VG München, Urteil vom 04.07.2013 - M 10 K 13.1098
Fundstelle
openJur 2014, 4158
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zum Grundsteuererlass.

Der Kläger ist Eigentümer des Gewerbeobjekts in der ...str. 37 im Marktgebiet des Beklagten. Nach den Bauplänen beträgt die Gesamtnutzfläche des Gebäudes, genehmigt zu Lager- und Produktionszwecken, 2.386 m², wobei auf das Erdgeschoss 703 m², auf das Obergeschoss 563 m² sowie auf das Keller- und Dachgeschoss je 560 m² entfallen. Das Anwesen stand ab 1. November 2001 leer. Ab 1. August 2008 wurde das Anwesen zu Teilflächen erneut vermietet.

Mit Bescheid vom ... Mai 2005 setzte der Beklagte die Grundsteuer für das Jahr 2005 sowie die Folgejahre für das verfahrensgegenständliche Objekt gegenüber dem Kläger in Höhe von 2.210,04 Euro fest.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012, eingegangen bei dem Beklagten am 11. Dezember 2012, beantragte der Kläger für das Jahr 2012 den Erlass der Grundsteuer um 25 %. Der bisherige Mieter, die Firma ... KG, habe zum 31. Mai 2012 gekündigt. Trotz laufender Inserate im ... Kreisboten und im ... Tagblatt und im Internet auf der Seite ... und der Einschaltung von zwei Maklern habe er die Räumlichkeiten seit dem 31. Mai 2012 nicht mehr weiter vermieten können. Alle Räume mit Ausnahme der Räumlichkeiten, die die Firma ... gemietet habe, stünden leer. Einen Teil des Dachgeschosses habe er vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. März 2013 vermietet und dafür im Jahr 2012 einen Betrag von 1.200 Euro bekommen. Insgesamt würden sich die Nettoeinnahmen auf 25.681,75 Euro belaufen. Die Jahresmiete in Höhe von 82.608,41 Euro, die bis zum Jahr 2001 von der Firma ... AG bezahlt worden sei, sei als Jahresrohmiete zu Grunde zu legen. Daher belaufe sich die Minderung des Rohertrags im Jahr 2012 auf über 50 %. 25 % der gezahlten Grundsteuer seien daher zu erstatten. Seinem Antrag legte der Kläger folgendes bei: Kündigungsschreiben der Fa. ... KG vom 15. Februar 2012 (Kündigung zum 31. Mai 2012); Vereinbarung über die Vermietung eines Teils des Dachgeschosses vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. März 2013; verschiedene Zeitungsinserate bzgl. der Vermietung der Gewerberäume, veröffentlicht im Zeitraum September 2012 bis Dezember 2012 (ohne Angabe eines Mietpreises); Rechnung über eine 3-Monats-Anzeige im Internet (...) betreffend den Abrechnungszeitraum 12. September bis 11. Dezember 2012.

Mit Bescheid des Beklagten vom ... Januar 2013 wurde der Antrag auf Erlass der Grundsteuer für 2012 abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG lägen nicht vor. Im Jahr 2011, als das Gebäude komplett vermietet gewesen sei, habe der Kläger Einnahmen in Höhe von 41.424,00 Euro gehabt. Dem stünden nach Angaben des Klägers Einnahmen im Jahr 2012 in Höhe von 25.681,75 Euro gegenüber. Die Rohertragsminderung im Jahr 2012 belaufe sich daher auf 15.742,25 Euro. Dies seien 38 %. Es könne nicht beurteilt werden, ob der Kläger die Minderung des Rohertrages zu vertreten habe. Aus den Anzeigen sei nicht ersichtlich, welche Miete gefordert werde. Der marktübliche Mietzins sei jedoch für die Vermietbarkeit eines Objektes von wesentlicher Bedeutung. Keine der beiden vom Gesetz geforderten Voraussetzungen würde der Kläger daher im Jahr 2012 erfüllen.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2013, eingegangen beim Beklagten am 22. Januar 2013, erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Bei den Mieteinnahmen für das Jahr 2011, die mit 41.424 Euro veranschlagt worden seien, habe es sich um eine Notvermietung gehandelt. Es sei auf die Miete, wie sie das Maklerbüro ... im Schreiben vom 13. Juli 2012 dargestellt und für angemessen gesehen habe, abzustellen. Außerdem könne auch auf den Mietvertrag mit der Firma ... Bezug genommen werden, die früher einen Betrag von 82.608,41 Euro bezahlt habe. Das Objekt sei im Jahr 2011 nicht komplett, sondern nur teilweise vermietet gewesen. Das Obergeschoss sei nicht vermietet gewesen. Für das Anwesen ergebe sich eine Gesamtmiete von 7.766 Euro monatlich, wenn man die vom Maklerbüro ... festgelegte Miete in Ansatz bringe. Dies entspreche einer Jahresmiete von 93.192,00 Euro. Dies bedeute eine Rohertragsminderung von 72,44 %, d.h. über 50 %. In den Anzeigen sei bewusst kein Mietpreis angegeben worden, um potentielle Mieter nicht abzuschrecken.

Über den Widerspruch wurde bisher nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 14. März 2013, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 15. März 2013, erhob der Kläger Klage und beantragt:

1. Der Bescheid des Beklagten vom ... Januar 2013 wird aufgehoben.

2. Dem Grundsteuererlassantrag vom 10. Dezember 2012 für das Jahr 2012 wird in Höhe von ein Viertel des Betrages von 551,52 Euro stattgegeben.

Der Rohertrag sei 2012 um 50 % gemindert gewesen. Er habe einen Mietpreis in den Anzeigen angegeben, was sich aus der Anzeige im I... ergebe. Er habe zwei Makler eingeschaltet. Diesen sei es gelungen, ab 2013 Mieter zu finden. Der Klage lag ein Ausdruck der Anzeige (ausgedruckt am 14. März 2013) bei.

Mit Schreiben vom 17. April 2013 beantragt der Beklagte:

Die Klage wird abgewiesen.

In der Anzeige im ... habe der Kläger einen gewünschten Mietpreis in Höhe von 2 Euro angegeben. Außerdem seien drei Etagen angegeben und das Gebäude als dreistöckig benutzbar beschrieben. Diese eigenen Angaben des Klägers würden die Gründe für die Ablehnung des Erlassantrags untermauern. Der erzielbare Rohertrag belaufe sich auf 41.424,00 Euro und keinesfalls auf 82.608,41 Euro oder 93.192,00 Euro. Daher sei schon aufgrund der vorgelegten Unterlagen die Ablehnung des Erlassantrages rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 10 K 11.2415 und M 10 K 08.3415, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2013 und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für das Jahr 2012 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat den dahingehenden Antrag des Klägers vom 10. Dezember 2012 daher zu Recht mit Bescheid vom ... Januar 2013 abgelehnt.

1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig, da über den nach § 70 VwGO am 22. Januar 2013 fristgerecht erhobenen Widerspruch bisher nicht entschieden wurde.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für das Jahr 2012 nach § 33 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 2 Grundsteuergesetz (GrStG) in der Fassung vom 19. Dezember 2008, die gemäß § 38 GrStG Anwendung findet.

Gemäß § 33 Abs. 1 GrStG wird die Grundsteuer in Höhe von 25% erlassen, wenn bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50% gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat (Satz 1). Beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100%, ist die Grundsteuer in Höhe von 50% zu erlassen (Satz 2).

a) Vorliegend fehlt es an der erforderlichen Minderung des normalen Rohertrags des Steuergegenstandes um mehr als 50%. Die Minderung des Rohertrags berechnet sich aus der Gegenüberstellung des normalen Rohertrags und des tatsächlichen Rohertrags. Letzteren hat der Kläger, ohne dass Anhaltspunkte zu Zweifeln vorlägen, mit 25.681,75 Euro angegeben. Jedoch ist der normale Rohertrag des bebauten Grundstücks für 2012 nicht mit dem vom Kläger angesetzten Betrag in Höhe von 82.608,41 Euro (oder mehr) zutreffend erfasst.

Normaler Rohertrag ist nach § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Den Begriff der geschätzten üblichen Jahresrohmiete definiert das Grundsteuergesetz nicht. Zu deren Bestimmung kann auf § 79 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz –BewG- zurückgegriffen werden (VG München, U.v. 5.12.2011 - M 10 K 11.2415 - juris Rn. 25; VG Cottbus, U.v. 18.4.2013 - 1 K 398/12 - juris Rn. 20). Danach ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes ist ein Fremdvergleich mit anderen Objekten vergleichbarer Beschaffenheit maßgeblich. Es kommt daher nicht darauf an, welche Miete für das jeweils betroffene Anwesen üblich gewesen sein mag. Der aus der Vermietung des Objekts selbst vor und nach dem Erlasszeitraum erzielte Ertrag spielt keine Rolle (VG München, U.v. 15.12.2011 - M 10 K 11.2415 -).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Minderung des normalen Rohertrages von mehr als 50% im Jahr 2012 vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden. Die während der Vermietung an die Firma ... AG (ohne die Vermietung des Dachgeschosses) erzielte Jahresmiete in Höhe von 82.608,41 Euro kann nicht als geschätzte übliche Jahresrohmiete im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG herangezogen werden. Weder handelt es sich um einen Fremdvergleich, noch ist ein zeitlicher Zusammenhang zum betreffenden Jahr 2012 herzustellen. Die Vermietung mit der Firma ... endete nämlich bereits im Jahr 2001, woraufhin das Anwesen einige Jahre leer stand, bis es ab 1. August 2008 überhaupt wieder zu Teilflächen vermietet wurde. Auch die auf den Wunsch des Klägers erstellte Bestätigung der Immobilienfirma ... und ... vom 13. Juli 2009, wonach für das Anwesen ein durchschnittlicher Mietpreis pro m² mit ca. 3,50 Euro/m² Gewerbefläche veranschlagt wird, kann nicht zur Bestimmung der geschätzten üblichen Jahresrohrmiete im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG herangezogen werden. Auch hier handelt es sich nicht um einen Fremdvergleich. Zudem stammt die Bestätigung aus dem Jahr 2009 und kann für das betreffende Jahr 2012 schon deshalb keinen Anhaltspunkt liefern.

c) Mangels genauerer Angaben zu vergleichbaren gewerblichen Anwesen ist davon auszugehen, dass auch bei einem Fremdvergleich kein wesentlich höherer Preis als 2 Euro/m² als Mietpreis zu erzielen wäre. Diese Einschätzung hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung geäußert. Auch der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er bei der Neuvermietung der Lagerflächen für das Jahr 2013 einen Mietzins von 2 Euro/m² vereinbart habe. Ausgehend von der Vermietbarkeit des Gebäudes mit drei Stockwerken, also von 1.826 m² Fläche, ergibt sich eine Jahresmiete von 43.824 Euro. Ausgehend von diesem Betrag ergibt sich eine Minderung der Mieteinnahmen im Jahr 2012 bei tatsächlich eingenommenen 25.681,75 Euro von weniger als 50 %. Dass er das Gebäude auch vierstöckig, also mit der gesamten Fläche von 2.386 m² vermieten könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist aufgrund der vorgelegten Unterlagen auch nicht ersichtlich. Das Anwesen wird in der Internetanzeige als dreistöckig vermietbar beschrieben. Dies untermauert die vom Kläger im Behördenverfahren vorgelegte Vereinbarung über Überlassung eines Teils des Dachgeschosses für 6 Monate zu einem Pauschalpreis (Vereinbarung vom 14. September 2012). Hieraus ergibt sich, dass die überlassenen Räumlichkeiten nicht verschlossen werden können und von einer Lagerung von Wertgegenständen Abstand zu nehmen ist. Solche Räumlichkeiten dürften sich von vorneherein sehr schlecht zur Vermietung eignen.

d) Da schon keine Minderung des normalen Rohertrages um mehr als 50% für das Jahr 2012 festzustellen ist, kommt es auf die Frage, inwieweit der Kläger die Minderung zu vertreten hat, nicht mehr an. Daher war den Beweisanregungen des Klägers hinsichtlich der Bemühungen der eingeschalteten Makler nicht nachzugehen. Es ist rechtlich unerheblich, ab wann und inwieweit der Kläger Makler eingeschaltet hat, die sich um die Vermietung des Objekts bemühen sollten.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf einen Teilerlass seiner Grundsteuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 oder § 227 AO i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 AO, Art. 18 KAG.

Der Fall der sachlichen Unbilligkeit ist in §§ 32, 33 GrStG abschließend geregelt; ein Rückgriff auf die §§ 163, 227 AO ist insoweit nicht möglich (vgl. BVerwG vom 10.2.1994 KStZ 1995, 34 f.). Für die Annahme einer persönlichen Unbilligkeit wurde vom Kläger nichts vorgetragen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt fußt auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.  

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 552,51 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. dem Streitwertkatalog).

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