OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2013 - 6 U 154/13
Fundstelle
openJur 2014, 127
  • Rkr:

Wird in der Werbung für eine Pauschalreise die Übersendung des Reisepreissicherungsscheins zusammen mit der Reisebestätigung als Besonderheit hervorgehoben, liegt darin eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten, weil dem angesprochenen Verkehr nicht geläufig ist, dass diese Übersendung eines Reisepreissicherungsscheins gesetzlich vorgeschrieben ist (Abgrenzung zu BGH GRUR 2013, 950 - auch zugelassen am OLG Frankfurt).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.5.2013 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a. M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagte veranstaltet Pauschalreisen. Im Mai 2012 warb sie auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Vorteile" mit folgende Aussage:

„Mehr Sicherheit. Denn sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie Ihren Reisepreissicherungsschein."

Die Beklagte gab am 30.05.2012 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Bl. 17 d.A.). Am 4.6.2012 warb sie auf ihrer Internetseite erneut mit der genannten Aussage (Anlage K5). Am 18.06.2012 warb sie unter der Rubrik „Vorteile" mit folgende Aussage (Anlage K8):

„Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie Ihren Reisepreissicherungsschein."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt verwiesen. Die Klägerin begehrt Unterlassung. Einen ursprünglich angekündigten Antrag auf Zahlung einer Vertragsstrafe haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd für eine Pauschalreise damit zu werben und/oder werben zu lassen, dass ein Vorteil der beworbenen Pauschalreise in der Übergabe eines Sicherungsscheines im Sinne des § 651 k BGB liege, wenn dies geschieht wie in der Anlage K5 und/oder in der Anlage K8.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe verkannt, dass die auf der Internetseite herausgestellten Vorteile sich nicht auf den Sicherungsschein als solchen bezögen, sondern auf den besonders schnellen und besonders bequemen Buchungsweg via Internet. Außerdem wisse ein ganz erheblicher Teil des angesprochenen Publikums, dass dem eine Pauschalreise Buchenden vom Veranstalter ein Reisepreissicherungsschein auszuhändigen ist. Er unterliege deshalb keiner Fehlvorstellung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2013, Az. 3 - 08 O 175/12 abzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.05.2013 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es ist nicht zu erwarten, dass die mündliche Verhandlung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts führen kann.

1. Der Senat hat die Beklagte bereits durch Beschluss vom 7.10.2013 darauf hingewiesen, warum er beabsichtigt, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Er hat ausgeführt:

Gegenstand der Berufung ist - wie der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 30.9.2013 klargestellt hat - allein das gegen die Werbung gemäß Anlage K 8 gerichtete Unterlassungsbegehren. Der Klägerin steht der entsprechende Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 III Nr. 2 UWG zu, da die beanstandete Werbeaussage „Sofort mit der Reisebestätigung erhalten Sie Ihren Reisepreissicherungsschein“ im Kontext des konkreten Angebots gemäß Anlage K 8 als irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten einzustufen ist. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Dass die genannte Aussage lediglich eine - dem angesprochenen Verkehr allerdings nicht geläufige - gesetzliche Verpflichtung wiedergibt, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Der Hinweis auf die sofortige Übersendung des Reisepreissicherungsscheins zusammen mit der Reisebestätigung ist daher irreführend im Sinne von § 5 UWG, wenn er nach dem Gesamteindruck der angegriffenen Werbung als Besonderheit hervorgehoben wird. Dies hat das Landgericht mit Recht bejaht. In Anlage K 8 erscheint die in Rede stehende Aussage gleichrangig mit drei weiteren Aussagen unter der Überschrift „Die A Vorteile“. Jede der vier Aussagen bildet einen eigenen Absatz, dem jeweils ein Symbol vorangestellt ist; die Anfangsworte sind dabei jeweils in Fettdruck wiedergegeben. Dies kann aus der Sicht des durchschnittlichen Werbeadressaten nur dahin verstanden werden, dass auch die streitgegenständliche Aussage für sich allein gesehen auf einen besonderen, von der Beklagten gewährten Vorteil hinweist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.2.2013 - I ZR 146/12 (GRUR 2012, 950 - auch zugelassen am OLG Frankfurt). Insbesondere kann diese Entscheidung nicht dahin verallgemeinert werden, dass ein Verstoß gegen § 5 UWG unter dem Gesichtspunkt der Werbung mit Selbstverständlichkeiten etwa immer dann ausscheidet, wenn dem angesprochenen Verkehr die als Besonderheit hervorgehobene Tatsache noch nicht bekannt ist. Denn das Irreführungspotential der Werbung mit einer objektiv zutreffenden, jedoch nur eine Selbstverständlichkeit wiedergebenden Aussage beruht gerade darauf, dass dem Verkehr nicht bekannt ist, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Umgekehrt scheidet eine Irreführung daher dann aus, wenn der Verkehr erkennt, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um etwas Selbstverständliches handelt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., Rdz. 2.115 zu § 5 UWG). Der Entscheidung vom 20.2.2013 ist nicht zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof unabhängig von den Besonderheiten der dort zugrunde liegenden Fallgestaltung die genannten, allgemein anerkannten Grundsätze über die Werbung mit Selbstverständlichkeiten in Frage stellen wollte.

2. Die Stellungnahme der Beklagten Klägerinnen vom 20.11.2013 rechtfertigt keine davon abweichende Beurteilung.

a) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, als Vorteil würden nicht der Reisepreissicherungsschein als solcher, sondern der besonders schnelle Erhalt der Buchungsbestätigung nebst Sicherungsschein und die besonders bequeme Buchung herausgestellt. In der Spalte „Vorteile" werden verschiedene optisch voneinander abgesetzte Punkte aufgeführt. Unter dem Punkt „Schneller und bequemer" wird der Vorteil einer binnen 3 Werktagen erhältlichen Buchungsbestätigung mit Sicherungsschein angegeben. Dieser Punkt ist nicht Gegenstand des Verbots. Die beanstandete Formulierung findet sich in einem separaten Punkt, der vom Verkehr eindeutig als eigenständiger Vorteil verstanden wird und verstanden werden soll. Die Beklagte kann deshalb nicht damit gehört werden, es ginge lediglich darum, dass der Reisepreissicherungsschein schneller als bei der Konkurrenz erhältlich sei.

b) Entgegen der Ansicht der Berufung kann nicht angenommen werden, dass dem durchschnittlich verständigen Verbraucher bekannt ist, dass der Veranstalter einer Pauschalreise von Gesetzes wegen einen Reisepreissicherungsschein aushändigen muss und deshalb keiner Fehlvorstellung dergestalt unterliegen kann, es handele es sich hierbei um einen Vorteil des Angebots der Beklagten.

aa) Für den vom Landgericht zugesprochenen vertraglichen Unterlassungsanspruch kommt es hierauf schon nicht an, weil insoweit nicht das Verkehrsverständnis, sondern der Umfang des Unterlassungsvertrages maßgeblich ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich das vom Landgericht ausgesprochene Verbot in den Grenzen der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten hält „Mehr Sicherheit“ bezieht. Das Verbot lässt sich jedenfalls auf § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 UWG stützen. Auf diesen Aspekt stellt die Klage auch ab. Der vertragliche Unterlassungsanspruch bildet keinen eigenen Streitgegenstand über den vorrangig zu befinden wäre. Denn die Klägerin stützt ein und dieselbe Verletzungsform (Anlagen K5, K8) nur auf verschiedene Verbotsgründe (vgl. BGH GRUR 2013, 401 Rn. 19 - Biomineralwasser).

bb) Es mag zutreffen, dass die Aushändigung von Reisepreissicherungsscheinen aufgrund der seit Jahren bestehenden reiserechtlichen Regelung ständiger Praxis entspricht. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass der Durchschnittsverbraucher häufiger eine Pauschalreise bucht und in den Besitz von Sicherungsscheinen gelangt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Verbraucher - selbst wenn er den Reisepreissicherungsschein zur Kenntnis nimmt - bewusst wird, dass das Reiseunternehmen hierzu rechtlich verpflichtet ist. Bei § 651 k III BGB handelt es sich um eine komplizierte Regelung, die sich für den Verbraucher selten unmittelbar auswirkt. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass sie in das allgemeine Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt ist. Das kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde beurteilen. Der Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Dem Beweisangebot der Einholung einer Auskunft des B e.V. kann der Senat schon deshalb nicht entsprechen, weil es sich hierbei nicht um ein von der Prozessordnung zugelassenes Beweismittel handelt.

c) Soweit die Berufung eine Auseinandersetzung mit einer angeblichen Entscheidung des OLG München vom 27.9.2012, Az. 6 U 1141/12 vermisst, beruht dies darauf, dass eine solche Entscheidung weder in gängigen Verzeichnissen (juris, beck-online) veröffentlicht ist noch von der Beklagten vorgelegt wird. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Köln vom 1.2.2013 ist nicht einschlägig (WRP 2013, 662). Dort ging es um eine Internetwerbung eines Reiseveranstalters mit der Formulierung „Unsere Kunden gehen kein Risiko ein: Mit ihrer Anzahlung garantiert ein Sicherungsschein ihre Ansprüche". Das OLG Köln hat die Aussage vorrangig anhand des per-se-Verbots nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Ziff. 10 der „black list" geprüft, die einen Sonderfall der Werbung mit Selbstverständlichkeiten regelt. Voraussetzung ist, dass die dem Verbraucher gesetzlich zugestandenen Rechte als Besonderheit des Angebots dargestellt werden. Dies konnte in dem Fall des OLG Köln nicht angenommen werden, weil die beanstandete Äußerung weder grafisch noch inhaltlich hervorgehoben war. Im Streitfall wird die angegriffene Aussage hingegen als einer von mehreren „Vorteilen“ besonders hervorgehoben.

d) Entgegen der Ansicht der Berufung wird ihre Rechtsansicht, das beworbene Verbraucherrecht sei den Verkehrskreisen durchweg bekannt und führe deshalb nicht zu einer Fehlvorstellung, durch die Entscheidung des BGH vom 20.2.2013, Az. I ZR 146/12 nicht gestützt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Entscheidung missverstanden. Der BGH hat in dem zu entscheidenden Fall, eine Irreführung verneint, solange die Selbstverständlichkeit des beworbenen Umstands dem Verkehr nicht durchweg bekannt ist. Dies beruhte auf dem nicht verallgemeinerungsfähigen Sachverhalt, wonach potentielle Mandanten des werbenden Rechtsanwalts ein berechtigtes Interesse daran haben, über die (eigentlich selbstverständliche) Zulassung am OLG informiert zu werden. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Verbraucher wird im Streitfall nicht nur informiert. Es wird die falsche Vorstellung hervorgerufen, bei dem Reisepreissicherungsschein handle es sich um einen Vorteil des Angebots der Beklagten im Verhältnis zu Angeboten von Mitbewerbern.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Schuldnerschutzanordnung folgen §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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