OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2013 - I-7 U 170/12
Fundstelle
openJur 2014, 3589
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.05.2012 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten des Streithelfers, trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten oder den Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte oder der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Miterbenstellung und macht gegen den Beklagten daraus folgende Ansprüche im Wege der Stufenklage geltend, hilfsweise Ansprüche als Pflichtteilsberechtigte. Sie ist die Halbschwester des Beklagten. Beide sind Kinder des am 22.11.1999 in E verstorbenen H F (im Folgenden: Erblasser). Die Klägerin stammt aus der ersten Ehe des Erblassers mit der vorverstorbenen C H, der Beklagte aus der zweiten Ehe des Erblassers mit der vorverstorbenen P F.

Am 30.12.1980 errichteten der Erblasser und seine zweite Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig zu alleinigen Erben einsetzten und ihren Sohn, den Beklagten, zum "Nacherben des Längstlebenden". Der Klägerin wurde ein Vermächtnis ausgesetzt (Anlage 1). Beurkundet wurde das Testament von dem Notar W S, dem Schwiegervater des Beklagten. Die Mutter des Beklagten verstarb im Jahr 1984 und wurde von dem Erblasser beerbt. Am 19.12.1988 schlossen der Erblasser und die Klägerin vor dem Notar W S, dem Schwager des Beklagten, einen Erbverzichtsvertrag (Anlage 2). Darin verpflichtete sich der Erblasser zur Zahlung von 190.000 DM zum Ausgleich aller denkbaren Ansprüche der Klägerin an seinem dermaleinstigen Nachlass. Mit Erfüllung der Schenkung erklärte sich die Klägerin wegen ihrer möglichen künftigen Erbteils- und Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater für abgefunden und verzichtete ausdrücklich und unwiderruflich gegenüber dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht für sich und ihre Abkömmlinge. Zugleich erklärte sie ihren unwiderruflichen Verzicht auf jegliche Zuwendungen, die der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung zu ihren Gunsten getroffen hat, insbesondere auf das Vermächtnis aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 30.12.1980.

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei nicht erläutert worden, wie sich die errechnete Ausgleichssumme zusammensetze, und es sei ihr auch kein Hinweis auf das tatsächliche Vermögen des Erblassers zum damaligen Zeitpunkt erteilt worden. Hätte eine solche Belehrung stattgefunden, wäre deutlich geworden, auf welche Ansprüche sie letztlich verzichtete und in welchem Missverhältnis die vorgesehene Abfindungssumme zu dem Gesamtvermögen stand. Dieses habe schon zum damaligen Zeitpunkt geschätzt 2 Mio. Euro betragen. Sie ist der Ansicht, dass sowohl das Testament von 1980 als auch der Erbverzichtsvertrag von 1988 unwirksam seien, weil sowohl der Schwiegervater des Beklagten als Notar als auch der Schwager des Beklagten als Notar an der Beurkundung nicht hätten mitwirken dürfen (§ 7 BeurkG). Höchst vorsorglich fechte sie ihre Willenserklärung aus dem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an, dieses habe sie bereits mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2011 (Anlage 3) getan. Ihr sei seinerzeit erklärt worden, nach der damaligen Vermögenslage ihres Vaters hätte sie überhaupt keinen Anspruch. Das Anfechtungsrecht sei auch nicht verjährt, da sie von den die Anfechtung begründenden Tatsachen erst im Oktober 2011 erfahren habe. Für den Fall, dass der Vertrag von 1988 als wirksam erachtet werden sollte und die vorsorglich erklärte Anfechtung nicht durchgreifen würde, ständen ihr gegenüber dem Beklagten als Rechtsnachfolger des Vaters als auch gegenüber dem Notar Schadensersatzansprüche zu. Dem Beklagten sei ein abstrakter rechtlicher Vorteil verschafft worden durch den Verzichtsvertrag, da sie gemäß § 2310 Satz 2 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sei und damit sich zwangsläufig unmittelbar der gesetzliche Erbteil und der Pflichtteil des verbliebenen gesetzlichen Erben der ersten Ordnung, des Beklagten, verdoppelt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

I. festzustellen, dass sie neben dem Beklagten Miterbin zu ½ - Anteil hinsichtlich des Nachlasses des am 22.11.1999 verstorbenen H F, geb. am 07.11.1904, zuletzt wohnhaft E Straße 15, E geworden ist,

II. den Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 22.11.1999 verstorbenen H F zu erteilen und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses gemäß § 260 Abs. 1 BGB, wobei das Verzeichnis insbesondere folgende Angaben zum Bestand des Nachlasses zu enthalten hat - 1. Stufe - :

1. Auskunft über alle Vermögensgegenstände, insbesondere

a) Angaben zu allen beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva) , nämlich zu:

- sämtlichen Giro-,Spar- und Prämienkonten, Wertpapieren, Depots und Schließfächern, sowie zu allen sonstigen Zahlungs- und Herausgabeforderungen gegen Banken und Sparkassen,

- allen Versicherungsverträgen, insbesondere solchen mit Unfall- und Lebensversicherungen,

- sonstigen Vermögensgegenständen wie z.B. Pkw´s, Schmuck, Wertpapiere, Hausrat, Grundstücke, Wohn- und Teileigentum, Teilzeit-Wohnrechte im Sinne des § 481 BGB sowie Erbbaurechte,

- allen Urkunden über Leistungen der Sozialversicherungsträger aus Anlass des Todes,

- Firmenbeteiligungen, Firmeninhaberschaften, evtl. freiberuflichen Praxen bzw. Büros,

- sonstigen Rechten und Forderungen;

b) Auskunft zu allen beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva);

2. Auskunft hinsichtlich evtl. vorhandener Hausgrundstücke durch Vorlage eines Wertgutachtens und zwar mit Zeitwertbestimmung zum Zeitpunkt des Erbfalls;

3. Auskunft über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände durch Fertigung einer schriftlichen Aufstellung gemäß § 260 Abs. 1 BGB und über die bisherige Verwaltung des Nachlasses Rechenschaft abzulegen;

4. Auskunft über alle Zuwendungen, Schenkungen und Ausstattungen, die der Beklagte von dem verstorbenen H F erhalten hat,

5. Auskunft über alles mit Mitteln des Nachlasses Erworbene sowieüber alle von ihm gezogenen Nutzungen und Früchte des Nachlasses, an denen er Eigentum erworben hat;

III. wenn das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, den Beklagten im Wege der Stufenklage in der 2. Stufe zu verurteilen, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand und den Verbleib des Nachlasses im Sinne des Antrags gem. Ziff. II so vollständig angegeben hat, als er dazu im Stande ist;

IV.

1. den Beklagten im Wege der Stufenklage in der 3. Stufe nach der Auskunftserteilung zu verurteilen, der Berichtigung der Eigentumseintragungen und Forderungsinhaberschaften unter Berücksichtigung der bestehenden Miterbengemeinschaft zu je ½-Anteil zuzustimmen und alle dazu erforderlichen rechtlichen Erklärungen abzugeben und Handlungen vorzunehmen,

2. den Beklagten im Wege der Stufenklage in der 3. Stufe nach Auskunftserteilung des Weiteren zu verurteilen, einen nach Erledigung zu Ziffer 1. zu beziffernden Ergänzungsbetrag nach § 2326 BGB und § 2329 BGB sowie einen der Höhe nach zu beziffernden Ausgleichsbetrag gemäß § 2050 BGB und einen zu beziffernden Ausgleichsbetrag gem. § 2316 BGB für die dem Beklagten zu Lebzeiten des Erblassers H F von dem Erblasser erhaltenen Ausstattungen und anzurechnenden Zuwendungen sowie für zur Ausgleichung zu bringende Zuwendungen zu zahlen,

3. den Beklagten im Wege der Stufenklage in der 3. Stufe nach Auskunftserteilung des Weiteren zu verurteilen, sämtliche nach Erledigung zu Ziffer 1. zu bezeichnenden Nachlassgegenstände, Rechte und Forderungen nach § 2018 BGB sowie alle zu bezeichnende mit Mitteln des Nachlasses Erworbene nach § 2019 BGB sowie nach § 2020 BGB sämtliche zu bezeichnenden Nutzungen sowie Früchte des Nachlasses an denen der Beklagte Eigentum erworben hat, für die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und dem Beklagten zu hinterlegen,hilfsweise,wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignen, an einen gerichtlich bestellten Verwahrer für die Erbengemeinschaft der Parteien herauszugeben und - soweit eine Herausgabe unter der Voraussetzung des § 2021 BGB nicht möglich ist - Wertersatz zu leisten,

weiter hilfsweise,

wenn sich zu bezeichnende Nachlassgegenstände, Recht und Forderungen weder zur Hinterlegung noch zur Herausgabe an einen gerichtlich bestellten Verwahrer eignen, der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Miterbin Mitbesitz oder Mitberechtigung einzuräumen (§ 2039 BGB);

V. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder entsteht, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht gem. Vertrag des Notars W S vom 19.12.1988 ihr gegenüber Rechtswirksamkeit entfaltet hat oder Rechtswirksamkeit entfaltet,

VI. hilfsweise zu den Anträgen zu I. und IV.

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin nach Erledigung der Auskunftsstufe (II) einen der Höhe nach zu beziffernden Pflichtteil in Höhe von ¼ des Nachlasses des Erblassers H F und einen der Höhe nach zu berechnenden Pflichtteilsergänzungsbetrag für die seitens des Beklagten zu Lebzeiten des Erblassers H F von dem Erblasser erhaltenen Ausstattungen und anzurechnenden Zuwendungen sowie für zur Ausgleichung zu bringende Zuwendungen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.1999 zu zahlen.

Der Beklagte und der Streithelfer des Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass der am 19.12.1988 beurkundete Erb- und Pflichtteilsverzicht wirksam ist. Ob die Urkunde vom 30.12.1980 wirksam sei, sei unerheblich. Der Beklagte habe aus dem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag keine rechtlichen Vorteile im Sinne des § 7 Ziff. 3 BeurkG erlangt. Der rechtliche Vorteil müsse sich unmittelbar aus der in der Urkunde niedergelegten Willenserklärung ergeben. Nicht ausreichend sei, dass der rechtliche Vorteil erst als Folge der Willenserklärung eintrete oder sogar erst zukünftig eintreten könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Vertrag vom 19.12.1988 sei weder gemäß § 7 Nr. 3 BeurkG noch gemäß §§ 7 Nr. 3, 27 BeurkG unwirksam. Der Beklagte sei an diesem Vertrag nicht beteiligt gewesen und sei in diesem Vertrag weder bedacht worden im Sinne des § 27 BeurkG, noch sei ihm durch den Vertrag ein unmittelbarer rechtlicher Vorteil zugeflossen. Zwar könne es sich für den Beklagten positiv auswirken, wenn ein weiterer Erb- und Pflichtteilsberechtigter durch einen Verzicht ausfalle. Dies führe aber nicht zu einem unmittelbaren rechtlichen Vorteil, da die Erb- und Pflichtteilsposition des Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert gewesen sei. Die Unwirksamkeit der Beurkundung vom 30.12.1980 führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte auch bei Wegfall dieses Testamentes zum gesetzlichen Alleinerben seines Vaters geworden sei. Der Vertrag sei nicht wegen Anfechtung nichtig, weil kein die Anfechtung begründender Irrtum nachvollziehbar dargetan worden sei und auch zum Fristablauf kein entsprechender Vortrag vorliege. Eine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch, wie er hilfsweise geltend gemacht worden sei, sei nicht vorhanden.

Dagegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie macht geltend, der unmittelbare rechtliche Vorteil ergebe sich aus ihrem Wegfall als Erb- und Pflichtteilsberechtigte, was dem Beklagten zu Gute gekommen sei. Darüber hinaus sei in der Urkunde aufgenommen, dass die Klägerin auf ein ihr zugedachtes Vermächtnis verzichte, das den Beklagten belastet hätte. Die falsche Auslegung des Landgerichts beruhe auf einer Vermischung der Begriffe "rechtlicher Vorteil" und "wirtschaftlicher Vorteil". Rechtlich vorteilhaft sei jede Vermehrung von Rechten, auf eine wirtschaftliche Besserstellung komme es dabei nicht an. Es sei anerkannt, dass immer dann, wenn zu Gunsten einer Person auf etwas verzichtet werde, ein unmittelbarer rechtlicher Vorteil vorliege.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte und der Streitverkündete beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig. Vertiefend führen sie aus, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 30.12.1980 dahingehend auszulegen sei, dass das der Klägerin ausgesetzte Vermächtnis den überlebenden Ehegatten und nicht den Beklagten beschweren sollte. Ein Verzicht der Klägerin darauf in dem Erbverzichtsvertrag vom 19.12.1988 habe daher dem Erblasser einen Vorteil gebracht, nicht dem Beklagten. Hilfsweise berufen sie sich auf Verjährung.

Im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 19.06.2013 hat diese weiterhin beantragt, festzustellen, dass das Vermächtnis zu ihren Gunsten wirksam ist. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

A.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung ihrer Miterbenstellung (Antrag zu Ziffer I.), auf Auskunft (II.), eidesstattliche Versicherung (III.), Herausgabe etc. (IV.) hilfsweise auf Pflichtteilszahlung (VI.) nicht zu. Sie ist an ihrer Geltendmachung durch den mit notarieller Urkunde vom 19.12.1988 des Streithelfers erklärten Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzicht gehindert. Die nach §§ 2348, 2352 BGB notwendige Beurkundung der entsprechenden Erklärungen ist nicht nach §§ 7, 27 BeurkG unwirksam, noch ist der Verzicht nach § 142 BGB nichtig.

1.

Die Beurkundung des Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzichts ist nicht nach § 27 BeurkG unwirksam. § 27 BeurkG bezieht sich auf Personen, die "in einer Verfügung von Todes wegen bedacht" sind. Die Vorschrift ist auf die Beurkundung von Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzichten nicht anwendbar, weil diese keine Verfügung von Todes wegen darstellen (Staudinger-Schotten, BGB, 2010, § 2348 Rn. 11; MüKoBGB-Wegerhoff, 5. Aufl., § 2348 Rn. 3).

2.

Eine Unwirksamkeit des Erb- und Pflichtteilsverzichts folgt nicht aus § 7 Ziff. 3 BeurkG. Danach ist die Beurkundung von Willenserklärungen insoweit unwirksam, als diese darauf gerichtet sind, einer Person, die mit dem Notar in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war, einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen.

Der Beklagte ist der Schwager des beurkundenden Notars und gehört damit dem in § 7 Nr. 3 BeurkG genannten Personenkreis an.

Rechtlicher Vorteil i.S.v. § 7 BeurkG ist jede Verbesserung der Rechtsposition durch die Einräumung vorher nicht bestehender Rechte oder die Verminderung bestehender Verpflichtungen. Der rechtliche Vorteil muss sich unmittelbar aus der in der Urkunde niedergelegten Willenserklärung ergeben und nicht erst als deren Folge eintreten oder gar erst eintreten können. Nicht erforderlich ist demgegenüber eine auf Zuwendung des Vorteils gerichtete Absicht der Beteiligten. Vielmehr genügt es, dass nach der objektiven Rechtslage aus dem Rechtsgeschäft unmittelbar ein rechtlicher Vorteil erwächst (BGH NJW 2013, 52 = ZEV 2012, 657 m.w.N.; vgl. auch RGZ 88, 147, 150).

Der beurkundete Erb- und Pflichtteilsverzicht der Klägerin und die Annahme durch den Erblasser waren nicht darauf gerichtet, dem Beklagten einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil zu verschaffen.

Durch den Wegfall der Klägerin als Erb- und Pflichtteilsberechtigte hat sich die Rechtsstellung des Beklagten in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Erbe und als Pflichtteilsberechtigter verbessert. Die Verbesserung der Erb- und Pflichtteilsquote stellt aber lediglich eine mittelbare, von weiteren Voraussetzungen abhängige Folge des in der notariellen Urkunde erklärten Verzichts dar. Der Ursprung und die rechtliche Qualität des Erb- und Pflichtteilsrechts des Beklagten bleiben durch den Verzicht unverändert. Der Wegfall eines eventuellen Miterben und Pflichtteilsberechtigten bedingt lediglich einen möglichen zukünftigen wirtschaftlichen Vorteil, der zum Zeitpunkt der Urkundenerrichtung zudem ungewiss ist, weil die gesetzliche oder gewillkürte Erbenstellung kein gesichertes Anwartschaftsrecht bedingt. Es liegt - anders als die Klägerin meint - kein Verzicht "zu Gunsten des Beklagten" vor, sondern allenfalls ein Verzicht zu Gunsten der zukünftigen Erben des Erblassers (vgl. Huhn/von Schuckmann/Armbrüster, BeurkG, 4. Aufl., § 7 Rn 4; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 7 Rn 7).

3.

Aber auch der von der Klägerin in der notariellen Urkunde vom 19.12.1988 erklärte Zuwendungsverzicht, der sich insbesondere auf das ihr mit dem notariellen Testament des Erblassers und seiner 2. Ehefrau ausgesetzte Vermächtnis bezog, ist nicht unwirksam, da er dem Beklagten keinen unmittelbaren rechtlichen Vorteil gebracht hat. Nach der objektiven Rechtslage zum Zeitpunkt des Verzichts war der Beklagte mit einem solchen Vermächtnis nicht belastet.

a)

Nach dem Wortlaut des Testaments ist nicht der Beklagte mit dem der Klägerin ausgesetzten Vermächtnis beschwert, sondern der überlebende Ehegatte, hier der Vater der Parteien ("...[die Klägerin] erhält vom Längstlebenden ein Vermächtnis in der Höhe des Pflichtteils nach dem Tod ihres Vaters. Dies gilt nicht, wenn sie den Pflichtteilsanspruch geltend macht..."). Legt man das Testament in dieser Weise aus, führte der durch den Zuwendungsverzicht bedingte Wegfall des Vermächtnisses zu einem unmittelbaren rechtlichen Vorteil allein des Erblassers.

b)

Der Zuwendungsverzicht stellt aber auch dann keinen unmittelbaren rechtlichen Vorteil für den Beklagten dar, wenn man das notarielle Testament vom 30.12.1980 - der Klägerin folgend - so auslegt, dass mit dem Vermächtnis nicht der Längstlebende, sondern der Beklagte als Nacherbe des Erstversterbenden und Schlusserbe des Längstlebenden beschwert war. Der Verzicht reduzierte dann zwar unmittelbar die den Beklagten aus dem Testament treffenden Verpflichtungen. Jedoch hat die Klägerin hier auf etwas verzichtet, auf das sie nach der objektiv bestehenden Rechtslage gar keinen Anspruch hatte. Das Testament vom 30.12.1980 war, soweit es den Beklagten begünstigte, gem. §§ 7, 27 BeurkG, § 125 BGB unwirksam, weil der Beklagte der Schwiegersohn des beurkundenden Notars war und er in einer letztwilligen Verfügung, dem Testament, "bedacht" worden ist. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Erbeinsetzung des Beklagten führt dann gemäß § 139 BGB zur Unwirksamkeit der in dem notariellen Testament enthaltenen Aussetzung des Vermächtnisses zu Gunsten der Klägerin. § 2085 BGB greift in diesem Zusammenhang nicht, da beide Testierende für den Fall, dass sie die Längstlebenden sein sollten, ohne die Einsetzung ihres einzigen gemeinsamen Sohnes, des Beklagten, als testamentarischen Alleinerben keinen Anlass für die Aussetzungen eines Vermächtnisses an die Klägerin hatten.

4.

Der Erb- und Pflichtteilsverzicht der Klägerin wäre aber auch dann wirksam, wenn man davon ausginge, dass der Zuwendungsverzicht einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil für den Beklagten darstellte, weil das notariellen Testament vom 30.12.1980 den Beklagten als Nacherben des Erstversterbenden und Schlusserben des Längstlebenden beschwert hätte und es auf die objektive Zielrichtung des Vertrages i.S. eines "Gerichtetseins" ankäme, unabhängig von der (möglicherweise nicht erkannten) Unwirksamkeit der Bestimmungen des notariellen Testaments vom 30.12.1980. Der Verzicht reduzierte dann unmittelbar die den Beklagten aus dem Testament treffenden Verpflichtungen. Eine sich daraus ergebende Unwirksamkeit des Zuwendungsverzichts bedingte jedoch keine Unwirksamkeit des in derselben Urkunde enthaltenen Erb- und Pflichtteilsverzichts, da gemäß § 139 BGB keine Gesamtunwirksamkeit vorliegt, sondern anzunehmen ist, dass die Klägerin und der Erblasser den Erb- und Pflichtteilsverzicht auch ohne den Zuwendungsverzicht aufrechterhalten wollten, zumal die Zuwendung, auf die verzichtet wurde, ohnehin nichtig war.

5.

Der Erbverzichtsvertrag vom 19.12.1988 ist nicht nach § 142 BGB nichtig, weil die Klägerin ihre Willenserklärung wegen Irrtums, § 119 BGB, oder arglistiger Täuschung, § 123 BGB, wirksam angefochten hätte. Das Landgericht hat - nach Hinweis - dazu ausgeführt, dem schließt sich der Senat an. Die Klägerin hat hierzu in der Berufungsbegründung nicht weiter vorgetragen.

B.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Inhalts des gegenüber dem Erblasser erklärten Verzichts zu. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten als Erben des Erblassers aufgrund eines Verhaltens des Erblassers im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Verzichts ist zwar grundsätzlich denkbar, tatsächliche Anhaltspunkte hierfür sind aber weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Verpflichtung des Erblassers, die Klägerin über die Angemessenheit der ihr angebotenen Abfindung aufzuklären, bestand nicht.

C.

Der im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 19.06.2013 enthaltene Feststellungsantrag war, da nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht wirksam gestellt, § 296 a ZPO, nicht zu bescheiden. Ein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, besteht nicht.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf, §§ 97, 101 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen nach § 543 Abs. 2 ZPO. Soweit ersichtlich ist weder entschieden noch in der Literatur erörtert worden, ob die Beurkundung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil i.S.v. § 7 BeurkG für andere Erb- und Pflichtteilsberechtigte begründet.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 500.000 €