FG Hamburg, Urteil vom 24.10.2013 - 4 K 38/11
Fundstelle
openJur 2014, 1261
  • Rkr:
Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Energiesteuer.

Die Klägerin, eine Mineralölgesellschaft, vertreibt einen von einem ... Mineralölunternehmen erworben Biokraftstoff mit der Bezeichnung XY (...) durch anteilige Beimischung in von ihr vertriebene Dieselkraftstoffe. Das Herstellungsverfahren von XY beschreibt sie wie folgt:

"Ausgangsprodukt zur Herstellung von XY sind Pflanzenöle aus Ölsaaten, vor allem Palmöl, sowie ein geringer Anteil tierischer Fette.

Pflanzenöle und tierische Fette bestehen zu über 90 % aus verschiedenen Triglyceriden, also aus Stoffverbindungen, die aus den Bestandteilen Fettsäure und Glycerol bestehen.

Da zur Herstellung von Biokraftstoff zunächst die Abtrennung der weiteren Bestandteile erforderlich ist, werden die Ausgangsprodukte in der Regel zunächst vorbehandelt.

Die vorhandenen Triglyceride werden dann durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung), die bei Temperaturen von 320 °C bis 360 °C und bis zu 80 bar Druck einsetzt, in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, wobei in Abhängigkeit von der thermischen Belastung und von der Auswahl des Katalysators die Spaltung der ursprünglichen Kohlenstoffkette in Moleküle mit kürzerer Kettenlänge erfolgt. Neben der Spaltung des Fettsäureglycerids (Hydrocracking) in Propan und Fettsäuren erfolgt durch Isomerisierung (Umwandlung von Molekülen, wobei eine Änderung der Atomfolge in ein anderes Isomer erfolgt) ein Umbau der Kettenstruktur. Ungesättigte Kohlenstoffverbindungen sowie Heteroatome, d. h. Atome, die kein Kohlenstoff oder Wasserstoff sind, werden dabei durch Einlagerung von Wasserstoff eliminiert. Endprodukte des Umwandlungsprozess ist XY (Biodieselkraftstoff- CnH2n+2) einerseits und sonstige Bioprodukte andererseits (flüchtige Kohlenwasserstoffe, Wasser, H2)."

Am 29.12.2008 beantragte die Klägerin eine Steuerentlastung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG in Höhe von ... € für ... l XY, welches von ihr im Kalenderjahr 2007 als Anteil von versteuerten Energieerzeugnissen unter Versteuerung zu dem Steuersatz von 470,40 €/1.000 l in Verkehr gebracht worden war. Zur Begründung führte sie aus, in Abgrenzung zu biochemischen Verfahren erfolge im Verfahren zur Herstellung von XY die thermochemische Umsetzung von Pflanzenölen und/oder tierischen Fetten mittels Wasser in Diesel und Beiprodukte. Es entstehe ein Produkt, das mit dem Eingangsstoff nicht mehr identisch sei. Es handele sich damit um ein aus Biomasse thermochemisch hergestelltes Syntheseprodukt.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.07.2010 ab. Bei der im Herstellungsprozess des Produkts XY durchgeführten Hydrierung von Pflanzenölen handele es sich nicht um eine thermochemische Umwandlung i. S. v. § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG. Vielmehr liege ein physikalisch-chemisches Verfahren vor. Der Begriff thermochemische Umwandlung setze zwingend eine Vergasung der Biomasse als einen wesentlichen Verfahrensschritt voraus. Ein solcher Verfahrensschritt werde jedoch nicht durchgeführt.

Am 04.08.2010 legte die Klägerin Einspruch ein. Die Auslegung von § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG durch den Beklagten sei nicht nachvollziehbar. In der Gesetzesbegründung heiße es, Biomasse-to-liquid (BtL)-Kraftstoffe seien besonders förderungswürdig. Im Streitfall handele es sich um eine Flüssigkeit, die aus Biomasse unter Zuführung von Wärme hergestellt werde. Weshalb die Vergasung ein wesentlicher Verfahrensschritt sein solle, sei nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2011 zurück. Zur Begründung führte er aus, unstreitig seien die Tatbestandsmerkmale "Biomasse" und "synthetische Kohlenwasserstoffgemische" bei dem Produkt XY erfüllt. Das Produkt sei jedoch nicht durch thermochemische Umwandlung gewonnen worden. "Umwandlung" sei jede chemische Reaktion. Diese sei jedoch nicht thermochemisch erfolgt. So gut wie alle chemischen Reaktionen zeigten eine Wärmetönung, das heißt, es werde bei der Reaktion Wärme verbraucht oder freigesetzt. "Thermochemische Umwandlung" als eine Umwandlung zu deuten, bei der Wärme frei oder verbraucht werde, mache keinen Sinn, weil damit das gesetzgeberische Ziel einer Bevorzugung bestimmter Verfahren unterlaufen würde. Nach einem Aufsatz der Universität Karlsruhe aus dem Oktober 2007 (Sachakte B Bl. 20) würden als thermochemische Verfahren solche bezeichnet, die einen thermochemischen Schritt wie eine Vergasung enthielten. Auch die Pyrolyse, bei der die Gewinnung eines flüssigen Produkts im Vordergrund stehe, sei als thermochemische Umwandlung anzusehen, da hochmolekulare Stoffe zu relativ kleinen Molekülen abgebaut würden. Die Extraktion von Pflanzenöl aus Ölsaat mit anschließender Hydrierung zu Kohlenwasserstoffen - was der Herstellung von XY entspreche - sei ein Beispiel für ein physikalisch-chemisches Verfahren. Auch wenn bei der Herstellung von XY Spaltreaktionen zu Kohlenwasserstoffen kürzerer Kettenlänge (Crackprodukte) führten, sei dies weit von einem thermochemischen Schritt entfernt. Die Anerkennung von XY als besonders förderungswürdigen Kraftstoff liefe zudem der Idee zuwider, solche Biokraftstoffe zu fördern, zu deren Herstellung nicht nur die Früchte einer Energiepflanze bzw. daraus gewonnene Öle, sondern die gesamte Pflanze verwendet werde. Die Hydrierung von Pflanzenölen und/oder tierischen Fetten zu Kohlenwasserstoffen (sog. Vollhydrierung) stelle daher keine thermochemische Umwandlung dar. Dies entspreche auch der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (Erlass vom 17.07.2007 und vom 10.06.2010, III A 1 - V 8405/07/0002).

Mit ihrer am 28.02.2011 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt die Einspruchsbegründung und betont, es liege eine thermochemische Umwandlung vor. Generell werde zwischen thermochemischen, physikalisch-chemischen und biochemischen Verfahren unterschieden. Bei der thermochemischen Umwandlung werde Biomasse durch Wärmeeinsatz in Kohlenwasserstoff umgewandelt. Zu Unrecht verlange der Beklagte eine Vergasung als Zwischenschritt und enge die Betrachtung auf spezielle Verfahren wie die Vergasung und die Pyrolyse ein. Daneben seien auch andere Prozesse möglich. Im Streitfall würden die vorhandenen Triglyceride durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung) bei Temperaturen von 320 °C bis 360 °C und bis zu 80 bar Druck in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Die chemische Reaktion setze als wesentliche Bedingung eine bestimmte thermische Situation voraus. So müssten bei der Herstellung von XY besonders hohe Temperaturen vorliegen, die eine thermochemische Reaktion erst ermöglichten. Im Streitfall lägen auch weder eine physikalisch-chemische, noch eine biochemische Umwandlung vor. Für die enge Auslegung im Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 17.06.2007 bzw. 10.06.2010 gebe es keinen Anlass. Sie finde weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze. Ausweislich der Gesetzesbegründung gehe der Gesetzgeber davon aus, dass Biokraftstoffe mit erheblichem CO2-Minde-rungspotenzial weiterhin steuerbegünstigt sein könnten. Lediglich Biokraftstoffe der ersten Generation wie der herkömmliche Biodiesel, die kein nennenswertes CO2-Minderungspotenzial aufwiesen, sollten aus der Steuerentlastung herausfallen. XY führe indes zu einer CO2-Reduktion von 40 % bis 60 % und sei als Biokraftstoff der zweiten Generation anzusehen. In der Gesetzesbegründung würden Biomass-to-Liquid-Kraftstoffe als besonders förderungswürdig im Sinne von § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG angesehen, dieser Begriff werde jedoch nicht definiert und könne mit Biomasseverflüssigung übersetzt werden. Insofern seien die Voraussetzungen erfüllt. Bei den Ausgangsstoffen, nämlich Pflanzenölen aus Ölsaaten und Ölfrüchten handele es sich unzweifelhaft um Biomasse. Es finde auch eine Umwandlung in einen flüssigen Kraftstoff statt. In der Anlage III zur Richtlinie 2009/28/EG vom 23.04.2009 werde unter hydriertem Pflanzenöl "thermochemisch mit Wasserstoff behandeltes Pflanzenöl" verstanden. Der europäische Gesetzgeber gehe also davon aus, dass hydrierte Pflanzenöle wie XY durch eine thermochemische Umwandlung hergestellt würden. Nach dem engen Verständnis des Beklagten gäbe es - soweit ersichtlich - zurzeit keinen besonders förderungswürdigen Kraftstoff nach § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG auf dem Markt. Ob der Gesetzgeber eine derart enge Auslegung verfolgt habe, sei zweifelhaft. Der Beklagte verkenne die besonders förderungswürdigen Eigenschaften von XY.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2011 zu verpflichten, auf ihren Antrag vom 29.12.2008 Energiesteuer in Höhe von ... € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, ursprünglich sei generell für Biokraftstoffe eine Steuerbegünstigung begehrt worden. Aufgrund der damit einhergehenden Steuerausfälle sei die Steuerentlastung für Biokraftstoffe durch das Biokraftstoffquotengesetz auf solche eingeschränkt worden, die als besonders förderungswürdig gelten würden. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG seien dies ausschließlich Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffe. Hydrierte Pflanzenöle - wie XY - seien keine BtL-Kraftstoffe. Aus der Gesetzesbegründung werde auch deutlich, dass der Gesetzgeber den Begriff thermochemische Umwandlung eng ausgelegt wissen wolle. Es liege deshalb nahe, dass der Gesetzgeber der Auffassung deutscher Chemiker, welche die Vergasung der Biomasse als einen wesentlichen Verfahrensschritt für die thermochemische Umwandlung ansähen, gefolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg.

I.

Der Bescheid vom 14.07.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, sie hat keinen Anspruch auf die beantragte Energiesteuererstattung, § 101 S. 1 FGO.

Ein Erstattungsanspruch ergibt sich nicht aus § 50 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz - BioKraftQuotG) vom 18.12.2006 (BGBl. I 3180, im Folgenden: EnergieStG). Nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag des Steuerschuldners für nachweislich nach den Steuersätzen des § 2 Abs. 1 versteuerte Energieerzeugnisse, die besonders förderungswürdige Biokraftstoffe nach Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 sind oder enthalten, gewährt. Nach § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG sind synthetische Kohlenwasserstoffe oder synthetische Kohlenwasserstoffgemische, die durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnen worden sind, besonders förderungswürdig. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem Produkt XY um ein synthetisches Kohlenwasserstoffgemisch handelt, das aus Biomasse gewonnen worden ist. Streitig ist allein die Frage, ob es sich bei dem Herstellungsverfahren um eine "thermochemische Umwandlung" handelt.

Nach der vom Beklagten nicht bestrittenen Beschreibung der Klägerin wird - vereinfacht dargestellt - XY aus Pflanzenölen aus Ölsaaten sowie einem geringen Anteil tierischer Fette als Ausgangsprodukte gewonnen, deren Bestandteile (Triglyceride) bei Temperaturen von 320 °C bis 360 °C und bis zu 80 bar Druck in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Neben der Spaltung des Fettsäureglycerids erfolgt durch Isomerisierung (Umwandlung von Molekülen) ein Umbau der Kettenstruktur. Nach Eliminierung von nicht benötigten Bestandteilen entsteht das Endprodukt. Nach einem von der Klägerin vorgelegten Biozertifikat (Sachakte A Bl. 20) handelt es sich um hydriertes Pflanzenöl. Dieser Herstellungsprozess stellt keine "thermochemische Umwandlung" im Sinne des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG dar.

Der Begriff "thermochemische Umwandlung" ist aus sich heraus nicht eindeutig. Da er gesetzlich nicht definiert ist, bedarf er der Auslegung. Der Senat schließt sich dem vom Beklagten vertretenen engen Verständnis, wonach die Extraktion von Pflanzenöl aus Ölsaat mit anschließender Hydrierung zu Kohlenwasserstoffen trotz der Wärmezufuhr keine thermochemische Umwandlung darstellt, auch angesichts des Grundsatzes, Ausnahmevorschriften - um eine solche handelt es sich bei der Steuerentlastungsvorschrift des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG - eng auszulegen, an. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Begriff "thermochemische Umwandlung" ließe sich unter Zugrundelegung eines allgemeinen Sprachverständnisses als chemischen Reaktionsprozess unter Zufügung von Wärme verstehen. Dieses weite Verständnis - unter das man das streitgegenständliche Erzeugnis XY möglicherweise fassen könnte - widerspräche jedoch dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers und auch dem sich aus verschiedenen Publikationen erschließenden Verständnis dieses Begriffs.

In der Gesetzesbegründung zum auch das Energiesteuergesetz ändernden Bio-kraftstoffquotengesetz (BT-Drucks. 16/2709, S. 18) heißt es zu § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG: "Besonders förderungswürdige Biokraftstoffe sind danach Biomass-to-Liquid (BtL)-Kraftstoffe." Hieraus ergibt sich mangels einer sprachlichen Einschränkung wie etwa "z. B." oder "insbesondere", dass der Gesetzgeber ausschließlich die sog. BtL-Kraftstoffe als durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnen und damit als besonders förderungswürdig angesehen hat. Dass der Gesetzgeber auch von einem grundsätzlich restriktiven Verständnis der Entlastungstatbestände ausgeht, ergibt sich aus der weiteren Begründung zum Biokraftstoffquotengesetz. So wird bereits eingangs der Begründung darauf hingewiesen, dass die dynamische Entwicklung der im Verkehr eingesetzten Bio-kraftstoffe auf der Basis der bisherigen Förderung über Steuervergünstigungen zu ansteigenden Steuerausfällen geführt habe und ein weiterer Ausbau auf dieser Grundlage mit dem Konsolidierungskurs der Bundesregierung nicht mehr vereinbar sei (BT-Drucks. 16/2709, S. 1). Dieser Ansatz führte zur Einführung einer Biokraftstoffquote und zu Änderungen unter anderem des Energiesteuergesetzes. So werden ausweislich der Gesetzesbegründung zu Art. 1 EnergieStG künftig Beimischungen von Biokraftstoffen nicht mehr steuerlich begünstigt und es wird die steuerliche Entlastung auf besonders förderungswürdige Biokraftstoffe beschränkt (vgl. BT-Drucks. 16/2709, S. 15 u. 17). Hieraus ergibt sich für den Senat, dass der Gesetzgeber die Steuerentlastungstatbestände einerseits generell restriktiv verstanden wissen will und andererseits, dass nach seinem Verständnis der Entlastungstatbestand des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG auf BtL-Kraftstoffe begrenzt ist.

Dass der Entlastungstatbestand des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG auf BtL-Kraftstoffe begrenzt ist, wird auch in der Kommentarliteratur überwiegend so gesehen. So schreibt Möhlenkamp (in Möhlenkamp/Milewski, § 50 EnergieStG, Rn. 9), dass es sich bei den synthetischen Kohlenwasserstoffen, die durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnen würden, um sog. BtL-Kraftstoffe (Biomass to Liquid = Biomasseverflüssigung) handele, die Verfahren zur BtL-Produktion seien aber noch in der Entwicklung, eine kommerzielle Nutzung sei auch aufgrund fehlender Konkurrenzfähigkeit bislang noch nicht möglich. In diesem Sinne formuliert auch Friedrich (in Friedrich/Meißner, § 50 EnergieStG, Rn. 16), bei den BtL-Kraftstoffen aus Biomasse gemäß Biomasseverordnung werde Synthesegas gewonnen, das dann zu flüssigem Kraftstoff verarbeitet werde; BtL-Kraftstoffe seien besonders förderungswürdige Biokraftstoffe, das Verfahren müsse sich jedoch in der Praxis noch durchsetzen. Lediglich bei Stein/Thomas (Energiesteuer in der Praxis, 2. Auflage, Seite 168) wird allgemeiner formuliert, unter dem Begriff "thermochemisch" verstehe man, dass die Biomasse durch Wärmeeinsatz in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werde.

Dass die Extraktion von Pflanzenöl aus Ölsaat mit anschließender Hydrierung zu Kohlenwasserstoffen nicht zu einem BtL-Kraftstoff führt und insofern nicht als "thermochemische Umwandlung" angesehen werden kann, ergibt sich aus überzeugenden Darstellungen in fachlichen Publikationen sowie Internetveröffentlichungen.

Dabei hat sich das fachliche Verständnis davon, was unter einem BtL-Kraftstoff zu verstehen ist, seit dem Streitjahr nicht verändert. So heißt es bereits in der Publikation "Basisinformationen zu BtL-Kraftstoffen" der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. aus dem Mai 2006 (www.fnr-sever.de/cms35/fileadmin/fnr/images /aktuelles/medien/BTL/BtL_Basisinformationen.pdf), bei der Herstellung von BtL-Kraftstoffen werde zerkleinerte Biomasse in einen Vergasungreaktor eingetragen und unter Zuführung von Wärme, Druck und einem Vergasungsmittel, z. B. Sauerstoff, zu einem Synthesegas umgesetzt. Eine Einschränkung auf bestimmte Biostoffe bzw. Pflanzenteile - wie sie bei herkömmlichen Biokraftstoffen der ersten Generation erforderlich war - besteht danach nicht mehr. Vielmehr heißt es in der Publikation, für die Herstellung sei ein sehr breites pflanzliches Spektrum nutzbar, es reiche von eigens angebauten Energiepflanzen über Wald- oder Schnellwuchsholz bis hin zu Reststoffen wie Stroh und Restholz oder auch organischen Abfällen. Es könnten nicht nur einzelne Inhaltsstoffe oder Pflanzenteile, sondern die gesamten Pflanzen verwendet werden. Auch in anderen - aktuellen - Veröffentlichungen findet man vergleichbare Beschreibungen. Danach werden bei der "thermochemischen Umwandlung" von Biomasse die chemischen Inhaltsstoffe der Biomasse durch thermische Energie in ein Gemisch aus chemisch ähnlichen Kohlenstoffverbindungen überführt. Bei der Verflüssigung wird der Brennstoff zunächst vergast und zu flüssigen Kohlenwasserstoffen umgesetzt, auf diese Weise entstehen BtL-Kraftstoffe (www.ernergie-agentur.nrw.de/biomasse/thermochemische-Umwandlung), wobei die Idee der Herstellung eines BtL-Kraftstoffes nicht die Nutzung (nur) von Pflanzenölen bzw. bestimmten ölhaltigen Pflanzenteilen, sondern insbesondere auch die Umwandlung fester Stoffe in flüssige Kraftstoffe ist. Auf diesem Wege soll die Gewinnung nicht mineralischer Kraftstoffe auf eine breitere Rohstoffbasis gestellt werden, da - anders als beim herkömmlichen Biodiesel - nicht nur Pflanzenöle, sondern die gesamte Pflanze genutzt wird (so auch roemp.com, Ausdruck als Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 11.10.2011; www.biokraftstoffe.fnr.de/kraftstoffe/btl-biomass-to-liquid/). Um aus Biomasse BtL-Kraftstoffe herzustellen, wird die jeweilige Biomasse zunächst in einen gasförmigen Zustand überführt (www.biomasse.de/biomasse-kraftstoff/btl-kraftstoff). Dabei ist die Vergasung also ein zumindest regelmäßiger Herstellungsschritt (www.wikipedia.de, Suchbegriff BtL Kraftstoff), durch Pyrolyse oder auch Vergasung wird die Struktur der Biomasse bei 200°C bis 1000°C umgewandelt (www.bio-kraft-stoff.de/Herstellung-von-BtL-Kraftstoffen). Im Falle der Herstellung von XY wird jedoch - wie beim klassischen Biodiesel auch - bereits flüssige Biomasse, nämlich Öle und Fette, bzw. werden ölhaltige Pflanzenbestandteile durch Hydrierung in Kraftstoff umgewandelt. Trotz der erheblichen Wärmezufuhr fehlt es an dem Schritt der thermochemischen Umwandlung.

Auch aus dem Bericht der Universität Karlsruhe "Neuartige Kraftstoffe und zukünftige Abgasemissionen bei Kraftfahrzeugen - eine Übersicht" aus 2007 (Sachakte B S. 20 ff.) ergibt sich, dass sich thermochemische Verfahren dadurch auszeichnen, dass sie einen thermochemischen Schritt, z. B. eine Vergasung, enthalten, der die katalytisch-chemische Konversion folgt. Ein solcher thermochemischer Schritt, der mehr als nur die schlichte Zufuhr von Wärme bedeuten muss, ist im Prozess der Herstellung von XY nicht erkennbar. Der von der Klägerin vorgelegte Aufsatz von R. D. Hayes, kanadisches Ministerium für Energie, zur thermochemischen Umwandlung (deutsche Übersetzung in der Gerichtsakte, Bl. 55 ff.) belegt nichts anderes. Abgesehen davon, dass dort keine gegenwärtige Technik, sondern lediglich Forschungsvorhaben beschrieben werden, wird dort - auf Seite 2 - als gegenwärtiger Prozess der thermochemischen Umwandlung ausdrücklich auf die Beschränkung auf "Pyrolyse und Vergasung von Holz, Öl oder Gas" hingewiesen. Im Streitfall kann aber nur auf die gegenwärtige Technik und nicht auf künftige Möglichkeiten abgestellt werden. Auch bei Kaltschmitt/Hartmann/Hofbauer (Energie aus Biomasse, Seite 375, Anlage 1 zum Beklagtenschriftsatz vom 10.11.2011) heißt es, dass das Ziel einer thermochemischen Umwandlung biogener Festbrennstoffe die chemische Veränderung des eingesetzten biogenen Festbrennstoffs unter Wärmeeinwirkung sei; die thermochemische Umwandlung münde letztendlich immer in eine möglichst vollständige Verbrennung, bei der gasförmige Oxidationsprodukte sowie unverbrennbare mineralische Rückstände entstünden. Schließlich beschreibt eine Analyse des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Anlage 4 zum Beklagtenschriftsatz vom 10.11.2011) BtL-Kraftstoffe als durch Umwandlung von aus cellulosehaltiger Biomasse gewonnenem Synthesegas hergestellte Reinkraftstoffe.

Auch die Verordnungsermächtigung in § 66 Abs. 1 Nr. 11a lit. e) EnergieStG führt nicht zu einem anderen Verständnis der in Rede stehenden Norm. Dort findet sich die Ermächtigung, abweichend von § 50 Abs. 5 EnergieStG andere als die dort genannten Energieerzeugnisse als besonders förderungswürdige Biokraftstoffe zu bestimmen, sofern sie ein hohes CO2-Verminderungspotenzial aufweisen und bei ihrer Herstellung auf eine breitere biogene Rohstoffgrundlage zurückgegriffen werden kann als bei herkömmlichen Biokraftstoffen. Insoweit wird ermöglicht, im Verordnungswege - über § 50 Abs. 5 EnergieStG hinaus - weitere Kraftstoffe als besonders förderungswürdig zu definieren, ohne dass dies für eine Auslegung von § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG herangezogen werden könnte. Insbesondere lässt sich daraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Schluss ziehen, für eine besondere Förderungsbedürftigkeit i. S. v. § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG bedürfe es keiner breiteren biogenen Rohstoffgrundlage. Die Verordnungsermächtigung des § 66 Abs. 1 Nr. 11 a lit. e) EnergieStG beinhaltet vielmehr und lediglich eine Ermächtigung, den Katalog der besonders förderungswürdigen Biokraftstoffe zu erweitern, sofern sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 16/2709, S. 19). Die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Nr. 11 a lit. e) EnergieStG trägt damit dem Umstand Rechnung, dass eine abschließende Festlegung, welche Erzeugnisse besonders förderungswürdige Biokraftstoffe sind, im Zeitpunkt des Erlasses des Biokraftstoffquotengesetzes nicht möglich war (vgl. BT-Drucks. 16/2709, S. 19) und auch heute nicht möglich ist. Keinesfalls strahlt indes die Verordnungsermächtigung des § 66 Abs. 1 Nr. 11 a lit. e) EnergieStG auf das Verständnis des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG aus. Dass sich einzelne Voraussetzungen - etwa die breitere Rohstoffverwendung - als Charakteristikum des unter § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG fallenden BTL-Kraftstoffes einerseits und als Tatbestandsmerkmal der Verordnungsermächtigung in § 66 Abs. 1 Nr. 11 a lit. e) EnergieStG andererseits (teilweise) überschneiden, ist im zu betrachtenden Kontext unerheblich.

Sofern die Klägerin hilfsweise beantragt hat, Beweis über die Tatsache zu erheben, dass die Umwandlung von biomassestämmigen Einsatzstoffen in einem Verfahren durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff unter spezifischen Temperaturbedingungen nach allgemeinen chemischen Grundsätzen eine thermochemische Umwandlung darstellt bzw. dass das Herstellungsverfahren von XY einen thermochemischen Umwandlungsprozess darstellt, musste der Senat dem nicht nachgehen. Bei der Frage, ob im Streitfall ein thermochemischer Umwandlungsprozess i. S. v. § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG stattgefunden hat, handelt es sich um eine reine Rechtsfrage, bei der es auf die juristische und nicht eine naturwissenschaftliche Definition ankommt.

Der Senat übersieht bei alledem nicht, dass in Anhang III der Richtlinie 2009/28/EG vom 23.04.2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen der Begriff hydriertes Pflanzenöl mit dem Klammerzusatz "thermochemisch mit Wasserstoff behandeltes Pflanzenöl" versehen ist. Hierbei handelt es sich jedoch um keine für die Anwendung des nationalen Rechts verbindliche Auslegung, vielmehr handelt es sich lediglich um eine nicht weiter definierte Formulierung innerhalb einer Auflistung verschiedener Kraftstoffe und deren jeweiligem Energiegehalt.

Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, inwiefern XY aufgrund seiner speziellen Eigenschaften besonders förderungswürdig ist, kommt es nach Auffassung des Senats für sich betrachtet nicht an. Insofern bedurfte es mangels Erheblichkeit auch nicht der von der Klägerin hilfsweise beantragten Beweiserhebung zum Schadstoffverminderungspotenzial von XY. § 50 Abs. 5 EnergieStG legt in einer abschließenden Aufzählung in den Nrn. 1 - 3 fest, welche Erzeugnisse als besonders förderungswürdig anzusehen sind. Die Voraussetzungen für die besondere Förderungswürdigkeit ergeben sich aus den Nrn. 1 - 3, dabei stellt die besondere Förderungswürdigkeit selbst keine Tatbestandsvoraussetzung dar, deren Vorliegen bereits zur Steuerentlastung führen würde, sondern ist die Folge, wenn die Voraussetzungen der Nrn. 1 - 3 vorliegen. Maßgeblich ist also allein die Anwendung eines der dort genannten Herstellungsverfahren bzw. die dort beschriebene Zusammensetzung des Kraftstoffes.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

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