AG Köln, Urteil vom 16.11.2012 - 263 C 106/12
Fundstelle
openJur 2013, 46102
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 566,57 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 60% und dem Kläger zu 40% auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

- entfällt gem. § 313a I ZPO -

Gründe

Die zulässige Klage hat nur zum Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten lediglich in Höhe von 566,57 Euro gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 u. 2 StVG, 115 VVG, § 398 BGB.

Die Aktivlegitimation des Klägers als Betreibers eines Mietwagenunternehmens ergibt sich gem. § 398 BGB bereits aus der wirksamen Forderungsabtretung des Geschädigten vom 02.05.2012.

Diese war zunächst nicht wegen Unbestimmheit unwirksam. Denn ausweislich der Abtretungsurkunde trat der Geschädigte ausdrücklich den "Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten " an den Kläger ab. Damit ist aber ein klar umrissener, abgrenzbarer und mithin bestimmbarer Teil der gesamten Schadensersatzforderung abgetreten worden und nicht etwa der gesamte aus dem Unfall resultierende Schadensersatzanspruch lediglich beschränkt auf eine bestimmte Höhe (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 07.06.2011, Az.: VI ZR 260/10). Dass die Abtretung des klar abgegrenzten Teils des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten seinerseits auf die Höhe der fällig werdenden Ersatzwagenkosten beschränkt wurde, steht einer hinreichenden Bestimmtheit nicht entgegen.

Die alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall vom 02.05.2012 dem Grunde nach sowie die Anmietung des Ersatzfahrzeugs für den fraglichen Zeitraum ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH NZV 2009, 447).

Den Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagentarifs bildet der am Markt übliche Normaltarif. Dieser Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des gewichteten Mittels (Modus) des Schwacke-Automietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Anmietorts geschätzt werden, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel an der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2006, 2106; BGH NJW 2008, 1519; BGH, Urteil v. 22.02.2011, Az: VI ZR 353/09; BGH, Urteil v. 12.04.2011, Az.: VI ZR 300/09; BGH, Urteil v. 17.05.2011, Az.: VI ZR 142/10)

Mängel in diesem Sinne hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Soweit die Beklagte zunächst unter Hinweis auf die Methodik der Datenerhebung generell auf die Ungeeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzgrundlage hinweist und statt dessen die vermeintlichen Vorzüge der Studie des Fraunhofer Instituts erläutert, vermag dies an der Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels aus Sicht des Gerichts nichts zu ändern. Der Verweis auf alternative Schätzgrundlagen stellt gerade keine konkrete Tatsache im Sinne oben genannter Rechtsprechung dar, welche Zweifel an der Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels begründen (BGH, Urteil v. 22.02.2011, Az: VI ZR 353/09). Lediglich ergänzend weist das Gericht deshalb darauf hin, dass den von der Beklagten angeführten Vorzügen des von dem Fraunhofer Institut ermittelten Preisspiegels, etwa der Anonymität der Befragung, im Vergleich zu dem Schwacke-Preisspiegel auch Nachteile wie das geringere Ausmaß der Datenerfassung sowie eine gewisse "Internetlastigkeit" gegenüberstehen (vgl. LG Köln, Urteil v. 27.07.2010, Az.: 11 S 251/09).

Die Anwendung der Schwacke-Liste kann allenfalls dann zur Schätzung ungeeignet sein, wenn der Schädiger umfassenden Sachvortrag dazu hält und insoweit Beweis antritt, dass dem Geschädigten im fraglichen Zeitraum eine Anmietung mit denselben Leistungen zu wesentlich günstigeren Preisen bei konkret benannten bestimmten anderen Mietwagenunternehmen möglich gewesen wäre (BGH, Urteil v. 22.02.2011, Az.: VI ZR 353/09). Auch unter Berücksichtigung der jüngsten BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 12.04.2011, Az.: VI ZR 300/09; BGH, Urteil v. 17.05.2011, Az.: VI ZR 142/10) fehlt es an einem solchen Vortrag hier. Insbesondere waren die vorgelegten Angebote per Internetauszug der Firmen T und F insoweit nicht ausreichend. Das Angebot der Firma T bezieht sich auf eine Anmietung für den Zeitraum vom 29.08.2012 bis zum 14.09.2012, so dass sie für die Schätzung des Normaltarifs zum Anmietzeitpunkt im Mai 2012 schon zeitlich keine durchgreifende Relevanz haben. Entscheidend ist überdies, dass den von der Beklagten vorgelegten "screenshots" der jeweiligen Internetangebote nicht zu entnehmen ist, dass diese Angebote mit der hier tatsächlich erfolgten Anmietsituation vergleichbar sind. Aus den "screenshots” ergeben sich jeweils nur die Anmietdauer, eine bestimmte Fahrzeuggruppe und ein Preis. Bei dem Angebot der Firma T ist nicht zu erkennen, zu welchen Konditionen dieser Preis erhältlich ist. Insbesondere ist weder eine Kilometerleistung noch eine eventuelle Haftungsreduzierung erkennbar. Bei dem Angebot der Firma F fehlt es an Angaben zu Anmietort und Anmietzeit. Es ist nicht einmal erkennbar, ob es sich überhaupt um Angebote für eine Vermietung über 16 Tage handelt. Schließlich erfordert die Zugänglichkeit der von der Beklagten vorgelegten Internetangebote die Festlegung des genauen Anmietzeitraums bereits der bei der Buchung. Aufgrund von häufig auftretenden Reparaturunwägbarkeiten ist eine solche einem Unfallgeschädigten aber häufig nicht möglich.

Soweit die Beklagte behauptet, die von ihr recherchierten Preise seien auch zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt unter den hier gegen gegebenen Umständen zugänglich gewesen, stellt sich die insoweit beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens vor diesem Hintergrund als unzulässiger Ausforschungsbeweis dar (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.08.2010, Az.: 5 U 44/10). Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch ungeeignet erscheint. Es schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bielefeld in dessen Entscheidung vom 19.12.2007 an: "Es ist nicht ersichtlich, dass von einem Sachverständigen anzuwendende Erhebungsmethoden denen der Fa. FT überlegen sind. Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere und realistischere Ermittlung der Mietwagenkosten zum Unfallzeitpunkt erwarten ließen. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte ebenfalls nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmer erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die Beklagte Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Schwacke - Mietpreisspiegels herleitet." (vgl. LG Bielefeld, BeckRS 2008, 04036).

Auch aus der bereits zitierten jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergibt sich nach Auffassung des Gerichts lediglich, dass eine Auseinandersetzung mit den von der Beklagten vorgelegten Internetangeboten zu erfolgen hat, nicht jedoch, dass diese zwingend eine Ungeeignetheit der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage nach sich ziehen (so auch OLG Köln, Beschluss v. 15.11.2011, Az.: 15 U 9/11).

Insgesamt verbleibt es nach Auffassung des Gerichts trotz der Vielzahl der von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen bei der Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzgrundlage. Für die Behauptung der Beklagten, die Vermieter würden auf die offene Frage der Firma FT überhöhte Preise nennen, um den Normaltarif in ihrem Sinne zu beeinflussen, fehlt es bislang an einem konkreten Nachweis.

Die gemäß § 249 BGB erforderlichen Mietwagenkosten konnten somit nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel unter Berücksichtigung der Wochen- und Dreitagespauschalen, jeweils bezogen auf das Postleitzahlengebiet des Anmietorts, geschätzt werden. Zugrunde zu legen war dabei einen Mietdauer von 16 Tagen.

Aus dem aufgrund des Anmietzeitraums heranzuziehenden Schwacke-Mietpreisspiegel 2012 ergibt sich für das sich aus dem Anmietort ergebende Postleitzahlengebiet 508 zunächst ein zu ersetzender Normalpreis für ein Fahrzeug der Gruppe 4 und eine Mietdauer von 16 Tagen in Höhe von brutto 1.350,00 Euro brutto (2x Modus Wochenpauschale à 513,50 Euro + 2x Modus Tagespauschale à 161,50 Euro).

Einen 20%-igen Aufschlag auf diesen Betrag konnte der Kläger nicht beanspruchen. Solche Zuschläge sind nur dann erstattungsfähig, wenn sie erforderlich sind. Es kommt dabei darauf an, ob der Mietwagenkunde im Rahmen des ihm Zumutbaren Zugang zu Mietwagen zum Normaltarif oder nur zum Unfallersatztarif hatte. Demnach kann ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif nicht mit höheren Gemeinkosten für die Vorhaltung einer differenzierteren Fahrzeugflotte, höheren Verwaltungskosten, höheren Kosten für flexiblere Disposition, Vorfinanzierungskosten usw. begründet werden. Diese Kosten könnten auch auf alle Mietwagenkunden durch Erhöhung der Normalpreise umgelegt werden. Ein Zuschlag auf den Normaltarif ist eine interne betriebswirtschaftliche Entscheidung, die keine Erforderlichkeit im Sinne des Schadensrechts begründet (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2011, 7 U 109/11). Für die Erstattungsfähigkeit muss sich vielmehr aus dem Vortrag ergeben, dass eine Anmietung nur zu "Unfallersatzkonditionen" möglich war, da eine durch die Besonderheiten der Unfallsituation geprägte Eilbedürftigkeit und Notlage bestand (OLG Köln, Urteil vom 14.06.2011, 15 U 9/11). An einem solchen substantiierten Vortrag fehlt es hier. Der Umstand allein, dass das Fahrzeug am Unfalltag oder am Folgetag angemietet wurde, reicht hierfür nicht aus (OLG Köln, a.a.O.).

Der Kläger muss sich keine Abzüge für ersparte Eigenaufwendungen gefallen lassen, da der Geschädigte ein klassetieferes Fahrzeug anmietete.

Der Kläger kann indes Zusatzkosten für die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs in Ansatz bringen. Die Kosten für die Zustellung und Abholung eines Mietfahrzeugs zur bzw. von der Reparaturwerkstatt sind auch erstattungsfähig. Diese Zusatzleistungen darf ein Unfallgeschädigter in Anspruch nehmen. Es ist ihm nicht zuzumuten, den Transport zum Mietwagenunternehmen selbst zu organisieren (vgl. nur LG Köln, Urteil v. 22.02.2010, Az.: 20 O 376/09). Aus der Schwacke-Liste 2012 ergeben sich insoweit erstattungsfähige Kosten von insgesamt brutto 46,00 Euro.

Insgesamt errechnet sich somit ein erstattungsfähiger Gesamtbruttobetrag von 1.396,00 Euro. Abzüglich der außergerichtlich bereits bezahlten 829,43 Euro verbleibt der tenorierte Betrag von 566,57 Euro.

Der Kläger muss sich hier nicht eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten gem. § 254 BGB entgegen halten lassen, weil dieser einen Mietwagen nutzte und kein Taxi. Je nach den Umständen des Einzelfalles legt die Rechtsprechung die Grenze, ab der ein Geschädigter sich auf ein Taxi verweisen lassen muss bei einer Strecke von ca. 30 km am Tag fest. Der Geschädigte nutzte hier sein Fahrzeug aber mit einer Tagesleistung von 42,25 km. Dies liegt nahezu 50% über der Grenze der Rechtsprechung, so dass sich der Geschädigte hier nicht auf ein Taxi verweisen lassen musste.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 I, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 925,35 Euro.

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