AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 23.10.2013 - 15 C 434/09
Fundstelle
openJur 2014, 797
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung des begehrten Betrages in Höhe von 584,43 Euro, insbesondere nicht aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von Grundgebühren in Höhe von 345,21 Euro aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB. Der Klägerin gelingt es nicht nachzuweisen, dass die Beklagte ihr Ermessen bei Einbau des Wasserzählers Qn 6 im Jahre 1976 und bei den turnusmäßigen Austauschen im Dezember 2003 und Juli 2009 schuldhaft fehlerhaft ausgeübt hat. Die von der Beklagten getroffene Auswahl in den Jahren 1976, 2003 und 2009 des verwendeten Wasserzählers der Dimensionierung Qn 6 ist ermessensfehlerfrei im Rahmen des von der Beklagten nach Billigkeitsmaßstäben auszuübenden Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV stellt das Wasserversorgungsunternehmen die vom Kunden verbrauchte Wassermenge durch Messeinrichtung fest, die den eichrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 6 Abs. 1a EichO, entsprechen muss. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV bestimmt das Wasserversorgungsunternehmen Art, Zahl und Größe sowie Anbringungsort der Messeinrichtungen. Das Wasserversorgungsunternehmen hat dafür Sorge zu tragen, dass eine einwandfreie Messung der verbrauchten Wassermenge gewährleistet ist. Es hat dabei den Kunden und den Anschlussnehmer anzuhören und deren berechtigte Interessen zu wahren. Das Wasserversorgungsunternehmen verfügt insoweit über ein Bestimmungsrecht (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09; OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09). Dies erfordert eine vom Wasserversorgungsunternehmen vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09.). Bei Ausübung ihres Ermessens ist die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehalten, diesem den aktuellen Stand der Technik zugrunde zu legen und unter dessen Berücksichtigung darüber zu entscheiden, ob ein Austausch des Wasserzählers wegen neuerer technischer Erkenntnisse gerechtfertigt ist.

Die Beklagte schuldet jedoch nur dann eine Ermessensentscheidung, wenn im streitgegenständlichen Zeitraum entweder die Klägerin einen Austausch des Wasserzählers gefordert hat oder aber ein turnusmäßiger Zähleraustausch seitens der Beklagten geschuldet war. Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsvertrages bestehen gegenüber der Klägerin besondere Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 242, 241 Abs. 2 BGB). Aus diesen folgt jeweils ein Anspruch auf erneute Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts dann, wenn sich der technische Standard, der einen Einfluss auf die Auswahl der Messgeräte hat, in einem wesentlichen Maße ändert und beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemacht werden. Das Versorgungsunternehmen ist dann gehalten, eine neue Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, ob ein Austausch der Wasserzähler unter Berücksichtigung des neuen Standes der Technik im Interesse des Kunden vorzunehmen ist. (BGH, Urteil vom 21.04.2010, Az.: VIII ZR 97/09). Entgegen der Auffassung der Klägerin schuldet die Beklagte nicht bereits dann eine erneute Ermessensausübung, wenn sich allein der Stand der Technik geändert hat. Der Bundesgerichtshof fordert - wie bereits ausgeführt - kumulativ zur Änderung des Standes der Technik, dass beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemachten werden. Eine solche Geltendmachung etwaiger beachtenswerter Interessen kann nur durch den Kunden selbst erfolgen, wie z.B. durch Antrag auf Überprüfung des eingesetzten Wasserzählers (so auch OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09). Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte zur Überprüfung bzw. Austauschs des Wasserzählers nicht aufgefordert. Eine Ermessenüberprüfung schuldet die Beklagte lediglich beim turnusmäßigen Austausch des Wasserzählers im Dezember 2003 und Juli 2009. In der zu treffenden Ermessensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 21.04.2010 auf den aktuellen Stand der Technik, nicht aber auf allgemein anerkannten Regeln der Technik abzustellen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Klägerin der Nachweis nicht gelungen, dass der in ihrem Wohnhaus eingesetzte Wasserzähler Qn 6 bei Einbau im Jahre 1976 und in den Zeitpunkten des turnusmäßigen Austausches im Dezember 2003 und Juli 2009 nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprach und allein ein Wasserzähler der Dimensionierung Qn 2,5 hätte eingesetzt werden dürfen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der eingesetzte Wasserzähler Qn 6 zum Zeitpunkt des Einbaus als auch zum Zeitpunkt der turnusmäßigen Austausche dem Stand der Technik entsprach. Bei Einbau des Zählers im Jahre 1976 als auch bei den turnusmäßigen Austauschen sei sowohl ein Wasserzähler der Dimensionierung Qn 2,5 als auch der Dimensionierung Qn 6 möglich und geeignet gewesen. Beide Zähler entsprächen bei Einbau in ein Einfamilienhaus den eichrechtlichen Vorschiften. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass die DIN 1988 sowie das Arbeitsblatt W 406 als Hilfsmittel zur Bestimmung des einzusetzenden Zählers verwendet werden würden. Sowohl nach der DIN 1988 als auch nach dem Arbeitsblatt W 406 sei der Einbau eines Wasserzählers der Baugröße Qn 2,5 als auch der Baugröße QN 6 möglich gewesen. Insbesondere schließe die Anwendung des Arbeitsblattes W 406 die Anwendung der DIN 1988 nicht aus.

Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Wertung an. Der Sachverständige hat insbesondere im Rahmen der mündlichen Anhörung anschaulich die Grundlagen seines Gutachtens erläutert und überzeugt auch hinsichtlich seiner praktischen Erfahrung. Soweit die Klägerin gegen die Sachkunde des Sachverständigen einwendet, dieser habe nur Erfahrungen auf dem Gebiet Niedersachsen, kann dieser Einwand das Gericht von einer fehlenden Sachkunde nicht überzeugen. Zwar ist der Sachverständige nicht im hiesigen Bezirk tätig. Er hat seine Feststellungen jedoch maßgeblich darauf gestützt, dass die Einhaltung der eichrechtlichen Normen bei beiden Zählern Qn 2,5 als auch Qn 6 gewahrt sei. Die Grundlage seiner Bewertung basiert auf bundesrechtlichen Normen und nicht auf landestypischen Gegebenheiten. Insbesondere ergibt sich aus den Einwendungen der Klägerin nicht, welche erheblichen Unterschiede zur Bemessung der Zählerwahl zwischen dem hiesigen Bezirk und dem Zuständigkeitsbereich des Sachverständigen - Hannover - bestehen. Soweit die Klägerin weiter gegen das Gutachten des Sachverständigen einwendet, dass im Hinblick auf ein Schreiben der M F L von Mai 2011, welches die Klägerin im Termin am 11.09.2013 zur Akte gereicht haben, die Verwendung eines Zählers der Baugröße Qn 6 nunmehr bußgeldbewährt sei, erschüttert dies die Feststellungen des Sachverständigen nicht. Das Schreiben der M F L stammt aus Mai 2011. Der von dem Sachverständigen zu beurteilende Zeitraum erstreckt sich bis 2009. Bereits in zeitlicher Hinsicht kann das Schreiben der M F L die Feststellungen des Sachverständigen für einen bei Erstellung des Schreibens über etwa zwei Jahre abgeschlossenen Zeitraum nicht in Zweifel ziehen.

Der Sachverständige war auch nicht zu entpflichten. Gemäß § 412 ZPO ordnet das Gericht eine neue Begutachtung an, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Eine solche ungenügende Gutachtenerstattung sieht das Gericht aus den bereits ausgeführten Gründen nicht.

Auch aus dem Schreiben der vormals Beklagten zu 1 vom 19.10.2009 kann eine fehlerhafte Ermessensauswahl der Beklagten nicht entnommen werden. Aus dem Schreiben der vormals Beklagten zu 1 ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu entnehmen, dass bereits bei Einbau bzw. bei den turnusmäßigen Austauschen von der Beklagten der Einbau eines Wasserzählers der Dimensionierung Qn 2,5 geschuldet war. Zwar gibt die Beklagte zu 1 innerhalb des Schreibens an, dass nach Überprüfung des eingereichten Inbetriebsetzungsantrages bereits nach der DIN 1988 ein Wasserzähler der Baugröße Qn 2,5 ausreichend sei, jedoch ergibt sich aus dem Schreiben nicht, dass die Beklagte anerkennt, dass ein solcher Wasserzähler bereits bei Einbau bzw. zu den Austauschzeitpunkten 2003 und Juli 2009 nach der DIN 1988 hätte eingebaut werden müssen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Ehemann der Klägerin in 2009 nachgefragt habe, ob der Inbetriebsetzungsantrages aus dem Jahre 1976 bei der Beklagten noch vorliege. Als dies verneint wurde, hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass der Klägerin ein neuer Inbetriebsetzungsantrag zugesandt worden ist und dieser ausgefüllt an die Beklagte zurückgesandt wurde. Die Klägerin bestreitet zwar, dass den Angaben der vormals Beklagten zu 1 aus dem Schreiben vom 19.10.2009 die Werte des aktuellen Inbetriebsetzungsantrages zugrunde gelegt worden ist. Allerdings steht fest, dass weder der Klägerin noch der vormals Beklagten zu 1 bzw. der Beklagten der Inbetriebsetzungsantrag aus dem Jahre 1976 noch vorlag. Diesem Vortrag der Beklagten hat die Klägerin nicht widersprochen, weshalb der Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig ist. Da unstreitig die Werte aus dem Jahr 1976 bei Erstellung des Schreibens am 19.10.2009 nicht mehr vorlagen, können nur die Werte des neuen Inbetriebsetzungsantrages Grundlage der Beurteilung der Beklagten zu 1 geworden sein.

Auch wenn unterstellt würde, dass bei Einbau im Jahre 1976 oder beim Austausch in den Jahren 2003 und 2009 der Wasserzähler Qn 6 nicht mehr dem jeweiligen Stand der Technik entsprach, würde es an einem Verschulden der Beklagten fehlen. Es stellt keinen schuldhaften Verstoß gegen die Schutz- und Rücksichtnahmepflichten dar, im Jahre 1976 den Wasserzähler Qn 6 einzubauen und es bei diesem bei den turnusmäßigen Wechseln zu belassen. Ab 2004 galt neben dem Arbeitsblatt W 406 die DIN 1988 weiter. Beide Richtlinien gelten nebeneinander und verweisen auch aufeinander (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09; AG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012, Az.: 34 C 11852/10). Beide Regelwerke haben einen anderen Ansatz. Das Arbeitsblatt W 406 und die DIN 1988 gehen zwar von denselben Forschungsergebnissen aus, haben aber unterschiedliche Zielrichtungen. Während die DIN 1988 die Hydraulik der Trinkwasserinstallation, wozu auch der Druckverlust durch den Zähler gehört, beschreibt, gibt das Arbeitsblatt W 406 Hinweise für die Zählerauswahl mit Blick auf die Messgenauigkeit, ohne auf die verursachten Druckverluste einzugehen. Sowohl die DIN 1988 als auch das Arbeitsblatt W 406 haben von ihrem jeweiligen Standpunkt ihre Berechtigung, es gibt aber keine neutrale Bewertung über deren Richtigkeit in die eine wie in eine andere Richtung (OLG Dresden, Urteil vom 23.12.2011, Az.: 1 U 1472/09; AG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012, Az.: 34 C 11852/10). Die unterschiedlichen Grundlagen der DIN 1988 und des Arbeitsblattes W 406 hat auch der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung bestätigt. Die Beklagte war deshalb auch nicht verpflichtet, wegen des Erscheinens des Arbeitsblattes W 406 von sich aus ohne Verlangen der Klägerin und ohne Angaben zur Versorgungssituation tätig zu werden. Dies gilt erst recht für die Zeit vor dem Erscheinen des Arbeitsblattes W 406, mithin zum Einbauzeitpunkt.

Auch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 239,22 Euro aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 und 2 BGB. Zunächst besteht bereits eine Pflichtverletzung in Form einer fehlerhaften Ermessensentscheidung seitens der Beklagten - wie ausgeführt - nicht. Darüber hinaus konnte die Klägerin nicht beweisen, dass ihr ein Schaden aufgrund Mehrverbrauchs durch den Wasserzähler Qn 6 entstanden ist. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen besteht eine gleiche Fehlerquote sowohl bei einem Wasserzähler der Baugröße Qn 2,5 als auch der Baugröße Qn 6. Eine Ungenauigkeit des Zählers ergebe sich gerade nicht durch dessen Durchlaufgröße.

II.

Mangels Hauptanspruchs stehen der Klägerin auch der geltend gemachte Zinsanspruch sowie die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO zugelassen. In dem Verfahren 15 C 531/10 ist die Berufung wegen Übersteigens der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO möglich. Da die beiden Verfahren gleichgelagerte Sachverhalte aufweisen, droht ohne Zulassung der Berufung die Gefahr divergierender Entscheidungen.

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