BGH, Urteil vom 10.11.2010 - XII ZR 197/08
Fundstelle
openJur 2010, 10642
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Antragstellers wird das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. November 2008 in seinem Ausspruch zum Unterhalt (Nr. III) aufgehoben, soweit der Antragsteller für die Zeit ab 1. September 2013 zur Zahlung von Unterhalt verurteilt worden ist.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um nachehelichen Unterhalt.

Die Parteien heirateten 1982. Aus der Ehe sind 1985 und 1987 zwei Kinder hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im August 2003. Das auf den am 16. Juni 2004 zugestellten Scheidungsantrag im vorliegenden Verfahren ergangene Verbundurteil ist hinsichtlich des Scheidungsausspruchs seit dem 23. August 2008 rechtskräftig.

Der Antragsteller ist Laborarzt und an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Die Antragsgegnerin ist ausgebildete medizinischtechnische Assistentin (MTA). Sie ist in der Praxis des Antragstellers angestellt, ohne tatsächlich dort zu arbeiten, und bezieht ein Nettoeinkommen von etwa 1.000 € monatlich. Die Antragsgegnerin bewohnt die ehemalige Ehewohnung. Seinen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhausgrundstück hat ihr der Antragsteller nach der Trennung übertragen.

Die Antragsgegnerin macht nachehelichen Unterhalt geltend und hat diesen ausgehend von den Ausgaben während des Zusammenlebens nach ihrem konkreten Bedarf berechnet. Der Antragsteller hat seine Leistungsfähigkeit für den geltend gemachten Unterhalt nicht in Frage gestellt, hat aber die Höhe des Bedarfs bestritten und eine Begrenzung des Unterhalts geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat den Antragsteller zu monatlichem Elementarunterhalt in Höhe von rund 3.130 € und Altersvorsorgeunterhalt von rund 1.030 € verurteilt und den Unterhalt bis zum 31. August 2013 befristet. Das Berufungsgericht hat auf die beiderseitigen Rechtsmittel das Urteil zum Versorgungsausgleich und zum Unterhalt abgeändert. Den in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Unterhalt hat das Berufungsgericht gestaffelt festgelegt. Es hat den Antragsteller zur Zahlung von monatlich 2.283 € Elementarunterhalt und 819 € Altersvorsorgeunterhalt bis Ende 2008 verurteilt, den Unterhalt für die Folgezeit bis September 2018 stufenweise auf zuletzt monatlich 990 € und 353 € herabgesetzt und diesen schließlich bis zum 31. August 2023 befristet.

Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Antragstellers, der die Befristung des Unterhalts bis zum 31. August 2013 begehrt.

Gründe

Da die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision des Antragstellers antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, §§ 557, 331 ZPO. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist von einem konkret zu bemessenden Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 3.680 € (ohne Wohnbedarf - Kaltmiete) ausgegangen, den es im Einzelnen spezifiziert hat. An den tatsächlich höheren Ausgaben während des Zusammenlebens könne nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Bereits die Obliegenheit der Antragsgegnerin zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit habe zur Folge, dass sie schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, ihr eheliches Freizeit- und Konsumverhalten aufrechtzuerhalten. Zudem entspräche eine Bedarfsfestsetzung in der geltend gemachten Höhe nicht mehr dem Maßstab einer objektivierten und angemessenen Bedarfsdeckung in Abgrenzung zu exzentrischem Luxus.

Auf den Bedarf seien neben Kapitaleinkünften keine fiktiven Erwerbseinkünfte aus einer vollschichtigen Tätigkeit als MTA anzurechnen, weil die 1958 geborene Antragsgegnerin während der Ehe bis auf eine kurze Zeit tatsächlich nicht in dem Beruf gearbeitet habe. Sie habe auf dem aktuellen Arbeitsmarkt lediglich Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung auf 400 €-Basis. Vor diesem Hintergrund könne von der Antragsgegnerin die Aufgabe ihres halbschichtigen Anstellungsverhältnisses nicht verlangt werden, sondern nur eine Nebentätigkeit im erlernten Beruf, als Helferin in einer Arztpraxis oder auch berufsfremd, z.B. als Verkäuferin in einer Boutique. Das Berufungsgericht hat das (erzielbare) Einkommen der Antragsgegnerin um einen Erwerbstätigenbonus von 1/14 bereinigt und hierfür auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen.

Den Altersvorsorgeunterhalt hat das Berufungsgericht ausgehend vom gesamten - ungedeckten - Unterhaltsbedarf bemessen, hat dem aber 13/14 aus den fiktiven Nebeneinkünften zugerechnet, weil aus ihnen keine Altersvorsorge gebildet werde. Dagegen seien der Wohnbedarf ebenso wie der durch Kapitalerträge gedeckte Bedarf nicht hinzuzurechnen, weil diese auch nach Renteneintritt zur Verfügung stünden.

Das Oberlandesgericht hat den Unterhalt stufenweise herabgesetzt und schließlich befristet. Der Antragsgegnerin seien durch die Ehe berufliche Nachteile entstanden, die sie dauerhaft daran hinderten, selbst in ausreichender Weise für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Dies rechtfertige es, den Unterhalt erst ab September 2023 entfallen zu lassen. Die Antragsgegnerin habe glaubhaft dargelegt, dass sie ohne Eheschließung die Möglichkeit gehabt hätte, eine Abteilungsleitung zu übernehmen. Sie habe daher monatlich netto rund 1.940 € erzielen können. Sie habe ihre Stellung aufgegeben, um mit dem Antragsteller umzuziehen, und habe fortan die Haushaltsführung sowie die Kinderbetreuung übernommen. Das seit 1989 bestehende Scheinarbeitsverhältnis sei nicht genutzt worden, der Antragsgegnerin einen Wiedereinstieg in den erlernten Beruf zu ermöglichen. Nach einer ehebedingten Berufspause, die bis zur Trennung schon über zwanzig Jahre angedauert habe, sei eine "kurz- bis mittelfristige, vollschichtige Rückkehr" in ihren erlernten Beruf nahezu auszuschließen und eine Rückkehr in das Erwerbsleben nur über eine geringfügige Beschäftigung möglich. Die Antragsgegnerin werde bis zum Eintritt des Rentenalters nicht in der Lage sein, die ehebedingten beruflichen Nachteile auch nur annähernd zu kompensieren. Dies rechtfertige einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich. Die Befristung zum 31. August 2023 finde ihre Rechtfertigung darin, dass die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt ihr 65. Lebensjahr vollendet habe und ihre private Altersvorsorge greife. Diese sichere sodann mit den Erwerbseinkünften den angemessenen Lebensbedarf der Antragsgegnerin bis zum Erhalt der gesetzlichen Rente mit Vollendung des 66. Lebensjahres.

Die Höhe des nachehelichen Unterhalts sei aus Gründen der Billigkeit auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. Nach Abwägung aller relevanten Umstände erscheine es nicht gerechtfertigt, nur den ehebedingten Verdienstausfall als alleinigen Maßstab für die Unterhaltshöhe heranzuziehen. Der in der Ehe überdurchschnittlich hohe Lebensstandard und die lange Ehezeit von ca. 22 Jahren, in der die Antragsgegnerin durch die einverständliche Rollenverteilung dem Antragsteller ein bestmögliches berufliches Fortkommen unter mehrfachem Wohnortwechsel ermöglicht habe, rechtfertigten es, den eheangemessenen (Elementar-)Unterhalt mit einer Zwischenstufe von 3.100 € auf den angemessenen Lebensbedarf von monatlich 2.600 € abzusenken, der wegen der ausgesprochen guten Lebensverhältnisse in der Ehe über dem Lebenszuschnitt liege, den die Antragsgegnerin ohne die Ehe hätte finanzieren können. Hierbei sei letztlich im Rahmen der individuellen Billigkeitserwägungen ein gewichtiger Gesichtspunkt auch der, dass der Antragsteller uneingeschränkt leistungsfähig sei und er deshalb seine eigene Lebensführung nicht einschränken müsse. Gegenteiliges habe er nicht behauptet. Die Absenkung des (Elementar-)Bedarfs ab September 2013 auf monatlich 3.100 € und ab September 2018 auf monatlich 2.600 € solle es der Antragsgegnerin ermöglichen, ihre Lebensführung ohne kurzfristige und massive Einschnitte entsprechend anzupassen sowie sich weiterhin in ihrem bisherigen sozialen Umfeld zu bewegen. Den Altersvorsorgeunterhalt hat das Berufungsgericht an den abgesenkten Elementarunterhaltsbedarf jeweils entsprechend angepasst.

II.

Das hält nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat der Antragsgegnerin zwar im Ausgangspunkt zu Recht über den 31. August 2013 hinaus nachehelichen Unterhalt zugesprochen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruht der Anspruch aber nicht in vollem Umfang auf § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt), sondern zum Teil auf § 1573 Abs. 1 BGB (Erwerbslosigkeitsunterhalt).

a) Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder aber ausüben kann (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265, 266). Das ist im Fall der Antragsgegnerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur zum Teil verwirklicht.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin derzeit noch keine angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit zu finden vermag, sondern nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung einen beruflichen Wiedereinstieg erreichen kann. Solange und soweit sie aber eine angemessene Erwerbstätigkeit (§ 1574 BGB) nicht zu finden vermag, kann sich der Anspruch nur aus § 1573 Abs. 1 BGB ergeben. Da sich § 1574 BGB auf die Art und Weise der Tätigkeit bezieht und etwaige Hindernisse an der Ausübung einer (vollschichtigen) angemessenen Erwerbstätigkeit durch die einzelnen Unterhaltstatbestände erfasst werden, ist die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlende Möglichkeit einer vollschichtigen Tätigkeit im Rahmen des Anspruchstatbestands nach § 1573 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265, 266).

Das Berufungsgericht hat die Antragsgegnerin überdies nur "neben ihrer halbschichtigen Anstellung" zur Aufnahme einer Geringverdienertätigkeit in der Lage gesehen, die dann bei entsprechender beruflicher Entwicklung ausgebaut werden könne. Auch in seiner weiteren Begründung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine von der Antragsgegnerin auszuübende Erwerbstätigkeit nur neben das bestehende Anstellungsverhältnis treten soll. Damit hat das Berufungsgericht im Umfang des Anstellungsverhältnisses in der Sache eine Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin angenommen. Da aber das Arbeitsverhältnis nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts nur zum Schein besteht, ist damit eine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1573 Abs. 1 BGB nicht verbunden. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im Fall seiner Beendigung grundsätzlich unverändert Unterhalt geschuldet wird und der Antragsteller sich nicht etwa darauf berufen kann, die Antragsgegnerin habe insoweit eine nachhaltig gesicherte Erwerbstätigkeit ausgeübt, die einen weiteren Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 4 BGB ausschließe.

Ob das Berufungsgericht die Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin etwa wegen des Scheinarbeitsverhältnisses nur in geringerem Umfang angenommen hat, wofür die Formulierung des Berufungsurteils spricht, dass die Antragsgegnerin "neben ihrer halbschichtigen Anstellung" nur zur Aufnahme einer Geringverdienertätigkeit in der Lage sei, kann offenbleiben. Denn Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Zeit ab dem 1. September 2013. In welchem Umfang die Antragsgegnerin bei der vom Berufungsgericht angenommenen stetigen Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit bis dahin zu arbeiten verpflichtet sein wird, sollte durch das Berufungsurteil ersichtlich noch nicht entschieden werden.

b) Einer exakten Festlegung der auf die Anspruchsgrundlagen entfallenden Anteile des Unterhalts bedarf es im vorliegenden Verfahren allerdings nicht. Für ein eventuelles späteres Abänderungsverfahren genügt - zumal die exakte Höhe eines von der Antragsgegnerin langfristig erzielbaren Einkommens aus vollschichtiger Tätigkeit vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden ist und auch nicht festgestellt werden musste - die Klarstellung, dass der Unterhaltsanspruch zum entsprechenden Teil auf § 1573 Abs. 1 BGB beruht. Damit ist gleichzeitig im Hinblick auf § 1573 Abs. 4 BGB ausreichend verdeutlicht, dass es sich bei dem Scheinarbeitsverhältnis nicht um eine (nachhaltige angemessene) Erwerbstätigkeit handelt, die den Antragsteller im Hinblick auf das künftige Arbeitsplatzrisiko teilweise entlasten könnte.

2. Die vom Berufungsgericht durchgeführte konkrete Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB ist von der Revision nicht angegriffen worden. Sie gibt auch ansonsten keinen Anlass zu Beanstandungen.

3. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit nach § 1577 BGB hat das Berufungsgericht zum einen das Einkommen der Antragsgegnerin aus dem Scheinarbeitsverhältnis angerechnet und dieses sowie das fiktive Einkommen aus einer Nebentätigkeit nach Kürzung um einen Erwerbsanreiz von 1/14 vom Unterhaltsbedarf abgezogen. Das wird von der Revision hinsichtlich der Kürzung um den Erwerbsanreiz mit Recht beanstandet.

a) Auf die Qualifikation der Zahlungen des Antragstellers an die Antragsgegnerin aus dem Scheinarbeitsverhältnis kommt es allerdings im Ergebnis nicht an. Dass es sich hierbei mangels einer wirklichen Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin nicht um Erwerbseinkommen handelt, ist für die Unterhaltsbemessung aufgrund konkreter Bedarfsermittlung im Ergebnis ohne Bedeutung. Denn wenn es sich, was naheliegt, um eine von den Parteien zur verdeckten Unterhaltsgewährung und Täuschung der Finanzbehörden und Sozialversicherungsträger gewählte Konstruktion handelt, führt dies im Ergebnis ebenfalls zu einer Anrechnung auf den festgestellten Unterhaltsbedarf. Weil das Einkommen der Antragsgegnerin - anders als bei der Bedarfsermittlung nach Quoten - keinen Einfluss auf die Höhe ihres Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 BGB hat, macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Anrechnung der Zahlungen wegen (teilweiser) Bedarfsdeckung nach § 1577 Abs. 1 BGB oder wegen (teilweiser) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB erfolgt. Der Abzug eines Erwerbsanreizes kommt auch vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet schon deswegen nicht in Frage, weil eine Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin in Wirklichkeit nicht stattfindet.

b) Soweit eine Erwerbstätigkeit stattfindet oder - wie im vorliegenden Fall - aufgrund einer Erwerbsobliegenheit stattfinden müsste, ist der Abzug eines Erwerbsanreizes ebenfalls nicht angezeigt. Im Gegensatz zu der vom Halbteilungsgrundsatz ausgehenden Bedarfsbemessung nach Quoten, bei der ein Erwerbsanreiz auf beiden Seiten abgezogen wird, ist dergleichen bei der konkreten Unterhaltsbemessung nicht gerechtfertigt.

Allerdings ist bei der Bedarfsbemessung nach der Quotenmethode nach der Senatsrechtsprechung ein Erwerbsanreiz auf beiden Seiten zu berücksichtigen. Der Senat hat zunächst betont, dass es dem Halbteilungsgrundsatz nicht widerspricht, zugunsten des erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen (vgl. Senatsurteile vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1998, 806, 807 und vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265, 267 jeweils mwN). Beziehen beide Ehegatten Erwerbseinkünfte, so kommt der Erwerbsanreiz aber auch dem Unterhaltsberechtigten zugute (Senatsurteil vom 26. September 1990 - XII ZR 45/89 - FamRZ 1991, 304, 305 mwN). Das wird rechnerisch dadurch umgesetzt, dass bei beiderseitigem Erwerbseinkommen im Wege der Differenzmethode der Bedarf nach einer einheitlichen Quote (etwa 3/7 nach der Düsseldorfer Tabelle oder 45 % nach den Süddeutschen Leitlinien) ermittelt wird. Dass dem Unterhaltsberechtigten ebenfalls ein Erwerbsbonus zugebilligt wird, lässt sich aus dem Halbteilungsgrundsatz und der diesem zugrunde liegenden gleichen Teilhabe von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem rechtfertigen.

Ob dies auch zu gelten hat, wenn der Unterhalt nicht anhand einer Quote vom Gesamteinkommen, sondern aufgrund einer konkreten Bedarfsermittlung zu bestimmen ist, ist umstritten. Wie das Berufungsgericht hat der 11. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden (FamRZ 2008, 1184), wobei die Höhe des Erwerbsbonus unterschiedlich bemessen wird (OLG Hamm FamRZ 2008, 1184: 1/7; OLG Hamm - 5. Familiensenat - OLGR Hamm 2004, 309: 1/14). Dagegen hat das Oberlandesgericht Köln (FamRZ 2002, 326 - insoweit nicht abgedruckt - juris Rn. 14) den Abzug eines Erwerbsbonus abgelehnt.

Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Dass ein Erwerbsanreiz in allen Fällen der Bedarfsdeckung durch eigenes Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten geboten ist, trifft jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu. In Anbetracht der unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) bedarf es vielmehr grundsätzlich keiner besonderen Vergünstigung, um den Unterhaltsberechtigten zur Deckung seines Lebensbedarfs durch eigene Erwerbstätigkeit zu motivieren (Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Rn. 38). Zur isolierten Erfassung eines nicht bezifferbaren und nicht durch den (nach den Leitlinien der Oberlandesgerichte weitgehend pauschalierten) Werbungskostenabzug abgedeckten berufsbedingten Mehrbedarfs besteht jedenfalls bei einer konkreten Bedarfsbemessung, die - wie der vorliegende Fall zeigt - auf weitgehend pauschalen Schätzungen beruht und dem Unterhaltsberechtigten nicht unbeträchtliche Spielräume eröffnet - regelmäßig keine Veranlassung. Dieser Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall auch dazu veranlasst, einen lediglich auf die Anreizfunktion reduzierten Bonus in geringerer Höhe anzusetzen.

Dementsprechend hat der Senat auch in anderen Fällen einer nicht das beiderseitige Einkommen der Ehegatten einbeziehenden Unterhaltsbemessung den Abzug eines Erwerbsbonus nicht für gerechtfertigt erklärt. So hat der Senat den Mindestbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht nach dem in den Leitlinien ausgewiesenen Existenzminimum eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen (mit Erwerbsbonus), sondern nach dem eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen bemessen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Rn. 38 zum Unterhalt nach § 1615 l BGB und vom 17. März 2010 - XII ZR 204/08 - FamRZ 2010, 802 zum Ehegattenunterhalt). Damit stimmt auch die Rechtsprechung des Senats zum angemessenen Lebensbedarf des Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF bzw. § 1578 b Abs. 1 BGB überein, nach welcher der Bedarf ebenfalls regelmäßig nach dem nicht um einen Erwerbsbonus gekürzten eigenen Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten (ohne ehebedingte Nachteile) zu bemessen ist (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 17; zuletzt Senatsurteile vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 46 und vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Außerhalb der Bedarfsermittlung nach Quoten besteht für den Abzug eines Erwerbsbonus auf Seiten des Unterhaltsberechtigten aus Gründen der Gleichbehandlung der Ehegatten keine Rechtfertigung. Denn der Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten bestimmt sich in den oben aufgeführten Fällen anders als beim Quotenunterhalt nicht abhängig vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern entweder nach dem konkreten Bedarf oder nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten. Soweit der Senat in der Vergangenheit den Abzug eines Erwerbsbonus gebilligt hat (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 31), hält er daran nicht fest.

c) Dass der Antragsgegnerin des weiteren (neben Kapitalerträgen) lediglich Nutzungen in Höhe ihres unterstellten Wohnbedarfs bei einer für eine Einzelperson angemessenen Wohnung angerechnet worden sind und nicht ein höherer Wohnwert des von ihr bewohnten Hausgrundstücks, ist von der Revision nicht angegriffen worden. Das Berufungsgericht hat insoweit nur die Kosten der Immobilie auf einen für die angemessene Wohnungsgröße anfallenden Betrag reduziert.

4. Den Altersvorsorgeunterhalt hat das Oberlandesgericht nach dem Unterhaltsbedarf bemessen, der nicht durch altersvorsorgewirksame Einkünfte abgedeckt ist. Das stimmt im Ausgangspunkt mit der Rechtsprechung des Senats überein (Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 36 ff. mwN). In einzelnen Punkten bleibt das Berufungsurteil gleichwohl nicht frei von Bedenken.

Das Berufungsgericht hat das fiktive Einkommen der Antragsgegnerin aus einer Geringverdienertätigkeit (mit 13/14) hinzugerechnet, weil daraus keine Altersvorsorge gebildet werde. Dabei hat das Berufungsgericht übersehen, dass bei einer Geringverdienertätigkeit durchaus Rentenbeiträge zu leisten sind. Zwar wäre die Antragsgegnerin als Arbeitnehmerin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei. Etwas anderes gilt aber für den Arbeitgeber, der nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 b SGB VI pauschal Beiträge in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts zu leisten hat. Der Versicherte kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf die Versicherungsfreiheit verzichten und hat dann in Höhe des Differenzbetrages zum gesetzlichen Rentenversicherungssatz eigene Beiträge zu leisten (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 b SGB VI). Insoweit unterscheidet sich die heutige Rechtslage von der früheren Regelung, nach welcher die Tätigkeit sozialversicherungsfrei war (dazu Senatsurteil vom 25. November 1998 - XII ZR 33/97 - FamRZ 1999, 372, 373 f.).

Nur in der Höhe eines eigenen Beitrags besteht folglich ein ergänzender Altersvorsorgebedarf, weil nur insoweit eine Lücke in der Altersvorsorge entsteht. Das rechnerische Ergebnis entspricht insoweit der Sachlage, wie sie sich bei einem Verzicht der Antragsgegnerin auf die Versicherungsfreiheit ergäbe. Denn dann hätte sie ein geringeres Nettoeinkommen und müsste der Antragsteller einen entsprechend höheren Elementarunterhalt zahlen.

5. a) Das Berufungsgericht hat eine stufenweise Herabsetzung des Unterhalts vorgenommen, zuletzt auf einen Bedarf von 2.600 € (ohne Wohnbedarf - Kaltmiete), der wegen der ausgesprochen guten Lebensverhältnisse in der Ehe über dem Lebenszuschnitt liege, den die Antragsgegnerin ohne die Ehe hätte finanzieren können. Das begegnet durchgreifenden Bedenken und ist von der Revision mit Recht gerügt worden.

Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB, der die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 32 jeweils mwN). Diesen Bedarf hat das Berufungsgericht mit 1.940 € festgestellt, was von der Revision nicht beanstandet worden ist und auch ansonsten keinen Bedenken begegnet.

Indem das Berufungsgericht bei der Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf hingegen wiederum den Lebenszuschnitt während der Ehe herangezogen hat, hat es verkannt, dass der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs sich auf die eigene Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bezieht und nicht auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dieser gewährleistet dem Unterhaltsberechtigten die Teilhabe am höheren Lebensstandard des besser verdienenden Ehegatten, während der angemessene Lebensbedarf lediglich den durch eigene Erwerbstätigkeit möglichen Lebensstandard sichert. Da das Berufungsgericht damit die Untergrenze für eine Herabsetzung des Unterhalts verkannt hat, ist nicht auszuschließen, dass es bei einer zutreffenden rechtlichen Würdigung zu einer weitergehenden Herabsetzung des Unterhalts gelangt wäre.

b) Die vom Berufungsgericht nach § 1578 b Abs. 2 BGB vorgenommene Befristung bis zum 31. August 2023 ist hingegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision rügt, die Feststellungen des Berufungsgerichts seien widersprüchlich, weil es einerseits von einer nach der Trennung der Parteien im Jahr 2003 seit mehreren Jahren bestehenden Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin ausgegangen sei, andererseits dieser aber zum Zeitpunkt der Scheidung, als sie 50 Jahre alt war, eine realistische Chance zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nur durch Aufnahme einer Geringverdienertätigkeit gesehen hat, trifft dies nicht zu. Denn das Berufungsgericht hat ersichtlich mit Bedacht eine früher nur grundsätzlich bestehende volle Erwerbspflicht angeführt, was im Hinblick auf die zeitliche Abfolge und die uneingeschränkte Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin auch zutrifft. Dass es eine Erwerbsobliegenheit nicht schon früher hat eingreifen lassen, ist jedenfalls deswegen zutreffend, weil der Antragsteller selbst eine weitergehende Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin jedenfalls seit der Berufungsinstanz nicht mehr geltend macht. Dementsprechend steht auch der Unterhalt in der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Höhe bis zum 31. August 2013 außer Streit. Dann ist es aber schon aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zum Zeitpunkt der Scheidung zunächst nur eine Erwerbspflicht im Rahmen einer Geringverdienertätigkeit angenommen hat.

Das Berufungsgericht ist aufgrund dieser Feststellungen mit Recht von fortbestehenden ehebedingten Nachteilen der Antragsgegnerin ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt in diesem Fall eine Befristung in der Regel nicht in Betracht (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN). Dass hier etwa eine Ausnahme geboten sei, hat das Berufungsgericht insbesondere im Hinblick auf die Ehedauer, die Kinderbetreuung und die guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung fehlerfrei verneint. Ein angemessener Ausgleich ist in diesen Fällen im Wege der Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB zu finden. Dass das Berufungsgericht - wie die Revision meint - damit das vor dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht perpetuiert - steht damit im Einklang, dass sich das Unterhaltsrecht insoweit nicht geändert hat (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).

III.

Das Berufungsurteil ist wegen der aufgezeigten Rechtsfehler aufzuheben. Dem Senat ist eine eigene abschließende Sachentscheidung verwehrt, weil hinsichtlich der Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB eine erneute tatrichterliche Würdigung erforderlich ist, die vom Revisionsgericht nicht ersetzt werden kann. Denn auch bei einem feststehenden angemessenen Lebensbedarf, der hier allein nach dem ohne ehebedingte Berufspause erzielbaren Erwerbseinkommen zu bestimmen ist, bleibt es der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, ob und in welchem zeitlichen Abstand zur Scheidung der Unterhalt auf diesen Maßstab herabzusetzen ist. Daneben hat das Berufungsgericht die notwendigen Korrekturen bei der Einkommensanrechnung und beim Altersvorsorgeunterhalt durchzuführen, wobei auch der unterstellte Zinssatz der Kapitaleinkünfte zu überprüfen sein wird.

Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter Vorinstanzen:

AG Hagen, Entscheidung vom 11.04.2008 - 134 F 71/06 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 12.11.2008 - II-5 UF 66/08 -