AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 23.10.2013 - 15 C 531/10
Fundstelle
openJur 2014, 798
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Die Kläger haben gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung des begehrten Betrages in Höhe von 794,07 Euro, insbesondere nicht aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von Grundgebühren in Höhe von 322,86 Euro aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB. Den Klägern gelingt es nicht nachzuweisen, dass die Beklagte ihr Ermessen bei Einbau des Wasserzählers Qn 6 im Jahre 1981 und bei den turnusmäßigen Austauschen in den Jahren 1996, 2002 und 2007 schuldhaft fehlerhaft ausgeübt hat. Die von der Beklagten getroffene Auswahl in den Jahren 1996, 2002 und 2007 des verwendeten Wasserzählers der Dimensionierung Qn 6 ist ermessensfehlerfrei im Rahmen des von der Beklagten nach Billigkeitsmaßstäben auszuübenden Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV stellt das Wasserversorgungsunternehmen die vom Kunden verbrauchte Wassermenge durch Messeinrichtung fest, die den eichrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 6 Abs. 1a EichO, entsprechen muss. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV bestimmt das Wasserversorgungsunternehmen Art, Zahl und Größe sowie Anbringungsort der Messeinrichtungen. Das Wasserversorgungsunternehmen hat dafür Sorge zu tragen, dass eine einwandfreie Messung der verbrauchten Wassermenge gewährleistet ist. Es hat dabei den Kunden und den Anschlussnehmer anzuhören und deren berechtigte Interessen zu wahren. Das Wasserversorgungsunternehmen verfügt insoweit über ein Bestimmungsrecht (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09; OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09). Dies erfordert eine vom Wasserversorgungsunternehmen vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09.). Bei Ausübung ihres Ermessens ist die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehalten, diesem den aktuellen Stand der Technik zugrunde zu legen und unter dessen Berücksichtigung darüber zu entscheiden, ob ein Austausch des Wasserzählers wegen neuerer technischer Erkenntnisse gerechtfertigt ist.

Die Beklagte schuldet jedoch nur dann eine Ermessensentscheidung, wenn im streitgegenständlichen Zeitraum entweder die Kläger einen Austausch des Wasserzählers gefordert haben oder aber ein turnusmäßiger Zähleraustausch seitens der Beklagten geschuldet war. Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsvertrages bestehen gegenüber den Klägern besondere Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 242, 241 Abs. 2 BGB). Aus diesen folgt jeweils ein Anspruch auf erneute Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts dann, wenn sich der technische Standard, der einen Einfluss auf die Auswahl der Messgeräte hat, in einem wesentlichen Maße ändert und beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemacht werden. Das Versorgungsunternehmen ist dann gehalten, eine neue Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, ob ein Austausch der Wasserzähler unter Berücksichtigung des neuen Standes der Technik im Interesse des Kunden vorzunehmen ist. (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09). Entgegen der Auffassung der Kläger schuldet die Beklagte nicht bereits dann eine erneute Ermessensausübung, wenn sich allein der Stand der Technik geändert hat. Der Bundesgerichtshof fordert - wie bereits ausgeführt - kumulativ zur Änderung des Standes der Technik, dass beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemachten werden. Eine solche Geltendmachung etwaiger beachtenswerter Interessen kann nur durch den Kunden selbst erfolgen, wie z.B. durch Antrag auf Überprüfung des eingesetzten Wasserzählers (so auch OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09). Unstreitig haben die Kläger die Beklagte zur Überprüfung bzw. Austauschs des Wasserzählers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aufgefordert. Eine Ermessenüberprüfung schuldet die Beklagte lediglich beim turnusmäßigen Austausch des Wasserzählers in den Jahren 1996, 2002 und 2007. In der zu treffenden Ermessensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 21.04.2010 auf den aktuellen Stand der Technik, nicht aber auf allgemein anerkannten Regeln der Technik abzustellen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist den Klägern der Nachweis nicht gelungen, dass der in ihrem Wohnhaus eingesetzte Wasserzähler Qn 6 bei Einbau im Jahre 1981 und in den Zeitpunkten des turnusmäßigen Austausches im in den Jahren 1996, 2002 und 2007 nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprach und allein ein Wasserzähler der Dimensionierung Qn 2,5 hätte eingesetzt werden dürfen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der eingesetzte Wasserzähler Qn 6 zum Zeitpunkt des Einbaus als auch zum Zeitpunkt der turnusmäßigen Austausche dem Stand der Technik entsprach. Bei Einbau des Zählers im Jahre 1981 als auch bei den turnusmäßigen Austauschen sei sowohl ein Wasserzähler der Dimensionierung Qn 2,5 als auch der Dimensionierung Qn 6 möglich und geeignet gewesen. Beide Zähler entsprächen bei Einbau in ein Einfamilienhaus den eichrechtlichen Vorschiften. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass die DIN 1988 sowie das Arbeitsblatt W 406 als Hilfsmittel zur Bestimmung des einzusetzenden Zählers verwendet werden würden. Sowohl nach der DIN 1988 als auch nach dem Arbeitsblatt W 406 sei der Einbau eines Wasserzählers der Baugröße Qn 2,5 als auch der Baugröße QN 6 möglich gewesen. Insbesondere schließe die Anwendung des Arbeitsblattes W 406 die Anwendung der DIN 1988 nicht aus.

Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Wertung an. Der Sachverständige hat insbesondere im Rahmen der mündlichen Anhörung anschaulich die Grundlagen seines Gutachtens erläutert und überzeugt auch hinsichtlich seiner praktischen Erfahrung. Soweit die Kläger gegen die Sachkunde des Sachverständigen einwenden, dieser habe nur Erfahrungen auf dem Gebiet Niedersachsen, kann dieser Einwand das Gericht von einer fehlenden Sachkunde nicht überzeugen. Zwar ist der Sachverständige nicht im hiesigen Bezirk tätig. Er hat seine Feststellungen jedoch maßgeblich darauf gestützt, dass die Einhaltung der eichrechtlichen Normen bei beiden Zählern Qn 2,5 als auch Qn 6 gewahrt sei. Die Grundlage seiner Bewertung basiert auf bundesrechtlichen Normen und nicht auf landestypischen Gegebenheiten. Insbesondere ergibt sich aus den Einwendungen der Kläger nicht, welche erheblichen Unterschiede zur Bemessung der Zählerwahl zwischen dem hiesigen Bezirk und dem Zuständigkeitsbereich des Sachverständigen - Hannover - bestehen. Soweit die Kläger weiter gegen das Gutachten des Sachverständigen einwenden, dass im Hinblick auf ein Schreiben der M F L von Mai 2011 und des Landesbetriebes Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen vom 08.05.2010 die Verwendung eines Zählers der Baugröße Qn 6 nunmehr bußgeldbewährt sei, erschüttert dies die Feststellungen des Sachverständigen nicht. Die zur Akte gereichten Schreiben stammen aus August 2010 und Mai 2011. Der von dem Sachverständigen zu beurteilende Zeitraum erstreckt sich bis April 2010. Bereits in zeitlicher Hinsicht kann das Schreiben der M F L sowie das Schreiben des Landesbetriebs für Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen die Feststellungen des Sachverständigen für einen bei Erstellung des Schreibens bereits abgeschlossenen Zeitraum nicht in Zweifel ziehen. Auch kann der von den Klägern zur Akte gereichte Artikel "Mangelnde Messrichtigkeit von überdimensionierten Haus-Wasserzählern in Wohngebäuden" die Feststellungen des Sachverständigen nicht erschüttern. Der Mitautor K ist gerichtsbekannt ebenfalls Kläger im Rahmen eines Parallelverfahrens, weshalb dessen Auffassung nicht als unabhängige Fachmeinung beurteilt werden kann. Die weiteren Einwände gegen den Sachverständigen, die die Kläger aus Bekundungen des Sachverständigen im Rahmen einer weiteren Anhörung dessen in einem Parallelverfahren, Az.: 20 C 522/10, ziehen wollen, sind im vorliegenden Verfahren nicht beachtlich. Die Äußerungen waren nicht Gegenstand der hiesigen Beweisaufnahme und sind daher auch vorliegend nicht verwertbar.

Der Sachverständige war auch nicht zu entpflichten. Gemäß § 412 ZPO ordnet das Gericht eine neue Begutachtung an, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Eine solche ungenügende Gutachtenerstattung sieht das Gericht aus den bereits ausgeführten Gründen nicht.

Auch aus dem Schreiben der vormals Beklagten zu 1 vom 19.10.2009 an Herrn K kann eine fehlerhafte Ermessensauswahl der Beklagten nicht entnommen werden. Aus dem Schreiben der vormals Beklagten zu 1 ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht zu entnehmen, dass bereits bei Einbau bzw. bei den turnusmäßigen Austauschen von der Beklagten der Einbau eines Wasserzählers der Dimensionierung Qn 2,5 geschuldet war. Im Schreiben vom 19.10.2009 an Herrn K nimmt die vormals Beklagte zu 1 Bezug auf einen von Herrn K eingereichten Inbetriebsetzungsantrag. Die vormals Beklagte zu 1 teilt weiter mit, dass unter Zugrundelegung dieses Inbetriebsetzungsantrages ein Wasserzähler der Baugröße Qn 2,5 ausreichend sei. Es bleibt unklar, wann der Inbetriebsetzungsantrag durch Herrn K gestellt worden ist und damit auf welchen Zeitpunkt die im Antrag enthaltenen Werte sich beziehen. Darüber hinaus richtet sich das Schreiben gerade nicht an die Kläger. Auch wenn das Gebäude der Kläger mit dem des Herrn K vergleichbar ist, können die für das Gebäude des Herrn K bei Antragstellung eingereichten Werte nicht pauschal auf das Gebäude der Kläger übertragen werden.

Auch wenn unterstellt würde, dass bei Einbau im Jahre 1981 oder beim Austausch in den Jahren 1996, 2002 und 2007 der Wasserzähler Qn 6 nicht mehr dem jeweiligen Stand der Technik entsprach, würde es an einem Verschulden der Beklagten fehlen. Es stellt keinen schuldhaften Verstoß gegen die Schutz- und Rücksichtnahmepflichten dar, im Jahre 1981 den Wasserzähler Qn 6 einzubauen und es bei diesem bei den turnusmäßigen Wechseln zu belassen. Ab 2004 galt neben dem Arbeitsblatt W 406 die DIN 1988 weiter. Beide Richtlinien gelten nebeneinander und verweisen auch aufeinander (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09; AG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012, Az.: 34 C 11852/10). Beide Regelwerke haben einen anderen Ansatz. Das Arbeitsblatt W 406 und die DIN 1988 gehen zwar von denselben Forschungsergebnissen aus, haben aber unterschiedliche Zielrichtungen. Während die DIN 1988 die Hydraulik der Trinkwasserinstallation, wozu auch der Druckverlust durch den Zähler gehört, beschreibt, gibt das Arbeitsblatt W 406 Hinweise für die Zählerauswahl mit Blick auf die Messgenauigkeit, ohne auf die verursachten Druckverluste einzugehen. Sowohl die DIN 1988 als auch das Arbeitsblatt W 406 haben von ihrem jeweiligen Standpunkt ihre Berechtigung, es gibt aber keine neutrale Bewertung über deren Richtigkeit in die eine wie in eine andere Richtung (OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09; AG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012, Az.: 34 C 11852/10). Die unterschiedlichen Grundlagen der DIN 1988 und des Arbeitsblattes W 406 hat auch der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung bestätigt. Die Beklagte war deshalb auch nicht verpflichtet, wegen des Erscheinens des Arbeitsblattes W 406 von sich aus ohne Verlangen der Kläger und ohne Angaben zur Versorgungssituation tätig zu werden. Dies gilt erst recht für die Zeit vor dem Erscheinen des Arbeitsblattes W 406, mithin zum Einbauzeitpunkt und den Jahren 1996 und 2002.

Auch haben die Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 471,21 Euro aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB. Zunächst besteht bereits eine Pflichtverletzung in Form einer fehlerhaften Ermessensentscheidung seitens der Beklagten - wie ausgeführt - nicht. Darüber hinaus konnten die Kläger nicht beweisen, dass ihnen ein Schaden aufgrund Mehrverbrauchs durch den Wasserzähler Qn 6 entstanden ist. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen besteht eine gleiche Fehlerquote sowohl bei einem Wasserzähler der Baugröße Qn 2,5 als auch der Baugröße Qn 6. Eine Ungenauigkeit des Zählers ergebe sich gerade nicht durch dessen Durchlaufgröße.

II.

Mangels Hauptanspruchs stehen den Klägern weder die geltend gemachten Zinsansprüche noch die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.