BGH, Urteil vom 02.11.2000 - III ZR 261/99
Fundstelle
openJur 2010, 9719
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer III des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 1998 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen. Tatbestand Die Klägerin war Eigentümerin eines älteren Pkw Daimler-Benz 190 SL, den sie im Oktober 1994 zu einem Kaufpreis von 77.000 DM unter Eigentumsvorbehalt verkauft und dem Käufer übergeben hatte. Nach einer Anzahlung standen von dem Kaufpreis noch 57.000 DM offen.

Unter dem 12. Januar 1995 beantragte die Klägerin, da das Fahrzeug längere Zeit stillgelegen hatte, bei der Zulassungsstelle des beklagten Kreises eine neue Betriebserlaubnis gemäß § 21 StVZO. Mit Rücksicht auf ihr Sicherungsinteresse verlangte sie zugleich, den neu auszustellenden Kraftfahrzeugbrief dem Technischen Überwachungsverein nur treuhänderisch zu übersenden mit der Verpflichtung, ihn an die Klägerin zurückzuschicken. Dementsprechend bat das Straßenverkehrsamt des Beklagten den TÜV B. in seinem Anschreiben vom 16. Januar 1995, mit dem es diesem den neuen Brief zur Anfertigung eines Gutachtens nach § 21 StVZO übersandte, nach Abnahme des Fahrzeugs den Kraftfahrzeugbrief dem Halter auszuhändigen; in einer Anlage war als Halterin die Klägerin bezeichnet. Dessen ungeachtet übergab ein Mitarbeiter des TÜV B. den Fahrzeugbrief einem Angestellten des Käufers, der das Fahrzeug vorgeführt hatte. Der Käufer veräußerte alsbald den Wagen unter Übergabe des Fahrzeugbriefs.

Über den Restkaufpreis von 57.000 DM erwirkte die Klägerin gegen den Käufer ein Scheckvorbehaltsurteil, die Zwangsvollstreckung blieb jedoch ergebnislos. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin deswegen -unter Einschluß von Prozeß-und Vollstreckungskosten -den Kreis L. auf Schadensersatz in Höhe von 63.661,96 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in der Hauptsache stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der beklagte Kreis Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision ist begründet. Gegen den Beklagten steht der Klägerin der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) nicht zu.

I.

Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zwar Amtspflichtverletzungen der Kreisangestellten W. bei der Übergabe des Kraftfahrzeugbriefs an den TÜV B., es lastet dem Kreis aber einen Verstoß der Mitarbeiter des Technischen Überwachungsvereins gegen die in § 25 Abs. 1 StVZO normierten Pflichten zur Behandlung des Fahrzeugbriefs an. Hierfür habe der beklagte Kreis einzustehen. Die Rückgabe des Fahrzeugbriefs an den Übergeber nach § 25 Abs.1 Satz 5 StVZO sei eine der Zulassungsstelle obliegende amtliche Aufgabe, zu deren Erfüllung sie zwar auch andere Kräfte heranziehen könne, die aber gleichwohl eigene Verpflichtung der Kreisverwaltung bleibe. In diesen ihr übertragenen Aufgabenkreis habe im Streitfall die Zulassungsstelle die Mitarbeiter des TÜV B. im Wege eines Auftrags als Verwaltungshelfer einbezogen. Hingegen habe kein ausreichender Zusammenhang zu deren eigener hoheitlicher Sachverständigentätigkeit -mit Amtshaftung des Landes -bestanden.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.

1.

Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß das an den Technischen Überwachungsverein mit Schreiben vom 16. Januar 1995 gerichtete Ersuchen der Zulassungsstelle, den Kraftfahrzeugbrief nach erfolgter Abnahme unmittelbar dem Halter auszuhändigen, nicht amtspflichtwidrig war. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO war die Zulassungsstelle zwar grundsätzlich selbst verpflichtet, den neu ausgestellten Fahrzeugbrief der Klägerin zu übergeben. Das schließt es indessen bei dem hier geübten Verfahren, in dem die nach § 21 StVZO erforderliche Bescheinigung eines amtlich anerkannten Sachverständigen an letzter Stelle stand, nicht aus, diesem zugleich die Rückgabe des Briefs an den nach § 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO Berechtigten zu überlassen. Dabei war lediglich sicherzustellen, daß der Sachverständige den Empfangsberechtigten kannte. Jedoch war in diesem Punkt das an den TÜV B. übersandte Schreiben des Straßenverkehrsamts eindeutig, zumal sich die Klägerin deswegen auch selbst mit dem TÜV in Verbindung gesetzt und ihn auf ihre Berechtigung am Brief hingewiesen hatte.

2.

Pflichtwidrig war unter diesen Umständen ausschließlich die spätere unberechtigte Aushändigung des Kraftfahrzeugbriefs an den Käufer durch die Mitarbeiter des TÜV B.. Für diese Pflichtverletzung hat indessen nicht der Beklagte einzustehen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übt der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr bei den ihm durch die Straßenverkehrszulassungsordnung übertragenen Tätigkeiten hoheitliche Befugnisse aus. Für Amtspflichtverletzungen, die er hierbei begeht, haftet darum nicht der Technische Überwachungsverein als sein Arbeitgeber, sondern das Bundesland, das ihm die amtliche Anerkennung als Sachverständiger erteilt hat (BGHZ 49, 108, 110 ff.; 122, 85, 87 ff.; Senatsurteil vom 11. Januar 1973 -III ZR 32/71 -NJW 1973, 458).

b) Eine solche hoheitliche Tätigkeit im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO haben die Sachverständigen des TÜV B. hier ausgeübt. Mit dieser war die Aushändigung des Fahrzeugbriefs nach seiner Vervollständigung und dem damit erreichten Abschluß des Verwaltungsverfahrens aufs engste verbunden. Ob es deswegen bereits gerechtfertigt erschiene, diese als bloßen "Annex" der Sachverständigentätigkeit zu begreifen, mag dahinstehen. Jedenfalls wäre das vom Berufungsgericht als "Auftrag" qualifizierte Ersuchen der Zulassungsstelle an den TÜV B. angesichts der eigenverantwortlichen hoheitlichen Tätigkeit der Kraftfahrzeugsachverständigen weder ein verwaltungsrechtliches Mandat, das für den Beauftragten ein Handeln im fremden Namen voraussetzte (vgl. Schenke, VwA 68 [1977], 118, 148; begrifflich etwas weiter Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, S. 26), noch eine Inanspruchnahme dieser Sachverständigen oder ihrer Mitarbeiter als bloße -unselbständige -Verwaltungshelfer (vgl. BGHZ 121, 161, 164 f.), wie das Berufungsgericht meint; das Ersuchen wäre vielmehr als Bitte um Amtshilfe anzusehen. Mit der Heranziehung eines freiberuflich tätigen Prüfingenieurs zur Prüfung der Statik eines Bauvorhabens durch die Baugenehmigungsbehörde (BGHZ 39, 358), auf die das Berufungsgericht verweist, ist der vorliegende Fall schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Prüfingenieur -anders als die Kraftfahrzeugsachverständigen, deren hoheitliche Aufgaben gesetzlich festgelegt sind -erst durch den ihm jeweils erteilten Prüfungsauftrag in die öffentliche Verwaltung einbezogen wird (BGHZ 39, 358, 361 f.; 49, 108, 113 f., 116 f.) und die Verantwortung im Verhältnis zu Dritten darum insgesamt bei der Baugenehmigungsbehörde verbleibt. In beiden denkbaren Alternativen -Annex oder Amtshilfe -würde für Amtspflichtverletzungen aber nicht die ersuchende Behörde, sondern die für den pflichtwidrig tätigen Amtsträger allgemein eintrittspflichtige Körperschaft haften (vgl. zur Amtshilfe Senatsurteil vom 25. April 1960 -III ZR 65/57 -LM § 839 C BGB Nr. 56; BGB-RGRK/Kreft, 12. Aufl., § 839 Rn. 56; Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 253), hier also das Land Nordrhein-Westfalen. Mit Recht hat demnach das Landgericht die Klage abgewiesen.