OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.08.2013 - 11 W 12/13
Fundstelle
openJur 2014, 2081
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. Januar 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert entspricht der Summe der im einstweiligen Verfügungsverfahren erster Instanz entstandenen Kosten.

Gründe

Die Parteien streiten über die Kosten nach einem einstweiligen Verfügungsverfahren.

I.

Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten (nachfolgend:Beklagte) im Wege der einstweiligen Verfügung unter anderem untersagt, ohne Einwilligung der Antragstellerin hergestellte Computerprogramme in den Verkehr zu bringen sowie Auskunft über die Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer zu erteilen und die streitbefangenen Gegenstände zur vorläufigen Verwahrung an den zuständigen Gerichtsvollzieher herauszugeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 09.11.2012 (Bl. 56 f. d.A.) Bezug genommen.

Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung hat die Beklagte Kostenwiderspruch eingelegt und die Beschlussverfügung im Übrigen anerkannt (Bl. 62 f. d. A.). Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht im schriftlichen Verfahren über den Kostenwiderspruch entschieden und der Beklagten die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine vorherige Abmahnung der Beklagten sei ausnahmsweise nicht erforderlich gewesen, weil sie dem Zweck der Verwahrungsverfügung zuwiderlaufe.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie eine Abänderung dieser Kostenentscheidung begehrt und zu deren Begründung sie im Wesentlichen wie folgt vorträgt:

Die Kosten des Eilverfahrens seien der Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) aufzuerlegen, weil sie, die Beklagte, den geltend gemachten Anspruch in der Hauptsache sofort anerkannt habe (§ 93 ZPO).

Soweit das Landgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25.01.2010 (6 W 4/10)gemeint habe, im Hinblick auf den geltend gemachten Sequestrationsanspruch  sei die Kostenprivilegierung des § 93ZPO hier nicht zugunsten der Beklagten anzuwenden, lägen die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung nicht vor. Das Kostenrisiko dürfe nicht unvermittelt und ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit auf den Antragsgegner verlagert werden. Maßgeblich sei deshalb stets das Verhalten des Antragsgegners vor und nach Erlass der einstweiligen Verfügung. Das Angebot eines Datenträgers mit einem nicht von der Klägerin freigegebenen Echtheitszertifikat sei von der Klägerin nur in einem Fall nachgewiesen worden. Der Beklagten sei auch kein weiterer Vorfall bekannt, der unter den Gegenstand der einstweiligen Verfügung fallen würde. Weitere unter die einstweilige Verfügung fallende Produkte seien von der Klägerin weder mit der Antragstellung vom 05.11.2012 bezeichnet oder anderweitig glaubhaft gemacht worden noch vom Gerichtsvollzieher festgestellt worden. Fälle, bei denen der Antragsgegner lediglich einen Einzelfallverstoß begangen habe und kein weiterer Verstoßnachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden sei, könnten die Abmahnung deshalb regelmäßig nicht entbehrlich machen, so dass die Kostenfolge des § 93 ZPO hier weiterhin eingreife.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Gegen ein Urteil, mit dem aufgrund eines Kostenwiderspruchs über die Kosten des Verfügungsverfahrens entschieden wird, findet in entsprechender Anwendung des § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt (OLG Frankfurt, GRUR 2006, 264; KG, GRUR – RR 2008, 372m.w.N.). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere,frist- und formgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Wird – wie vorliegend – im einstweiligen Verfügungsverfahren neben einem Unterlassungs-  ein Sequestrationsanspruch geltend gemacht, kann sich die Unzumutbarkeit der Abmahnung daraus ergeben, dass eine Abmahnung dem Verletzer die Möglichkeit eröffnen könnte, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile den vorhandenen angegriffenen Warenbestand bei Seite zu schaffen und damit den Anspruch des Verletzten auf Vernichtung der Ware zu unterlaufen (KG, GRUR-RR 2008, 372; OLGHamburg, GRUR-RR 2007, 29; OLG Frankfurt, GRUR 2006, 264; OLGNürnberg, WRP 1981, 342; Köhler/Bornkamm, UWG 30. Aufl. 2012, § 12Rn. 1.48 m. w. N.).

Maßgeblich ist, ob die Umstände des konkreten Einzelfalls geeignet sind, bei dem Berechtigen die ernste Besorgnis zu begründen, dass der Unterlassungsschuldner sich bei einer vorherigen Abmahnung um schnelle Beseitigung eines etwa vorhandenen Warenbestandes bemühen werde. Diese Besorgnis ist grundsätzlich berechtigt, wenn es sich um einen Fall der Weiterverbreitung schutzrechtverletzender Ware handelt. In diesen Fällen darf der Unterlassungsgläubiger regelmäßig davon ausgehen, dass der Verletzter die Sequestrierung zu vereiteln versucht, um die sich aus einer Sequestrationsanordnung ergebenden wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 191; KG a. a.O). In diesen Fällen muss der Gläubiger die Gefahr einer Vereitelung des Rechtsschutzes nicht durch besondere Verdachtsmomente belegen. Es besteht vielmehr von vornherein die ernste Besorgnis, der Schuldner werde versuchen, die fragliche Ware bei Seite zu schaffen.

Nur wenn diese Gefahr ausnahmsweise ausgeschlossen erscheint,ist dem Gläubiger eine Abmahnung zuzumuten (Köhler/Bornkamm, a. a.O. m. w. N.). Um der Gefahr einer missbräuchlichen Geltendmachung des Sequestrationsanspruches zu begegnen bzw. die Beantragung der Sequestration ausschließlich zur Umgehung des Abmahnungserfordernisses auszuschließen, ist es notwendig, dass im Einzelfall geprüft wird, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand. Das kann etwa zu verneinen sein, wenn die beantragte Sequestrationsanordnung später nicht vollzogen wird (vgl. KG a. a. O.). In solchen Fällen ist zu verlangen, dass von Antragstellerseite schlüssig dargelegt wird,wieso trotz eines bestehenden objektiven Sicherungsinteresses gerade im Einzelfall aufgrund welcher Erkenntnisse auf eine Sequestration verzichtet wurde.

So liegt der Fall hier jedoch nicht.

Dass die Klägerin den Herausgabeanspruch ohne Erfolg zu vollziehen versucht hat, deutet nicht daraufhin, dass der Antrag von Anfang an unbegründet war. Dem Sequestrationsantrag lässt sich nämlich nicht von vornherein entnehmen, ob die Sequestration erforderlich und mit Aussicht auf Erfolg vollstreckbar ist. Der Senat erachtet es auch für zu weitgehend, vom Gläubiger vor Erlass der einstweiligen Verfügung Nachweise oder auch nur Indizien dafür zu fordern, das weitere rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke vorhanden sind, deren Sicherstellung im Falle einer vorhergehenden Abmahnung gefährdet wäre. Es muss vielmehr ausreichen, dass beim Vorhandensein eines Verletzungsstückes der Schluss auf weitere Verletzungsstücke naheliegend und eine Sequestration vor diesem Hintergrund erforderlich erscheint. Das ist auch angesichts der Art der hier streitbefangenen Softwareprogramme naheliegend. Weitere Detailkenntnisse können von einem Gläubiger vor Antragstellung nicht verlangt werden. Dass die Sequestration selbst hier erfolglos geblieben ist, kann eine andere Kostenentscheidung nach allem nicht begründen, zumal der Herausgabeanspruch erst zwei Tage nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vollstreckt werden sollte.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfeststellung folgt aus § 83 ZPO.