LG Bochum, Beschluss vom 02.12.2013 - 9 S 145/13
Fundstelle
openJur 2014, 2018
  • Rkr:
Tenor

Die Kammer weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nach einstimmiger Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten.

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Dem Berufungskläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den vorstehenden Hinweisen Stellung zu nehmen.

Gründe

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Amtsgericht ist zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls vom 27.03.2013 kein Anspruch auf Erstattung weitergehender Mietwagenkosten in Höhe von 1300,06 Euro an die Firma U aus §§ 7 Abs. 1, 823 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG zusteht.

Zwar haftet die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers unstreitig dem Grunde nach zu 100 % für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 27.03.2013.

Das Amtsgericht hat die Höhe eines Normaltarifs allerdings im Rahmen des § 287 ZPO in nicht zu beanstandender Weise geschätzt und zwar auf der Grundlage des Mietwagen-Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Institutes.

Die Ermittlung des Schadensersatzes ergibt sich aus §§ 249 ff. BGB. Auch Mietwagenkosten sind zum Ausgleich der Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich ersatzfähig. Sie sind als Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Satz 2 BGB anzusehen und in der Höhe zu ersetzen in der sie angefallen sind. Einschränkend sind jedoch nur die erforderlichen Kosten zu ersetzen. Erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NSW BGB 249 Gb; BGH VersR 2010, 494; BGHZ 160, 377; BGH VersR 2005, 241; BGH VersR 1985, 284). Darüber hinaus ist aus dem Aspekt der Schadensminderungspflicht der wirtschaftliche Weg zu wählen. Hierfür gilt eine subjektbezogene Schadensbetrachtung, d.h. es ist auf die spezielle Situation des Geschädigten abzustellen.

Soweit das Amtsgericht seiner Berechnung der ersatzfähigen Mietwagenkosten den Normaltarif auf der Grundlage des Mietwagen-Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Institutes zugrunde gelegt hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Der Kläger legt seinem Anspruch eine Berechnung nach dem Normaltarif gemäß dem Schwacke Mietpreisspiegel zu Grunde. Insoweit ist mithin auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers bei der Ermittlung des Schadens auch von einem Normaltarif auszugehen.

Hinsichtlich der Höhe des Normaltarifs ist von Folgendem auszugehen:

Der Normaltarif ist grundsätzlich im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO aber nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In der Rechtsprechung besteht Uneinigkeit darüber, wie die Ermittlung des Normaltarifs zu erfolgen hat. Normaltarif ist derjenige Tarif, der dem Selbstzahler normalerweise angeboten wird und der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (BGHZ 163,19). Erforderlich ist es, den Normaltarif nach dem Markt zu ermitteln. Dabei können auch Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (BGH NJW 2010, 1445; BGH NJW 2009,58).

Zur Ermittlung stehen insbesondere der Schwacke Automietpreisspiegel ("Schwacke-Liste") oder der Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland des Fraunhofer IAO ("Fraunhofer-Liste") zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht die Möglichkeit, den Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zu ermitteln (vgl. BGH vom 30.1.2007, NJW 2007,1124). Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass es dem tatrichterlichen Ermessen obliegt, den Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels zu ermitteln (BGH VersR 2010, 494; BGH Urteil vom 2.2.2010, NSW § 249 Gb).

Gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels bestehen allerdings durchgreifende Bedenken. Die Schwacke-Liste beruht auf Erhebungen über Mietwagenpreise, bei denen den Mietwagenunternehmen jeweils bekannt war, dass die, von ihnen erfragten Mietwagenpreise zum Zwecke der Zusammenstellung in einer entsprechenden Mietpreisübersicht dienen sollte. Da die Mietwagenunternehmen ein erhebliches Eigeninteresse daran hatten, dass die Mietwagenpreise in einer derartigen Tabelle möglichst hoch angesetzt würden, besteht die konkrete Gefahr, dass die Mietwagenunternehmen höhere Preise angegeben haben und damit durch die Zusammenstellung gerade nicht der Marktpreis wiedergegeben wird, auch wenn eine Überprüfung der übermittelten Mietpreise durch anonyme Stichproben erfolgt. Dies ergibt sich gerade auch aus einem Vergleich mit der zu den Mietpreisen erstellten Tabelle des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Bei einem Vergleich der Mietwagenpreise ergibt sich insoweit ein eindeutig niedrigeres Mietpreisniveau.

Die vom Fraunhofer Institut bei der Erstellung der Tabelle vorgenommene Arbeitsweise ist vorzugswürdig. Die Erfragung der Mietpreise erfolgte durch das Fraunhofer Institut anonym, insbesondere per Internet. Per Telefon erfolgt eine Überprüfung der ermittelten Preise. Den Mietwagenunternehmen ist mithin nicht bekannt, dass die von ihnen angegebenen Mietpreise der Erstellung einer zu veröffentlichenden Tabelle zum Mietpreisniveau dienen sollten.

Soweit der Kläger geltend macht, dass er nicht problemlos ein Fahrzeug zu einem niedrigeren Preis habe anmieten können, da ihm weitergehende Marktrecherchen aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters und einer bestehenden Schwerbehinderung nicht zumutbar gewesen seien, steht dieser Vortrag der Zugrundelegung des Normaltarifs nach der Fraunhofer Tabelle nicht entgegen. Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm ein wesentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich war. Insoweit hat er gerade nicht vorgetragen, dass er sich im Rahmen seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten um einen anderen Tarif bemüht und diesen nicht erhalten hat. Vielmehr hat er in keiner Weise dargelegt, sich nach einem anderen Tarif vor Anmietung des Ersatzfahrzeugs überhaupt erkundigt und insoweit informiert zu haben. Er hat auch nicht schlüssig dargetan, dass es ihm aufgrund seiner individuellen Situation nicht möglich gewesen wäre, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Preis anzumieten. Alleine deshalb, weil der Kläger im Jahre 1945 geboren und schwerbehindert ist, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen, dass und ggfs. weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich telefonisch nach anderen Angeboten zu erkundigen.

Demgemäß ist zur Schätzung des Normaltarifs der Marktpreisspiegel Mietwagen des Fraunhofer Instituts anzuwenden, und zwar im Hinblick auf die Anmietung des Ersatzfahrzeugs im Jahr 2012 entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht der Marktpreisspiegel für das Jahr 2011, sondern derjenige für das Jahr 2012.

Hiernach stand dem Kläger gegen die Beklagte anhand der Fraunhofer-Liste 2012 ein Anspruch in Höhe von 894,44 Euro (Klasse 4, PLZ 44, 23 Tage, 3 x Wochentarif zu je 246,68 Euro + 2 einzelne Tage zu je 77,20 Euro) zu.

In den Beträgen der Fraunhofer Tabelle ist die Mehrwertsteuer bereits enthalten, so dass diese nicht hinzuzurechnen ist.

Weiterhin hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif von 20% für angemessen, um den Besonderheiten der Vermietung von Unfallersatzwagen (Vorfinanzierung; Risiko eines Forderungsausfalls wegen falscher Bewertung der Haftungsquote; Fahrzeugvorhaltung; evtl. Einrichtung eines Notdienstes etc.) Rechnung zu tragen. Den 20%-Aufschlag nimmt die Kammer im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO vor, ohne dass insoweit substantiierter Vortrag des Geschädigten erforderlich wäre. Allein diese Vorgehensweise wird nach Auffassung der Kammer dem Erfordernis einer praxisnahen und einfache Schadensabwicklung gerecht (so auch OLG Köln, NZV 2007, 199; LG Dortmund, NZV 2008, 93; LG Bonn, NZV 2007, 362). Damit erhöht sich der erstattungsfähige Betrag zugunsten des Klägers um 178,89 Euro.

Eine Eigenersparnis von 10% muss sich der Kläger, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht anrechnen lassen, da er ein gegenüber seinem beschädigten PKW einfacheres Fahrzeug angemietet hat.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts steht dem Kläger zudem gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz von Zustell- und Abholgebühren in Höhe von 50,- Euro zzgl. MWSt zu. Ein Unfallgeschädigter kann einen solchen Service grundsätzlich in Anspruch nehmen (OLG Köln, NZV 2007, 199). Der Kläger war nicht gehalten, nach Abgabe seines Fahrzeuges in der Reparaturwerkstatt den Weg zum Mietwagenunternehmen zur Abholung des Fahrzeuges bzw. nach Rückgabe des Mietwagens nach durchgeführter Reparatur ohne Fahrzeug zurückzulegen.

Auch unter Berücksichtigung dieser Gebühren übersteigen die dem Kläger gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche allerdings nicht den vorprozessual gezahlten Betrag in Höhe von 1190,00 Euro. Die dem Kläger zustehenden Ansprüche sind daher durch Erfüllung erloschen. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

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