VG Köln, Urteil vom 27.08.2012 - 5 K 1231/11
Fundstelle
openJur 2014, 5164
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der eigenen aktuellen Angaben zu Folge am 00.00.0000 geborene Kläger zu 1. (im folgenden: "der Kläger") ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner am 22. April 1997 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet stellte er beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - BAFl - (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - BAMF -) einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (unter dem Namen J. P. O. , geboren am 00.00.0000 ). Er gab an, seine Familie gehöre der DPK an. Er selbst gehöre der Schülervereinigung der DPK an. Sein Vater, der ebenfalls in der DPK tätig gewesen sei, sei eine Art Kurier für die Organisation gewesen. In den 80iger Jahren sei sein Vater wie andere öfters auch in Haft genommen worden. Er selbst, der Kläger, habe seinem Vater bei dessen Aktionen geholfen. Mit Bescheid vom 19. September 1997 lehnte das BAFl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte aber fest, dass die Voraussetzungen des §§ 51 Abs. 1 und des 53 Abs. 4 des früheren Ausländergesetzes (AuslG) hinsichtlich des Irak vorlägen; Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen im übrigen indessen nicht vor. Mit Urteil vom 6. Februar 1998 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage des früheren Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen den Bescheid vom 19. September 1997 ab. Mit Beschluss vom 21. April 1999 änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das vorbezeichnete Urteil vom 6. Februar 1998 sowie den Bescheid des BAFl vom 19. September 1997 dahin ab, dass die Zuerkennung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 und § 53 Abs. 4 AuslG aufgehoben wurde. Dem Kläger stehe weder der Schutz nach §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 1 und 4 AuslG noch derjenige nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu. Mit Bescheid vom 6. August 1999 forderte das BAFl den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass er nicht ausreise, wurde die Abschiebung in den Irak (Nordirak) angedroht. Im Zeitraum vom 18. März bis 14. Mai 2000 war der Aufenthaltsort des Klägers den Behörden unbekannt. Er hielt sich in den Niederlanden auf, wo er Asyl beantragt hatte. Im Frühsommer 2000 reiste er in das Bundesgebiet zurück. Im Juni 2000 erteilte ihm die Ausländerbehörde der Stadt Ingolstadt erstmals eine Duldung, welche in der Folgezeit verlängert wurde. Der Kläger nannte sich damals weiterhin J. P. O. . Im Juli 2003 beantragte er bei der Stadt Köln die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Er erhielt eine Duldung, welche zuletzt bis 14. Juni 2004 gültig war. Im April 2004 ließ der Kläger der Stadt Köln mitteilen, dass er die irakische Staatsangehörige T. L. , geb. am 00.00.1982 , nach kirchlichem Ritus geheiratet habe. Aus der Beziehung sei das gemeinsame Kind I. L. , geboren am 00.00.2004 , hervorgegangen. Am 12. Dezember 2006 beantragte der Kläger bei der Stadt München die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung (IMK-Beschlusses vom 17. November 2006). Sein am 26. September 2007 vom irakischen Generalkonsulat in Berlin ausgestellter Nationalpass der Serie S auf die Personalien J. P. O. wurde von der Ausländerbehörde der Stadt München einbehalten. Eine kriminaltechnische Untersuchung des Reisepasses durch das Bayerische LKA ergab, dass ohne Untersuchung der dem Pass zugrundliegenden Urkunden nicht unbedenklich von einem Nachweis der Identität des Klägers ausgegangen werden könne. Im November 2008 stimmte der Beklagte dem Umzug des Klägers nach Bergisch Gladbach zu. Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau T. L. , sowie das gemeinsame Kind I. L. (Klägerin zu 2.) wurden am 24. Juli 2008 eingebürgert, mit der Folge, dass sie neben der irakischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Am 21. und 22. Februar 2007 führte die Regierung von Oberbayern mit dem Kläger Sicherheitsgespräche zur Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt und zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und der Ausweisungsgründe nach §§ 54, 55 AufenthG. Die Behörde hatte den Verdacht, dass der Kläger die von ihr der Terrorszene zugerechnete Organisation Ansar Al-Islam/Ansar Al-Sunar (AAI/AAS) unterstütze. In den Gesprächen gab der Kläger an, in den Jahren 2004 und 2005 in Köln gewohnt zu haben. 2006 sei er nach München gekommen, nachdem er zuvor noch in Ingolstadt gewohnt habe. Er sei Sunnit. Auf die Frage, ob er schon mal von einem Mann namens Mullah Krekar gehört habe, antwortete der Kläger mit "ja". Die weitere Frage, ob er diesen Mann "persönlich kenne", verneinte er. Was die Organisation betreffe, welcher dieser Mann (Mullah Krekar) angehöre, kenne er den genauen Namen nicht. Er wisse nur, dass es eine eher konservative, islamische Organisation sei. Er glaube, dass Mullah Krekar Chef der Gruppe AAI sei. Jeder kenne Mullah Krekar, weil der eine Führungspersönlichkeit aus dem Irak sei. Er sei nicht bei einer Veranstaltung zugegen gewesen, bei der auch Mullah Krekar anwesend gewesen sei. Er sei aber schon mal mit diesem in einem Raum gewesen, wann genau wisse er nicht. Er habe aber keinen persönlichen Kontakt zu ihm oder seinen Leuten. Mullah Krekar halte sich jetzt in Norwegen auf. Er, der Kläger, habe guten Kontakt zu Saleh Said.

In einem Schreiben vom 2. Januar 2008 an das Bayerische Staatsministerium des Innern äußerte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Sicherheitsbedenken gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger.

Am 30. September 2008 ging bei der Ausländerbehörde der Stadt München eine anonymer Briefumschlag ein, welcher drei Fotos enthielt, auf denen der Kläger - dies räumte und räumt er ein - jeweils mit einer weiteren bzw. mehreren männlichen Personen (in unterschiedlicher Anzahl) zu sehen ist. Im ersten Foto sitzt der Kläger, ein Schnellfeuergewehr vor sich selbst, zusammen mit einem weiteren Mann, der vor sich ein Steilfeuergeschütz (Mörser) stehen hat, in bergigem Gelände. Auf dem zweiten Foto ist der Kläger zusammen mit drei anderen Männern, u.a. unstrittig mit Mullah Krekar, in einem Zugabteil zu sehen. Das dritte Foto zeigt den Kläger zusammen mit zwei anderen Männern, davon einer wiederum unstreitig Mullah Krekar, in einer Bahnhofshalle vor einer Buchhandlung. Im Dezember 2008 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Am 15. April 2009 erfolgte bei dem Kläger und Frau T. L. im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Hausdurchsuchung. In dem zur Wohnung gehörenden Kellerraum wurden insgesamt 37 Videokassetten gefunden. Der Kläger gab an, sämtliche Kassetten gehörten dem Abdul Qader (Abdul Kadir). Die Lebensgefährtin des Klägers gab an, dass sich auf den Videokassetten Aufnahmen aus den Kriegen aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. Bosnien/Herzegowina befänden. Nach Feststellungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Behörden enthielt zumindest eine Kassette Amateuraufnahmen von Ausbildungs- und/oder Kriegshandlungen. Weitere Kassetten erhielten Mitschnitte von Sendungen des Fernsehsenders Al-Jazeera mit Botschaften des Osama bin Laden sowie seines Stellvertreters Aiman Al-Zawahiri und Amateuraufnahmen eines Vortrags von Mahmud Ahmadinedschad. Frau L. gab in einem am 22. April 2009 geführten Kontaktgespräch mit Beamten des Polizeipräsidiums Köln an, dass der Kläger gesagt habe, früher einmal für die AAI/AAS eingetreten zu sein, inzwischen aber damit abgeschlossen habe. Sie (Frau L. ) halte das aber für gelogen und gehe davon aus, dass er nach wie vor mit Anhängern der Vereinigung Kontakt halte. Er höre sich islamische Liedtexte an. Dabei sehe er sich Videos an, in denen Andersgläubigen die Hände abgeschlagen oder die betreffenden Personen enthauptet würden. Sie sehe ihren Mann lieber heute als Morgen in den Irak abgeschoben. Die bei der Ausländerbehörde München anonym eingegangenen drei Fotos habe sie der Behörde übermittelt. Sie habe den Behörden die Augen über ihren Mann öffnen wollen. Die Fotos zeigten den Ehemann "zum einen mit Mullah Krekar, zum anderen vor einem Schussapparat in seiner Heimat". Weitere Bilder, die ihn mit Mullah Krekar gezeigt hätten, habe der Ehemann erst vor kurzem in der Wohnung vernichtet. Der Ehemann habe ihr gegenüber einmal geäußert, dass es "gut für ihn" sei, wenn er ein deutsches Kind und eine deutsche Frau habe.

Am 21. Juli 2010 führte ein Bediensteter des Beklagten ein Sicherheitsgespräch mit dem Kläger. Dabei gab letzterer an, im Jahre 1997 im Rahmen seiner Einreise in das Bundesgebiet nur deshalb andere Personalien (Geburtsdatum, Name) benutzt bzw. angegeben zu haben, damit seinen Familienangehörigen im Irak nichts passiere. Er habe bekanntlich den Namen J. P. O. benutzt. Tatsächlich heiße er aber T1. U. N. . Im Jahre 2000 sei er für ca. zwei Wochen in den Niederlanden gewesen. Zu dem Foto, welches ihn zusammen mit einem anderen Mann vor einem Schnellfeuergewehr und einem Steilfeuergeschütz im Gelände zeige, könne er nur sagen, dass dies ein gestelltes Foto mit "ausgeliehenen Waffen" gewesen sei. Er sei damals mit einer Schulgruppe und einigen Leuten aus seinem Ort im Gelände gewesen. Man habe sich die Waffen lediglich von kurdischen Einheiten in ihren Stellungen zum Posieren geliehen. Das Foto sei 1995 oder1996 aufgenommen. Die AAI/AAS kenne er nur vom Hören. Er sei weder Mitglied der Vereinigung noch in ihr aktiv. Mullah Krekar kenne er, der Kläger, nicht persönlich. Mullah Krekar sei aber einmal vor dem Jahre 2000 in München gewesen. Er habe ihn dort nur gesehen, aber nicht getroffen. Es habe kein Gespräch mit ihm gegeben.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2011 wies der Beklagte den Kläger unbefristet aus dem Bundesgebiet aus, verpflichtete ihn, sich ab dem 1. März 2011 und bis zu seiner Ausreise einmal wöchentlich bei der Polizeiinspektion Bergisch Gladbach unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden, beschränkte den Aufenthalt ab dem 1. März 2011 bis zur Ausreise auf das Gebiet des Rheinisch-Bergischen Kreises und drohte für den Fall von Zuwiderhandlungen ein Zwangsgeld in Höhe von 50,-- Euro bzw. unmittelbaren Zwang an. Der Beklagte ordnete ferner den Sofortvollzug der Ordnungsverfügung an und lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 3. Dezember 2008 ab. Die Ausweisung wurde sowohl auf § 54 Nr. 5 AufenthG als auch auf § 54 Nr. 6 AufenthG gestützt. Es wurde ausgeführt, dass durch die erlangten Erkenntnisse feststehe, dass der Kläger durch vielfältige persönliche Kontakte mit teilweise ranghohen Mitgliedern der AAI/AAS, zu welchen u.a. der ideologische Führer der Organisation, Mullah Krekar gehöre, auch als möglicherweise Nichtmitglied über eine Verbundenheit und innere Nähe zur AAI/AAS verfüge. Es sei dem Kläger auch bewusst gewesen, dass es sich bei der AAI/AAS um eine terroristische Organisation handele, welche er zumindest unterstützt habe. Da der Kläger in beiden Sicherheitsgesprächen (vom 22. Februar 2007 in München und vom 21. Juli 2010 in Bergisch Gladbach) unwahre Angaben zu wesentlichen Fragen bzw. Punkten seiner Beziehung zur der genannten Organisation gemacht habe, liege auch der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG vor. Allerdings genieße er den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, da er mit seiner minderjährigen Tochter (Klägerin zu 2.), welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Aufgrund des besonderen Ausweisungsschutzes reduziere sich die Regelausweisung nach § 54 Nrn. 5 und 6 AufenthG zur Ermessensentscheidung. Der Beklagte habe eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausweisung des Klägers mit seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet vorgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung - auch zur Erforderlichkeit der Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG und der Zwangsmittelandrohung - wird auf die umfangreichen Darlegungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Die Kläger haben am 28. Februar 2011 beim erkennenden Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 21. April 2011 (5 L 293/11) abgelehnt. Es wurde offengelassen, ob der angefochtene Bescheid auf der Basis des § 54 Nr. 5 und/oder Nr. 6 AufenthG rechtmäßig sei, und es erfolgte lediglich eine allgemeine Interessenabwägung (mit dem Ergebnis zu Lasten der Kläger). Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das OVG NRW mit Beschluss vom 17. Juni 2011 (18 B 587/11) zurück. Im Beschluss heißt es, dass auch im Beschwerdeverfahren nicht festgestellt werden könne, dass die Ausweisungsverfügung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig sei. Die gebotene Interessenabwägung sei jedoch in erster Instanz zu Recht zu Lasten der Kläger getroffen worden. Es spreche alles dafür, dass der Kläger bis in jüngster Zeit Kontakt zu Personen gehabt habe, die den terroristischen Organisationen AAI bzw. AAS angehört hätten oder diese unterstützten. Es liege nicht nur ein Foto vor, das den Kläger mit Mullah Krekar zeige, der bis 2003 Anführer der AAI gewesen und weiterhin zumindest eine wichtige Symbolfigur dieser Organisation gewesen sei. In den Verwaltungsvorgängen fänden sich vielmehr zwei weitere Fotos, auf denen der Kläger und Mullah Krekar zusammen in einem fahrenden Zug bzw. auf einem deutschen Bahnhof oder Flughafen zu sehen seien. Es spreche vieles dafür, dass auf dem Foto, das den Kläger mit einem Maschinengewehr und vor einer Mörserrakete in einer bergigen Landschaft sitzende zeige, ebenfalls Mullah Krekar abgebildet sei. Nach Aktenlage spreche auch alles dafür, dass der Kläger den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG verwirklicht habe, weil er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt diene, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkte falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zur Personen oder Organisationen gemacht haben, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig seien. Es dürfte - so das OVG - feststehen, dass der Kläger im Sicherheitsgespräch am 21. Juli 2010 unzutreffend angegeben habe, Mullah Krekar nur einmal in einer Moschee in München gesehen zu haben. Denn die erwähnten Fotos belegten mindestens ein weiteres Treffen. Auch wenn alles dafür spreche, dass der Kläger den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 verwirklicht habe, könne die offensichtliche Rechtmäßigkeit der im Ermessensweg verfügten Ausweisung nicht festgestellt werden. Denn der Beklagte sei bei seiner Ermessensentscheidung vom Vorliegen auch des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG ausgegangen. Dass er die Ausweisung auch verfügt hätte, wenn der Kläger nur den Ausweisungsgrund aus § 54 Nr. 6 AufenthG verwirklicht hätte, lasse der angegriffene Bescheid jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen. Der Kläger könne schließlich nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beanspruchen, da die verfügte Ausweisung die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 entfalte. Um die betroffenen privaten Interessen der Kläger ausreichend gewichten zu können, bedürfe allerdings im Hauptsacheverfahren das Verhältnis des Klägers zu seiner Tochter, der Klägerin zu 2., näherer Aufklärung. Vor dem Hintergrund der Angaben der Lebensgefährtin des Klägers zum Vater-Kind-Verhältnis sei trotz des Zusammenlebens in einer Wohnung das Bestehen einer nach Artikel 6 GG und Artikel 8 EMRK schutzwürdigen familiären Lebensgemeinschaft nicht frei von Zweifeln.

Die Kläger haben am 28. Februar 2011 Klage gegen den Bescheid vom 17. Februar 2011 erhoben. Sie sind der Meinung, dass die mit dem Bescheid gegen den Kläger verfügten Maßnahmen rechtwidrig seien. Von der Unterstützung einer terroristischen Organisation durch ihn könne nicht die Rede sein. Auf dem Foto, welches ihn im Jahre 1995/1995 in bergigem Gelände mit einem Mann vor einem Mörser zeige, sei nicht Mullah Krekar abgebildet. Die weiteren in den Verwaltungsvorgängen enthalten Fotos (im Zugabteil und in einer Bahnhofshalle) zeigten allerdings u.a. ihn und Mullah Krekar. Die zuletzt genannten beiden Fotos seien im Jahre 1998 am gleichen Tag anlässlich einer gemeinsamen Zugfahrt nach München aufgenommen worden. Es sei bereits nicht geklärt, dass es sich bei der AAI/AAS tatsächlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne des Gesetzes (§ 54 Nr. 5 AufenthG) handle. Selbst wenn dies aber der Fall sein sollte, habe der Kläger diese Organisation jedenfalls nicht unterstützt. Das Gegenteil könne weder aus den vom Beklagten angeführten Gründen noch aus den Aussagen seiner Lebensgefährtin hergeleitet werden. Soweit die Lebensgefährtin T. L. gegenüber der Polizei ihn belastende Aussagen gemacht habe, halte sie diese ausdrücklich nicht mehr aufrecht. Es treffe insbesondere nicht zu, dass der Kläger die Tochter I. nicht gemocht habe und sich in Frau L.s Gegenwart Videos angesehen habe, in denen Menschen Gliedmaßen abgeschlagen worden seien. Die Lebensgefährtin habe sich nach einer am 28. Oktober 2006 erlittenen Fehlgeburt (G. L. ) in einer schlechten inneren Verfassung befunden, sich in Bergisch Gladbach auch nicht wohl gefühlt und massive Probleme gehabt, auf ihren Ehemann einzulassen; nur so ließen sich die ihn - den Kläger - belastenden Aussagen bei der Polizei im April 2009 erklären Er sei in Deutschland niemals wegen terroristischer Umtriebe aufgefallen. Es habe kein einschlägiges Strafverfahren oder auch nur ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegeben. Auch die bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchungen hätten keine einschlägigen Erkenntnisse gegeben. Wenn er überhaupt bei den Sicherheitsgesprächen falsche/unvollständige Angaben gemacht habe, was er bestreite, handle es sich jedenfalls nicht um solche "in wesentlichen Punkten" (§ 54 Nr. 6, 1. Hs AufenthG). Zudem habe er im Verlaufe der Sicherheitsgespräche alle ihm möglichen Auskünfte gegeben und Angaben gemacht, so dass keine aktuelles Gefahrenpotential vorhanden sei. Selbst wenn aber ein Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 oder Nr. 6 AufenthG vorläge, habe eine Ermessensentscheidung zu Lasten des Klägers nicht ergehen dürfen. Der Beklagte berücksichtige nicht hinreichend die Rechte aus Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) und Artikel 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Hinblick auf seine mit ihm zusammenlebende deutsche Tochter (Klägerin zu 2.). Das Jugendamt des Beklagten habe in einer Stellungnahme vom 20. Oktober 2011 eine positive Stellungnahme zum Vater-Kind-Verhältnis abgegeben, nachdem am 19. September und 6. Oktober 2011 Gespräche im Jugendamt bzw. zu Hause bei der Familie stattgefunden hätten. Die Klägerin zu 2. habe dabei erklärt, dass sie ihren Vater sehr lieb habe und viel Zeit mit ihm verbringe. In einer abschließenden fachlichen Einschätzung sei das Jugendamt zu der Auffassung gelangt, dass die Beziehung des Klägers zur Klägerin zu 2. innig sei. Das Kind habe eine gute Bindung zu beiden Elternteilen. Der Vater habe einen Einblick in die Entwicklung seiner Tochter und scheine ihr Bedürfnisse wahrzunehmen. Eine Abschiebung des Klägers sei dem Kindeswohl nicht dienlich, da die Tochter durch die Abschiebung eine sehr wichtige Bezugsperson verlieren würde.

Im Hinblick auf die Darlegungen des OVG NRW in seinem Beschluss vom 17. Juni 2011 (18 B 587/11), Seite 4, stellte der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. April 2012 klar, dass die Ausweisung des Klägers nach pflichtgemäßer Ermessensausübung auch verfügt worden wäre, wenn dieser nur den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG verwirklichen würde. Bei Gesamtschau des Sachverhaltes sei festzustellen, dass der Kläger Kontakt mit Mullah Krekar, dem Führer der AAI/AAS hatte, gehabt habe, welcher über einen bloßen Zufallskontakt hinausgegangen sei. Anders sei es nicht zu erklären, warum sich der Kläger mit Mullah Krekar sowie weiteren AAI/AAS-Sympathisanten an unterschiedlichen Orten, nämlich in einem Zugabteil sowie einem Bahnhof, fotografieren lasse. Es sei nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass sich die Führungspersonen einer terroristischen Organisation nicht mit Personen ablichten ließen, welche der betreffenden Organisation nicht angehörten und/oder diese nicht unterstützten. Der Kläger habe bei den Sicherheitsgesprächen falsche oder unvollständige Angaben über seine Beziehung zu Mullah Krekar gemacht. Falsche oder unvollständige Angaben in Sicherheitsgesprächen behinderten oder vereitelten die Aufklärung von Sicherheitsbedenken und entwerteten die Befragung des Ausländers zu sicherheitsrechtlichen Zwecken. Die wiederholten Falschangaben des Klägers hinsichtlich des "Kennverhältnisses" zu Mullah Krekar wiesen einen erheblichen Unrechtsgehalt und ein Gefährdungspotential auf.

Die Kläger machten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. Juni 2012 geltend, dass der Kläger am 1. Juni 2012 Vater einer weiteren, ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Tochter (I1. L. ) geworden sei. Der Kläger lebe auch mit dem zweiten Kind in häuslicher Gemeinschaft und betreue es gemeinsam mit der Kindesmutter T. L. . Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 6 AufenthG und für eine darauf basierende Ausweisung lägen nicht vor. Der Kläger habe bereits damals mit einer deutschen Familienangehörigen, nämlich der Klägerin zu 2., in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt, weshalb er besonderen Ausweisungsschutz genieße. Eine Ausweisung komme nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Betracht, wobei solche nicht vorlägen. Er habe bei den Sicherheitsbefragungen erklärt, Mullah Krekar nur einmal bei einem Vortrag in einer Moschee live erlebt zu haben. Tatsächlich habe er ihn gemeinsam mit anderen Personen nach diesem Vortrag bzw. dieser Predigt zum Flughafen zurückbegleitet. Auf der Fahrt zum Flughafen, die mit der Deutschen Bahn erfolgt sei, seien die in den Akten befindlichen Fotos gemacht worden. Er habe bei diesen Sicherheitsbefragungen nichts verschwiegen. Es habe auch kein Ermittlungsverfahren gegen ihn gegeben. Insgesamt überwögen die familiären Belange - er trage nunmehr die Verantwortung für zwei minderjährige deutsche Kinder - das öffentliche Interesse an seiner Entfernung aus dem Bundesgebiet.

Der Beklagte macht mit Schriftsatz vom 10. August 2012 geltend, dass auch die Geburt der zweiten Tochter nicht geeignet sei, von der Ausweisung des Klägers Abstand zu nehmen. Das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet überwiege die privaten Interessen beider Kläger. Allerdings sei derzeit wegen der Schutzwirkungen der Art. 6 GG/8 Abs. 1 EMRK keine Abschiebung des Klägers geplant. Alle strittigen Maßnahmen würden aber beibehalten. Selbst bei einer Ausweisung nur nach § 54 Nr. 6 AufenthG müsse es nach pflichtgemäßer Ermessensausübung gemäß § 54a Abs.1 Satz 2 AufenthG auch bei der Überwachungsmaßnahme (Meldepflicht bei der Polizei), für welche es nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Regel einer Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder 5 b AufenthG bedürfe, verbleiben. Schließlich befristete der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung des Klägers (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG) vorsorglich im Hinblick auf das eine Befristung offenbar für alle Arten der Ausweisung fordernde Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - auf 15 Jahre ab Ausreise des Klägers. Zur Begründung für die Fristlänge nahm er auf die vom islamischen Terrorismus ausgehenden schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Bezug.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2011 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger zu 1. eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen,

hilfsweise,

die Wirkungen der Ausweisung des Klägers zu 1. auf den 1. September 2012 zu befristen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erachtet die mit dem Bescheid vom 17. Februar 2011 getroffenen und mit seinen Schriftsatz vom 30. April und 10. August 2012 aufrecht erhaltenen Maßnahmen als auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und meint, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger, der weiterhin keinen Pass oder Passersatz besitze, lägen nicht vor. Eine kürzere Befristung der Ausweisungswirkungen als auf 15 Jahre sei nicht gerechtfertigt, schon gar eine solche auf den 1. September 2012.

In einem weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren (5 K 1961/12) erstrebt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen eine auf § 48 Abs. 3 AufenthG gestützte, für sofort vollziehbar erklärte und vom Kläger befolgte Anordnung des Beklagten vom 21. Februar 2012, dass der keinen Pass/Passersatz besitzende Kläger seine Staatsangehörigkeitsurkunde herauszugeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akten 5 L 293/11 und 5 K 1961/12 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist mit allen Anträgen unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die mit dem angefochtenen Bescheid gegenüber dem Kläger getroffenen Maßnahmen sind - jeweils unter Berücksichtigung der ergänzenden Darlegungen des Beklagten in den prozessualen Schriftsätzen vom 30. April und 10. August 2012 - auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu beanstanden. Eine Abkürzung der Befristung der Auswirkungen der Ausweisung auf den 1. September 2012 kann nicht beansprucht werden. Im Einzelnen:

Der Beklagte hat die Ausweisung des Klägers sowohl auf § 54 Nr. 5 AufenthG als auch auf § 54 Nr. 6 AufenthG - jeweils selbständig tragend - gestützt. Dies ergibt sich zum einen aus den Darlegungen in dem angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 2011 selbst (vgl. Seiten 11, 19) als auch denjenigen in dem ergänzenden, als Reaktion auf den Hinweis im OVG - Beschluss vom 17. Juni 2011 (18 B 587/11) verfassten Schriftsatz vom 30. April 2012 an das Gericht. Der Beklagte hat klargestellt, dass die Ausweisung des Klägers auch verfügt worden wäre, wenn dieser nur den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG verwirklichen würde. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 6 AufenthG sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der Deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sind. Die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde. Die Norm ist inhaltsgleich mit der bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (1. Januar 2005) geltenden Vorläufervorschrift, nämlich § 47 Abs. 2 Nr. 5 des früheren Ausländergesetzes (AuslG). § 47 Abs. 2 Nr. 5 AuslG wiederum ging auf das als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 (New York) erlassene Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002, BGBl. I S.361, zurück. Der Gesetzgeber ging seinerzeit - mit Blick auf die eingetretene weltweite Bedrohung durch den Terrorismus - davon aus, dass (u.a.) falschen/unvollständigen Angaben in sicherheitsrelevanten Bereichen unlautere sicherheitsrelevante Motive zu Grunde liegen und der Aufenthalt des Ausländers deshalb regelmäßig ein Sicherheitsrisiko in sich birgt. Es genügte daher für eine Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 5 AuslG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung der Nachweis solcher falscher/unvollständiger Angaben. Ein darüber hinausgehender Nachweis eines konkreten Kontaktes des Ausländers zum Terrorismus war nicht erforderlich; er könnte meist nur schwer erbracht werden.

Vgl. die Begründung des Fraktionsentwurfs (SPD, Bündnis 90/Die

Grünen) vom 8. November 2001 zu Art. 11 Nr. 8 des Terrorismus-

bekämpfungsgesetzes (Änderung bzw. Neufassung des § 47 Abs. 2

Nr. 2 bis 5 AuslG), BT-Drucks. 14/7386, S. 56, 57.

An der dargestellten gesetzgeberischen Intention hat sich mit Inkrafttreten des nunmehr anzuwendenden § 54 Nr. 6 AufenthG nichts geändert, mit der Folge, dass es zur Annahme der Verwirklichung auch dieses (inhaltsgleichen) Ausweisungstatbestandes nur des Nachweises der "falschen/unvollständigen Angaben" bedarf.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. November 2007

- 11 S 695/07; VG Aachen, Urteil vom 23. März 2011 - 8 K 283/08 -.

Der Kläger verwirklicht den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG. Die jeweiligen Belehrungen waren vorliegend bei allen Sicherheitsgesprächen korrekt erfolgt; der Kläger hat durch Unterschrift bestätigt, dass er belehrt wurde. Er hat in den Sicherheitsbefragungen vom 22. Februar 2007 und 21. Juli 2010 unwahre, zumindest irreführende Angaben zu seiner Beziehung zu Mullah Krekar, dem früheren "Leiter"/Kopf der AAI/AAS, gemacht. Der 1956 geborene Iraker Mullah Krekar ist der Unterstützung des Terrorismus zumindest verdächtig, wie bereits im Eilbeschluss des erkennenden Gerichts vom 21. April 2011 (5 L 293/11) dargestellt. Die im Jahre 2001 gegründete AAI, die nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden ab 2001 mit ursprünglich ca. 600 Kämpfern ein "Taliban-ähnliches Regime" in einem kleinen Teil des Kurdengebietes errichten konnte, war nämlich am 24. Februar 2003 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in die Liste der terroristischen Vereinigungen aufgenommen worden; eine entsprechende Einstufung nahm auch die Europäische Union durch Aufnahme der AAI in eine bestimmte Liste vor (Verordnung EG Nr. 350/2003 der Kommission vom 25. Februar 2003, ABl. L 51/19, zur dreizehnten Änderung der Verordnung EG Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die "Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al - Qaida - Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen"). Mit hoher Wahrscheinlichkeit und entsprechend einer im Jahre 2007 erfolgten Äußerung des ehemaligen Kommandeurs der AAS (Abu Abdullah al-Shafi) ist AAS nur eine andere Bezeichnung für die AAI. Mullah Krekar (richtiger Name: Najm al-Deen Faraj Ahmed Mahmoud) war im Dezember 2001 Führer der AAI geworden, ist es aber aktuell (und wohl schon seit Februar 2003) nicht mehr, sondern - so das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in einer Einschätzung vom 2. Januar 2008 gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren - lediglich noch "spirituelle Leitfigur". Dass Mullah Krekar keine terroristischen Bestrebungen mehr verfolgt, ist aber dennoch nicht hinreichend gesichert. Der Kläger hat zu Beginn der Sicherheitsgespräche stets den Eindruck zu erwecken versucht, Mullah Krekar nicht persönlich zu erkennen und ihn allenfalls zufällig mal gesehen zu haben. Im Sicherheitsgespräch vom 22. Februar 2007 wurde er gefragt, ob er Mullah Krekar persönlich kenne; der Kläger verneinte dies. Auch wenn der Begriff des "Persönlich-Kennens" bis zu einem gewissen Grad auslegungsfähig sein mag, hätte der Kläger seine Begegnung anlässlich der Zugfahrt nach München offenlegen müssen. Stattdessen wiederholte er im weiteren Verlaufe des Sicherheitsgesprächs, dass er "keinen persönlichen Kontakt zu Mullah Krekar" habe und über das, wofür Mullah Krekar stehe, nur das sagen könne, "was er so in den Nachrichten höre". Im Sicherheitsgespräch am 21. Juli 2010 beim Beklagten gab er zunächst an, den Genannten nur einmal, ca. im Jahre 2000, in einer Moschee in München (beim Beten) gesehen zu haben; es habe kein Gespräch gegeben. Diese Angabe sollte ebenfalls gezielt den Eindruck vermitteln, es habe nie ein persönlicher Kontakt zu Mullah Krekar bestanden. Die Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2012, man habe bei der Befragung ihm gegenüber zunächst gar nicht den Namen Mullah Krekar erwähnt, sondern einen anderen Namen (bürgerlichen Namen, Spitznamen o. dergl.), überzeugt nicht. Der Kläger sagte im Sicherheitsgespräch nämlich zuvor selbst: "von Ansar Al-Islam heißt der Leiter Mullah Krekar". Der Kläger verblieb auch nach ausdrücklicher Nennung des Namens Mullah Krekar durch den Befrager zunächst bei seiner unvollständigen Darstellung. Die erwähnten Fotos, den Behörden von der Lebensgefährtin zugespielt, belegen aber eindeutig weitere Treffen des Klägers mit Mullah Krekar, nämlich zumindest bei der Zugfahrt 1998 nach München und in der Bahnhofhalle (München oder Augsburg), wenn nicht sogar doch auch 1995/1996 (im bergigen Gelände mit schweren Waffen). Die Begegnung zumindest anlässlich der Zugfahrt legt, wenn es auch der gleiche Tag im Jahr 1998 war, die Annahme nahe, dass nicht nur eine lose Bekanntschaft mit Mullah Krekar gegeben war, sondern eine engere Beziehung. Es wäre lebensfremd anzunehmen, eine der AAI/AAS zugerechnete - auch ehemalige - Führungsperson wie Mullah Krekar ließe sich mit Personen ablichten, die sie nicht selbst näher und persönlich kennt. Zumindest im Zugabteil dürfte es längere/intensive Gespräche gegeben haben. Dass es im Zug nur belanglose Gespräche ("Smalltalk") mit Mullah Krekar gegeben haben soll, erscheint unwahrscheinlich. Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, dass er in den Sicherheitsgesprächen nach sicherlich anfänglichem Zögern letztlich doch erschöpfende Auskünfte erteilt habe, weshalb die dem Tatbestand § 54 Nr. 6 AufenthG zu Grunde liegende Gefährdungssituation nicht vorliegen könne. Wenn der Ausländer anfangs nur zögerlich/ ausweichend Antwort gibt und im weiteren Gesprächsverlauf auch nur scheibchenweise Wissen preisgibt, nährt er damit den Verdacht, dass er auch bis zum Schluss nicht die volle Wahrheit über ihm bekannte Umstände/Geschehnisse sagt. Insofern besteht auch weiterhin eine aktuelle Gefährdungssituation. Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung aber auch anerkannt, dass die spätere Offenlegung zunächst verschwiegener/unvollständig dargestellter Tatsachen nicht dazu führt, dass die Verwirklichung des Tatbestandes nachträglich entfällt.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. November 2007,

aaO; VG Aachen, Beschluss vom 10. Juli 2008 - 8 L 178/08 -.

Eine atypisch gelagerte Situation, welche ein Absehen von der "Regelentscheidung" (Ausweisung) gebieten könnte, ist nicht ersichtlich. Aufgrund des dem Kläger (angesichts der familiären Gemeinschaft mit jetzt zwei deutschen minderjährigen Kindern) zuzubilligenden besonderen Ausweisungsschutzes (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG) ist eine Ausweisung zwar nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig (§ 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG). Solche Gründe liegen aber angesichts der vom weltweiten Terrorismus ausgehenden, auch das Bundesgebiet bedrohenden erheblichen Gefahren vor. Der Beklagte hat zudem ausweislich der Seite 13 des angefochtenen Bescheides eine Ermessensentscheidung getroffen, welche - unabhängig von § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - bei einer Regelausweisung im Falle der Bejahung des besonderen Ausweisungsschutzes und bei Inbetrachtkommen des Schutzes aus Art. 8 Abs. 1 EMRK stets erforderlich ist,

vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 1 C 10.07-;

OVG NRW, Urteil vom 22. März 2012 - 18 A 2388/10-

Es ist unverzichtbar, dass der Ausländer in Sicherheitsgesprächen auf Befragen wahrheitsgemäße/vollständige Angaben zu den relevanten Fragen macht. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, dass es nicht zu konkreten Verdachtstatsachen oder gar zu einem Ermittlungsverfahren gekommen sei und die vom Beklagten angenommene Gefahr eher eine abstrakte sei. Die in § 54 Nr. 6 AufenthG angesprochene Gefahr für das Gemeinwesen muss sich entsprechend der Zielsetzung und Intention der Norm (s. oben) nicht bereits durch einen Schadenseintritt verwirklicht haben und es muss auch kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein, um eine Ausweisung der vorliegenden Art verfügen zu können. Ohne den Kläger als Terrorhelfer bezeichnen zu wollen, sei darauf verwiesen, dass es bekanntlich gerade zur Taktik der internationalen Terrorszene gehört, verdeckt zu agieren, unauffällig in der Gesellschaft zu leben und möglichst nicht negativ aufzufallen. Es war gerade Sinn der Schaffung des Tatbestandes des § 54 Nr. 6 AufenthG, vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit, namentlich den Anschlägen vom 11. September 2001, möglichen Gefahren für das Gemeinwesen frühzeitig entgegentreten zu können, ohne dass (schon) konkrete, durch Tatsachen belegte (Terror-) Unterstützungshandlungen vorliegen bzw. nachweisbar sind.

Der Beklagte hat sein Ermessen ordnungsgemäß ausübt, insbesondere die entsprechenden Erwägungen mit Blick auf die Geburt des zweiten Kindes I1. (1. Juni 2012) nochmals aktualisiert (vgl. Schriftsatz vom 10. August 2012). Die vom Gericht zu Gunsten der Kläger als gegeben unterstellte familiäre/häusliche Beziehung des Klägers zu seinen beiden die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Kindern I. und I1. L. gebietet es auch vor dem Hintergrund der die Familie und das Privatleben schützenden Rechte aus Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht, von der Ausweisung ausnahmsweise abzusehen. Angesichts der vom weltweiten Terrorismus ausgehenden Gefahren müssen die privaten/familiären Belange vorliegend in Anwendung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zurückstehen. Die Stellungnahme des Jugendamtes des Beklagten stellt - entsprechend dem gesetzlichen Auftrag dieser Stelle - ausschließlich auf das Wohl des Kindes ab, berücksichtigt aber (naturgemäß) nicht die spezifischen ausländerrechtlichen Belange, so dass der Meinungsäußerung dieser Stelle vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu kommt.

Der Hilfsantrag der Kläger, mit dem diese die Befristung der Auswirkungen der Ausweisung für den Kläger (Einreise-, Aufenthalts- und Titelerteilungsverbot) auf den 1. September 2012 begehren (§ 11 Abs. 1 AufenthG), ist ebenfalls unbegründet.

Die nachträgliche Befristung ist auch mit der relativ langen Frist von 15 Jahren nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ist die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur unterschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Letzteres greift vorliegend ein. Angesichts der erheblichen Gefahren, die gerade vom islamistisch geprägten internationalen Terrorismus ausgehen, erscheint die Frist durchaus angemessen, so dass das Gericht sich die Befristungsentscheidung des Beklagten zu eigen macht

Die auf § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG beruhende Verpflichtung des Klägers, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, ist ebenfalls rechtmäßig. Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder 5 b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG besteht, unterliegt der genannten Meldeverpflichtung. Gegen den Kläger besteht weiterhin eine vollziehbare Ausweisungsverfügung, die (auch) auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt ist. Dabei ist unerheblich, dass sich die vorliegende gerichtliche Entscheidung (Urteil) zum Eingreifen dieses Ausweisungsgrundes nicht verhält und auch nicht verhalten muss, da bereits der selbständig angeführte Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG vorliegt. Im übrigen greift aber auch § 54a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ein, denn der Kläger ist bereits aufgrund der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid des BAFl vom 6. August 1999 vollziehbar ausreisepflichtig und die Meldepflicht erscheint nach den vorstehenden Darlegungen und den entsprechenden Ermessenserwägungen des Beklagten im Schriftsatz vom 10. August 2012 zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich.

Die Beschränkung des Aufenthaltes auf das Gebiet des Rheinisch-Bergischen Kreises (§ 54a Abs. 2 AufenthG) ist ebenso wenig wie die Androhung von Zwangsmaßnahmen (Zwangsgeld bzw. unmittelbarer Zwang) zu beanstanden.

Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis für den Kläger (etwa nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge über minderjährige Deutsche) ist ebenfalls rechtens. Da gegen ihn eine wirksame Ausweisungsverfügung besteht, greift die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ein. Zudem erfüllt er weiterhin nicht alle Regelerteilungsvoraussetzungen, namentlich nicht die Passpflicht, da er weder Pass noch Passersatz besitzt (§ 3 und § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG); ein Grund, ausnahmsweise von der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung abzusehen, ist nicht erkennbar.

Die Klage der Klägerin zu 2. bleibt ebenfalls erfolglos.

Sind wie dargelegt keine Rechte des Klägers verletzt, scheidet eine Rechtsverletzung der Klägerin zu 2. aus (vom Vater) abgeleiteten Rechten heraus aus. Aber auch eigene Rechtspositionen der minderjährigen Klägerin zu 2. sind nicht in rechtswidriger Weise betroffen. Aus Art. 24 Abs. 3 der Europäischen Grundrechtecharta, wonach das Kind Anspruch auf Kontakte zu beiden Elternteilen hat, sowie aus Art. 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention, wonach bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist, ergibt sich nicht das generelle Verbot einer Beendigung des Aufenthalts eines Elternteils, insbesondere nicht aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011 - 1 B 22/10 -;

Bay. VGH, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 10 ZB 10.3028 -.

Es hat vielmehr eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stattzufinden, welche im vorliegenden Falle angesichts der erheblichen vom internationalen Terrorismus ausgehenden Gefahren zu Lasten der Klägerin zu 2. ausgeht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.