OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.01.2014 - 7 A 1776/13
Fundstelle
openJur 2014, 2918
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist nicht geeignet, die tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, das Vorhaben verstoße weder gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme noch gegen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften des

§ 6 BauO NRW oder des § 51 Abs. 7 BauO NRW.

Der Einwand der Kläger, die erforderliche und vom Verwaltungsgericht unterlassene Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Grundstücke und deren Bebauung führe zur Annahme einer erdrückenden Wirkung, greift nicht durch.

Im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände ist mit Blick auf Volumen, Stellung und Höhe des Vorhabens der Beigeladenen bzw. der Gebäude der Kläger keine "erdrückende Wirkung" gegenüber dem Grundstück der Kläger anzunehmen. Eine solche Gesamtschau liegt der erstinstanzlichen Beurteilung zugrunde, in der auf die einschlägigen Grundsätze Bezug genommen wird.

Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls ‑ und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 - 7 A 3199/08 -, BRS 76 Nr. 181 = BauR 2011, 248 und Beschlüsse vom 24. April 2012 - 7 B 242/12 -, und vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -.

Eine solche Wirkung kann angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden. Das Verwaltungsgericht ist nach erfolgter Ortsbesichtigung zutreffend davon ausgegangen, dass nach obigen Grundsätzen insbesondere mangels gravierender Höhen- und Breitenunterschiede zwischen dem geplanten Gebäude und dem Wohnhaus der Kläger die Annahme einer erdrückenden Wirkung offenkundig ausscheide. Dies gilt auch im Hinblick auf die sonstige Bebauungssituation des Grundstücks der Kläger in nördlicher, östlicher und südlicher Richtung. Im Norden grenzt das Grundstück an die S.---straße . Die gegenüber dem Grundstück der Kläger auf der nördlichen Seite der S.---straße befindliche Bebauung hält einen Abstand zum Gebäude der Kläger von ca. 12 m. Östlich des Grundstücks der Kläger beträgt der Abstand zum Nachbargebäude S.---straße 49 ca. 4,4 m. Südlich grenzt an das letzte Gebäude der Kläger der ca. 24 m lange und von Gebäuden freie Gartenbereich. Auch die Tatsache, dass die südlich an das Wohnhaus der Kläger angrenzenden Baulichkeiten eine geringere Höhe als dieses haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Gerade im innerstädtischen Bereich ist eine unterschiedliche Bebauungshöhe im hinteren Grundstücksbereich nichts Ungewöhnliches. Aufgrund der durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger geprägten Grundstückssituation mussten diese auch mit einer entsprechenden Bebauung rechnen.

Gegenüber den Klägern resultiert eine Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne auch nicht aus der zu erwartenden Verschattung ihres Grundstücks. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2007 ‑ 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127, und vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181.

Hiervon ausgehend begründet der zu erwartende Schattenwurf kein Abwehrrecht gegen das streitige Bauvorhaben. Dass ein sehr schmal geschnittenes Grundstück ‑ wie das der Kläger - bei einer Verschattung durch Nachbargebäude relativ stark betroffen sein kann, beruht auf dem Grundstückszuschnitt und fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des jeweiligen Eigentümers. Dass der nach Süden ausgerichtete Gartenbereich bereits am Nachmittag durch das Vorhaben unzumutbar verschattet werden könnte, ist angesichts der geringen Höhe der Tiefgarage nicht dargelegt. Ebenso ist angesichts der fehlenden Fensteröffnungen in der zum Grundstück der Beigeladenen ausgerichteten Giebelwand des Wohnhauses der Kläger nicht dargelegt, dass die Wohnräume der Kläger wegen des Vorhabens unzumutbar verdunkelt werden. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass der Lichteinfall in das nach Süden ausgerichtete Dachgeschossfenster nur für einen Teil des Tages beeinträchtigt wird und in den Morgen- und Mittagsstunden weiterhin eine Besonnung gegeben ist. Ebenso wenig führt die Beschränkung der freien Aussicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

Soweit die Kläger einen Verstoß gegen § 6 BauO NRW rügen, ist auch nach der von ihnen hierzu in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13. März 2009 - 10 A 1118/08 -, juris) die erstinstanzliche Wertung nicht zu beanstanden, dass eine hinreichende Anbausicherung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b) BauO NRW durch die grenzständige Bebauung auf dem Grundstück der Kläger vermittelt wird.

Der Einwand der Kläger, die Nutzung der vier Tiefgaragenstellplätze beeinträchtige die ruhige Lage ihres Grundstückes massiv, begründet ebenfalls nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Nutzung der vorgesehenen Tiefgarage zu unzumutbaren Störungen im Sinne von § 51 Abs. 7 BauO NRW,

vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2011 ‑ 7 B 165/11 -, juris, und vom 17. Januar 2011 - 7 B 1506/10 -, juris,

führen wird.

Vorliegend befindet sich - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - die von der S.---straße abzweigende Tiefgaragenzufahrt an der vom Grundstück der Kläger abgewandten Westseite des Vorhabens. Das Gebäude der Beigeladenen schirmt somit die durch die Zu- und Abfahrten entstehenden Geräusche weitgehend ab. Dass die innerhalb der Tiefgarage stattfindenden Parkvorgänge zu unzumutbaren Beeinträchtigungen ihres Grundstücks führen könnten, haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt. Angesichts dieser Umstände rechtfertigt auch das Vorbringen der Kläger, dass ihre drei und fünf Jahre alten Kinder im "unmittelbaren Nahbereich zu den Tiefgaragenplätzen" spielen, keine andere Beurteilung.

Aus den vorstehenden Gründen liegen ebensowenig die von den Klägern des Weiteren behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren trägt diese selbst. Dies entspricht der Billigkeit, denn die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.