LG Köln, Urteil vom 23.12.2013 - 9 S 190/11
Fundstelle
openJur 2014, 2199
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 18.05.2011 - 19 C 14/11 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 339,44 € zuzüglich Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision tragen die Klägerin zu 47 % und die Beklagten zu 53 %.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Eine erneute Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Mietwagenkosten über die gezahlten 530,00 € hinaus lediglich in Höhe von weiteren 339,44 € aus §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG i.V.n. §§ 398ff. BGB zu, wobei die Aktivlegitimation der Klägerin mittlerweile außer Streit steht.

Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf; dabei ist er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen der Schadensbehebung den wirtschaftlichsten zu wählen (vgl. etwa BGH, NJW 2011, 1947). Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet im Bereich der Mietwagenkosten der ortsübliche "Normaltarif".

1.

Soweit die Kammer im Berufungsurteil vom 26.10.2011 zur Schätzung jenes Normaltarifs im Rahmen des § 287 ZPO den "Mietpreisspiegel" des Unternehmens eurotaxSCHWACKE (im Folgenden: "Schwacke-Liste") als alleinige Schätzgrundlage herangezogen hat, lag sie in ihrer Argumentation auf der bisherigen Linie des 15. Zivilsenates des OLG Köln. Inzwischen hat der Senat mit Urteil vom 30.07.2013 (Az. 15 U 212/12) zur vorliegenden Problematik allerdings erneut Stellung genommen und schätzt den ortsüblichen Normaltarif nunmehr in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr ausschließlich anhand der Schwacke-Liste, sondern anhand des arithmetischen Mittels der sich aus der Schwacke-Liste und dem "Marktpreisspiegel Mietwagen" des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (im Folgenden: Fraunhofer-Liste) im maßgeblichen Postleitzahlengebiet ergebenden Normaltarife (so etwa auch OLG Celle, NJW-RR 2012, 802; OLG Köln (11. Zivilsenat), Schaden-Praxis 2010, 396 ff.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 541; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2012, 26). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass beide Mietpreiserhebungen Schwächen aufweisen (hierzu näher etwa OLG Köln, Schaden-Praxis 2010, 396 ff.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 541) und eine Schätzung auf der Grundlage des arithmetischen Mittels beider Listen nach derzeitigem Erkenntnisstand am ehesten geeignet erscheint, diese Mängel auszugleichen und so zu einem verlässlichen, den tatsächlichen Gegebenheiten vergleichbaren Ergebnis zu kommen. Der geänderten Rechtsprechung des konzentriert für Mietwagenfälle zuständigen 15. Zivilsenates des OLG Köln (die gegen die Entscheidung des Senats erhobene Gehörsrüge wurde zwischenzeitlich zurückgewiesen) schließt sich die Kammer im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung an (so schon Urteile der Kammer vom 16.10.2013 - 9 S 31/13; 9 S 100/13; 9 S 103/13 -) Dies soll - wie bereits in den vergangenen Entscheidungen ausgeführt - insbesondere der Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung im hiesigen Gerichtsbezirk dienen.

Die von der Beklagten erstinstanzlich beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens, die auch noch in der Revisionsinstanz thematisiert wurde, ist nicht geboten. Einen entsprechenden Antrag hat die Beklagte nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr hat sie im Schriftsatz vom 17.09.2013 (dort S. 2ff.; Bl. 308ff. d.A.) selbst die Kombination beider Listen als eine geeignete Grundlage für die Schadensschätzung angesehen und eine Entscheidung auf dieser Basis angeregt. Eine derartige Schätzung befindet sich auch in Einklag mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine Schätzung auf der Grundlage des arithmetischen Mittels beider Listen grundsätzlich für rechtsfehlerfrei erachtet (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 823). Zudem ist nicht ersichtlich, dass die von einem Sachverständigen anzuwendenden Erhebungsmethoden denen der Fa. EurotaxSchwacke und/oder des Fraunhofer-Instituts überlegen wären und ihm die verlässlichere Ermittlung nicht der heutigen, sondern der damaligen Mietwagenpreise in der betreffenden Region besser möglich wäre. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte ebenfalls nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmen erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die jeweiligen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Schwacke-Liste bzw. der Fraunhofer-Liste hergeleitet werden (so auch OLG Köln, Urteil v. 30.07.2013, Az. 15 U 212/12).

2.

Der Kammer hat die konkrete Berechnung des auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste zu ermittelnden Normalpreises - entsprechend dem Urteil des 15. Zivilsenates des OLG Köln vom 30.07.2013 (a.a.O) - anhand der folgenden Parameter vorgenommen:

Die Berechnung erfolgt unter Anwendung der für den Anmietungszeitpunkt aktuellen bzw. zeitnächsten Tabelle, da es für die ortüblichen Mietkosten auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Mietpreise ankommt. Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (vgl. BGH, Vers 2010, 683 ff.).

Für die Berechnung ist ferner - unabhängig von der bei Mietbeginn absehbaren bzw. geplanten Mietdauer - die jeweils tatsächlich erreichte Gesamtmietdauer maßgebend. Dieser wird der davon umfasste größte Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird

3.

Hinzuzurechnen sind grundsätzlich weitere im Mietwagengeschäft typische und deswegen ebenfalls als Preisbestandteil ersatzfähige "Nebenkosten", sofern sie erforderlich und tatsächlich angefallen sind. In Ermangelung entsprechender Angaben bei der Fraunhofer-Liste kann für die Schadensschätzung insoweit allein auf die in der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste angegebenen Brutto-Werte zurückgegriffen werden.

Die Kosten für die Winterreifen sind entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls ersatzfähig. Die Beklagten hatten hierzu in der ersten Instanz in der Klageerwiderung (dort S. 20, Bl. 57 d.A.) selbst vorgetragen, dass sämtliche Fahrzeuge der Klägerin mit Winterreifen ausgestattet seien. Die Beklagte hat dies dann im Einzelnen weiter erläutert. Wenn sie sodann im nachfolgenden Absatz (S. 21, Bl. 58 d.A.) mit Nichtwissen bestreitet, dass das gemietete Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet gewesen sei, ist dieser Vortrag widersprüchlich und damit nicht beachtlich.

4.

Unter Zugrundelegung der zuvor dargelegten Prämissen ergibt die Berechnung im konkreten Fall, dass der Klägerin über die bereits gezahlten 530,00 € hinaus lediglich ein Anspruch auf weitere 339,44 € zusteht, der sich wie folgt zusammensetzt:

Geschädigter: Wigger, Eberhard

Ausgangsdaten

Schadensjahr

2010

PLZ der Autovermietung

53119

Fahrzeugklasse des Ersatzwagens

Tage der tatsächlichen Anmietung

Berechnung des Normalpreises

Fraunhofer (Tagespreis)

44,86 €

Schwacke (Tagespreis; arithm. Mittel)

92,00 €

zzgl. Vollkasko (bis 2010)

24,00 €

arithm. Mittel Schwackhofer (Tagespreis)

80,43 €

Normalpreis für Anmietung (§ 287 ZPO)

643,44 €

SB-Reduzierung unter 500,- € (ab 2011)

0,00 €

abzgl. ersparte Eigenaufwendungen (4%)

0,00 €

Gesondert zu berücksichtigende Leistungen (Schwacke Brutto-Werte, sofern nicht tatsächliche Kosten laut MietV geringer)

Winterreifen

80,00 €

Zustellung und Abholung Ersatzfahrzeug

50,00 €

Weiterer Fahrer

96,00 €

Anhängerkupplung

0,00 €

Navigationsgerät

0,00 €

Anmietung außerhalb Geschäftszeit

0,00 €

Summe (brutto)

869,44 €

abzgl. Zahlung

-530,00 €

Rest

339,44 €

Klage

636,96 €

Ergebnis

339,44 €

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war. Die nunmehr vorgenommene Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittels zwischen Schwacke-Liste und Fraunhofer-Liste wurde höchstrichterlich bereits gebilligt (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 823). Ansonsten betrifft der Rechtsstreit lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 636,96 €