VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061
Fundstelle
openJur 2014, 4204
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger und hat bereits am 11. Mai 2011 in Schweden einen Asylantrag gestellt. Am ... August 2013 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... September 2013 einen Asylantrag.

Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2013 erklärten die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge -Bundesamt- fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Schweden an (Ziff.2).

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17. Januar 2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen diesen Bescheid und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, dass der Antragsteller einen Rechtsanspruch darauf habe, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch mache, denn es lägen außergewöhnliche humanitäre Gründe vor. Die Mutter und die Schwester des Antragstellers hätten in Deutschland einen Asylantrag gestellt, ohne zuvor in Schweden gewesen zu sein. Beide seien krank und zwingend auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen. Zudem sei die Abschiebungsandrohung rechtswidrig, da Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 – Dublin II-DurchführungsVO- nicht beachtet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Mit der am 6. September 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBL. I S. 3474) ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO im vorliegenden Fall statthaft; der Antrag wurde fristgerecht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gestellt.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung; nicht erforderlich ist nach Neufassung des § 34a AsylVfG, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen nach § 36 Abs. 4 AsylVfG (vgl. dazu die umfangreiche Begründung des VG Trier, B.v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris).

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage fällt die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus, denn der streitgegenständliche Bescheid begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Da im vorliegenden Fall sowohl der Asylantrag als auch das Übernahmeersuchen vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, ist die Dublin II-VO anzuwenden, vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 -Dublin III-VO-.

1. Der Antragsteller hat im Rahmen seiner Befragung durch das Bundesamt selbst eingeräumt, vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Schweden einen Asylantrag gestellt zu haben. Hiermit korrespondiert die Erklärung der schwedischen Behörden vom 16. Dezember 2013, den Antragsteller nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO wiederaufzunehmen. Schweden ist damit für den Antragsteller nach Maßgabe der Dublin II-VO zuständig.

2. Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt insbesondere nicht aus Art. 8 Dublin II-VO, da es sich bei der Schwester und der Mutter des Antragsgegnerin nicht um Familienangehörige i.S.v. Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO handelt, denn der Antragsteller ist bereits volljährig.

3. Das Selbsteintrittsrecht der Antragsgegnerin hat sich nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.

Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass in Schweden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber i.S. der Rechtsprechung des EuGH vorliegen (EuGH U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris; VG Karlsruhe U.v. 13.4.2011 - A 3 K 2110/10 - juris Rn. 32 m.w.N.).

4. Der Antragssteller kann nicht beanspruchen, dass die Antragsgegnerin von der humanitären Klausel des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch macht.

Danach kann der Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien der Dublin II-VO nicht zuständig ist.

Die Schwester und Mutter des Antragstellers, die sich momentan in Deutschland befinden, sind wie bereits ausgeführt keine Familienangehörige i.S. des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO. Auch sind diese als andere Familienangehörige vom Antragsteller nicht abhängig bzw. umgekehrt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Attesten der Schwester. Diesen lässt sich nicht entnehmen, dass sie oder ihre Mutter von der Unterstützung des Antragstellers abhängig sind.

5. Der Bescheid steht im Übrigen auch im Einklang mit Art. 7 Dublin II-DurchführungsVO. Wenn hier als die in Betracht kommenden Modalitäten der Überstellung des Asylbewerber die Ausreise auf dessen eigene Initiative (Buchst. a), die kontrollierte Ausreise (Buchst. b) und die begleitete Überstellung (Buchst. c) genannt werden, so betrifft dies die Art und Weise der Erfüllung bzw. des Vollzugs der Ausreisepflicht des Antragstellers. Durch die im Bescheid festgestellt Anordnung der Abschiebung werden nur die rechtlichen Voraussetzungen für eine zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht geschaffen. Auf welche Art und Weise die Ausreise des Antragstellers dann letztlich überwacht wird, ist nicht Regelungsgegenstand des Bescheids, sondern bleibt der Ausländerbehörde überlassen. Dass die Festsetzung des Zwangsmittels deshalb rechtswidrig sein könnte, weil der Antragsteller von Anfang an zur freiwilligen Ausreise aus der Bundesrepublik bereit gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).