LG Dortmund, Urteil vom 13.12.2013 - 3 O 305/13
Fundstelle
openJur 2014, 1029
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über sämtliche Namen und Anschriften der treuhänderisch beteiligten Gesellschafter, die an der Beklagten beteiligt sind, zu erteilen und eine aktuelle Adressliste herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 16.989,75 € werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte (Beteiligungsgesellschaft) auf Erteilung von Akteneinsicht in ihren Geschäftsräumen über die gesamten Geschäftsvorfälle in den Geschäftsjahren 2004 bis 2013 sowie auf Auskunfts- und Rechenschaftserteilung über sämtliche Namen und Anschriften der an der Beklagten beteiligten Mitgesellschafter in Anspruch.

Die Klägerin trat der Beklagten am 24.11./16.12.2004 über eine Treuhandkommanditistin (E) als mittelbare Gesellschafterin mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 90.000,00 USD zuzüglich 5 % Agio bei (Beitrittserklärung Anlage K1 = Bl. 10 f. d.A.).

Die Klägerin meint, dass ihr als mittelbarer Gesellschafterin dieselben Informations- und Kontrollrechte aus § 166 HGB zustünden wie den unmittelbaren Gesellschaftern.

Dem stehe die Regelung in § 7 Ziff. 5. des Gesellschaftsvertrages (Bl. 22: Wahrnehmung des Kontrollrechtes gemäß § 166 HGB durch den Verwaltungsrat und Berechtigung des Verwaltungsrates, u.a. die Bücher der Gesellschaft einzusehen) nicht entgegen. Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie mit ihren Mitgesellschaftern insbesondere wegen der enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Fondsgesellschaft in Kontakt treten möchte, um z.B. das erforderliche Quorum für die Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 9 Ziff. 2. Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages (Bl. 23) organisieren zu können; der Auskunftsanspruch folge es dieser Bestimmung des Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 716 BGB.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Akteneinsicht in ihren Geschäftsräumen über die gesamten Geschäftsvorfälle in den Geschäftsjahren 2004 bis 2013, insbesondere Akteneinsicht in die in der Präambel sowie in §§ 2, 6 des Gesellschaftsvertrages i.V.m. Anlage 1 zum Gesellschaftsvertrag aufgeführten Rechtsgeschäfte bzw. Verträge mit den Vertragspartnern, Gründungsverträge, Abrechnungen sowie Akteneinsicht in die in deutscher Textfassung vorliegenden Kauf-, Beteiligungs- und Ges gewähren;

2.

der Klägerin Auskunft und Rechenschaft über sämtliche Namen und Anschriften der treuhänderisch beteiligten Gesellschafter, die an der Beklagten beteiligt sind, zu erteilen und eine aktuelle Adressliste herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen entgegen und beantragt Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Terminsprotokoll vom 13.12.2013 (Bl. 122, 122R d.A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist teilweise - nämlich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - begründet.

1. Anspruch auf Erteilung von Akteneinsicht in Geschäftsunterlagen

Ein solcher Anspruch steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Es ist schon fraglich, ob der Klageantrag zu Ziff. 1. hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist (dazu unter a.). Aus § 166 HGB ergibt sich außerdem kein umfassendes Informationsrecht der Klägerin über die Geschäftsvorfälle der Beklagten(dazu unter b.). Abgesehen davon wurde das gesetzliche Kontrollrecht des Kommanditisten aus § 166 HGB in § 7 Ziff. 5. des Gesellschaftsvertrages wirksam auf den Verwaltungsrat übertragen (dazu unter c.).

a. Bestimmtheit des Klageantrages (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)

Auch Klagen auf Gewährung von Einsicht in Geschäftsunterlagen müssen grundsätzlich eindeutig sein und möglichst genau spezifizieren, welche Belege Gegenstand des Einsichtsrechts sein sollen (vgl. Musielak-Foerste, ZPO, 10. Auflage 2013, § 253 Rn. 32; Unberath, in: BeckOK BGB, Hrsg.: Bamberger/Roth, Stand: 01.03.2011, § 260 Rn. 40).

Die mit dem Antrag zu Ziff. 1. begehrte Einsicht in Akten "über die gesamten Geschäftsvorfälle in den Geschäftsjahren 2004 bis 2013" genügt diesen Anforderungen nicht. Auch wenn man der Klägerin wird zugestehen müssen, dass sie die betreffenden Rechtsgeschäfte bzw. Verträge selbst nicht kennt und folglich nicht konkret bezeichnen kann, läuft der Klageantrag zu Ziff. 1. auf ein Einsichtsrecht in sämtliche Geschäftsunterlagen der Beklagten ohne jede Beschränkung und insbesondere ohne irgendeinen Bezug zur Klägerin hinaus. Auch die vermeintliche Konkretisierung ("(...), insbesondere Akteneinsicht in (...)") erschließt sich nicht. Es bleibt unklar, welche in der Präambel, in den §§ 2, 6 des Gesellschaftsvertrages bzw. in dessen Anlage aufgeführten Rechtsgeschäfte bzw. Verträge die Klägerin meint.

b. § 166 HGB

Nach § 166 Abs. 1 HGB ist der Kommanditist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Das Einsichtsrecht ist also auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage 2012, § 166 Rn. 4 m.w.N.). Darum geht es der Klägerin vorliegend aber nicht: Sie verlangt uneingeschränkte Einsicht in alle Geschäftsunterlagen der Beklagten aus den letzten zehn Jahren, nicht aber um die Überprüfung von Jahresabschlüssen.

Einem Anspruch der Klägerin auf Erteilung von Einsicht in Geschäftsunterlagen der Beklagten stünde außerdem § 166 Abs. 2 HGB entgegen. Danach haben der Kommanditist - und insoweit der diesem gleichgestellte Treugeber - nicht die

Kontrollrechte aus § 118 HGB, worunter fällt, dass sie sich persönlich von den Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Bilanz und einen Jahresabschluss anfertigen lassen können.

§ 166 Abs. 3 HGB ist ebenfalls nicht einschlägig. Die außerordentlichen Informationsrechte eines Kommanditisten bzw. Treugebers nach dieser Vorschrift sind nicht im Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern in einem sog. unternehmensrechtlichen Verfahren (§ 375 Nr. 1 FamFG) vor dem Amtsgericht als Registergericht (§ 376 FamFG) durchzusetzen.

c. Übertragung der Kontrollrechte auf den Verwaltungsrat

Abgesehen davon wurde das gesetzliche Kontrollrecht des Kommanditisten aus § 166 HGB in § 7 Ziff. 5. des Gesellschaftsvertrages wirksam auf den Verwaltungsrat übertragen.

Dies hat das OLG Hamm für den hier streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrag bereits entschieden (Urt. v. 03.12.2012 - 8 U 20/12 - BeckRS 2013, 03210). Die Ausübung der den Kommanditisten nach § 166 HGB zustehenden Kontrollrechte durch den Verwaltungsrat beschneidet die Rechte der Kommanditisten nicht in unzulässiger Weise. Denn zwei von drei Mitgliedern des Verwaltungsrates werden gemäß § 7 Ziff. 2. des Gesellschaftsvertrages aus der Mitte der Kommanditisten gewählt (S. 1), lediglich ein weiteres Verwaltungsratsmitglied wird durch die Komplementärin bestimmt (S. 3). Damit ist gewährleistet, dass die Kommanditisten die ihnen zustehenden Kontrollrechte zumindest mittelbar in wirksamer Weise ausüben können (ebenso für die Publikums-KG: BGH, Urt. v. 16.01.1984 - II ZR 36/83 - NJW 1984, 2470, 2471; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 166 Rn. 18 u. Anhang nach § 177a Rn. 72).

2. Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft bezüglich Namen und Anschriften

der Mitgesellschafter

Dieser Anspruch ist nach der Rechtsprechung dieser Kammer (vgl. nur die Urteile jeweils vom 22.03.2013, Az.: 3 O 5/13, 3 O 6/13 und 3 O 7/13), die sich an dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 05.02.2013 (Az.: II ZR 134/11, NJW 2013, 2190)

orientiert, begründet. An dieser Rechtsprechung (s. auch das Parallelurteil v. 05.02.2013 - II ZR 136/11 - BeckRS 2013, 04841) hat der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung ausdrücklich festgehalten (Beschl. v. 28.05.2013 - II ZR 207/12 - BeckRS 2013, 14141).

Zur Erteilung der Auskunft ist die Beklagte unbedingt zu verurteilen, nicht lediglich Zug um Zug gegen Erstattung der ihr durch die Übermittlung der Daten entstehenden Kosten. Zwar steht dem Auskunftsschuldner im Grundsatz ein derartiges Zurückbehaltungsrecht zu (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 10.10.2012 - 14 U 13/12 - BeckRS 2013, 04352; OLG München, Urt. v. 12.03.2012 - 19 U 4227/11 - BeckRS 2012, 10519; AG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.2010 - 44 C 3557/10 - BeckRS 2011, 01235). Ob hier überhaupt nennenswerte Auskunftskosten für die Beklagte zu erwarten sind, bedarf keiner näheren Vertiefung. Denn die Beklagte hat etwaige Auskunftskosten nicht einmal ansatzweise beziffert (S. 11 f. ihres Schriftsatzes vom 24.10.2013 = Bl. 58 f. d.A.), so dass ihr insoweit ein Zurückbehaltungsrecht nicht zusteht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO. Für beide Klageanträge war ein einheitlicher Streitwert festzusetzen, der nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München, Urt. v. 12.02.2010 - 5 U 3140/09 - zit. nach juris, Rn. 30; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.10.2012 - 14 U 13/12 - zit. nach juris, Rn. 210) und auch der Rechtsprechung dieser Kammer (vgl. Urt. v. 22.03.2013 - 3 O 5/13 - BeckRS 2013, 16778; Urt. v. 22.03.2013 - 3 O 6/13 - BeckRS 2013, 08586; Urt. v. 22.03.2013 - 3 O 7/13 - BeckRS 2013, 16779) regelmäßig mit ¼ der Beteiligungssumme (ohne Agio) zu bemessen ist. Hier betrug die Beteiligungssumme der Klägerin (ohne Agio) 90.000,00 USD. Da am 16.12.2004 (Zeichnungsdatum) 1,00 USD 0,7551 € wert war, ergibt sich umgerechnet eine Beteiligungssumme (ohne Agio) von 67.959,00 €. ¼ davon sind 16.989,75 €.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.