LG Konstanz, Urteil vom 19.11.2013 - 2 O 132/13 B
Fundstelle
openJur 2014, 462
  • Rkr:

Es ist deutschen Gerichten verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden.

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger nehmen den Staat Griechenland - die Beklagte - auf Rückzahlung von Staatsanleihen in Anspruch, die im Zuge des griechischen Schuldenschnitts im Frühjahr 2012 eingezogen worden sind. Hilfsweise begehren sie mit der Begründung, dass die Einziehung rechtswidrig und unwirksam gewesen sei, Schadensersatz in Höhe ihres behaupteten Verlustes. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 01.02.2012 erwarben die Kläger über ihre Depotbank, die in Frankfurt/Main ansässige ING-DiBa AG, im Freihandel an der Börse Stuttgart zum Preis von EUR 13.099,46 (einschl. Stückzinsen, Gebühren etc.) griechische Schuldverschreibungen mit der Bezeichnung "4,3 % Griechenland EO-Bonds 2009 (12)", ISIN GR0110021236, WKN A0T6US (Anl. K 1). Die Anleihen, die von der Beklagten ursprünglich im Jahre 2009 im Rahmen einer Gesamtemission mit einem Volumen von EUR 7 Mrd. unter den im "Offering Circular" (Anl. B 1; Übersetzung: K 18) festgelegten Bedingungen begeben worden waren, hatten einen Nominalwert von EUR 30.000,00 und waren nebst der Verzinsung von 4,3 % am 20.03.2012 zur Rückzahlung fällig. Zum Erwerbszeitpunkt waren die Anleihenpreise infolge der griechischen Finanz- und Schuldenkrise bereits erheblich verfallen, weshalb der Börsen-Einstandskurs für die Kläger nur 39,7 % des Nominalwertes betrug.

Mit Schreiben vom 28.02.2012 (K 2) teilte die ING-DiBa AG den Klägern mit, dass die Republik Griechenland ihren Anleiheinhabern anbiete, an der geplanten Umschuldung mitzuwirken; dabei bot sie mehrere Optionen an (Zustimmung und Umtausch in andere Anleihen, Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung). Die Kläger reagierten hierauf innerhalb der gesetzten Frist (07.03.2012) nicht; erst mit Schreiben vom 14.03.2012 (K 6) widersprachen sie dem Zwangsumtausch und forderten sie ihre Depotbank auf, die bisherigen Anleihen nicht auszubuchen. Durch die Mitteilungen der ING-DiBa AG vom 15.03., 16.03. und 19.03.2012 (K 3 - 5) wurden sie sodann davon in Kenntnis gesetzt, dass die genannten Anleihen nicht mehr vorhanden, sondern am 12.03.2012 durch 20 neue Wertpapiere mit Nennwerten zwischen EUR 450,00 und 480,00 und Fälligkeiten zwischen dem 24.02.2023 und dem 24.02.2042 ersetzt worden waren. Ferner wurden dem Depotkonto drei Wertpapiere der European Financial Stability Facility (ESFS) mit Nennwerten von zusammen EUR 5.701,80 sowie ein griechisches Anleihepapier mit einem Nominalwert von EUR 9.450,00 gutgeschrieben. Ausweislich der Depotbewertung der ING-DiBa (Anl. K 8) hatten die neu eingebuchten Anleihen einen Einstandskurs von insgesamt EUR 6.718,39. Am 14.05.2012 entschlossen sich die Kläger, diese insgesamt 24 Papiere über ihre Depotbank zum damaligen Schlusskurs/Kurswert von EUR 7.300,80 (abzügl. Verkaufsspesen) zu verkaufen.

Dem geschilderten Vorgang der zwangsweisen Ausbuchung der streitgegenständlichen Anleihe über nominal EUR 30.000,00 und deren Ersetzung durch geringerwertige Papiere liegt zusammengefasst Folgendes zugrunde:

Die griechische Regierung hatte vor dem Hintergrund ihrer schweren Schuldenkrise und in Absprache mit der sog. Troika (Europäische Union, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) nach monatelangen Verhandlungen entschieden, in die im Rahmen des zweiten Hilfspakets beabsichtigte Umschuldung und den dazu erforderlichen Schuldenschnitt auch private Gläubiger mit einzubeziehen ("Private Sector Involvement"). An diejenigen Investoren (d.h. vor allem Banken), die direkt am Girosystem der griechischen Zentralbank beteiligt waren, erging am 24.02.2012 ein freiwilliges Umtauschangebot ("Invitation Memorandum"), wonach die teilnehmenden Anleihepapiere ("eligible titles") - darunter auch das hier streitgegenständliche - zu einem um 53,5 % verringerten Nennwert in neue Staatsanleihen und Schuldverschreibungen getauscht werden sollten. Am 23.02.2012 verabschiedete das griechische Parlament ferner das Gesetz 4050/2012, auf dessen rechtlicher Grundlage im Rahmen eines sog. "collective action"-Prozesses auch diejenigen Anleger zwangsweise in die Umschuldung einbezogen werden konnten, die das Umtauschangebot nicht angenommen hatten. Voraussetzung hierfür war, dass die Anleihegläubiger, die Teilnehmer am Clearingsystem der Griechischen Zentralbank (und gleichzeitig Erstabnehmer der streitgegenständlichen Papiere gemäß den Bedingungen des "Offering Circular", Anl. B 1) waren, über den vorgeschlagenen Umtausch der "eligible titles" mit einem Quorum von 50 % des ausstehenden Nennbetrags dieser Titel abstimmten. Ferner musste für die Annahme des Änderungsvorschlags einschließlich der "Collective Action Clause" eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln erreicht werden. Im Ergebnis wurde durch das Gesetz 4050/2012 somit der Rechtsrahmen dafür geschaffen, die Anleihebedingungen nachträglich durch eine Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger zu modifizieren. Nach dem Vorbringen der Beklagten wurden die gesetzlichen Bedingungen klar erfüllt, denn die an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger hätten tatsächlich zusammen 91,5 % des ausstehenden Gesamtnennbetrages repräsentiert; 94,34 % des teilnehmenden Kapitals habe schließlich für den Vorschlag gestimmt. Auf dieser Grundlage billigte schließlich der Ministerrat der griechischen Regierung das Ergebnis mit der Wirkung, dass nunmehr - entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes 4050/2012 - alle Anleger und Anleihegläubiger der jeweiligen Titel hieran gebunden waren, dass also das Abstimmungsergebnis der Gläubiger für allgemeinverbindlich erklärt wurde. In Ausführung dieses Beschlusses und auf Anweisung des Finanzministeriums zog die griechische Zentralbank (Bank of Greece) daraufhin am 12.03.2012 alle betroffenen Anleihepapiere - darunter die hier streitgegenständlichen - ein; die aus ihnen resultierenden Rechte und Pflichten erloschen. Im Gegenzug wurden die ersatzweise zur Verfügung gestellten neuen Anleihen in das System eingebucht.

Die Kläger sind nunmehr der Auffassung, durch diese Schuldenschnittaktion hätten sie ihr Forderungsrecht über EUR 30.000,00 (nebst Zinsen) gegenüber der Beklagten als der Schuldnerin der Anleihen im Ergebnis nicht verlieren können. Zumindest aber sei ihnen aufgrund der zwangsweise und ohne ihre Zustimmung erfolgten Ausbuchung der Forderungen durch die Bank von Griechenland ein rechtswidriger Vermögensschaden entstanden, für den die Beklagte ersatzpflichtig sei.

Zur Begründung führen die Kläger im Wesentlichen aus, das Gesetz 4050/2013, durch welches per Zwang auch Kleinanleger in den Umtausch der Staatsanleihen gegen solche von wesentlich geringerem Wert einbezogen worden seien, sei eklatant rechtsstaatswidrig. Die gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen der Beklagten stellten eine entschädigungslose hoheitliche Enteignung, bzw. einen enteignungsgleichen Eingriff dar und seien deshalb weder mit (u.a.) Art. 14 GG noch mit vergleichbaren Bestimmungen der griechischen Verfassung selbst sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Schon aus diesem Grunde liege ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) vor mit der Konsequenz, dass weder das Gesetz noch die hierauf gestützten Beschlüsse des griechischen Ministerrats anzuwenden oder anzuerkennen seien. Auch sei die in dem Gesetz 4050/2012 vorgesehene, alle Forderungsinhaber treffende Umschuldungsklausel ("Collective Action Clause") als nachträgliche einseitige Änderung der ursprünglich mit dem Bankenkonsortium im Emissionsprospekt ("Offering Circular, Anl. B 1, K 18) festgelegten Begebungsbedingungen schon vertragsrechtlich unwirksam. Das durch Kauf an der Börse erworbene Forderungsrecht aus den streitgegenständlichen Staatsanleihen habe daher nicht erlöschen können, so dass ihnen - den Klägern - , und zwar sowohl nach deutschem als auch nach griechischem materiellen Recht, weiterhin ein seit dem 20.03.2012 fälliger Erfüllungsanspruch zustehe. Jedenfalls aber ergebe sich die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB, denn durch die nur unzureichend kompensierte Ausbuchung der Anleihen aus dem Zentralbanksystem habe ihnen die griechische Regierung vorsätzlich und in sittenwidriger Weise einen Vermögensschaden zugefügt. Schließlich liege auch eine Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 II BGB vor: Die Beklagte habe durch die Anweisung, die Anleihen auch derjenigen Anleger im System zu löschen, die dem Umtausch nicht zugestimmt hätten, gegen Art. 7 des Gesetzes 2198/1994 verstoßen, aufgrund dessen die ursprüngliche Emission erfolgt sei; dieses aber bezwecke gerade auch den Schutz der Vermögensinteressen der Anleger.

Die Kläger sind weiter der Ansicht, dass sich die Beklagte demgegenüber nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität bei hoheitlichem Handeln berufen könne: Bei der Emission der Schuldverschreibungen zum Zwecke der Staatsfinanzierung sei sie fiskalisch, also privatwirtschaftlich, tätig geworden. An diesem rein privatrechtlichen Charakter der Kapitalaufnahme habe sie auch durch das in Rede stehende, ohnehin als nichtig zu betrachtende Gesetz 4050/2012 nichts ändern können, dessen normativer Regelungsgehalt sich schließlich auf private Vertragsverhältnisse beziehe. Auch die durch dieses Gesetz bewirkte nachträgliche einseitige Änderung der Emissionsbedingungen und der darin liegende Vertragsbruch seien deshalb dem Bereich nicht-hoheitlichen Handelns zuzuordnen. Die griechische Republik sei folglich der Gerichtsbarkeit des Forumstaates in gleicher Weise unterworfen wie jede Privatperson.

Zur Begründung der örtlichen und internationalen Zuständigkeit des LG Konstanz berufen sich die Kläger zum einen auf Art. 5 Nr. 1 a, b EuGVVO (besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts), zum anderen auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) und schließlich auf Artt. 15 Abs. 1 c, 16 Abs. 1 EuGVVO (Gerichtsstand für Klagen eines Verbrauchers). Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Zuständigkeitsnormen sehen sie als gegeben an.

Die Kläger tragen vor, ihnen sei durch den Zwangsumtausch - gemessen am Nominalwert der eingezogenen Anleihe und nach Abzug ihres Veräußerungserlöses - ein Schaden von EUR 23.159,04 entstanden. Hiervon begehren sie im Wege der Teilklage einen Betrag von EUR 6.000,00.

Die Kläger beantragen,

die Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 6.000,00 nebst 4,3 % Zinsen seit dem 21.03.2011 bis zum 20.03.2012 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 6.000,00 ab dem 21.03.2012 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass sie mit dem Erlass des Gesetzes 4050/2012 und der Ausführung der darauf gestützten Ministerialbeschlüsse hoheitlich tätig geworden sei; sie genieße deshalb nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts Immunität. Deutschen Gerichten sei es aus diesem Grunde von vorneherein verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahmen zu befinden, und zwar unabhängig davon, welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die Klage ggf. in Betracht komme. Demnach sei gerade auch die seitens der Kläger behauptete unerlaubte Handlung der Beklagten der gerichtlichen Überprüfbarkeit schlechthin entzogen.

Die Beklagte ist in diesem Zusammenhang weiter der Ansicht, das LG Konstanz sei für die Entscheidung des Rechtsstreits - selbst wenn generell eine deutsche Gerichtsbarkeit gegeben wäre - international nicht zuständig: Nachdem sich der Anwendungsbereich der EuGVVO auf zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten beschränke, es sich vorliegend aber - da letztlich die legislativen und administrativen Maßnahmen der griechischen Regierung in Streit stünden - um eine öffentlich-rechtliche, sogar hoheitliche, Angelegenheit handle, könne ein Gerichtsstand hieraus nicht hergeleitet werden. Es seien aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen der angeführten zuständigkeitsbegründenden Vorschriften im Einzelnen nicht erfüllt: Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO scheide aus, weil die entsprechende vertragliche Zahlungsverpflichtung infolge der Einziehung nicht mehr existiere; unabhängig hiervon ergebe sich aus den ursprünglichen Emissionsbedingungen, dass Erfüllungsort Athen - als Sitz der griechischen Zentralbank - gewesen sei. Auch die besonderen Gerichtsstände der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) und des Verbraucherwohnsitzes (Artt. 15 Abs. 1 c, 16 EuGVVO) kämen nicht in Betracht, letzterer u.a. deshalb nicht, weil die Kläger als Zessionare des ursprünglich den Konsortialbanken übertragenen Forderungsrechts nicht als Verbraucher anzusehen seien, und weil außerdem der griechische Staat bei der Begebung der Anleihen nicht "in Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kläger hatten - nach Durchführung eines Mahnverfahrens - die Anspruchsbegründung zunächst beim Landgericht Frankfurt/Main eingereicht. Mit Beschluss vom 10.04.2013 (AS. 277), auf dessen Begründung verwiesen wird, hat sich das LG Frankfurt/Main für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das LG Konstanz verwiesen.

Mit Beschluss vom 16.10.2013 hat die Kammer nach Anhörung und mit Zustimmung der Parteien angeordnet, dass über die Frage der Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird (§ 280 I ZPO).

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Es braucht vorliegend weder entschieden zu werden, ob die EuGVVO auf die streitgegenständliche Fallkonstellation überhaupt anwendbar ist, ob es sich also - was die Beklagte in Abrede stellt - um eine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit handelt, noch ob sich danach die internationale und örtliche Zuständigkeit des LG Konstanz aus einem der in der EuGVVO vorgesehenen besonderen Gerichtsstände herleiten ließe. Die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Gerichtsstände (Artt. 5 Nr. 1 a, b, Nr. 3, 15 Abs. 1 c, 16 I EuGVVO), um deren Vorliegen die Parteien eine intensive Auseinandersetzung führen, müssen daher nicht weiter geprüft werden.

Entscheidend ist nämlich, dass es, gleichgültig an welchem Gerichtsstand, deutschen Gerichten generell verwehrt ist, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden. Das LG Konstanz (sowie jedes andere inländische Gericht) kann einen Erfüllungsanspruch aus der streitgegenständlichen Anleihe schon deshalb nicht zusprechen, weil diese infolge des hoheitlichen Handelns der Beklagten, nämlich der Verabschiedung des Gesetzes 4050/2012 durch das griechische Parlament sowie dessen Ausführung durch die zuständigen Regierungsorgane, nicht mehr existiert. Ein auf diesen Vorgang gestützter - vertraglicher oder deliktischer - Schadensersatzanspruch würde demgegenüber voraussetzen, dass die Rechtswidrigkeit der zur Umsetzung des Schuldenschnitts getroffenen Maßnahmen im Einzelnen festgestellt werden könnte. Nachdem sich die griechische Regierung und die Zentralbank aber im Rahmen der durch das Gesetz geschaffenen Ermächtigungsgrundlage gehalten haben, würde dies wiederum bedeuten, dass letztlich das Gesetz selbst an höherrangigem Recht zu messen und ggf. für unwirksam zu erklären wäre. Dies aber ist, nachdem sich die Beklagte mit Recht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen hat, nicht möglich. Fehlt es aber aus diesen Gründen an der Gerichtsbarkeit überhaupt, so ist die EuGVVO von vorneherein sachlich unanwendbar (vgl. Stürner, Staatenimmunität und Brüssel I-Verordnung, IPrax 2008, 197, 203).

Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

1. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1963 (NJW 1963, 1732; bestätigt in BVerfG NJW 2006, 2542; vgl. ferner BGH NJW 1979, 1101) festgestellt, dass den Staaten nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Immunität von inländischer Gerichtsbarkeit zusteht, wenn und soweit es um die Beurteilung ihres hoheitlichen Verhaltens (sog. "acta iure imperii") geht. Dabei ist die Qualifikation der in Rede stehenden Tätigkeit eines ausländischen Staates als hoheitlich oder nichthoheitlich grundsätzlich nach nationalem Recht vorzunehmen. Für die Abgrenzung kommt es im Einzelfall darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, also öffentlich-rechtlich, oder wie eine Privatperson im kommerziellen Bereich, mithin privatrechtlich (sog. "acta iure gestionis"), tätig geworden ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich wiederum nicht nach dem Motiv oder Zweck, sondern nach der Art und Natur der zu beurteilenden staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses (s. auch BGH, Beschl. v. 30.01.2013, III ZB 40/12). Allgemein anerkannt ist, dass zu dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit - neben beispielsweise der Ausübung der militärischen oder polizeilichen Gewalt oder der Rechtspflege - insbesondere die Gesetzgebung zu rechnen ist.

Dieser Grundsatz der Staatenimmunität als anerkannte Regel des Völkerrechts genießt gem. Art. 25 GG auch im Inland Verfassungsrang, hat in der Vorschrift des § 20 II GVG seinen gesetzgeberischen Niederschlag gefunden und ist daher für die deutschen Gerichte verbindlich. Die - von Amts wegen zu prüfende - deutsche Gerichtsbarkeit darf folglich nicht ausgeübt werden, wenn eine Entscheidung in der Sache völkerrechtswidrig in die Souveränität eines anderen Staates im Bereich von dessen hoheitlicher Tätigkeit eingreifen würde (s. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 06.06.2013, 5 W 17/13, Juris).

2. Eben dies aber wäre vorliegend der Fall: Die Kläger machen geltend, das vom griechischen Parlament am 23.02.2012 verabschiedete Gesetz 4050/2012, auf dessen Grundlage das Abstimmungsverfahren unter den beteiligten Anleihegläubigern in Gang gesetzt und nach Erreichen des vorgesehenen Quorums das Ergebnis als für alle Anleger verbindlich festgestellt wurde, sei wegen "eklatanter" Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien als nichtig zu betrachten. Dies ergebe sich schon aus seiner Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG sowie mit Art. 9 und 20 GG. Auch gemessen an vergleichbaren Bestimmungen der griechischen Verfassung sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention sei das Gesetz rechtswidrig.

Wollte ein deutsches Gericht dieses Vorbringen nun aber inhaltlich überprüfen, so würde es zweifellos gerade in den Kernbereich hoheitlicher Betätigung des Staates Griechenland, nämlich in dessen Gesetzgebung, eingreifen. Dies ist, wie dargelegt, generell nicht zulässig: Es steht deutschen Gerichten schlicht nicht zu, die Verfassungsmäßigkeit eines ausländischen Gesetzes - und zwar weder nach Maßgabe der Verfassung des betreffenden Staates noch gar nach den Maßstäben des deutschen Grundgesetzes - zu hinterfragen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass selbst ein deutsches (Bundes-) Gesetz ausschließlich durch das Bundesverfassungsgericht für unwirksam erklärt werden könnte (Art. 100 I GG).

3. Auch der Gesichtspunkt des ordre public (Art. 6 EGBGB), nach dem einem ausländischen Gesetz unter engen Voraussetzungen die Anerkennung verweigert werden kann, hilft - entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung - nicht weiter. Schon der gedankliche Ansatz ist falsch: Es geht vorliegend ja nicht darum, dass ein deutsches Gericht in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Auslandsberührung aufgrund der Regeln des internationalen Privatrechts das ausländische materielle Recht im Inland anzuwenden hätte, wobei sich dann in der Tat u.U. die Frage stellen könnte, ob diese Rechtsanwendung im konkreten Fall zu einem untragbaren Widerspruch zu grundlegenden deutschen Rechts- und Wertvorstellungen führen würde. Vielmehr wurde durch das betreffende Gesetz und dessen Umsetzung in Griechenland selbst eine bestimmte Rechtslage geschaffen. Diese mag sich zwar im Ergebnis auch in Deutschland (und anderen Staaten) nachteilig für einzelne Anleger wie etwa die Kläger auswirken; als Faktum ist sie gleichwohl hinzunehmen. Anders ausgedrückt: Wenn infolge der Ausführung des Gesetzes 4050/2012 in Griechenland die in den Bonds verbrieften Forderungsrechte eingezogen, ausgebucht und damit vernichtet worden sind, so kann dies nicht unter Berufung auf den deutschen ordre public - also darauf, dass eine solche Enteignung nach unseren Maßstäben möglicherweise als grundgesetzwidrig angesehen werden könnte - gewissermaßen rückgängig gemacht werden.

4. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte vorliegend nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich ("acta iure gestionis") tätig geworden sei.

a) Richtig daran ist nur, dass die ursprüngliche Emission der streitgegenständlichen Anleihen, durch die sich der griechische Staat auf den Finanzmärkten mit dem nötigen Kapital zu seiner Finanzierung versorgte, unzweifelhaft fiskalischer Natur war (BVerfG NJW 2007, 2605 Rz. 35 betr. Argentinien-Anleihen). Dies ist jedoch nicht das Problem: Vielmehr geht es um die Frage, welcher Natur die Einziehung der Anleihen war. Wenn die Kläger aus den streitgegenständlichen Anleihen noch einen primären Erfüllungsanspruch oder aber, weil die Beklagte diese im Rahmen des Schuldenschnitts eingezogen und für nichtig erklärt hat, einen vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruch geltend machen, so ist zunächst zu konstatieren, dass ihnen aufgrund des Gesetzes 4050/2012 alle diesbezüglichen Ansprüche entzogen worden sind. Diese Entziehung erfolgte zwar nicht schon im Wege der Legalenteignung, also durch das genannte Gesetz selbst, sondern erst - nachdem die erforderlichen Abstimmungsmehrheiten zustande gekommen waren - infolge von dessen Umsetzung durch Beschlüsse des Ministerrats und die daraufhin ergangenen Anweisungen an die griechische Zentralbank. Mit dem nach der Gläubigerabstimmung ("collective-action-Prozess") erfolgten (Zwangs-) Umtausch der Bonds hat aber die griechische Regierung nur das durchgeführt, was das Gesetz 4050/2012 vorsah; sie bewegte sich somit im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Nach Maßgabe der griechischen Gesetzeslage handelte sie deshalb in jedem Fall rechtmäßig (so auch LG Düsseldorf, Urt. v. 21.03.2013, 11 O 397/12, Juris). Selbst wenn jedoch die Exekutivorgane den Ermächtigungsrahmen überschritten hätten, wäre dies als Hoheitsakt durch ein deutsches Gericht nicht überprüfbar. Ein greifbarer Rechtsverstoß - etwa wegen Unvereinbarkeit des Gesetzes 4050/2012 mit der griechischen Verfassung - könnte deshalb allenfalls in dem Umstand gesehen werden, dass eben diese Gesetzeslage durch das Parlament, also durch hoheitliches Handeln, geschaffen worden war. Gerade dies aber entzieht sich der Kontrolle durch ein deutsches Gericht.

b) Dass die griechische Zentralbank selbst, wie sie in einem an den Staatsgerichtshof gerichteten Schriftsatz (s. Anl. K 19) geäußert hat, der Meinung ist, bei dem Anleihentausch nicht hoheitlich, sondern fiskalisch gehandelt zu haben, kann an dieser Beurteilung nichts ändern: Wie vorstehend bereits dargelegt, obliegt die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit nicht den handelnden Organen des betreffenden ausländischen Staates, sondern sie ist grundsätzlich nach dem nationalen Recht des angerufenen Gerichts, hier also nach deutschem Recht vorzunehmen (BGH NJW 1979, 1101).

c) Die vorliegende Fallkonstellation ist, entgegen der Auffassung der Kläger, auch nicht mit dem Fall der Argentinien-Anleihen vergleichbar:

Nach der ab 1999 verschärften Finanzkrise und der darauf folgenden Staatspleite hatte die Republik Argentinien durch ein Gesetz aus dem Jahre 2002 den "öffentlichen Notstand" erklärt und auf der Grundlage einer daraufhin erlassenen Verordnung die Bedienung der Auslandsschulden durch die Regierung vorläufig ausgesetzt, um in der so gewonnenen Zeit den Schuldendienst insgesamt neu ordnen zu können. Deutsche Anleger hatten daraufhin gegen die Republik Argentinien auf Erfüllung ihrer Ansprüche aus den auch auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegten Staatsanleihen geklagt. Die hiermit befassten Zivilgerichte hatten sich an einer Sachentscheidung nicht durch Immunitätsgesichtspunkte gehindert gesehen (vgl. insb. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.04.2008, 8 U 201/07, Juris).

Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall lag indes darin, dass die Republik Argentinien bei der Emission der Anleihen ausdrücklich "unwiderruflich" auf die Staatenimmunität "in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen" verzichtet und sich dementsprechend auch, jedenfalls in den Erkenntnisverfahren, gar nicht auf ihre Immunität berufen hatte. Die Rückzahlungsklagen konnten deshalb ohne Weiteres der fiskalischen, nichthoheitlichen Staatstätigkeit zugeordnet werden; zumindest aber stand infolge des Verzichts der Gesichtspunkt etwaigen hoheitlichen Handelns einer Entscheidung durch deutsche Gerichte nicht entgegen. Demgegenüber haben die Kläger im vorliegenden Fall gerade nicht aufzeigen können, dass das griechische Gesetz 2198/1994, auf dessen Grundlage die Emission der streitgegenständlichen Anleihen ursprünglich erfolgt war, einen ähnlichen Immunitätsverzicht beinhaltet hätte.

Gegenstand einer zu diesem Komplex ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war denn auch nur, ob der Staat Argentinien berechtigt war, gegenüber Privatpersonen die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf einen wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern (s. BVerfG NJW 2007, 2610). Das BVerfG urteilte, dass jedenfalls keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar sei, aus der sich eine solche Berechtigung herleiten ließe. Die Frage, ob die Republik Argentinien sich wegen der Aussetzung des Schuldendienstes nicht vielleicht unter dem Gesichtspunkt hoheitlichen Handelns auf Immunität berufen konnte, spielte in diesem Zusammenhang - nach dem vorstehend erwähnten Verzicht konsequent - keine Rolle.

In einer zweiten Entscheidung befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, auf welche Weise gegen den ausländischen Staat vollstreckt werden kann (BVerfG NJW 2007, 2605): Konkret ging es darum, ob der in den Anleihebedingungen enthaltene pauschale Immunitätsverzicht Argentiniens sich auch darauf erstreckte, dass damit auch im Vollstreckungsverfahren die Immunität bezüglich hoheitlich genutzten Vermögens aufgehoben war, ob also das besonderem diplomatischem Schutz unterliegende Botschaftskonto gepfändet werden konnte - was das BVerfG verneinte. Auch aus dieser Entscheidung können die Kläger mithin nichts für ihre Rechtsposition herleiten.

Damit hat es im Ergebnis dabei zu verbleiben, dass die Klage mangels deutscher Gerichtsbarkeit unzulässig ist.

Die nachgereichten Schriftsätze der Parteien vom 06.11. und vom 08.11.2013 geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§§ 296a, 156 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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