Niedersächsisches OVG, Urteil vom 23.01.2014 - 12 KN 285/12
Fundstelle
openJur 2014, 2813
  • Rkr:
Tenor

Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin wird festgestellt, dass die am 2. November 2012 in Kraft getretene 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin insoweit unwirksam ist, als damit die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen die mit der 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin und der Ausweisung einer Sonderfläche mit der Zweckbestimmung „Windenergieanlagen“ gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verbundene Ausschlusswirkung.

Die Antragsgegnerin beschloss im November 2009, die hier streitgegenständliche     53. Änderung des Flächennutzungsplans durchzuführen mit dem Ziel, ein sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Windenergieanlagen“ auszuweisen und für das übrige Stadtgebiet die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB anzuordnen.

Der Planungsraum wurde bei der Suche nach geeigneten Konzentrationsflächen zunächst anhand von Ausschlusskriterien untersucht und eine Standortpotentialanalyse erarbeitet. Dabei wurde ausweislich der Begründung des Flächennutzungsplans (vgl. S. 5) „bei den nach dem aktuellen Technikstand anzunehmenden Anlagenhöhen von 150 m und mehr davon ausgegangen, dass grundsätzlich ausreichende durchschnittliche Windgeschwindigkeiten vorliegen, so dass die Windhöffigkeit … nicht weiter betrachtet wurde“. Das Kreisgebiet wurde anhand der in drei Themenkomplexe („Siedlungsnutzungen“, „Infrastruktur“, „Naturschutz, Wald- und Wasserflächen“) untergliederten „Ausschlusskriterien“ untersucht. Dabei wurden auch Schutzabstände vorgesehen. U.a. wurde unter der Überschrift „Siedlungsnutzungen“ als Ausschlusskriterium betrachtet: „Außenbereichssiedlungslage“ und „gemischte Bauflächen“ mit jeweils    500 m Schutzabstand, „Wohnbauflächen“ mit pauschal 750 m Schutzabstand, Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Grünanlage“ mit einem Schutzabstand von 150 m, der Kipphöhe der Anlage, sowie sonstige Grünflächen ohne Schutzabstand. Unter dem Aspekt „Infrastruktur“ wurden „klassifizierte und sonstige wichtige Straßen“ sowie „Bahnlinien“ mit einem Abstand von 150 m, „Hochspannungsleitungen ab 110 kV“ mit einem Abstand von 137 m betrachtet. Als Ausschlusskriterium „Naturschutz, Wald- und Wasserflächen“ wurden u. a. FFH- sowie EU-Vogelschutzgebiete mit einem Abstand von jeweils 500 m, Naturschutzgebiete mit einem Abstand von 200 m, Waldflächen mit einem Abstand von 200 m sowie Wasserflächen mit einem Abstand von 150 m angesehen. Im Ergebnis fand sich bei dieser Suche im Stadtgebiet keine Fläche, die nicht durch mindestens ein Ausschlusskriterium überlagert wurde. Da im östlichen Stadtgebiet jedoch Teilflächen erkennbar waren, in denen allein das Kriterium „Landschaftsschutzgebiet“ der Nutzung als Windenergiestandort entgegenstand, entschloss sich die Antragsgegnerin zu einer vertiefenden Prüfung dieser Teilflächen. Dabei sollte geklärt werden, ob diese Flächen für eine Herausnahme aus dem - ihrer Eignung entgegenstehenden Kriterium - „Landschaftsschutzgebiet“ in Betracht kamen und für die Windkraftnutzung geeignet erschienen. Bei dieser Einzelfallprüfung wurden drei Teilflächen ("F. ", „G.“ sowie „H.“) untersucht und die möglichen Auswirkungen auf die Brut- und Gastvögel, die Fledermäuse, die Landschaftsbildbewertung sowie die Belange der Erholungsnutzung betrachtet. Zu den möglichen Konflikten zwischen der Windenergienutzung und den Auswirkungen auf Brut- und Gastvögel sowie Fledermäuse wurde dabei ein separates Gutachten erstellt. Die Prüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass eine 28,4 ha große Fläche im Nordwesten des Teilbereichs „F.“, nördlich der I. Seen und des J., die vergleichsweise geringsten Konflikte aufweise. Diese Fläche wurde dann durch die angegriffene Flächennutzungsplanänderung als „Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Windenergieanlagen und Flächen für die Landwirtschaft“ ausgewiesen und in der textlichen Darstellung festgelegt, dass außerhalb des dargestellten Sondergebiets in der Regel gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keine weiteren Windenergieanlagen - weder Windparks noch Einzelanlagen - zulässig sind.

Der Stadtrat der Antragsgegnerin fasste den Satzungsbeschluss über die beschriebene Änderung des 53. Flächennutzungsplans am 9. Juli 2012. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration genehmigte die Änderung am 11. September 2012. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am         2. November 2012 im Amtsblatt für die Stadt Oldenburg. Parallel wurde der betreffende Bereich durch die 2. Änderungsverordnung zur Landschaftsschutzgebietsverordnung OL-S 49 „Oldenburg-Rasteder Geestrand“ aus dem Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung vom 4. Juni 1975 herausgenommen und ein vorhabenbezogener Bebauungsplan (Nr. 34 „Windkraftanlagen nördlich K.“) aufgestellt. Darin wurden Standorte für die Errichtung von vier Windenergieanlagen des Typs Enercon E 101 sowie die zulässige Naben- und Gesamthöhe festgesetzt.

Die Antragstellerin beantragte die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung zunächst mehrerer, später dann nur noch einer Windenergieanlage in der Gemarkung L.. Der Standort liegt östlich des M. und damit im Geltungsbereich der - insoweit nicht aufgehobenen - Landschaftsschutzgebietsverordnung OL-S 49 und außerhalb der durch die 53. Änderung des Flächennutzungsplans ausgewiesenen Sonderfläche für Windenergieanlagen. Den Vorbescheidsantrag lehnte die Antragsgegnerin am 8. Januar 2013 ab.

Die Antragstellerin, deren Normenkontrolleilverfahren erfolglos blieb (vgl. Beschl. d. Sen. v. 22.1.2013 - 12 MN 290/12 -), macht zur Begründung ihres gegen die Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans gerichteten Normenkontrollantrags geltend: Der Antrag sei statthaft, weil sie durch die 53. Änderung des Flächennutzungsplans mit ihren Planungsinteressen ausgeschlossen und in ihren Grundrechten aus Art. 12    Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werde. Die durch die 53. Änderung des Flächennutzungsplans vorgesehene Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beschränke sie in ihrer Möglichkeit, außerhalb der ausgewiesenen Sonderfläche Windkraftanlagen zu errichten. Dies sei für die Antragsbefugnis ausreichend. Die Antragsgegnerin habe es versäumt, ihren (der Antragstellerin) Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids sowie auf Erstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans für das Gebiet „östlich der N.“ im Rahmen der Ermessensabwägung, die zu der angegriffenen Änderung des Flächennutzungsplans geführt habe, mit einzubeziehen. Es bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Es sei wahrscheinlich, dass sie durch die angestrebte Unwirksamkeitserklärung ihre Rechtsstellung verbessern könne. Der Antrag sei auch begründet, denn der Flächennutzungsplan genüge nicht den an eine Planung zu stellenden Anforderungen. Es fehle an der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebotenen Differenzierung nach „harten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien. Zudem handele es sich um eine Verhinderungs- bzw. Feigenblattplanung, wie sich daran zeige, dass das ausgewiesene Sondergebiet nur 0,27 % der Gesamtfläche der Antragsgegnerin ausmache. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin Planalternativen, etwa die Errichtung von Einzelanlagen bzw. Anlagen in Gewerbegebieten, außer Acht gelassen und sei bei der Planung nicht konsequent vorgegangen. Das von der O. finanzierte faunistische Gutachten, auf dem die Planung beruhe, weise so erhebliche Mängel auf, dass es der Planung nicht hätte zugrundegelegt werden dürfen. Es sei ferner offenkundig, dass es eine Vorfestlegung der Antragsgegnerin zugunsten des Investors O. und der von diesem favorisierten Fläche gegeben habe.

Die Antragstellerin beantragt,

die am 2. November 2012 in Kraft getretene Änderung Nr. 53 des Flächennutzungsplans 1996 der Antragsgegnerin insoweit für unwirksam zu erklären, als damit die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Nach ihrer Auffassung ist der Antrag schon unzulässig. Es fehle sowohl an der erforderlichen Antragsbefugnis als auch am Rechtsschutzbedürfnis. Der zunächst gestellte allgemein gehaltene Antrag entspreche nicht den Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht an ein statthaftes Begehren im Falle des Angriffs gegen einen Flächennutzungsplan stelle. Darüber hinaus fehle es an der Antragsbefugnis, weil nach der Rechtsprechung der Betroffene geltend machen müsse, dass ihm Nutzungsmöglichkeiten auf Grundstücken außerhalb der Konzentrationszone genommen würden. Darauf könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Ihr Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage sei nämlich nicht wegen der Ausschlusswirkung, sondern ausschließlich deshalb abgelehnt worden, weil der vorgesehene Standort im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzgebietsverordnung liege. Gegen diese Ablehnung und den zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid könne die Antragstellerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben und dort sei dann ggf. auch zu prüfen, ob der von ihr vorgesehene Standort - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - gleich geeignet sei wie das jetzt ausgewiesene Sondergebiet. Da die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ihrem (der Antragstellerin) Vorhaben ausdrücklich nicht entgegenhalten worden sei, könne sie durch das Normenkontrollverfahren ihre Rechtsposition nicht verbessern. Sie (die Antragsgegnerin) werde sich auch zukünftig - jedenfalls bis zu einer Überarbeitung der Planung - nicht auf die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Antrag ist zulässig (dazu unter I.) und begründet (dazu unter II.).

I. Der Antrag ist in analoger Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es besteht die Möglichkeit, dass sie durch die von der Antragsgegnerin erlassene 53. Änderung des Flächennutzungsplans, soweit darin eine Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angeordnet worden ist, in eigenen Rechten verletzt wird. Die angeordnete Ausschlusswirkung bewirkt gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, dass außerhalb des festgesetzten Sondergebiets - und damit auch an dem Standort, für den die Antragstellerin einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die Errichtung einer Windenergieanlage beantragt hat - Windenergieanlagen in der Regel nicht errichtet werden dürfen. Insofern besteht mithin die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Antragstellerin und ist ihre Antragsbefugnis zu bejahen (vgl. Beschl. des Sen. v. 4.1.2012 - 12 MN 160/11 -, BauR 2012, 839).

Der Antragstellerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses liegt nicht vor, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts für den Rechtsschutzsuchenden als nutzlos oder rechtsmissbräuchlich erweist (BVerwG, Beschl. v. 25.5.1993 - 4 NB 50.92 -, NVwZ 1994, 269; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 47 Rn. 89 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist nicht nur von Belang, ob die Antragstellerin durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ihre rechtliche Position konkret in Bezug auf ihr derzeitiges Bauvorhaben verbessern kann. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine Erklärung der angegriffenen Vorschrift für unwirksam der Antragstellerin rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringt (vgl. Beschl. d. Sen. v. 4.1.2012 - 12 MN 160/11 -, BauR 2012, 839). Dies ist hier der Fall. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist insoweit unerheblich, dass der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids nicht wegen der Ausschlusswirkung, sondern allein wegen des Umstands abgelehnt worden ist, dass der vorgesehene Standort in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Die Rechtsposition der Antragstellerin würde sich nämlich schon dadurch verbessern, dass ihr bei einem Erfolg der Normenkontrolle in einem Gerichtsverfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit des die Erteilung des Vorbescheids ablehnenden Bescheides gestritten wird, nicht als zusätzlicher bzw. - wenn die anderen Aspekte die Ablehnung nicht tragen - als entscheidender Gesichtspunkt die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegengehalten werden kann. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sei für die Antragstellerin von vornherein nutzlos. Dem steht auch nicht entgegen, dass die sich hier stellenden Fragen ggf. auch in einem Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Vorbescheids zu prüfen sein werden. Das Normenkontrollverfahren ist gegenüber der Klage ein aliud und schließt diese weder aus, noch wird es von ihr ausgeschlossen (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, § 47 Rn. 26, 141 m. w. N.). Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens und zuletzt in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie habe der Antragstellerin die Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans nicht entgegengehalten und werde sich auf diese auch zukünftig - jedenfalls bis zur Überarbeitung des Plans - nicht berufen. Denn mit rechtlicher Wirkung gegenüber Dritten kann eine formell noch gültige Satzung oder eine mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB versehene und angreifbare Darstellung im Flächennutzungsplan, wenn überhaupt, nicht allein durch eine Erklärung der Verwaltung allgemein suspendiert werden (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 22.1.1992 - 20 N 91.2850 u. a. -, NVwZ 1992, 1004; Urt. v. 30.3.1979 - 38 II    77 -, BayVBl 1980, 292). Ein stattgebendes Urteil in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO wirkt zudem allgemeinverbindlich, d. h. die Unwirksamkeit der - im Plan verankerten - Ausschlusswirkung ist gegenüber jedermann festgestellt und von allen Gerichten und Behörden zu beachten (vgl. Ziekow, a. a. O., § 47 Rn. 364).

II. Der Antrag, die 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären, soweit darin der Wille zum Ausdruck kommt, dass mit der Ausweisung einer Positivfläche für Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel an anderer Stelle keine weiteren Windenergieanlagen zulässig sein sollen, ist auch begründet. Es liegt ein beachtlicher materieller Fehler im Abwägungsvorgang vor.

1. Die Anordnung der Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB genügt nicht den Anforderungen, die an ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu stellen sind. Die Antragsgegnerin hat ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Windenergieanlagen und Flächen für die Landwirtschaft“ ausgewiesen mit dem Ziel einer dortigen Konzentration von Windkraftanlagen und ihres Ausschlusses außerhalb dieses Standortes. Einer derartigen, nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB möglichen Konzentrationsplanung muss ein anhand der Begründung bzw. Erläuterung sowie der Aufstellungsunterlagen bzw. der Verfahrensakten nachvollziehbares (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.1.2010 - 12 LB 243/07 -, juris, Rn. 37; Urt. v. 11.7.2007 - 12 LC 18/07 -, BRS 71 Nr. 106; Beschl. v. 29.8.2012 - 12 LA 194/11 -, NordÖR 2012, 494) schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegen, das nicht nur Auskunft darüber gibt, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch die Gründe für die beabsichtigte Freihaltung des übrigen Planungsraums von Windenergieanlagen aufzeigt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.4.2013 - 4 CN 2.12 -, NuR 2013, 489, u. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11 u. 2.11 -, DVBl 2013, 507), der sich der Senat angeschlossen hat (Urt. v. 28.8.2013 - 12 KN 146/12 -, NuR 2013, 81; Urt. v. 17.6.2013 - 12 KN 80/12 -, NuR 2013, 580; Beschl. v. 16.5.2013 - 12 LA 49/12 -, ZUR 2013, 504), muss sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts in folgenden Abschnitten vollziehen: In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als „Tabuzonen" zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in „harte" und „weiche" untergliedern. Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Teilen des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung nicht in Betracht kommen, mithin für eine solche Nutzung „schlechthin" ungeeignet sind. Mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Plangebiets erfasst, in denen nach dem Willen des Plangebers aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen „von vornherein" ausgeschlossen werden „soll". Die Potentialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird. Auf der ersten Stufe des Planungsprozesses muss sich dabei der Planungsträger den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden Arten der Tabuzonen nicht demselben rechtlichen Regime unterliegen. Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, auf denen die Windenergienutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Sie sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass sie nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substantiell Raum schafft. Seine Entscheidung für weiche Tabuzonen muss der Plangeber rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er - anders als bei harten Tabukriterien - einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offenlegen. Diesen Maßgaben genügt die Planung der Antragsgegnerin nicht.

2. Die Antragsgegnerin hat im Planungsprozess nicht ausdrücklich zwischen harten und weichen Tabuzonen unterschieden. Die Begründung und die Aufstellungsunterlagen der 53. Änderung des Flächennutzungsplans lassen auch nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin gleichwohl in der Sache (vgl. dazu OVG Rh.-Pf., Urt. v. 16.5.2013       - 1 C 11003/12.OVG -, ZNER 2013, 435, 436) hinreichend zwischen beiden differenziert hat.

Die Antragsgegnerin hat - wie dargelegt - die angewandten „Ausschlusskriterien“ in drei Themenkomplexe („Siedlungsnutzungen“, „Infrastruktur“, „Naturschutz, Wald- und Wasserflächen“) untergliedert und zudem Schutzabstände von bis zu 750 m vorgesehen. Dabei wurde erkennbar nicht nach der maßgeblichen Fragestellung, ob es sich bei den Kriterien und insbesondere den gewählten Abständen jeweils um rechtliche bzw. tatsächliche Ausschlussgründe handelt oder nicht, differenziert. Der Begriff „Ausschlusskriterien“ deutet zwar darauf hin, dass die Antragsgegnerin die in diese Kategorie fallenden Kriterien insgesamt als nicht abwägungsoffen bzw. harte Kriterien angesehen hat. In Teilen betrifft es in der Tat auch harte Tabuzonen. Dies gilt etwa für die Kriterien Wohnbauflächen, Außenbereichssiedlungslage und gemischte Bauflächen, Naturschutzgebiete und die Bereiche der angeführten Verkehrs- und Energieanlagen (vgl. auch OVG Berlin-Bbg., Urt. v. 24.2.2011 - OVG 2 A 2.09 -, NuR 2011, 794; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Aufl., Rn. 75). Anderes gilt allerdings für das „Ausschlusskriterium“ „Waldfläche“ (vgl. OVG Berlin-Bbg., Urt. v. 24.2.2011, a. a. O.; Gatz, a. a. O., Rn. 76), denn dort ist die Windenergienutzung nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen. Diese Fläche darf daher nicht ohne weiteres als harte Tabuzonen behandelt werden. Angesichts dessen kann der Senat offenlassen, ob und inwieweit es sich bei weiteren von der Antragsgegnerin als „Ausschlusskriterium“ behandelten Flächen wie „FFH-Gebieten“, „EU-Vogelschutzgebieten“ und „Landschaftsschutzgebieten“ mitsamt der vorgesehenen Mindestabstände um harte Tabuzonen handelt bzw. handeln kann (vgl. dazu OVG Berlin-Bbg., a. a. O.; Gatz, a. a. O., Rn. 73; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 16.5.2013 - 1 C 11003/12.OVG -, ZNER 2013, 435, 437; OVG NRW, Urt. v. 1.7.2013 - 2 D 46.12 -, ZNER 2013, 443). Bei der Zuordnung dieser Gebiete in die Kategorie „Ausschlusskriterien“ hätte sich die Antragsgegnerin jedenfalls an der maßgeblichen Fragestellung orientieren müssen, ob es sich jeweils um rechtliche bzw. tatsächliche Ausschlussgründe handelt oder nicht. Dazu hätte sie prüfen müssen, ob die Errichtung von Windenergieanlagen mit dem Schutzzweck bzw. den Erhaltungszielen des Gebiets, insbesondere dem Schutz von Vogel- und Fledermausarten, nicht zu vereinbaren ist (so auch: Arbeitshilfe „Regionalplanung und Windenergie“, hg. vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und Niedersächsischen Landkreistag, Stand: 15. November 2013, S. 22). Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob Gewerbegebiete selbst sowie der von der Antragsgegnerin in Ansatz gebrachte Abstand von 300 m als Ausschlusszonen hätten gewertet werden dürfen und ob sie zu den harten Tabuzonen zu rechnen sind, wie es die Arbeitshilfe (a. a. O., S. 17) vorsieht, braucht vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht entschieden werden.

Die Antragsgegnerin hat zudem nicht in der erforderlichen Weise von ihrem Beurteilungsspielraum und ihrer Typisierungsbefugnis Gebrauch gemacht und zumindest annähernd quantifiziert, welche Bereiche der im Zusammenhang mit den „Ausschlusskriterien“ jeweils festgelegten Abstände sie als Mindestabstand und damit als harte Tabuzonen und welche Bereiche sie als Vorsorgeabstand und damit als weiche, also disponible Tabuzonen ansieht (zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urt. v. 11.4.2013 -      4 CN 2.12 -, NuR 2013, 489; OVG Berlin-Bbg., Urt. v. 24.2.2011 - OVG 2 A 2.09 -, NuR 2011, 794; Nds. OVG, Beschl. v. 16.5.2013 - 12 LA 49/12 -, ZUR 2013, 504; VG Hannover, Urt. v. 24.11.2011 - 4 A 4927/09 -, juris Rn. 57; Gatz, a. a. O., Rn. 75 ff.; OVG NRW, Urt. v. 1.7.2013 - 2 D 46.12 -, ZNER 2013, 443). Unter dem Aspekt „Ausschlusskriterium Siedlungsnutzungen“ hat sie benannt: „Wohnbauflächen“ mit 750 m Schutzabstand, „Außenbereichssiedlungslage“ und „gemischte Bauflächen“ mit jeweils 500 m Schutzabstand, „gewerbliche Bauflächen“ mit einem Abstand von 300 m. Zu den insoweit gewählten Abständen wird auf S. 6 der Begründung u.a. ausgeführt, sie berücksichtigten die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit von einzelnen Nutzungen und orientierten sich an den von der DIN 1805 vorgegebenen Orientierungswerten. Nach der Rechtsprechung könnten „die Abstände zulässigerweise auch auf den vorbeugenden Immissionsschutz ausgerichtet werden“. Die Ausführungen lassen erkennen, dass sich die Antragsgegnerin darüber im Klaren war, dass zwischen dem immissionsschutzrechtlich gebotenen Mindestabstand und dem - darüber hinausgehenden - Abstand, der seine Rechtfertigung im Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 BImSchG findet, zu unterscheiden war. Die Antragsgegnerin hat indessen nicht in der erforderlichen Weise zumindest annähernd quantifiziert, welche Bereiche der jeweils festgelegten Abstände sie als Mindestabstand und damit als harte Tabuzone und welche Bereiche sie als Vorsorgeabstand und damit als weiche, also disponible Tabuzone ansieht. Dieses Defizit ist auch für viele der übrigen Abstände zu konstatieren, die die zu den harten Tabuzonen zu rechnenden „Mindestabstände“ (vgl. Arbeitshilfe, a. a. O:, S. 16) z. T. wohl deutlich übersteigen (vgl. etwa im Bereich „Infrastruktur“ der Abstand zu „klassifizierten und sonstigen wichtigen Straßen“ sowie „Bahnlinien“ von 150 m, zu „Hochspannungsleitungen ab 110 kV“ von 137 m sowie unter dem Aspekt „Naturschutz, Wald- und Wasserflächen“ zu „FFH-“ sowie „EU-Vogelschutzgebieten“ von pauschal 500 m, zu „Naturschutzgebieten“ von 200 m, zu Wasserflächen von 150 m etc.).

Demnach ist sich die Antragsgegnerin bei der Beschlussfassung über die 53. Änderung des Flächennutzungsplans der Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen nicht (hinreichend) bewusst gewesen und hat diese dementsprechend auch nicht - wie es nach der Rechtsprechung erforderlich gewesen wäre - dokumentiert.

3. Die notwendige - hier fehlende - Unterscheidung zwischen den rechtlich und tatsächlich zwingenden („harten“) Ausschlusskriterien und den einer Abwägung zugänglichen („weichen“) Kriterien bei der Ermittlung der Potentialflächen ist auf der Ebene des Abwägungsvorgangs angesiedelt (BVerwG, Beschl. v. 15.9.2009 - 4 BN 25.09 -, BauR 2010, 82; Urt. v. 11.4.2013 - 4 CN 2.12 -, NuR 2013, 489, und v. 13.12.2013 - 4 CN 1.11 -, BVerwGE 145, 231; Nds. OVG, Urt. v. 17.6.2013 - 12 KN 80/12 -, NuR 2013, 580; Beschl. v. 16.5.2013 - 12 LA 49/12 -, ZUR 2013, 504). Ob der Fehler im Abwägungsvorgang beachtlich ist, ist nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB zu beurteilen. Danach sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Der dargestellte Fehler im Abwägungsvorgang ist offensichtlich gewesen. Ein Mangel ist offensichtlich, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Mitglieder des Rates über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist (BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11 -, a. a. O., m. w. N.). So liegt es hier. Die bei der Ausarbeitung des Planungskonzepts unterbliebene Differenzierung zwischen „harten“ und „weichen“ Tabuzonen ergibt sich aus der Planbegründung und den Aufstellungsvorgängen. Dieser Mangel ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Das ist anzunehmen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11 -, a. a. O., m. w. N). Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 BN 47.03 -, BauR 2004, 1130; Beschl. v. 20.1.1992 - 4 B 71.90 -, NVwZ 1992, 663 jeweils m. w. N.). Dass sich bei der in einem ersten Schritt gebotenen Berücksichtigung allein der rechtlich und tatsächlich zwingenden Kriterien voraussichtlich gezeigt hätte, dass mehr oder andere Flächen grundsätzlich für die Windenergienutzung in Betracht gekommen wären oder das ausgewiesene Sondergebiet Windenergie anders hätte zugeschnitten werden können, hat die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.

Da es mithin an einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept fehlt, ist die angestrebte Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unwirksam und war dies auf den Antrag festzustellen. Es kann daher dahinstehen, ob die Planung noch an weiteren Fehlern leidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich in seiner Streitwertpraxis regelmäßig an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nunmehr in der Fassung 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Dieser schlägt unter Nr. 9.8.1 für Normenkontrollverfahren von Privatpersonen gegen Flächennutzungspläne einen Streitwert von 7.500,- bis 60.000,- EUR vor. Mit Blick auf diese Empfehlung erscheint es sachgerecht, für das vorliegende Verfahren, das die Überprüfung der Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans zum Gegenstand hat, in der Hauptsache einen Streitwert in Höhe von 20.000,- EUR anzusetzen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).