BGH, Beschluss vom 12.07.2010 - II ZR 269/07
Fundstelle
openJur 2010, 10651
  • Rkr:
Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. November 2007 durch Beschluss nach § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Der Streitwert wird auf 14.725 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat und zu der sich die Revisionsbegründung verhält, ist durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. April 2010 (C-215/08, ZIP 2010, 772 ff.) geklärt und hat damit keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mehr.

1. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte in einer von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG (jetzt: § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) vorausgesetzten Situation beigetreten ist. Selbst wenn sie ihre Gesellschaftsbeteiligung widerrufen konnte, richten sich die Rechtsfolgen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft und wird die Beteiligung nur ex nunc rückabgewickelt.

a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat auf die Vorlagefragen des erkennenden Senats ausgeführt, dass die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zwar auf den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer Personengesellschaft anwendbar ist, wenn der Zweck des Beitritts nicht vorrangig darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fonds in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer OHG bzw. KG errichtet ist (acte claire). Der Gerichtshof stellt auf die Erklärung des Beitritts zum Zweck der Kapitalanlage ab; nach seiner Auffassung kommt es für die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie in erster Linie auf die Umstände des Vertragsschlusses und nicht auf die Rechtsform der Anlagegesellschaft an.

Die Richtlinie schließt es nach Ansicht des Gerichtshofs in diesen Fällen aber keineswegs aus, dass der Verbraucher gegebenenfalls gewisse Folgen tragen muss, die sich aus der Ausübung seines Widerrufsrechts ergeben (ZIP 2010, 772 Tz. 45). Wie der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt hat, darf das nationale Recht bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs einen vernünftigen Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten herstellen (aaO Tz. 48). Es ist insbesondere zulässig, dem widerrufenden Verbraucher und nicht den Drittgläubigern die finanziellen Folgen des Widerrufs des Beitritts aufzuerlegen, zumal diese an dem Vertrag, der widerrufen wird, nicht beteiligt waren (aaO Tz. 49).

b) Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie gelten wegen der identischen Interessenlage bei einer Personenhandelsgesellschaft ebenso wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Entgegen der Auffassung der Revision schließt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie damit auch nicht aus, die widerrufenden Verbraucher auf ihre Haftsumme gem. § 171 Abs. 1 HGB in Anspruch zu nehmen.

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft trägt der Besonderheit des Gesellschaftsrechts Rechnung, dass - nachdem die Organisationseinheit erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage in Vollzug gesetzt worden ist - die Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten verbunden ist, nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Diese Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, der der fehlerhafte Gesellschaftsbeitritt gleichsteht (BGHZ 26, 330, 334 ff.; BGHZ 153, 214, 221; BGH, Urteil vom 14. Oktober 1991 - II ZR 212/90, WM 1992, 490, 491; vom 2. Juli 2001 - II ZR 304/00, ZIP 2001, 1364, 1366), gehört zum "gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts" (BGHZ 55, 5, 8). Die gegenläufigen Interessen des Beitretenden, der Mitgesellschafter und der Gläubiger der Gesellschaft werden gleichmäßig berücksichtigt. Darin liegt die Eigenheit der gesellschaftsrechtlichen Konstellation. Der Kern der Aussagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. von dem fehlerhaften Betritt besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, der die Literatur einmütig folgt, darin, dass der Beitretende - bis zum Austritt infolge der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit durch Widerruf/Kündigung - Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten ist, und zwar sowohl im Innen- (siehe bereits BGHZ 26, 330, 334) als auch im Außenverhältnis (so zu §§ 128 ff. HGB: BGHZ 44, 235, 236; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1983 - II ZR 251/86, ZIP 1988, 512, 513; BGHZ 177, 108 Tz. 22; siehe zur Literatur nur Staub/Habersack, HGB 5. Aufl., § 130 Rn. 7 mwN). Ist der fehlerhaft Beigetretene bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Kommanditist mit allen Rechten und Pflichten, ist er das auch in Bezug auf seine Außenhaftung nach § 171 HGB.

2. Sonstige Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.

II. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

1. Dass die Haftsumme zur Befriedigung der Gläubiger der insolventen Fondsgesellschaft benötigt wird, steht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fest.

2. Die Revision meint zu Unrecht, der Anspruch aus § 171 HGB müsse im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung berücksichtigt werden und könne deshalb nicht isoliert geltend gemacht werden (sog. Durchsetzungssperre). Sie verkennt, dass § 171 Abs. 1 HGB allein das Außenverhältnis zwischen dem Kommanditisten und den Gesellschaftsgläubigern betrifft und in diesem Verhältnis eine unmittelbare Haftung des Kommanditisten begründet. Nur wegen der Insolvenz des Fonds liegt die Forderungszuständigkeit gem. § 171 Abs. 2 HGB bei der klagenden Insolvenzverwalterin, die aber der Sache nach einen Anspruch der Gesellschaftsgläubiger durchsetzt. Rechnungsposten bei der Auseinandersetzung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sind aber nur gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis.

3. Das Berufungsgericht hat ebenso zu Recht angenommen, dass die Erklärung der Aufrechnung mit einem etwaigen Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen einer Aufklärungspflichtverletzung unzulässig ist (§§ 529, 533 Nr. 2 ZPO).

Goette Strohn Caliebe Reichart Löffler Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 05.01.2007 - 28 O 209/06 -

KG, Entscheidung vom 08.11.2007 - 23 U 19/07 -