VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2013 - 2 S 544/13
Fundstelle
openJur 2014, 680
  • Rkr:

1. Eine hochgradige Spermiogrammeinschränkung ist eine Krankheit i. S. des Beihilferechts. Die zur Behandlung eingesetzten Maßnahmen dienen dazu, die durch die Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen. Dies hat zur Folge, dass die gesamten im Rahmen der künstlichen Befruchtung ergriffenen Maßnahmen, auch soweit sie die Behandlungsschritte bei der gesunden Ehefrau umfassen, dem Ehemann zuzurechnen und somit grundsätzlich beihilfefähig sind (Verursacherprinzip, wie VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2009 - 4 S 1028/07 - juris. m.w.N.).

2. Der Gewährung von Beihilfe steht in einer solchen Situation der Beihilfeausschluss des § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO entgegen, wenn die gesetzlich versicherte Ehefrau für die bei ihr durchgeführten Maßnahmen gemäß § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V Sachleistungen in Form hälftigen Kostenersatzes erhalten hat.

3. Für eine einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO derart, wonach nur solche Sachleistungen zum Beihilfeausschluss führen könnten, die dem Beihilfeberechtigten selbst erbracht wurden oder zustanden, finden sich weder im Wortlaut der Norm noch nach den sonstigen Auslegungskriterien hinreichende Anhaltspunkte; eine einschränkende Auslegung wird auch nicht durch höherrangiges Recht (Art. 3 Abs. 1 GG bzw. die Fürsorgepflicht gem. Art. 33 Abs. 5 GG) veranlasst.

Tenor

Soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08. Februar 2013 - 6 K 1683/12 - zurückgenommen wurde, wird das Berufungsverfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Beihilfe für eine künstliche Befruchtung.

Er ist beihilfeberechtigter Beamter im Dienst des Beklagten und zu 50 % beihilfeberechtigt. Mit Antrag vom 02.01.2012 begehrte er vom Beklagten Beihilfe u. a. für Aufwendungen für die anlässlich einer künstlichen Befruchtung im Jahre 2011 bei seiner Ehefrau durchgeführten medizinischen Behandlungen. Die insoweit entstandenen Kosten beliefen sich auf 7.833,13 EUR. Mit Bescheid vom 10.01.2012 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Erstattung insoweit ab und führte aus, die der Ehefrau des Klägers entstandenen - von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu 50 % übernommenen - Behandlungskosten seien nicht berücksichtigungsfähig, da diese Aufwendungen durch den Sachleistungsanspruch des Ehegatten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung abgegolten seien. Den hiergegen mit Schreiben vom 25.01.2012 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012 zurück.

Am 03.09.2012 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben und beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 10.01.2012 und dessen Widerspruchsbescheids vom 02.08.2012 zu verpflichten, ihm aufgrund seines Antrags vom 02.01.2012 Beihilfe zu gewähren sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, zu den entstehenden Aufwendungen für die anlässlich der nächsten künstlichen Befruchtung bei seiner Ehefrau durchzuführenden medizinischen Behandlungen Beihilfe zu gewähren und für den Fall der Erfolglosigkeit der nächsten künstlichen Befruchtung festzustellen, dass der Beklagte auch für zwei weitere Versuche der künstlichen Befruchtung verpflichtet ist, zu den entstehenden Aufwendungen für die anlässlich der künstlichen Befruchtung bei seiner Ehefrau durchzuführenden medizinischen Behandlungen Beihilfe zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.02.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehre, dass der Beklagte dazu verpflichtet sei, zu den entstehenden Aufwendungen weiterer bei seiner Ehefrau durchzuführender medizinischer Behandlungen der künstlichen Befruchtung Beihilfe zu gewähren. Im Übrigen sei die Klage als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO seien „aus Anlass einer Krankheit“ beihilfefähig u.a. die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete ärztliche Leistungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen seien. Die Aufwendungen müssten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Krankheitsfall stehen, d.h. durch Maßnahmen entstanden sein, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden oder der Beseitigung oder dem Ausgleich angeborener oder erworbener körperlicher Beeinträchtigungen dienten. Die beim Kläger diagnostizierte hochgradige Spermiogrammeinschränkung (Nekrozoospermie/Asthenozoospermie) sei eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts. Es handle sich um einen regelwidrigen Körperzustand, der von der generell bestehenden Fortpflanzungsfähigkeit erwachsener Menschen als Normalzustand abweiche. Die in diesem Zusammenhang ergriffenen ärztlichen Maßnahmen dienten auch dazu, die durch die Krankheit behinderte Körperfunktion beim Kläger zu ersetzen. Dies habe zur Folge, dass die gesamten im Rahmen der künstlichen Befruchtung ergriffenen Maßnahmen, auch soweit sie die Behandlungsschritte bei der - unstreitig gesunden - Ehefrau des Klägers umfassten, dem Kläger zuzurechnen seien (Verursacherprinzip, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.06.2009 - 4 S 1028/07 - juris m.w.N.).

Zu Recht habe der Beklagte aber die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für die an der Ehefrau des Klägers vorgenommenen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung unter Hinweis auf § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO abgelehnt. Nach dieser Vorschrift seien nicht beihilfefähig Dienst- und Sachleistungen. Für die Behandlungsmaßnahmen bei der gesetzlich krankenversicherten Ehefrau des Klägers würden Sachleistungen im Sinne dieser Vorschrift geleistet. Nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernehme die gesetzliche Krankenversicherung die Hälfte der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten - hier der Ehefrau des Klägers - durchgeführt würden. Entsprechend habe die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers die Hälfte der Kosten für die durchgeführten Maßnahmen ersetzt. Entgegen der Auffassung des Klägers betreffe der Ausschluss nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO alle Dienst- und Sachleistungen, die aus Anlass einer Erkrankung des Beihilfeberechtigten erfolgten, unabhängig davon, wem sie formell zugeordnet seien. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 BVO sei ebenso wie dem des § 5 Abs. 3 BVO eine Einschränkung auf die dem Beihilfeberechtigten persönlich erbrachten Dienst- und Sachleistungen nicht zu entnehmen. Wenn im Falle der künstlichen Befruchtung auch die Behandlung des gesunden Ehepartners als Behandlung des beihilfeberechtigten Beamten gelte, müssten Sachleistungen oder Kostenerstattungen zu den Aufwendungen der Behandlung von dritter Seite ebenso dem Beamten zugeordnet werden. Eine andere Beurteilung sei auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Beihilfegewährung nicht deshalb geboten, weil Sachleistungen bei künstlicher Befruchtung nach dem Regelungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung auf 50 % der Kosten (§ 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V) beschränkt seien. Diese Folge des Zusammentreffens unterschiedlicher Regelungssysteme (Beihilfegewährung, private Krankenversicherung oder gesetzliche Krankenversicherung) sei auch am Maßstab der Fürsorgepflicht gemessen, soweit diese als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlichen Schutz genieße, nicht zu beanstanden. Der Dienstherr müsse den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen sicherstellen und dafür Sorge tragen, dass Beamte in dieser Lebenslage nicht mit Kosten belastet werden, die sie aus ihrer Alimentation nicht bestreiten könnten. Doch verlange die Fürsorgepflicht nicht, dass Aufwendungen in Krankheitsfällen stets vollständig durch eine beihilfekonforme Krankenversicherung oder ergänzende Beihilfe gedeckt würden oder dass die nicht beihilfefähigen Kosten in jedem Fall in vollem Umfang versicherbar seien. Danach sei der Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Klägers, soweit die gesetzliche Krankenversicherung seiner Ehefrau Sachleistungen erbracht habe, rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig sei, dass eine Beihilfefähigkeit der streitigen Aufwendung als Aufwendungen der Ehefrau als beihilfeberechtigte Angehörige (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO) nicht nur wegen § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO ausscheide. Schließlich könne der Kläger den Anspruch auf die begehrte Beihilfe auch nicht unmittelbar auf die verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Fürsorgepflicht stützen. Dem stehe schon entgegen, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht schon in traditionsbildenden Zeitraum zu den Behandlungen im Krankheitsfall zählten, für die wenigstens bei existenziellen Notlagen Beihilfe gewährt würden. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dadurch, dass 25 % der Kosten, die auf Behandlungsmaßnahmen an seiner Ehefrau beruhten, nicht erstattet würden, in eine existenzielle Notlage geraten könnte, seien weder vom Kläger behauptet worden noch sonst ersichtlich.

Der Kläger hat am 08.03.2013 die im Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 12.04.2013 begründet. Er trägt vor, die Berufung sei insgesamt zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Feststellungsantrag zulässig. Soweit Verpflichtungsklage erhoben worden sei, sei diese nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Der Beklagte und das Verwaltungsgericht verkennten offensichtlich, dass die Subsidiarität der Beihilfe nur im Fall der Mitgliedschaft des Beihilfeberechtigten in der gesetzlichen Krankenversicherung gelte. Er setze das Zusammentreffen mehrerer Leistungsträger voraus. Dem Kläger, d.h. dem Beihilfeberechtigten, müssten mehrere Leistungsanspruchsgegner gegenüberstehen. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Der Kläger sei weder selbst Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse noch habe er einen eigenen Anspruch gegen die gesetzliche Krankenkasse seiner Ehefrau. Die Auffassung von Beklagtem und Verwaltungsgericht stellten eine unzulässige Durchbrechung des geltenden Verursacherprinzips dar. Dass die Ehefrau des Klägers gesetzlich krankenversichert sei und die gesetzliche Krankenversicherung bei der Zuordnung der Aufwendungen nicht das Verursacherprinzip anwende, sondern die durchgeführten Maßnahmen körperbezogen verteile und von den entstandenen Kosten der an ihrer Versicherten durchgeführten Maßnahmen 50 % erstatte, könne nicht dazu führen, dass eine an sich beihilfefähige Aufwendung als solche nicht mehr anerkannt werde. Sehe man die mit der aufgrund der Erkrankung des Beihilfeberechtigten unstreitig erforderlichen ICSI-Therapie zwingend einhergehende Mitbehandlung der Ehefrau nicht mehr als notwendigen Bestandteil der gesamten, zur Linderung der Krankheit des Beihilfeberechtigten erforderlichen Behandlung, so bedeute dies eine Missachtung und Aufhebung der Grundprinzipien des Verursacherprinzips. Das körper- oder anwendungsbezogene Kostenaufteilungsprinzip, welches im System der gesetzlichen Krankenversicherung in § 27a SGB V oder in der Bundesbeihilfeverordnung in § 43 BBhV vorausgesetzt werde, gelte in Baden-Württemberg gerade nicht. § 6 Abs. 1 Nr. 13 Satz 2 der BBhV verweise ausdrücklich auf die Regelungen des § 27a SGB V. Hiernach gälten die Regelungen des § 27a SGB V entsprechend mit der Maßgabe, das an die Stelle der Krankenkasse die Festsetzungsstelle trete. Diese Übernahme des Modells der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Bundesbeihilfeverordnung finde sich in der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg gerade nicht. Es sei ausgeschlossen, einzelne Strukturelemente aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung ohne ausdrückliche Regelung in das System der Beihilfe zu übertragen.

Die Gewährung von Beihilfe könne auch nicht unter Verweis auf § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO abgelehnt werden. Die Ansicht des Beklagten und des Verwaltungsgerichts, dass dieser Ausschluss der Beihilfegewährung sich nicht nur auf den Adressat dieser Vorschrift, nämlich den Beihilfeberechtigten, beziehe, sondern auch auf die Ehefrau des Klägers, für welche das Gesetz nicht gelte, da sie nicht beihilfeberechtigt sei, ausgeweitet werden solle, sei nicht nachvollziehbar und widerspreche der Intention des Gesetzgebers. Hierdurch würden jegliche Grundsätze des persönlichen Anwendungsbereichs eines Gesetzes missachtet. Der Kreis der Beihilfeberechtigten ergebe sich aus § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 BVO. Eine Ausweitung auf andere Personen - auch und insbesondere im Rahmen von Negativnormen - widerspreche diesem Anwendungsbereich. Dem Normwortlaut von § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO sei eine Ausweitung auf nicht beihilfeberechtigte Personen nicht zu entnehmen. Sollten diese Vorschriften auch Leistungen betreffen, deren Anspruchsgläubiger ein Anderer als der Beihilfeberechtigte selbst sei, müsse dies ausdrücklich in der Verordnung normiert sein. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO keine Einschränkung auf die dem Beihilfeberechtigten persönlich erbrachten Dienst- und Sachleistungen zu entnehmen sei und dies auch nicht im Wege der Auslegung geboten sei, unterliege einem Denkfehler. Maßgeblich sei der Adressat einer Norm, welcher sich grundsätzlich aus dem persönlichen Anwendungsbereich ergebe. Folgerichtig betreffe § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO nur die dem Beihilfeberechtigten persönlich erbrachten Dienst- und Sachleistungen. Die der Ehefrau des Klägers erbrachten Sachleistungen könnten ggf. allenfalls dahingehend zu berücksichtigen sein, dass sie auf den Beihilfeanspruch des beihilfeberechtigten Klägers angerechnet werden könnten, jedoch in keinem Fall dazu, dass eine Erstattungsfähigkeit insoweit vollständig versagt werde. Weder vom Verwaltungsgericht noch vom Beklagten werde beachtet, dass, soweit eine gesetzliche Krankenversicherung ergänzend leistungspflichtig sei, wegen des Verbots der Teilleistungserbringung nicht eine Abrechnung nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab EBM, welcher für die gesetzlichen Krankenkassengelder gelte, erfolgen könne, sondern dass auch hier die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gelte und eine Abrechnung nach dieser erfolgen müsse. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, dass trotz Kostenübernahme von 50 % der Kosten der ärztlichen Behandlung der Ehefrau gemäß § 27a SGB V für die Leistungserbringung durch die behandelnden Ärzte, die Kinderwunschpraxis Dr. G., für welche eine Abrechnung auf Grundlage der GOÄ erfolge, lediglich die Erstattung eines minimalen Teilbetrags der Gesamtkosten von 6.436,94 EUR i.H.v. 790,-- EUR erfolgt sei.

Nachdem die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau also nur 790,-- EUR von den Gesamtkosten getragen habe und die private Krankenversicherung des Klägers weitere 2.813,81 EUR bezahlt habe, seien weitere Kosten für die anlässlich der künstlichen Befruchtung bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlungen i.H.v. 2.833,13 EUR offen, welche nun vom Kläger und seiner Ehefrau selbst getragen werden müssten. Diese Berechnung veranschauliche, zu welchem Ergebnis die unrechtmäßige Vermischung zweier unterschiedlicher Regelungssysteme führe. Ergänzend (am 05.07.2013) werde vorgetragen, die Unbilligkeit der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO ergebe sich auch aus dem Vergleich mit einer anderen Konstellation. Wenn nämlich der Ehemann beihilfeberechtigt sei und die Ehefrau, etwa weil sie einer selbständigen Tätigkeit nachgehe oder weil ihre Einkünfte über der Beitragsbemessungsgrenze lägen, privat versichert sei, so greife § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO nicht. In einem solchen Fall sei ein eigener Anspruch der Ehefrau aus ihrer privaten Krankenversicherung zum Aufwendungsersatz für die anlässlich der künstlichen Befruchtung bei ihr durchgeführten Behandlung nicht gegeben. Dies wiederum führe dazu, dass § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO nicht angewendet werde und der Beihilfeanspruch des Ehemannes in voller Höhe bestehen bleibe. Dies zeige, dass - folge man der Ansicht des Verwaltungsgerichts - lediglich ein Zufall, nämlich die Beschäftigungsart bzw. die Höhe der Einkünfte des Ehepartners eines Beihilfeberechtigten über das Bestehen der Beihilfeberechtigung entscheide. Das widerspreche in hohem Maße dem Gleichheitsgrundsatz und könne weder dem Gesetz noch einer entsprechenden Auslegung derselben nach den Verwaltungsvorschriften des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Beihilfeverordnung Baden-Württemberg entnommen werden. Weder vom Beklagten noch vom Verwaltungsgericht werde beachtet, dass in § 5 Abs. 4 Nr. 2 BVO explizit geregelt sei, dass gesetzlich vorgesehene kleinere Kostenanteile, insbesondere Zuzahlungen nach dem SGB V, nicht beihilfefähig seien. Damit treffe § 5 BVO explizite Regelungen für das Verhältnis zwischen Beihilfegewährung und Ansprüchen aus dem SGB V. Ausweislich der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen und Wirtschaft beziehe sich diese Vorschrift auf kleinere Kostenanteile bzw. Zuzahlungen nach den §§ 23 Abs. 6, 24 Abs. 3, 28 Abs. 4, 29 Abs. 2, 31 Abs. 3, 32 Abs. 2, 33 Abs. 8, 37a Abs. 3, 38 Abs. 5, 39 Abs. 4, 40 Abs. 5 und 6, 41 Abs. 3 und 60 Abs. 2, 61 Abs. 1 und 2 SGB V. § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V werde hier nicht genannt und falle damit also nicht unter den § 5 Abs. 4 Nr. 2 BVO. Gleichzeitig bedeute dies, dass der Gesetzgeber sehr wohl die Konkurrenz zwischen Leistungen nach dem Beihilferecht und Leistungsansprüchen gemäß SGB V bedacht habe. Die aufgeführte Ungleichbehandlung gegenüber einer privatversicherten Ehefrau führe auch dazu, dass die konkrete Versagung als Verstoß gegen die Fürsorgepflicht zu werten sei.

Der Kläger beantragt - nach Rücknahme seiner Berufung, soweit sie den Feststellungsantrag betrifft -,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08.02.2013 - 6 K 1683/12 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, unter teilweise Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 10.01.2012 und dessen Widerspruchsbescheids vom 02.08.2012 Beihilfe für die geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor, die Verpflichtungsklage sei unbegründet. Das Verwaltungsgericht führe zutreffend aus, dass § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO zur Folge habe, dass im Falle der künstlichen Befruchtung die Behandlung des Ehepartners als Behandlung der Erkrankung des Beihilfeberechtigten gelte, die Sachleistungen und Kostenerstattungen durch Dritte an den Ehepartner dann aber ebenso dem Beamten zuzuordnen seien. Dies entspreche auch der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -). Es bestehe auch kein Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die die Sachleistungen übersteigenden Kosten. Zwar werde der Ehefrau des Klägers durch die Inanspruchnahme der Sachleistungen nur ein Teil der Aufwendungen erstattet. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner zitierten Entscheidung vom 15.12.2005 zutreffend ausgeführt, dass es aus Gründen der Systemtrennung ausgeschlossen sei, dass Aufwendungen, die nach dem Willen des Gesetzgebers in dem Eigenleistungssystem aus Gründen der Kostendämpfung und Eigenbeteiligung von einem dem Grunde nach Berechtigten getragen werden sollten, auf ein anderes Leistungssystem, nämlich die beamtenrechtliche Beihilfe, übergewälzt werden könnten. Dieser Ausschluss sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Dass die Kosten im vorliegenden Fall nicht vollständig gedeckt seien, sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. So habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.02.2009 (- 1 BvR 2982/07) - ausgeführt, dass dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zustehe, die Förderung der Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung auf eine Teilforderung zu beschränken. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sei nicht erkennbar. Sofern der Kläger mit der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zu § 5 BVO argumentiere, sei dies bereits nicht nachvollziehbar. Denn darin würden Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse ausdrücklich unter § 5 Abs. 4 BVO gefasst. So heiße es unter 3.1: „… die Vorschrift erfasst Dienst- und Sachleistungen (z.B. ärztliche und zahnärztliche Versorgung - ohne Zahnersatz -, allgemeine Krankenhausleistungen, Arznei, Verband- und Heilmittel, die meist auf Vorlage der Gesundheitskarte, Krankenversichertenkarte, des Kassenrezepts, Berechtigungs- oder Überweisungsschein gewährt werden) der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung sowie sonstiger Leistungsträger …“.

Die Akten des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Soweit die Berufung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, bewirkt das in diesem Umfang den Verlust des Rechtsmittels (§ 126 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das Berufungsverfahren war insoweit zur Klarstellung (vgl. Wysk, VwGO, § 126 Rn. 12) deklaratorisch einzustellen (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Im Übrigen ist die Berufung zulässig, aber nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die - jetzt nur noch streitgegenständliche - Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen.

1. Dabei kann zunächst in vollem Umfang auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen werden (§ 130 b Satz 2 VwGO), soweit von einer Krankheit des Klägers und der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit der im Rahmen der künstlichen Befruchtung ergriffenen Maßnahmen, auch soweit sie die Behandlungsschritte bei der - unstreitig gesunden - Ehefrau des Klägers umfassen, ausgegangen wurde, welche dem Kläger zuzurechnen seien (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO in Verbindung mit dem Verursacherprinzip, vgl. Urteil des Senats vom 29.06.2009 - 4 S 1028/07 - juris-Rn. 21). Insoweit besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.

2. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung des Beklagten gebilligt, wonach § 5 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz BVO einer Beihilfegewährung entgegenstehe. Nach dieser Vorschrift sind Dienst- und Sachleistungen nicht beihilfefähig; die im Rahmen von § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V der gesetzlich versicherten Ehefrau des Klägers erbrachten Sachleistungen seien hier zur berücksichtigen und stünden einem Beihilfeanspruch entgegen. Dagegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg. Sie ist der Auffassung, dass § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO ausschließlich den Fall betreffe, in dem der Beihilfeberechtigte selbst Dienst- und Sachleistungen in Anspruch nehme oder darauf Anspruch habe.

a) Diese Einschränkung findet sich allerdings nicht im Wortlaut der Vorschrift. Soweit dem Vortrag des Klägers, § 27a SGB V sei in der Beihilfeverordnung - anders als im Bundesbeihilferecht - gerade nicht in Bezug genommen, entnommen werden könnte, dass dies die Auslegung von § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO beeinflussen müsste, wäre diese Annahme unrichtig. Denn § 27a SGB V spielt im vorliegenden Zusammenhang nur insofern eine Rolle, als er den Rechtsgrund für Sachleistungen an die Ehefrau des Klägers darstellt. Dagegen beeinflusst diese Vorschrift die Auslegung des Begriffs der Sachleistungen i. S. von § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO nicht.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die von ihm gewünschte Einschränkung auch nicht aus systematischen Gründen in § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO hineinzulesen. Ohne Erfolg bleibt sein Versuch, unter Hinweis auf den Anwendungsbereich der Beihilfeverordnung eine parallele Begrenzung für Beihilfeausschlusstatbestände zu konstruieren. Einmal bemisst sich der Anwendungsbereich der Beihilfeverordnung nicht nur nach dem Kreis der Beihilfeberechtigten nach § 2 BVO, sondern berücksichtigt grundsätzlich auch nach Maßgabe von § 3 BVO Angehörige. Hinzu kommt folgende Überlegung: Führt das Verursacherprinzip zur grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit für beim Angehörigen des Beihilfeberechtigten entstandene Aufwendungen (und damit zu einer grundsätzlichen Erweiterung eines Aufwendungsersatzes), so spricht ein systematisches Verständnis dafür, auch die dem Angehörigen erbrachten Sachleistungen mit zu berücksichtigen. Weshalb es hierfür einer ausdrücklichen normativen Aussage bedürfen sollte, wie der Kläger meint, erschließt sich nicht. Soweit der Kläger aus der Verwaltungsvorschrift zu § 5 BVO - im Umkehrschluss - herauslesen will, dass Sachleistungen nach § 27a SGB V nicht zu berücksichtigen seien, geht diese Argumentation schon deshalb fehl, weil eine verwaltungsvorschriftenkonforme Auslegung einer in einer Rechtsverordnung getroffenen Regelung noch weniger in Betracht kommt als eine aus Gründen der Normenhierarchie ausscheidende rechtsverordnungskonforme Auslegung eines Gesetzes. Abgesehen davon dürfte - wie der Beklagte in seiner Berufungserwiderung ausgeführt hat - die behauptete Einschränkung selbst auf der Ebene der Verwaltungsvorschrift nicht bestehen. Dies bedarf aber nach dem Vorstehenden keiner abschließenden gerichtlichen Klärung.

c) Auch Sinn und Zweck der Vorschriften verlangen nicht die von der Berufung gewünschte restriktive Auslegung. Die bei einer dem Verursacherprinzip folgenden Erweiterung von Anspruchspositionen - wie gezeigt - systematisch naheliegende Erweiterung auch der Einschränkungen von Anspruchspositionen sind nicht deshalb inakzeptabel, weil sie beim Zusammentreffen unterschiedlicher Ausgleichssysteme dazu führen können, dass bestimmte Aufwendungen nicht oder zumindest nicht voll von der Beihilfe berücksichtigt werden. Aus Sinn und Zweck der Vorschriften lässt sich schließlich auch nicht eine restriktive Auslegung dergestalt gewinnen, dass der Ausschluss der Beihilfe nur in dem Umfang greifen dürfte, in dem durch die gesetzliche Krankenversicherung Kosten übernommen wurden.

3. Dem Verwaltungsgericht ist weiter darin zu folgen, dass die gefundene Normauslegung und -anwendung mit höherrangigem Recht in Einklang steht. Dies gilt sowohl für den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch für die Fürsorgepflicht, soweit diese als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlichen Rang hat (Art. 33 Abs. 5 GG).

a) Dass es zu Ungleichbehandlungen grundsätzlich beihilfeberechtigter Beamter - je nach dem Versicherungsstatus des jeweiligen Ehepartners - kommen kann, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, weil es dafür in der jeweiligen Systemgesetzlichkeit der Versicherungssysteme liegende Gründe gibt (vgl. dazu insbesondere BVerwG, Urteile vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 und vom 24.02.2011 - 2 C 40.09 - NVwZ-RR 2011, 667). Auch der von der Berufung angestellte Vergleich mit einer Situation, in der der Ehepartner des Klägers privat krankenversichert wäre, ist nicht geeignet, eine gleichheitswidrige Situation aufzeigen: Zwar würde - einerseits - in diesem Fall der Beihilfeausschluss des § 5 Abs. 4 Nr. 1 BVO mangels Sachleistung an die Ehefrau (eine Teilerstattung nach § 27a SGB V gibt es nur in der gesetzlichen Krankenversicherung) nicht greifen, also Beihilfe gewährt werden. Doch würde - andererseits - die Ehefrau des Klägers dann - mangels eigener Krankheit - keine Leistungen von ihrer privaten Krankenversicherung erhalten.

b) Der Ausschluss von Beihilfe im vorliegenden Fall ist auch am Maßstab der Fürsorgepflicht, soweit diese als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlichen Schutz genießt (Art. 33 Abs. 5 GG), nicht zu beanstanden. Der Dienstherr muss den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen sicherstellen und dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit Kosten belastet werden, die sie aus ihrer Alimentation nicht bestreiten können. Doch verlangt die Fürsorgepflicht nicht, dass Aufwendungen in Krankheitsfällen stets vollständig durch eine beihilfekonforme Krankenversicherung oder ergänzende Beihilfe gedeckt werden oder dass die nicht beihilfefähigen Kosten in jedem Fall in vollem Umfang versicherbar sind (BVerwG, Urteil vom 24.02.2011 - 2 C 40.09 - NVwZ-RR 2011, 667 m.w.N.)

4. Schließlich steht dem Kläger auch nicht unmittelbar aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht ein Anspruch auf Beihilfe zu. Dem steht - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - bereits entgegen, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht schon im traditionsbildenden Zeitraum zu den Behandlungen im Krankheitsfall zählten, für die wenigstens bei existenziellen Notlagen Beihilfen gewährt wurden (vgl. Urteil des BVerwG vom 24.02.2011 - 2 C 40.09 - NVwZ-RR 2011, 667). Die Fürsorgepflicht in Hinblick auf die Krankheitsvorsorge des Beamten wird grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Versagung der Beihilfe der Kläger hier in eine existentielle Notlage geraten könnte, sind darüber hinaus weder vorgetragen noch ersichtlich. Schon deshalb ist auch nicht von einem besonderen Härtefall gemäß § 5 Abs. 6 BVO auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 i. V. m. §§ 126 Abs. 3 Satz 2, 155 Abs. 2 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 03. Dezember 2013

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.833,13 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 und 3, 39 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.