AG Nienburg (Weser), Urteil vom 29.05.2013 - 6 C 149/12
Fundstelle
openJur 2014, 2087
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 473,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2011 sowie 83,54 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Falle einer Reparatur seines Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen … , Fahrgestellnummer W…, gemäß Kostenvoranschlag-Nr. 17360 der Firma H. aus N. vom 21.10.2011 die dabei tatsächlich anfallende Mehrwertsteuer sowie die für die notwendige Reparaturdauer anfallende Nutzungsausfallentschädigung von 34,00 € pro Tag zu erstatten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Streitwert:

a) bis zum 07.05.2013: 656,47 €,

b) seit dem 08.05.2013: 624,88 € (498,50 € Zahlung + 126,38 € Feststellungsantrag entsprechend 80 % der ursprünglich bezifferten Nutzungsausfallentschädigung und Mehrwertsteuer).

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen, da auch der Beklagte gemäß der obigen Streitwertfestsetzung durch dieses Urteil nur in Höhe von 599,88 € beschwert ist.

Gründe

II.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Kläger hat aufgrund des mit dem Beklagten am 18.07.2011 geschlossenen Vertrages über die Reinigung seines bereits bezeichneten Pkw, bei dem es sich um einen Werkvertrag im Sinne von § 631 Abs. 2 BGB handelt, einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB, weil dieser seiner Hinweispflicht als Betreiber einer Autowaschanlage, die der Vermeidung von Schäden an den in der Anlage zu reinigenden Fahrzeugen dient, im vorliegenden Fall nicht hinreichend genügt und dadurch einen Schaden am Pkw des Klägers verursacht hat.

1.) Ein Anspruch des Klägers auf vollständigen Ersatz des am 18.07.2011 erlittenen Lackschadens lässt sich allerdings zunächst nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten im Sinne von §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB stützen, da der Kläger trotz der insoweit ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der gebotenen Sicherheit den Nachweis führen konnte, dass der Beklagte diese Pflicht im Rahmen der Wäsche des klägerischen Fahrzeuges in seiner Waschanlage verletzt hat.

Grundsätzlich trägt nämlich der Gläubiger, hier also der geschädigte Kläger die Beweislast dafür, dass der Schuldner objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat und diese Pflichtverletzung den Schaden verursachte. In Erleichterung dieser grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten ist allerdings anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden, hier des Beklagten als Waschstraßenbetreiber, geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger - hier der Kläger - dartut und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (vgl. nur OLG Hamm NJW-RR 2002, 1459/1460, m.w.N.; weitergehend, aber argumentativ nicht überzeugend OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 962 f.).

Eine Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich des Beklagten ist indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenso wenig feststellbar wie eine damit zusammenhängende Pflichtverletzung seitens des Beklagten. Der langjährig forensisch erfahrende Sachverständige Dipl.-Ing. U.W. hat nämlich in seinem schriftlichen Gutachten vom 04.02.2003 detailliert, plausibel, in sich widerspruchsfrei, anschaulich und daher im Ergebnis überzeugend ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung der Waschanlage durch den Sachverständigen kein Defekt des Regelungs- und Steuerungssystems der Waschanlage vorlag, seit der streitbefangenen Wäsche auch keine Reparaturen im steuerungs- und regelungstechnischen Bereich an den Radbürsten durchgeführt wurden, mithin die Waschanlage zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Wäsche technisch einwandfrei arbeitete. Außerdem hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass sich das fehlpositionierte Ausfahren der rechten Radwaschbürste nur dadurch erklären lasse, dass die - an sich funktionstüchtige - Lichtschranke bereits vor Erreichen der Vorderräder ein erstes Mal unterbrochen worden sein musste, nämlich entweder durch einen mindestens 90 mm hohen und in der Waschanlage befindlichen Gegenstand oder aber durch einen Fremdkörper vorne unter dem Frontstoßfänger des Pkw des Klägers, der bis zu einer Höhe von mindestens 90 mm über die Radaufstandsfläche herabgehangen haben müsste. Das Gericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen W. in seinem Gutachten vom 04.02.2013.

Danach lässt sich gerade nicht zu Gunsten des beweisbelasteten Klägers feststellen, dass die Schadensursache gemäß vorangestellter Definition allein aus dem Verantwortungsbereich des Beklagten herrühren konnte. Vielmehr ist gerade nicht auszuschließen, dass die Fehlfunktion durch den Pkw des Klägers bzw. einen von diesem Pkw herabhängenden Fremdkörper verursacht worden ist. Im Ergebnis ist der Kläger deswegen für den Nachweis einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten als Waschanlagenbetreiber beweisfällig geblieben.

2.) Aber selbst wenn zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen ist, dass der vom Sachverständigen W. beschriebene Fremdkörper unter dem PKW des Klägers schadensursächlich gewesen ist, hat der Kläger dennoch einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 473,50 €, weil nämlich in diesem Fall der Beklagte trotz technisch einwandfreien Zustandes seiner Waschanlage den Lackschaden am Pkw des Klägers am 18.07.2011 dadurch verursacht hat, dass er den Kläger nicht ausreichend - z. B. durch einen deutlichen sichtbaren Hinweis im Einfahrtbereich zur Waschstraße - darauf hingewiesen hat, dass allein durch vom PKW eines zu reinigenden Fahrzeugs herabhängende Fremdkörper, so wie sie vom Sachverständigen beschrieben worden sind, eine Beschädigung dieses Fahrzeugs verursacht werden könnte.

Es ist nämlich grundsätzlich alleinige Aufgabe des Betreibers einer Waschanlage - und gerade nicht der Kunden dieser Waschstraße -, sich selbst über den technischen Ablauf des automatisierten Waschvorgangs zu informieren und aufgrund der so gewonnenen Fachkunde den Kunden auf typischerweise damit zusammenhängende, nicht völlig fernliegende Schadensrisiken hinzuweisen, so wie dies im Hinblick auf Antennen, Außenspiegel etc. üblicherweise auch geschieht. Wenn wie im vorliegenden Fall bereits ein im Frontbereich eines einfahrenden Pkw herabhängender Fremdkörper - denkbar ist hier insbesondere Grüngut, aber auch z.B. beim Befahren von Straßen unbemerkt aufgenommener und am Unterboden des Fahrzeugs haften gebliebener Verpackungsmüll - genügen kann, um ein Fehlfunktion der Rotationsradwaschbürste auszulösen, so stellt dies auch bei lebensnaher Betrachtungsweise kein derart fernliegendes Schadensrisiko dar, dass der Betreiber einer Waschanlage deswegen auf diesen Hinweis verzichten könnte. Ein Hinweis ist vielmehr geboten, weil ein Kunde einer Waschstraße nicht verpflichtet sein kann, sich über den Zustand seines Pkw und über den Ablauf des Waschvorgangs Gedanken zu machen, sofern sein Pkw in straßenverkehrsrechtlich ordnungsgemäßen Zustand ist (also nicht z. B. verkehrswidrig tiefer gelegt ist - vgl. hierzu LG Paderborn DAR 2010, 206-208) und keine sonstigen erkennbaren Besonderheiten aufweist, wegen derer der Eintritt eines Schadens nicht ausgeschlossen erscheint (wie z. B. bei zusätzlich montierten Heckspoilern etc.). Letzteres ist bei einem unter der Front des Pkw herabhängenden Fremdkörper aus der Position des in die Waschstraße einfahrenden und dann sein Fahrzeug verlassenden Kunden gerade nicht der Fall. Für ihn sind derartige Fremdkörper vielmehr nur bei gezielter Überprüfung erkennbar, zu der er aber ohne entsprechenden Hinweis des Betreibers keine Veranlassung hat.

Dem Kläger kann im Übrigen insoweit kein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB angelastet werden, da für dessen Nachweis der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten allein durch die optische Auswertung einzelner, unscharfer Fotos der Videoaufzeichnung des in Rede stehenden Waschvorgangs gemäß den voranstehenden Ausführungen gerade nicht fest, dass ein Fremdkörper unter dem Pkw des Klägers schadensursächlich war und dem Kläger deswegen ein Mitverschulden zugewiesen werden müsste. Diese Unaufklärbarkeit ist vom Sachverständigen W., der dieses Video selbst ausgewertet hat, ausdrücklich im Gutachten festgehalten worden, so dass es deswegen auch nicht seiner ergänzenden Befragung hierzu mehr bedurfte.

3.) Aus den vorgenannten Gründen hat der Kläger mithin einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Nettoreparaturkosten in Höhe von 473,50 €. Ein Anspruch auf die weiterhin geltend gemachte Kostenpauschale besteht hingegen nicht (vgl. nur BGH DAR 2013, 22/23).

4.) Daneben hat der Kläger aufgrund der grundsätzlichen Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB einen Anspruch auf Feststellung, dass im Falle einer Reparatur des am 18.07.2011 verursachten Lackschadens an seinem Pkw die dabei anfallende Mehrwertsteuer ebenso zu erstatten ist wie eine für die notwendige Dauer der Reparatur zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung von 34,00 €, deren Höhe zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist.

5.) Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB, der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, wobei zu Lasten des Klägers nur eine 1,3- fache Geschäftsgebühr anzusetzen war (vgl. nur BGH, Urteil vom 05.02.2013 - VI ZR 195/12), ausgehend von einer berechtigten Klagforderung von 599,88 € als fiktivem Streitwert (473,50 € Zahlung + 126,38 € Feststellung).

6.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, zumal durch die Teilklagrücknahme keine Mehrkosten im Sinne von § 269 Abs. 3 ZPO entstanden sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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