegevorgang durch Handzeichen anzuzeigen, wobei es zum Unfall mit dem Beklagten kam. Angesichts dessen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mutter des Klägers gegen die für sie als Abbiegerin geltende Pflichten gemäß §§ 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO verstoßen hat.

Diesbezüglich hat der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2013 erklärt, dass er zunächst gedacht habe, die Mutter des Klägers wolle geradeaus fahren. Diese sei dann aber links abgebogen (vgl. Bl. 123 rs. d.A.). Dass die Mutter des Klägers zunächst gerade auf der T-allee gefahren und dann nach links eingebogen ist, hat ferner der Zeuge W. in der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2013 bestätigt (vgl. Bl. 124 rs. d.A.). Diese Aussage stimmt letztlich auch mit der Aussage des Zeugen W1 überein, welcher im Rahmen der Zeugenvernehmung ausgesagt hat, dass die Mutter des Klägers und der Beklagte zunächst fast gerade gefahren seien und die Mutter des Klägers dann plötzlich nach links abgebogen sei (vgl. Bl. 125 d.A.). Der Zeuge W1 hat auf mehrfache Nachfrage diesen Unfallhergang bestätigt. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass er sich selbst erschrocken habe, als die Mutter des Klägers abgebogen sei. Er selbst habe auch damit gerechnet, dass die Mutter des Klägers weiter geradeaus fahren würde, da man in den Fußgängerweg offiziell mit dem Fahrrad nicht einbiegen dürfe (vgl. Bl. 126 d.A.). Der Zeuge hat ferner erklärt, dass er nicht gesehen habe, dass die Mutter des Klägers den Abbiegevorgang angezeigt hätte. Insbesondere hat er auf Nachfrage erklärt, dass die Mutter des Klägers des Abbiegevorgang nicht durch Handzeichen angezeigt habe (vgl. Bl. 125 d.A.).

Für das Gericht besteht keinerlei Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen W und W1 der Glaubhaftigkeit deren Aussage zu zweifeln. Beide Zeugen haben den Sachverhalt übereinstimmend, detailreich und in sich schlüssig dargestellt. Eine irgendwie geartete Belastungs- oder Entlastungstendenz der im Übrigen unbeteiligten Zeugen war nicht zu erkennen.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in Höhe von 9.330,76 EUR wäre folglich jedenfalls gemäß § 254 Abs. 1 BGB um einen Mitverschuldensanteil der Mutter des Klägers in Höhe von 50 % zu kürzen. Der insofern bleibende Anspruch in Höhe von 4665,38 EUR wäre mithin jedenfalls durch die seitens der Haftpflichtversicherung erfolgte Zahlung in Höhe von 5.000 EUR erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.

III.

Sofern der Kläger ferner Ersatz hinsichtlich der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 240,50 EUR nebst Zinsen geltend macht, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hätte ihm lediglich ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aus einem Gegenstandswert von 4.665,38 EUR zugestanden. Mit Ausgleich der Kosten der außergerichtlichen Kosten aus einem Gegenstandswert von 5.000 EUR, mithin 489,45 EUR, wäre folglich auch ein solcher Anspruch jedenfalls erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Ein über die regulierten Ansprüche hinausgehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

IV.

Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Opferanwalts im Strafverfahren besteht ebenfalls nicht. Insofern handelt es sich schon nicht um einen ersatzfähigen Schaden des Klägers.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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