OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.02.2014 - 9 B 1407/13
Fundstelle
openJur 2014, 3996
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhobenen Klage des Antragstellers gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. August 2013 - 16 K 7139/13 - wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.026,12 Euro festgesetzt

Gründe

Die Beschwerde, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Hinblick auf die gegen die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses vorgetragenen und dargelegten Gründe zu prüfen ist, hat Erfolg.

Der Eilantrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhobenen Klage gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. August 2013 - 16 K 7139/13 - anzuordnen,

ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache bei der Erhebung öffentlicher Abgaben auf Antrag des Abgabepflichtigen die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides bestehen, wenn aufgrund einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.

Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2012 - 9 B 867/12 - m.w.N.

Ausgehend von diesem Maßstab bestehen vorliegend ernstliche - zur Begründetheit des Eilantrages führende - Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller erlassenen Haftungsbescheides vom 21. August 2013. Ungeachtet der Tragfähigkeit der übrigen Einwendungen des Antragstellers spricht derzeit jedenfalls Erhebliches dafür, dass die der Haftung des Antragstellers für rückständige Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgebühren der "C. , L. , G. H. " sowie für daraus entstandene Nebenforderungen in Höhe von insgesamt 16.104,47 Euro zugrunde gelegten Gebührenbescheide für die Jahre 2001 bis 2010 der "C. , L. , G. H. " - wie auch der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung vom 11. Dezember 2013 (im Ergebnis) zu Recht rügt - nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden und damit ihr gegenüber unwirksam sind (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW).

Wie die Beteiligten übereinstimmend zu Recht annehmen, war die "C. , L. , G. H. " als teilrechtsfähige Personenvereinigung zwar selbst abgabepflichtig und deshalb richtigerweise Inhaltsadressatin der Festsetzungsbescheide. Davon zu unterscheiden ist jedoch, an wen die jeweiligen Bescheide als Bekanntgabeadressaten zu richten waren.

Nach dem Grundsatz der Einzelbekanntgabe des § 122 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW muss die Behörde einen an eine selbst abgabenpflichtige, nicht rechtsfähige und über keinen Geschäftsführer verfügende Personenvereinigung gerichteten Kommunalabgabenbescheid gegenüber jedem Mitglied bzw. Gesellschafter einzeln bekannt geben, um gegenüber der Personenvereinigung eine Bekanntgabe des Bescheides zu bewirken. Da dies für die Behörde einen erheblichen Verfahrensaufwand bedeuten würde, sieht § 122 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW mit dem Verweis auf § 34 Abs. 2 AO, der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) KAG NRW auf Kommunalabgaben ebenfalls entsprechende Anwendung findet, eine Vereinfachung vor: Danach kann die Behörde die Bekanntgabe eines Kommunalabgabenbescheides an eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung ohne Geschäftsführer auch dadurch bewirken, dass sie einem Mitglied bzw. Gesellschafter den Bescheid mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder bzw. Gesellschafter bekannt gibt.

Vgl. hierzu: Müller-Franken, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur AO, Loseblatt, Stand: Dezember 2013, § 122 Rdnr. 131.

Letzteres muss aber im Bescheid zum Ausdruck gebracht werden,

vgl. hierzu auch: Bundesministerium der Finanzen, Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 122 Nr. 2.4.1.3,

da sonst der Empfänger nicht erkennen kann, ob mit der Bekanntgabe des Bescheids an ihn bereits eine wirksame Bekanntgabe an die Personenvereinigung (nach § 122 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Abs. 2 Satz 2 AO) erfolgt ist oder ob es hierzu noch der Bekanntgabe des Bescheids an die übrigen Mitglieder bzw. Gesellschafter (nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO) bedarf.

Vorliegend handelt es sich bei der "C. , L. , G. H. " um eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung ohne Geschäftsführer i. S. d. § 34 Abs. 2 Satz 1 AO: Der Begriff der "nicht rechtsfähigen Personenvereinigung" in dieser Norm umfasst auch nach der zivilrechtlichen Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit weiterhin die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (H. ).

Vgl. BFH, Beschluss vom 19. August 2004 - II B 22/03 -, juris Rdnr. 5, BFH/NV 2005, 156.

Eine H. hat keinen Geschäftsführer i. S. d. § 34 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn die Gesellschafter keine besondere Regelung über die Geschäftsführung nach § 710 BGB getroffen haben, so dass die Geschäftsführung gemäß § 709 Abs. 1 BGB allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht.

Vgl. BFH, Urteil vom 8. November 1995 - V R 64/94 -, juris Rdnr. 18 f., BFHE 179, 211.

Dieser gesetzliche Regelfall lag nach dem Vorbringen des Antragstellers - den Gesellschaftsvertrag hat er bislang nicht vorgelegt - auch bei der "C. , L. , G. H. " vor. Die Annahme der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 9. Januar 2014, jeder Gesellschafter der "C. , L. , G. H. " habe über eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis und damit auch über die alleinige Befugnis zur Entgegennahme von Kommunalabgabenbescheiden verfügt, ist demgegenüber bloß eine nicht belegte Vermutung. Insbesondere liegt der Antragsgegnerin der Gesellschaftsvertrag, aus dem sich eine von der Grundregel des § 709 Abs. 1 BGB abweichende Regelung nach § 710 BGB ergeben müsste, gerade nicht vor.

In den der Haftung des Antragstellers (nach § 128 HGB analog) zugrunde gelegten Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgebührenbescheiden für die Jahre 2001 bis 2010 wird ein Vorgehen der Antragsgegnerin gemäß § 122 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Abs. 2 Satz 2 AO nicht deutlich: Zwar bezeichnen alle Bescheide als abgabenpflichtige Inhaltsadressatin die "C. , L. , G. H. ". Allerdings ist diese in den Bescheiden für die Jahre 2001 bis 2009 - ohne weitere Hinweise - auch als Bekanntgabeadressatin angegeben, obwohl eine H. wegen ihrer Handlungsunfähigkeit nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG NRW schon gar nicht Bekanntgabeadressatin eines Kommunalabgabenbescheides sein kann.

Vgl. hierzu auch: Bundesministerium der Finanzen, Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 122 Nr. 1.4.2.

Selbst wenn man hier davon ausgeht, dass es sich bei den in den Bescheiden für die Jahre 2001 bis 2009 angeführten Adressen um (private oder berufliche) Kontaktadressen der beiden Mitgesellschafter des Antragstellers handelt und diese daher Bekanntgabeadressaten der Bescheide sein sollten, fehlt dort immer noch ein Zusatz dergestalt, dass der jeweilige Bescheid an die bzw. den und welchen Mitgesellschafter mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter - also auch den Antragsteller - ergeht. Gleiches gilt für den Bescheid für das Jahr 2010, der (nur) den Mitgesellschafter C. als Bekanntgabeadressaten ausweist.

Fehlt es demnach an einem erkennbaren Vorgehen der Antragsgegnerin gemäß § 122 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 34 Abs. 2 Satz 2 AO, hätte die Antragsgegnerin zur Bewirkung einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgebührenbescheide für die Jahre 2001 bis 2010 an die "C. , L. , G. H. " diese Bescheide jedem der drei Gesellschafter einzeln ordnungsgemäß bekanntgeben müssen. Eine solche ordnungsgemäße Einzelbekanntgabe ist gegenüber dem Antragsteller aber nicht erfolgt. Insbesondere sind dem Antragsteller mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2011 nur Zweitschriften der Bescheide zur Erläuterung der Gesamthöhe der angeblichen Haftungssumme übersandt worden; insoweit mangelt es bereits an dem erforderlichen Bekanntgabewillen der Antragsgegnerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).