LG Wiesbaden, Urteil vom 22.05.2013 - 12 O 47/12
Fundstelle
openJur 2014, 5541
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin entstand im Zuge der Verschmelzung und Umstrukturierung der B AG, O1 und der C AG, O2. Sie gehört als 100 %iges Tochterunternehmen dem Konzern der D AG (D) O2 an. Sie ist im Bereich der unmittelbaren und mittelbaren Energieversorgung tätig. Sie beliefert nicht nur Endverbraucher, sondern stellt ebenso Stadtwerken und Verteilerunternehmen elektrische Energie für deren unmittelbare Versorgung von Letztverbrauchern zur Verfügung.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen des E-Konzerns, Obergesellschaft ist die E AG. Diese ist ein regionales Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in O3. Die Beklagte ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der E AG und betreibt als Pächterin die Netze der E AG.

Die hiesigen Prozessparteien sind Rechtsnachfolger der Vertragsparteien des Lieferantenrahmenvertrag vom 17./23.2.2004. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage B 1 verwiesen. In den Jahren 2009 und 2010 nutzte die Klägerin das Netz der Beklagten zur Versorgung des von der Klägerin aquirierten Kunden A in O4. Hierzu wird auf den Stromlieferungsvertrag vom 26.9.2008 nebst Anlagen (Anlage K 3) verwiesen. Unter § 4 des Stromlieferungsvertrages vereinbarte die Klägerin mit ihrer Kundin eine feste Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2010 24.00 Uhr. Unter Ziffer 7. der vereinbarten allgemeinen Bestimmungen regelte die Klägerin die Möglichkeit der Unterbrechung der Strombelieferung und Kündigung des Strombelieferungsvertrages. Ziffer 7.2 gibt der Klägerin die Möglichkeit bei Zuwiderhandlung gegen wesentliche vertragliche Verpflichtungen, insbesondere bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung die Strombelieferung vier Wochen nach Ankündigung zu unterbrechen oder den Netzbetreiber mit der Unterbrechung der Strombelieferung zu beauftragen. In Ziffer 7.5 ist das Recht der Klägerin geregelt, das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen, wenn die Voraussetzungen zur Unterbrechung der Strombelieferung wiederholt vorliegen.

Aufgrund des Stromlieferungsvertrages vom 26.9.2008 begann die Versorgungstätigkeit der Klägerin am 1.1.2009. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Klägerin die Belieferung auf, erfasste das Belieferungsvolumen monatlich und rechnete den Liefermonat jeweils nachträglich gegenüber der A GmbH ab.

Am 22.7.2009 schloss die Klägerin mit der A GmbH die aus Anlage K 20 ersichtliche Vereinbarung. Darin erkannte die A GmbH einen Rückstand per 22.7.2009 in Höhe von 59.092,48 Euro für die Stromversorgung an und verpflichtete sich den berechneten Stromgeldrückstand in wöchentlichen Raten von mindestens 822,14 Euro beginnend mit der Kalenderwoche 31 am 29.7.2009 jeweils bis mittwochs 14.00 Uhr zur Zahlung anzuweisen. Gleichzeitig verpflichtete sich die A GmbH dazu, wöchentliche Vorauszahlungen auf den jeweiligen Monatsverbrauch zu leisten. Eine erste Vorauszahlung in Höhe von 3.067,14 Euro sollte am 29.7.2009 zur Zahlung angewiesen werden, weitere Vorauszahlungen von jeweils mindestens 3.067,14 Euro beginnend mit dem 5.9.2009 jeweils bis mittwochs 14.00 Uhr zur Zahlung angewiesen werden. Ausweislich der Vereinbarung sollten die Vorauszahlungen mit der jeweiligen Rechnung für den laufenden Monat bei der Rechnungslegung verrechnet werden. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien des Stromlieferungsvertrages das Recht der Klägerin, die Versorgung mit Strom sofort unterbrechen zu lassen und/oder den Stromversorgungsvertrag fristlos zu kündigen für den Fall, dass die A GmbH mit dem Nachweis einer einzigen Zahlung ganz oder teilweise um mehr als 48 Stunden in Rückstand gerät oder nur eine einzige Zahlung von dem kontoführenden Institut ganz oder teilweise nicht ausgeführt wird. Hierzu ließ sich die Klägerin das Recht einräumen, zum Zwecke der Unterbrechung der Energieversorgung das Betriebsgelände der A GmbH zu betreten. Die Klägerin verhandelte darüber hinaus in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 35 O 120/09 KfH einen Zahlungsvergleich, wonach sich die A GmbH verpflichtete, an die Klägerin für den bis einschließlich Dezember 2009 gelieferten Strom 82.194,91 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen, und zwar in monatlichen Raten zu je 10.000,-- Euro, fällig jeweils zum 15. eines Monats, beginnend am 15.2.2010. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage K 21 verwiesen. Mit Schreiben vom 18.3.2010 (Anlage K 6) kündigte die Klägerin die Unterbrechung der Versorgung gegenüber der A GmbH an. Unter dem gleichen Datum schrieb die Klägerin die Beklagte an und bat darum, die Anschlussnutzung in der Kundenanlage A GmbH am 25.3.2010 selbst zu unterbrechen oder durch den Messstellenbetreiber unterbrechen zu lassen. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage K 7 verwiesen. Mit Schreiben vom 19.3.2010 lehnte die Beklagte die Unterbrechung der Anschlussnutzung einer Kundenanlage ab. Sie wies darauf hin, dass sie Liefersperren für Stromlieferanten grundsätzlich ablehne, jedoch für diejenigen Stromlieferanten eine Ausnahme mache, die in Erfüllung der Grundversorgungspflicht Strom liefere. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage K 8 verwiesen. Am 12.4.2010 fand ein Telefonat der zuständigen Juristen beider Parteien statt. In diesem Telefonat kündigte die Beklagte ein Umdenken im Hause der Beklagten an, wonach eine Sperrung zwar nicht sofort, wohl aber demnächst möglich sein werde. Eine konkrete Ankündigung der Durchführung der beauftragten Versorgungsunterbrechung fand in diesem Telefonat nicht statt.

Die Klägerin erwirkte für die Stromgeldschulden der Monate Februar und März 2010 ein Versäumnisurteil über 35.212,10 Euro des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 34 O 28/10 KfH (Anlage K 27). Für die Stromgeldschulden aus März 2010 erwirkte die Klägerin ein Versäumnisurteil über 18.7002,-- Euro (Anlage K 28), für die Stromgeldschulden aus April ein Versäumnisurteil über 12.573,18 Euro (Anlage K 29) und für die Stromgeldschulden aus Mai 2010 ein Versäumnisurteil in Höhe von 16.209,94 Euro (Anlage K 30). Schließlich erwirkte die Klägerin am 29.3.2011 ein Versäumnisurteil über 124.569,53 Euro nebst Zinsen vor der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage K 16 verwiesen.

Aufgrund des titulierten Zahlungsvergleiches und des Versäumnisurteils vom 29.3.2011 betrieb die Klägerin die Zwangsvollstreckung durch Forderungspfändung.

Daraufhin geriet die A GmbH in Insolvenzprobleme, stellte die Geschäftstätigkeit ein und beantragte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 3.1.2012 eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde schließlich am 1.3.2012 eröffnet. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlagen K 18 und K 19 verwiesen. Die Klägerin meldete offene Forderungen in Höhe von 123.536,22 Euro zur Insolvenztabelle an.

Die Klägerin behauptet, dass nach ordnungsgemäßer Aufnahme der Belieferung der Firma A GmbH mit Strom im Verlaufe des ersten Halbjahres 2009 allmählich Zahlungsverzögerungen eingetreten seien, aus denen sich erhebliche Zahlungsrückstände im Umfang von 59.092,48 Euro ergeben hätten. Dies habe zu der Vereinbarung vom 22.7.2009 geführt. Anschließend habe sich die Zahlungsmoral der A GmbH verbessert. Diese habe zeitweise Tilgungsleistungen und Vorauszahlungen erbracht. Wegen der im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Zahlungen wird auf Seite 3 ff im Schriftsatz des Klägervertreters vom 5.12.2012 verwiesen. Insgesamt habe die A GmbH auf rückständige Stromgeldforderungen in Höhe von 181.895,15 Euro Zahlung in Höhe von 80.000,-- Euro erbracht und hierbei im Umfang von 33.992,90 Euro Altforderungen aus der Vereinbarung vom 22.7.2009. Am 19.3.2010 seien Forderungen in Höhe von 101.895,15 Euro offen gewesen. Bis zur Ablehnung der Sperrung durch die Beklagte habe die A GmbH mit Ausnahme des Januars 2010 monatliche Zahlung geleistet. Nach der Ablehnung der Versorgungsunterbrechung habe die A GmbH ihre Zahlungen gänzlich über vier Monate eingestellt. Erst im Zuge der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen habe sie wieder Zahlungen erhalten. Wegen der Zahlungen im Einzelnen wird auf Ziffer 6 und 7 im Schriftsatz des Klägervertreters vom 5.12.2012 verwiesen. Die Klägerin behauptet insgesamt 123.536,22 Euro an offenen Stromgeldforderungen gegen die A GmbH zu haben.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass die A GmbH noch bis Ende 2011 über ausreichende Liquidität verfügt habe, um Gläubiger befriedigen zu können. Sie habe eine laufende Produktion noch bis Ende 2011 unterhalten und auch den Wettbewerber der Klägerin, der ab 1.1.2011 die Strombelieferung übernommen habe, regelmäßig befriedigen können. Die A GmbH habe jedoch angesichts der Verweigerungshaltung der Beklagten keinen Anlass gesehen, offene -Stromgeldforderungen der Klägerin zu begleichen, da eine Unterbrechung der Stromversorgung nicht gedroht habe.

Die Klägerin wirft der Beklagten missbräuchliches Verhalten im Sinne von § 20 EnWG vor. Statt diskriminierungsfrei Stromlieferanten unterschiedslos gleich zu behandeln, differenziere sie danach, ob das Energieversorgungsunternehmen den Status eines Grundversorgers besitze. Bereits 2005 habe die …agentur gegen die Beklagte ein Missbrauchsverfahren wegen einer nicht durchgeführten Liefersperre eingeleitet (BK6-…). Dieses Verfahren habe sich erledigt, da die Beklagte daraufhin den Missbrauch beseitigt habe, andernfalls die …agentur gegen die Beklagte einen Missbrauchsverfügung erlassen hätte. Auch habe die …agentur Vorgaben für die Regelungen in einem Lieferantenrahmenvertrag konkretisiert (Anlage K 31). Durch das missbräuchliche Verhalten der Beklagten sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, im Frühjahr 2010 ein weiteres Anwachsen der Forderung durch eine Liefersperre zu vermeiden, indem eine Fortsetzung der Belieferung von weiteren Vorauszahlungen abhängig gemacht worden wäre. Hierdurch hätte das Ausfallrisiko erheblich begrenzt werden können. Bei Abschluss des Rahmenlieferantenvertrages habe die Berechtigung zur Stromsperre eine pure Selbstverständlichkeit gebildet innerhalb der Branche der Stromversorger. Ihren Vorstoß bei Prüfung eines neuen Lieferantenrahmenvertrages der Beklagten unter Ziffer 9.5 habe die Beklagte nicht aufgegriffen. Die Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Lieferantenrahmenvertrages seien zum Jahreswechsel 2009/2010 ins Stocken geraten. Zu keinem Zeitpunkt habe die Beklagte sie über ihre angeblich zwischenzeitliche Bereitschaft zu Stromsperren informiert und diese im Rahmen eines neuen Lieferantenrahmenvertrages angeboten.

Die Klägerin ist der rechtlichen Auffassung, dass ihr ein einklagbares Recht auf Einstellung der Energielieferung aus den §§ 273, 320 BGB zustehe. Jedenfalls nach § 242 BGB stehe ihr als Annex des durch § 20 EnWG begründeten Netzzugangs ein Recht auf Mitwirkung der Beklagten bei der Versorgungsunterbrechung zu.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123.536,22 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, im Rahmen eines bestehenden Netznutzungsverhältnisses auf schriftliches Verlangen der Klägerin die Anschlussnutzung eines von der Klägerin belieferten Kunden im Regelfall binnen 3 Werktagen zu unterbrechen, wenn die Klägerin 3. gegenüber der Beklagten entsprechend § 294 ZPO glaubhaft versichert, a. dass diese Rechtsfolge zwischen der Klägerin und dem Kunden vertraglich vereinbart ist und b. dass die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Anschlussnutzung vorliegen und c. dass dem Kunden der Klägerin keine Einwendungen oder Einreden zustehen, die die Voraussetzungen der Unterbrechung der Anschlussnutzung entfallen lassen. 4. die Beklagte schriftlich von sämtlichen Schadensersatzansprüchen freistellt, die sich aus einer unberechtigten Unterbrechung ergeben können.

Ferner stellt sie folgenden Hilfsantrag,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123.536,22 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Abtretung der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH gegenüber dem Insolvenzverwalter Herrn Rechtsanwalt X angemeldeten Forderung in Höhe von 123.536,22 Euro zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen des bestehenden Netznutzungsverhältnisses auf schriftliches Verlangen der Klägerin die Anschlussnutzung eines von der Klägerin belieferten Kunden im Regelfall binnen 3 Werktagen zu unterbrechen, wenn die Klägerin 3. gegenüber der Beklagten entsprechend § 294 ZPO glaubhaft versichert, a. dass diese Rechtsfolge zwischen der Klägerin und dem Kunden vertraglich vereinbart ist und b. dass die Voraussetzung für eine Unterbrechung der Anschlussnutzung vorliegt und c. dass dem Kunden der Klägerin keine Einwendungen oder Einreden zustehen, die die Voraussetzung der Unterbrechung der Anschlussnutzung entfallen lassen, 4. und die Beklagte schriftlich von sämtlichen Schadensersatzansprüchen freistellt, die sich aus einer unberechtigten Unterbrechung ergeben können.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den von der Klägerin behaupteten Zahlungsrückstand und hält eine Stromsperrung nach den vertraglichen Regelungen des angeblich geltenden Stromlieferungsvertrages mit der A GmbH für unberechtigt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der AGB dürfe die Strombelieferung allenfalls vier Wochen nach der Ankündigung unterbrochen werden. Dies habe die Klägerin der eigenen Einlassung nach ignoriert. Darüber hinaus sei eine Sperre ohnehin unzulässig gewesen wegen der hieraus für die Firma A GmbH entstehenden nachteiligen Folgen. Die Beklagte trägt ferner vor, dass die von der Klägerin angemeldete Insolvenzforderung noch Altverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin aus einer Nachberechnung für Dezember 2009 sowie Forderungen aus Verzugszinsen in einer Gesamthöhe von 3.941,06 Euro enthalte und sich aus all dem ergebe, dass die A GmbH nach dem 25.3.2010 nicht nur sämtliche Stromlieferungen bis zum 31.12.2010 vollständig bezahlt habe, sondern darüber hinaus noch Altverbindlichkeiten in einer Größenordnung von rund 5.000,-- Euro getilgt habe. Mit der Klage hingegen möchte die Klägerin suggerieren, dass die A GmbH die Stromlieferungen nach dem 25.3.2010 nicht bezahlt habe, indem sie die in ihrer Höhe ausreichenden Zahlungen vollständig auf die am 25.3.2010 bestehenden Altverbindlichkeiten der A GmbH verrechnet habe. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang zum einen die Tilgungsbestimmung der A, zum anderen die vertragliche Regelung in der Vereinbarung vom 22.7.2009. Die Klägerin habe die Rückstände der A GmbH vor der Sperrungsverweigerung künstlich klein gerechnet. Diese Rechentricks genügten dem Nachweis eines kausalen Schadens jedoch nicht.

Die Beklagte trägt weiter vor, dass die von ihr verlangte Sperrung am 25.3.2010 tatsächlich gar nicht möglich gewesen sei, weil sich die A GmbH hiergegen rechtlich und tatsächlich mit Erfolg zur Wehr gesetzt hätte. Hierbei hätte die A GmbH darauf hinweisen können, dass eine Sperrung schon nach den eigenen AGB der Klägerin nicht zulässig sei. Ungeachtet dessen hätte die A GmbH der Beklagten den Zutritt zum Betriebsgelände verweigert, so dass es ihr gar nicht möglich gewesen wäre, den Netzanschluss sofort zu sperren. In Wirklichkeit sei es der Klägerin auch gar nicht darum gegangen, die Stromzufuhr zu sperren, sondern auf eine verbesserte Zahlungsmoral der A GmbH hinzuwirken. Nach dem Telefonat am 12.4.2010 habe es auch keinen neuen Sperrauftrag der Klägerin gegeben. Die Klägerin habe von der Stromsperre Abstand genommen, da sie die zur Versorgung des Kunden A GmbH benötigte Elektrizität unmittelbar im Zeitpunkt des Abschlusses des Stromliefervertrages für die gesamte Vertragslaufzeit beschafft habe. Diesen Strom hätte sie mit erheblichen finanziellen Abschlägen im Falle einer Stromsperre an einen Dritten verkaufen müssen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 20 EnWG sie nur dazu verpflichte, der Klägerin Zugang zu ihrem Energieversorgungsnetz zu gewähren, während sich eine Verpflichtung zur Sperrung des Netzanschlusses hieraus nicht ergebe. Dies ergebe sich auch nicht aus dem Diskriminierungsverbot in § 20 EnWG, denn die von ihr getroffene Differenzierung zwischen Grundversorger und anderen Stromlieferanten sei sachlich gerechtfertigt. Anders als der Stromlieferant, der wie die Klägerin im Falle der Zahlungssäumnis das Recht hat, sich durch fristlose Kündigung des Stromliefervertrages von dem Kunden zu trennen, gelten bei der Stromversorgung im Rahmen der Grundversorgung deutlich eingeschränktere Kündigungsregelungen, weil nach Maßgabe von §§ 36 ff EnWG von Gesetzes wegen eine Versorgungspflicht bestehe. Die von der Klägerin vorgetragenen der Überlegungen der …agentur wurde sein nach Stellungnahme der Marktteilnehmer nicht mehr weiter verfolgt worden. Eine entsprechende Festlegung sei von der …agentur nicht erlassen worden.

Letztlich habe die Klägerin einen kausalen Schaden nicht dargelegt, denn die A GmbH hätte im Falle einer Sperrung des Stromanschlusses bereits zum damaligen Zeitpunkt Insolvenz anmelden müssen.

Die Beklagte widerspricht der Klageerweiterung und hält den als Leistungsklage ausgestalteten Klageantrag für unzulässig, da die Voraussetzung von § 259 ZPO nicht gegeben seien. Insbesondere reiche ein künftiger Anspruch, dessen Entstehung von weiteren, noch nicht erfüllten Voraussetzungen abhänge für die Annahme des § 259 ZPO nicht aus.

Darüber hinaus sei die Klageerweiterung auch nicht begründet, da der Klägerin kein Anspruch auf die begehrte Sperrung im Einzelfall zustehe. Anders als der Grundversorger, dem ein eigenes gesetzliches Unterbrechungsrecht zustehe, habe die Klägerin keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterbrechung der Stromversorgung. Ein vertragliches Sperrrecht habe sie sich nicht einräumen lassen. Seit Sommer 2010 biete sie jedoch allen Lieferanten gleichermaßen an, einen Vertrag mit ihr abzuschließen, der ein vertragliches Sperrrecht vorsehe. Die Klägerin habe sie erst gar nicht um den Abschluss eines Unterbrechungsvertrages ersucht. Im Schriftsatz vom 19.2.2013 bietet die Beklagte der Klägerin ausdrücklich an, eine Vereinbarung nach Maßgabe des von ihr vorgelegten Vertragsmusters gemäß Anlage B 2 abzuschließen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in den Akten befindlichen Urkunden und Schriftstücke sowie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) zulässig, aber unbegründet.

Der Klageantrag zu 2) ist unzulässig.

Die Hilfsanträge sind zulässig, aber unbegründet.

Die von der Klägerin beanstandete Nichtbenachrichtigung der …agentur wurde zwischenzeitlich nachgeholt.

Klageantrag zu 1):

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.

Der Klägerin stand ein vertraglicher Anspruch auf Sperrung der Stromversorgung ihres Kunden A GmbH durch die Beklagte nicht zu. Die damaligen Rechtsvorgängerinnen der Parteien haben einen derartigen vertraglichen Anspruch im Rahmenvertrag unstreitig nicht geregelt.

Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 20 EnWG iVm. § 242 BGB nicht zu. § 20 EnWG regelt den diskriminierungsfreien Zugang zu den Energieversorgungsnetzen, nicht jedoch die Unterbrechung der Stromversorgung auf Anweisung des Lieferanten. Diese ist geregelt in § 24 NAV im Verhältnis zum Anschlussnehmer, nicht zum Energieversorger. Einen gesetzlichen Anspruch, seine Kunden bei Nichtzahlung sperren zu lassen, hat lediglich der Grundversorger aus § 19 StromGVV. Das Diskriminierungsverbot in § 20 EnWG bindet den Netzbetreiber nur insoweit, als dieser durchaus die Möglichkeit hat, nur für den Grundversorger in Bezug auf dessen grundversorgte Kunden eine Sperrung nach § 24 Abs. 3 NAV durchzuführen und im Übrigen für Lieferanten ein Sperrrecht nicht auszuüben. Lediglich für den Fall, dass der Netzbetreiber eine Sperrung nach § 24 Abs. 3 NAV auch für Lieferanten von Sondervertragskunden durchführt, bindet das Diskriminierungsverbot den Netzbetreiber dahingehend, dass dann alle Stromlieferanten von Sondervertragskunden gleich zu behandeln sind. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Stromversorgung nur für Grundversorger und deren säumige Kunden unterbrochen hat. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gegen § 20 EnWG liegt daher nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht vor. Insbesondere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenlage bestand für die Beklagte kein eigenes Interesse, die Stromversorgung für Lieferanten zu sperren. Ohne Sperrung muss der Lieferant so lange für die Stromentnahmen einstehen und die Netznutzungsentgelte an den Netzbetreiber zahlen, bis die Entnahmestelle fristgemäß abgemeldet ist (§ 14 StromNZV). Der Lieferant, der grundsätzlich das Risiko der Nichtzahlung des Kunden trägt, ist daher gehalten, sich für einen möglichen Zahlungsausfall entsprechend gegenüber seinem Kunden abzusichern, z.B. durch Vorleistungen oder Bürgschaften oder aber mit dem Netzbetreiber im Lieferantenrahmenvertrag eine entsprechende Pflicht zur Sperrung auszuhandeln. Entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung besteht keine Verpflichtung der Beklagten, umgekehrt der Klägerin einen Rahmenlieferantenvertrag anzubieten, der der Klägerin ein eigenes Sperrrecht einräumt. Im Hinblick auf den insoweit unstreitigen Gesprächsinhalt des Telefonats vom 12.4.2010, in dem die Beklagte ein Umdenken der Beklagten angedeutet hat, wäre es Sache der Klägerin gewesen, nochmals auf eine Ergänzung des Lieferantenrahmenvertrages zu drängen.

Das Gericht hält insoweit an der noch in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung einer Verletzung des Diskriminierungsverbots in § 20 EnWG nicht mehr fest. Das in Bezug genommene Urteil des OLG Celle vom 20.8.2012 (AZ.: 13 W 56/12, zitiert nach Juris) beschäftigt sich mit einem anders gelagerten Sachverhalt, nämlich mit der Frage, ob der, den Letztverbraucher leitungsgebunden Strom und Gas versorgende Lieferant im Falle des Zahlungsverzuges des Anschlussnutzers auf Duldung der Unterbrechung der Versorgung und Zutritt durch den Netzbetreiber klagen kann, ohne hierzu von dem Netzbetreiber ermächtigt worden zu sein. Für diesen Fall hat das OLG Celle ein Recht des Lieferanten auf Einstellung der Energielieferung aus §§ 273, 320 BGB bejaht und nach § 242 BGB jedenfalls als Annex das Recht auf Unterbrechung der Vorsorgung und auf den hierfür erforderlichen Zugang zu den Räumlichkeiten. Darum geht es im konkreten Fall nicht, denn die Klägerin hat sich in der Vereinbarung vom 22.7.2009 einen vertraglichen Anspruch von ihrer Kundin einräumen lassen, zum Zwecke der Unterbrechung der Energieversorgung das Betriebsgelände der Kunden zu betreten und die Versorgung mit Strom sofort unterbrechen zu lassen und/oder den Stromversorgungsvertrag fristlos zu kündigen. Die Aussage , dass der Netzbetreiber aus § 242 BGB verpflichtet sein soll, die von der Klägerin als Lieferantin verlangte Sperrung gegenüber dem Kunden durchzuführen, trifft das OLG Celle ausdrücklich nicht. Da der Klägerin gegenüber der Beklagten kein Recht auf Einstellung der Energielieferung nach §§ 273, 320 BGB zusteht, kann ihr auch nicht nach § 242 BGB als annexes Recht ein Anspruch auf Unterbrechung der Versorgung zustehen.

Nicht näher nachvollziehbar für das Gericht sind die von der Klägerin behaupteten Missbrauchsverfahren der …agentur gegen die Beklagte. Mangels tatsächlichem Vortrag vermag das zu erkennende Gericht nicht zu entscheiden, ob dem Missbrauchsverfahren der …agentur tatsächlich gleich gelagerte Sachverhaltsgestaltungen zugrunde lagen und die Gründe nachzuvollziehen, aus welchen die …agentur ein Missbrauchsverfahren eingeleitet hat. Rechtlich unerheblich sind die Erwägungen, die die …agentur im Jahr 2006 angestellt hat, denn tatsächlich haben die von der …agentur angestellten Überlegungen nicht in einer verbindlichen Regelung gemündet.

Schließlich fehlt es an einer substantiierten Darstellung eines kausalen Schadens.

Unabhängig von der Behauptung der Beklagten, eine Sperrung sei am 25.3.2010 bereits tatsächlich nicht möglich gewesen, da die A GmbH ihre Mitarbeiter gar nicht auf das Betriebsgelände gelassen hätte und sich gegen eine Stromunterbrechung mit gerichtlichen Mitteln gewehrt hätte und auch unabhängig von der Behauptung der Beklagten im Falle einer Stromunterbrechung im März 2010 habe die A GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt Insolvenz anmelden müssen, ist es der Klägerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht gelungen, einen kausalen Schaden darzulegen, der durch die unterlassene Stromunterbrechung entstanden sein soll. Das Zahlenwerk der Klägerin krankt daran, dass die Klägerin zum einen die in der Vereinbarung vom 22.7.2009 geregelten Tilgungsbestimmungen missachtet hat. So lässt sich der Anlage K 32 entnehmen, dass die Klägerin nicht berücksichtigt hat, dass nach der Vereinbarung vom 22.7.2009 die A nicht nur verpflichtet war, den Stromgeldrückstand in wöchentlichen Raten von mindestens 822,14 Euro zu reduzieren, sondern auch wöchentliche Vorauszahlungen auf den jeweiligen Monatsverbrauch zu leisten in Höhe von jeweils mindestens 3.067,14 Euro. Nach der vertraglichen Regelung sollten die Vorauszahlungen mit der jeweiligen Rechnung für den laufenden Monat bei Rechnungslegung verrechnet werden. Dies lässt sich der Anlage K 32 gerade nicht entnehmen. Danach werden weder wöchentliche Tilgungen, noch wöchentliche Vorauszahlungen auf den jeweiligen Monatsverbrauch berücksichtigt. Ferner berücksichtigt die Klägerin bei der Darstellung der erhaltenen Zahlungen nicht, dass die im Wege der Zwangsvollstreckung erhaltenen Zahlungen die zugrunde liegenden titulierten Forderungen getilgt haben, nicht etwa andere (welche ?) Rückstände. Dies gilt zum einen für die Zahlungen im Rahmen des gerichtlichen Vergleiches vor dem Landgericht Stuttgart (Verfahren 35 O 120/09 KfH) wie auch im Rahmen einer Pfändung von Zahlungsansprüchen bei der F AG. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin darüber hinaus aus Versäumnisurteilen für Stromgeldschulden ab Januar 2010 die Pfändung gegenüber der A GmbH betrieben und im Rahmen der Zwangsvollstreckung 55.000,-- Euro von der A GmbH erhalten. Auch diese Zahlung ist nicht auf Zahlungsrückstände des Jahres 2009 zu verrechnen, sondern auf die titulierten Forderungen aus denen die Klägerin die Zwangsvollstreckung betrieb. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte die Zahlungsflüsse bestritten hat und substantiierter Vortrag der Klägerin hierzu fehlt.

Schließlich hat die Klägerin gänzlich unberücksichtigt gelassen, worauf die Beklagte mehrfach hingewiesen hat, dass die Klägerin nicht nur zu ihrer tatsächlich bestehenden Vermögenslage vortragen muss, sondern auch dazu vortragen muss, in welcher Vermögenslage sie sich befunden hätte, wäre der Stromanschluss gesperrt worden. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin selbst Lieferverpflichtungen eingegangen ist, um Kunden beliefern zu können, fehlt es an jedem Vortrag der Klägerin dazu, was sie im Falle der Sperrung der Stromversorgung mit dem für die A GmbH bereits bestellten Kontingent an Strom gemacht hätte.

Klageantrag zu 2)

Die Klageerweiterung ist zulässig, auch ohne Zustimmung der Beklagten, weil sie als sachdienlich anzusehen ist. Durch die Klageerweiterung kann der zwischen den Parteien bestehende Streitpunkt, ob die Beklagte grundsätzlich zu einer Sperrung der Stromversorgung verpflichtet ist, miterledigt werden und ein neuer Prozess vermieden werden.

Der Klageantrag zu 2. ist allerdings unzulässig, die Voraussetzungen von § 259 ZPO liegen nicht vor. Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn nach den Umständen die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Ansprüche der Klägerin bereits dem Grunde nach entstanden sein müssen. Ein künftiger Anspruch, dessen Entstehung von weiteren, noch nicht erfüllten Voraussetzungen abhängt, reicht nicht aus (BGH NJW-RR 2006, 1485 Rdnr. 11).

Hilfsanträge:

Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag zu 1. ist aus den oben genannten Gründen ebenso unbegründet wie der Hilfsantrag zu Ziffer 2.

Solange die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 19.2.2013 auf Abschluss der ergänzenden Regelung zur Unterbrechung/Wiederherstellung der Anschlussnutzung auf Anweisung des Lieferanten (Anlage B 2) nicht annimmt, stehen ihr weder vertragliche noch gesetzliche Ansprüche auf Unterbrechung der Anschlussnutzung eines von ihr belieferten Kunden zu. Die Behauptung der Klägerin, dass sich die Beklagte eine Verpflichtung zur Versorgungsunterbrechung entziehe, indem sie einen Vertragsabschluss darüber mit ihr ablehne, ihr bislang nicht einmal ein Angebot darüber unterbreite, ist jedenfalls nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 19.2.2013 nicht mehr zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.