ArbG Siegen, Urteil vom 05.05.2011 - 1 Ca 1566/10
Fundstelle
openJur 2014, 5134
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 379,13 â‚ netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2010 zu zahlen. 

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 875,00 â‚ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2010 zu zahlen. 

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.250,00 â‚ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus je 2.750,00 â‚ seit dem 04.01.2011, dem 05.02.2011 und dem 03.03.2011 zu zahlen. 

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.375,00 â‚ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2011 zu zahlen. 

5. Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen. 

6. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 47 % und die Beklagte zu 53 %. 

7. Der Streitwert wird auf 27.043,72 â‚ festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche sowie einen Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung und die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Die am 08.10.1981 geborene verheiratete Klägerin war seit dem 06.07.2010 als Personalsachbearbeiterin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.750,00 € bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist auf 24 Monate bis zum 05.07.2012 befristet. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 17.06.2010, für dessen Inhalt auf Blatt 81 bis 87 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, ein Betriebsrat ist bei ihr nicht gewählt.

Für den Monat Juli 2010 zahlte die Beklagte an die Klägerin ein Urlaubsgeld in Höhe von 674,00 € brutto.

Am 28.09.2010 erkrankte die Klägerin und blieb durchgehend arbeitsunfähig bis einschließlich 21.11.2010. Am 11.11.2010 endete der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Für den Zeitraum vom 10.11.2010 bis einschließlich 21.11.2010 erhielt die Klägerin Krankengeld in einer Höhe von 617,28 €. Für die Zeit vom 01. bis einschließlich 09.11.2010 rechnete die Beklagte einen Bruttobetrag von 733,33 € ab, woraus sich ein Nettogehalt in Höhe von 583,18 € ergab. Von diesem Nettogehalt brachte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 379,13 € in Abzug und zahlte an die Klägerin einen Nettobetrag von 204,05 € aus. Der Abzug vom Nettogehalt für die Zeit vom 01. bis 09.11.2010 ergab sich aus einer von der Beklagten durchgeführten Nachberechnung für den Monat Juli 2010, in welchem die Beklagte das der Klägerin für den Monat Juli 2010 ausgezahlte Netto-Urlaubsgeld berechnete. Es wird insoweit Bezug genommen auf die von der Beklagten der Klägerin erteilten Abrechnungen für den Monat November 2010 sowie die erste Nachberechnung für den Monat Juli 2010 (Blatt 112 bis 114 Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 18.11.2010 (Blatt 8 Gerichtsakte) sprach die Beklagte der Klägerin die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit zum 03.12.2010 aus. Die Kündigung ging der Klägerin am 18.11.2010 zu. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war die Klägerin schwanger. Ob der Beklagten zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Schwangerschaft der Klägerin bekannt war, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Wirkung ab dem 22.11.2010 wurde für die Klägerin ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Am 24.11.2010 wurde der Klägerin eine ärztliche Bescheinigung über ihre Schwangerschaft erteilt. Beide Unterlagen wurden der Beklagten zeitnah zugänglich gemacht.

Am 07.12.2010 ging die Kündigungsschutzklage der Klägerin beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 16.12.2010 zugestellt (vgl. Zustellungsurkunde vom 16.12.2010, Blatt 10 der Gerichtsakte).

Nachdem sich die Klägerin auf ausdrückliche Anforderung der Beklagten betriebsärztlich hatte untersuchen lassen, teilte der Betriebsarzt am 22.12.2010 der Beklagten Folgendes mit:

"Aus arbeitsmedizinischer Sicht wird die bestehende Schwangerschaft bestätigt. Das von dem behandelnden Frauenarzt an die Krankenkasse bereits angezeigte Beschäftigungsverbot ist nicht anzutasten ..."

Der ursprünglich mit gerichtlichem Beschluss vom 08.12.2010 auf den 04.01.2011 bestimmte Gütetermin wurde auf Antrag des Klägervertreters vom 27.12.2010 mit Beschluss vom 29.12.2010 auf den 11.01.2011 verlegt. Dieser Gütetermin wurde auf übereinstimmenden Antrag des Klägervertreters sowie des damaligen Beklagtenvertreters vom 29.12.2010 bzw. 03.01.2011 mit Beschluss vom 03. Januar 2011 auf den 27.01.2011 verlegt. Dieser Gütetermin wurde am 27.01.2011 auch tatsächlich durchgeführt, blieb aber erfolglos.

Mit Schreiben vom 09.02.2011, für dessen Inhalt auf Blatt 40 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung vom 18.11.2010 zurück.

In den Monaten Dezember 2010, Januar 2011 und Februar 2011 erbrachte die Beklagte an die Klägerin keine Gehaltszahlungen.

Im Kammertermin am 05.05.2011 gab die Beklagte hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages der Klägerin ein Anerkenntnis ab. Auf Antrag des Klägervertreters erging sodann ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil, für dessen Inhalt auf Blatt 119 bis 120 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Mit ihrer darüber hinausgehend noch anhängigen Klage verfolgt die Klägerin gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche, ihre vorläufige Weiterbeschäftigung sowie die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Beklagte sei zu ihrer vorläufigen Weiterbeschäftigung zu verurteilen, da ein Beschäftigungsverbot jederzeit aufgehoben werden könne bzw. der dem Beschäftigungsverbot zu Grunde liegende Grund jederzeit entfallen könne.

Sie habe auch Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. In diesem Arbeitszeugnis sei ihr auch zusammenfassend eine gute Leistungs- und Führungsbeurteilung zu erteilen. Die Personalleiterin der Beklagten habe ihr gegenüber erklärt, dass sie gute Arbeit leiste.

Die Beklagte sei auch verpflichtet, ihr die monatlichen Bruttogehälter für die Monate Dezember 2010, Januar und Februar 2011 zu zahlen, da ein ärztliches Beschäftigungsverbot in diesen Monaten bestanden habe. Aus dem gleichen rechtlichen Grund sei die Beklagte verpflichtet, ihr restliches Gehalt für die Zeit vom 22.11.2010 (Beginn Beschäftigungsverbot) bis zum 30.11.2010 zu zahlen.

Darüber hinaus habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2010 in Höhe von 1.350,00 € (6/12 von 2.750,00 €). Die Beklagte habe im Jahr 2010 an alle Mitarbeiter eine Weihnachtsgratifikation gezahlt. Ihr stehe ein anteiliger Anspruch zu, da das Jahr 2010 ihr Eintrittsjahr gewesen sei. Sie habe schließlich auch noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch für den Monat November 2010.

Schließlich habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern (8.250,00 €), da die Beklagte dadurch gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen habe, dass sie in Kenntnis ihrer Schwangerschaft sowohl die Kündigung ausgesprochen als auch bis zum 09.02.2011 daran festgehalten habe. Die Beklagte habe auch - unstreitig - kein Zustimmungsverfahren zum Ausspruch einer Kündigung eingeleitet. Dass die Beklagte sie wegen ihrer Schwangerschaft diskriminieren wollte, ergebe sich ebenfalls daraus, dass die Beklagte bis zum Kammertermin ihre monatliche Vergütung bis einschließlich Februar 2011 trotz unstreitig bestehenden und vom Betriebsarzt bestätigten Beschäftigungsverbots nicht gezahlt habe. Die Beklagte habe auch erst im Kammertermin - unstreitig - die Unwirksamkeit der Kündigung prozessual anerkannt.

Die Klägerin b e a n t r a g t ,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bei unveränderten Arbeitsbedingungen als Personalsachbearbeiterin entsprechend der arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes dem beruflichen Fortkommen dienliches Zeugnis mit einer Leistungs- und Führungsbewertung von mindestens "gut" zu erteilen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.250,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerweiterung zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.036,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 1.536,00 € brutto seit dem 05.12.2010, aus weiteren 2.750,00 € seit dem 04.01.2011 sowie aus weiteren 2.750,00 € seit dem 05.02.2011, abzüglich für den Zeitraum vom 10.11.2010 bis 21.11.2010 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 617,28 €, zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.125,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag von 1.375,00 € seit Klageerweiterung sowie aus weiteren 2.750,00 € seit dem 03.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte b e a n t r a g t ,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie habe die Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen und nach Vorlage eines ärztlichen Nachweises gegenüber der Klägerin zurückgenommen. Die Klägerin habe vor diesem Hintergrund keinen Schadensersatzanspruch, zumal § 9 Abs. 1 MuSchG im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung eine ausreichende Sanktion darstelle und nach § 2 Abs. 4 AGG insoweit kündigungsrechtlich lex specialissei. Sie habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt wegen ihrer Schwangerschaft diskriminiert.

Die Klägerin könne auch ihre vorläufige Weiterbeschäftigung nicht verlangen. Es bestehe ein Beschäftigungsverbot, so dass ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin gesetzlich untersagt sei. Sie könne jedoch nicht zu etwas verurteilt werden, was sie nicht leisten dürfe nach dem Gesetz. Im Übrigen habe die Klägerin ihr bislang trotz Aufforderung noch keine Auskunft zu den tatsächlichen Grundlagen des Beschäftigungsverbotes erteilt.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet sei. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert begründet, warum ihr in dem verlangten Zeugnis eines zusammenfassend gute Leistungs- und Führungsbeurteilung von der Beklagten zu erteilen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 05.05.2011 (Blatt 117 bis 118 Gerichtsakte) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist lediglich im tenorierten Umfang zulässig und begründet, im Übrigen ist sie teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.

Im Einzelnen:

I.

Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 3 aus der Klageschrift vom 07.12.2010 eine Verurteilung der Beklagten zu ihrer Weiterbeschäftigung bei unveränderten Arbeitsbedingungen als Personalsachbearbeiterin entsprechend der arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens begehrt, ist dieser vorläufige Weiterbeschäftigungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte hat bereits vor Stellung dieses Antrages den Kündigungsschutzantrag der Klägerin anerkannt und es war auf Antrag der Klägerin ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil verkündet worden. Es war damit davon auszugehen, dass das Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien rechtskräftig abgeschlossen sein würde. Zwar besteht grundsätzlich für die Beklagte die Möglichkeit des Rechtsmittels der Berufung gegen das Teil-Anerkenntnisurteil, es bestanden jedoch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dieses Rechtsmittel einlegen würde. Ausdrücklich des Wortlauts des Antrags begehrte die Klägerin aber lediglich eine vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Im Übrigen hat sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens gegen eine tatsächliche Beschäftigung der Klägerin gewendet. Im Übrigen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung vom 05.05.2011 nach wie vor zu Gunsten der Klägerin ein ärztliches Beschäftigungsverbot bestand, so dass der Beklagten eine tatsächliche Beschäftigung der Klägerin überhaupt nicht möglich war wegen dieses gesetzlichen Verbotes. Die Klägerin kann aber nicht zu einer Leistung verurteilt werden, die ihr nach dem Gesetz verboten ist.

II.

Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 2 die Erteilung eines Arbeitszeugnisses an sich begehrt, ist der Klageantrag zulässig. Soweit die Klägerin darüber hinaus mit dem Klageantrag einen bestimmten Zeugnisinhalt begehrt (wohlwollend, dem beruflichen Fortkommen dienlich, mit einer Leistungs- und Führungsbewertung von mindestens "gut"), ist der Klageantrag unzulässig. Der Klageantrag ist insoweit inhaltlich nicht bestimmt genug. Im Rahmen einer Vollstreckung könnte nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob die Beklagte im Fall der Erteilung eines Zeugnisses diesen inhaltlichen Vorgaben genügt hätte. Insoweit ist der Klageantrag also unzulässig.

Im Hinblick auf die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses an sich ist der Klageantrag unbegründet. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Der Arbeitnehmer kann nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (sogenanntes qualifiziertes Zeugnis).

Vorliegend ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien jedoch nicht beendet, so dass kein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses besteht.

III.

1. Soweit die Klägerin von der Beklagten für die Monate Dezember 2010, Januar 2011 und Februar 2011 Zahlung ihres monatlichen Bruttogehaltes in Höhe von jeweils 2.750,00 € begehrt, ist die Klage zulässig und begründet. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Für die Monate bestand unstreitig ein ärztliches Beschäftigungsverbot.

2. Soweit die Klägerin von der Beklagten für die Zeit vom 22.11.2010 bis 30.11.2010 Zahlung ihres restlichen Bruttogehaltes begehrt, ist die Klage ebenfalls zulässig und begründet. Mit Wirkung ab dem 22.11.2010 bestand unstreitig ein ärztliches Beschäftigungsverbot. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der anteiligen Vergütung für den Monat November für den genannten Zeitraum ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG und berechnet sich der Höhe nach wie folgt: 2.750,00 € brutto Monatsgehalt: 22 Arbeitstage (einschließlich des 01. November als Feiertag) x 7 Arbeitstage (22. bis 26.11. = 5 Arbeitstage, 29. bis 30.11. = 2 Arbeitstage) = 875,00 €, vergleiche Ziffer 2 des Tenors.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung des zu Unrecht einbehaltenen aber bereits abgerechneten Nettobetrages für die Zeit vom 01. bis 09.11.2010 in Höhe von 379,13 € netto. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum nach dieser Vorschrift lief erst am 11.11.2010 ab. Unstreitig hatte die Klägerin für den genannten Zeitraum einen Bruttoentgeltfortzahlungsanspruch in Höhe von 733,33 € (vgl. 1. Abrechnung der Beklagten für den Monat November 2010 (Blatt 114 Gerichtsakte)). Der von der Beklagten insoweit vorgenommene Nettoabzug in Höhe von 379,13 € erfolgte zu Unrecht. Zum Einen hat die Beklagte im Hinblick auf diesen als Aufrechnung zu bewertenden Einbehalt nicht die Einhaltung der Pfändungsfreigrenzen dargelegt nach den §§ 394 BGB i.V.m. 850 ff. ZPO. Zum Anderen hat die Klägerin nach § 4 Ziffer 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.06.2010 tatsächlich einen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Urlaubsgeldes für das Jahr 2010. In § 4 Ziffer 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages ist zwischen den Parteien vereinbart, dass der Klägerin ein Urlaubsgeld gewährt wird und zwar im Eintrittsjahr anteilig. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren auch nicht näher ausgeführt, warum ein entsprechender Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen Urlaubsgeldes für das Jahr 2010 nicht bestanden haben sollte.

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes für das Jahr 2010 in Höhe von 1.350,00 € brutto. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 4 Ziffer 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.06.2010, in welchem die Parteien die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation vereinbart haben, welche im Eintrittsjahr anteilig zu zahlen ist. Soweit in § 4 Ziffer 2 weiter ausgeführt ist, dass es sich um freiwillige Leistungen handele, auf die auch nach mehrfacher vorbehaltloser Zahlung ein Rechtsanspruch nicht entstehe, verstößt diese vertragliche Regelung gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist unwirksam. In § 4 Ziffer 2 Satz 1 wird der Klägerin eine entsprechende Leistung zugesagt.

5. Soweit die Klägerin darüber hinaus Zahlungs- bzw. Vergütungsansprüche für den Zeitraum November 2010 bis einschließlich Februar 2011 einklagt, ist die Klage unbegründet.

IV.

Soweit die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung in Höhe von 8.250,00 € begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG gilt dies nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden, was auch gilt, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

Nach § 1 AGG ist Ziel des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 2 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg. Nach § 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

Nach Auffassung der Kammer sind vorliegend weder die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG noch für einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG erfüllt.

Die Klägerin hat zwar behauptet, dass die Beklagte bereits bei Ausspruch der Kündigung positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft gehabt habe. Die Beklagte hat dies jedoch bestritten. Die Klägerin hat im Folgenden weder substantiiert dargelegt, auf welche Art und Weise wann die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung positive Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin erlangt haben soll, noch hat die Klägerin für ihre Behauptung einen Beweis angeboten. Es war damit davon auszugehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine positive Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin hatte. Eine Diskriminierung kann sich damit zunächst nicht daraus ergeben, dass die Beklagte trotz positiver Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin dieser gegenüber eine Kündigung ohne Zustimmung der entsprechenden Behörde ausgesprochen hat.

Eine Diskriminierung gegenüber der Klägerin kann sich im Folgenden nach Auffassung der Kammer auch nicht daraus ergeben, dass die Beklagte die ausgesprochene Kündigung erst mit Schreiben vom 09.02.2011 gegenüber der Klägerin zurückgenommen hat bzw. erst im Kammertermin am 05.05.2011 die Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG prozessual anerkannt hat. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten erst nach Zugang der Kündigung ihre Schwangerschaft durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung nachgewiesen hat. Darüber hinaus hat der Betriebsarzt erst am 22.12.2010 die entsprechende ärztliche Feststellung in Bezug auf die Schwangerschaft und das Beschäftigungsverbot bestätigt. Bis dahin scheidet nach Auffassung der Kammer eine Diskriminierung gegenüber der Klägerin durch Aufrechterhaltung der Kündigung durch die Beklagte aus. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass die Parteien sowohl in der Güteverhandlung als auch zuletzt noch in der Kammerverhandlung Vergleichsgespräche geführt haben und in diesem Zusammenhang auch Abfindungslösungen bezogen auf die noch im Raum stehende Kündigung vom 18.11.2010 in Erwägung gezogen haben. Für eine Abfindungslösung war aber als Anknüpfungstatbestand für beide Parteien die Kündigung vom 18.11.2010 wichtig und erforderlich, da die steuerrechtliche Anerkennung einer Abfindungszahlung das Vorliegen eines arbeitgeberseitigen Beendigungstatbestandes voraussetzt. Nach Auffassung der Kammer kann damit auch eine Diskriminierung gegenüber der Klägerin nicht deshalb angenommen werden, da die Beklagte prozessual erst im Kammertermin die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung anerkannt hat.

Schließlich kann sich die Kammer auch nicht der Rechtsauffassung der Klägerin anschließen, dass eine Diskriminierung durch die Beklagte darin zu sehen ist, dass die Ansprüche der Klägerin auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bis zum Kammertermin trotz entsprechender Ankündigung von der Beklagten nicht erfüllt worden sind. In der bloßen Nichterfüllung vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche vermag die Kammer keine Diskriminierung zu erkennen. Es ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, dadurch eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren zu haben. Natürlich kann die Nichtzahlung von Vergütungsansprüchen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG Männer nicht betreffen. Die Klägerin hat aber in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht dargelegt, dass die Beklagte berechtigte vertragliche oder gesetzliche Ansprüche anderer Beschäftigter erfüllt bzw. nicht erfüllt und ihr gegenüber allein auf Grund des Geschlechts die Zahlungsansprüche nicht erfüllt hat.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und entspricht dem jeweiligen Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Parteien im vorliegenden Verfahren.

§ 93 ZPO findet keine Anwendung, da die Beklagte den Kündigungsschutzantrag der Klägerin nicht sofort anerkannt hat.

Der Kostenstreitwert, welcher der gebildeten Kostenquote zu Grunde liegt, beläuft sich auf 35.293,72 €. Er setzt sich zusammen aus dem Urteilsstreitwert von 27.043,72 € sowie einem weiteren Vierteljahresverdienst für den durch das Teil-Anerkenntnisurteil entschiedenen Kündigungsschutzantrag.

Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG in jedem Urteil festzusetzende Streitwert ergibt sich unter Berücksichtigung eines zweifachen Bruttomonatsverdienstes für den Weiterbeschäftigungsantrag und einem weiteren Bruttomonatsverdienst für den Zeugnisantrag unter Addition der Werte der Zahlungsanträge.

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