VG Hannover, Urteil vom 20.11.2013 - 5 A 195/12
Fundstelle
openJur 2013, 45733
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens rückwirkend ab dem 15.04.2001 die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis, seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 01.01.2005 in der Form der Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger lebt mit seinen beiden älteren Kindern, der 16 Jahre alten Tochter C. und der 15 Jahre alten Tochter D. im Landkreis Hildesheim. Sein 1996 erstmalig ausgestellter libanesischer Pass ist seit 2006 abgelaufen. Im Behördenführungszeugnis vom 01.08.2011 ist für den Kläger eine Verurteilung zu 100 Tagessätzen durch das Amtsgericht Peine vom E. vermerkt wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Fleischhygienegesetz in mindestens 100 rechtlich zusammenhängenden Fällen, des Weiteren eine Verurteilung durch das Amtsgericht Hildesheim zu 25 Tagessätzen am F. wegen versuchter Nötigung einer Lehrerin seiner Töchter am G.. Zur Zeit ist gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft Hannover (Az. H.), ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerentgelten anhängig, des Weiteren bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig (Az. I.) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung. Er ist verdächtig, telefonisch gedroht zu haben, das Haus einer Familie in die Luft zu sprengen und die Familie „auszulöschen“.

Die mit dem Kläger nach islamischem Ritus verheiratete J., geb. am K..1980 in Mardin/Türkei, wurde vom Beklagten mit den Kindern im Jahr 2000 ausgewiesen. Im Februar 2005 wurde sie zusammen mit der 2003 geborenen Tochter L. in die Türkei abgeschoben. Im März 2013 kehrte sie mit Zustimmung der deutschen Behörden mit der Tochter L. und dem 2005 in der Türkei geborenen Sohn M. zurück. Die drei Personen erhielten eine Aufenthaltserlaubnis. Sie leben getrennt von der übrigen Familie in der Stadt Hildesheim. Die Kinder sind zwischenzeitlich im türkischen Personenstandsregister registriert. Die älteren Kinder sind im Besitz türkischer Personalausweise.

Der Kläger ist im Jahr 1979 im Libanon geboren. Im Jahr 1985 reiste er zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Asylbegehren der Familie wurde 1988 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Aufgrund der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung vom 18.10.1990 wurde dem Kläger, seinen Eltern und seinen Geschwistern am 02.11.1990 vom Landkreis Hannover eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die laufend verlängert wurde, seit Inkrafttreten des AuslG 1990 zum 01.01.1991 in der Form der Aufenthaltsbefugnis. Dem lag zugrunde, dass die Familie zunächst aufgrund ihrer Angaben als „Kurden aus dem Libanon mit ungeklärter bzw. nicht aufklärbarer Staatsangehörigkeit“ angesehen worden war. Im Jahr 1994 wurde der Kläger im Wege der Sammeleinbürgerung libanesischer Staatsangehöriger.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 09.04.2001 auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis mit Bescheid vom 08.10.2001 ab, zusammengefasst mit der Begründung, der Vater des Klägers sei türkischer Staatsangehöriger. Er nenne sich nach arabischem Sprachgebrauch N.. Mit türkischem Namen heiße er O. und sei ausweislich des türkischen Familienregisterauszugs vom 07.08.2001, übersandt vom Türkischen Generalkonsulat Hannover, am 01.01.1945 in der Türkei in  Ückavak, Provinz Mardin, geboren. Nach dem türkischen Abstammungsprinzip sei der 1979 im Libanon geborene Kläger ebenfalls türkischer Staatsangehöriger. Er hätte nach Abschluss des Asylverfahrens 1988 in die Türkei abgeschoben werden können. Er könne in der Türkei seine Registrierung beantragen und einen türkischen Pass erlangen. Die Staatsangehörigkeit des Klägers sei daher nicht unaufklärbar gewesen. Der Vater des Klägers, O., habe die Behörden über seine Identität, insbesondere über seine türkische Abstammung und über seine Geburt in der Türkei getäuscht. Dieses Verhalten müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Der Vater des Klägers sei zwar im Jahr 2001 wegen Nichtableistung des Wehrdienstes aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden. Das habe aber keinen Einfluss auf die türkische Staatsangehörigkeit seiner Kinder.

Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die frühere Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2003 zurück mit der Begründung, der Nds. Bleiberechtserlass von 1990 erfasse - auch wenn der Wortlaut insoweit nicht eindeutig sei -. seinem Sinn und Zweck nach nur staatenlose Kurden oder Kurden mit unaufklärbarer Staatsangehörigkeit aus dem Libanon, nicht jedoch Kurden, sofern sie nur längere Zeit vor der Einreise in das Bundesgebiet im Libanon gelebt hätten. Der Vater des Klägers habe nach Art. 1 des Türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (tStAG) die türkische Staatangehörigkeit durch Abstammung an den Kläger weitergegeben. Durch Ermittlungsergebnisse des Landkreises Northeim sei bekannt geworden, dass die nach islamischem Ritus mit dem Kläger verheiratete P. - die Tochter seines Cousins Q. - 1980 in der Türkei geboren sei. Ihre Eltern R. und S. seien bei der Einreise im Besitz rechtmäßig ausgestellter türkischer Pässe gewesen, die diese Identität nachwiesen. Sämtliche vom Vater des Klägers angegebenen Vornamen seiner Geschwister stimmten mit den im türkischen Registerauszug aufgeführten Kindern von T. und U. aus Ückavak/Türkei überein. Die in Wilhelmshaven lebende Schwester des Vaters des Klägers, V. (die Großmutter der P.), habe damit übereinstimmende Angaben gemacht. In der Akte des W. - einem Bruder des Vaters des Klägers - sei in einer Aufzählung seiner Kinder u. a. seine Tochter X. benannt. Es handele sich ausweislich der Ermittlungen der Ausländerbehörde in Bremen um die türkische Staatsangehörige Y. aus Ückavak, im Register von Mardin-Savur-Ückavak registriert unter Cilt Z., Hane AA.. Die Registrierung im türkischen Personenstandsregister erfolge im Register des Vaters. Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse folge daraus, dass der Vater der Y. ebenfalls aus Ückavak stamme und dessen Vater ebenfalls. Die Zurückverfolgung ergebe, dass auch O. - der Vater des Klägers - somit ebenfalls aus Ückavak stamme. Zudem habe dieser am 10.10.2002 anlässlich eines Gesprächs in einer ausländerrechtlichen Angelegenheit zugegeben, in der Türkei geboren und später in den Libanon gegangen zu sein. Bei rechtzeitiger Kenntnis der Behörden wäre der Kläger nicht unter die Zielgruppe der Bleiberechtsregelung von 1990 gefallen. Der Erlass gewähre bei zu Unrecht erfolgter Bejahung der Voraussetzungen kein Daueraufenthaltsrecht. Humanitäre Gründe für den Verbleib im Bundesgebiet seien nicht ersichtlich. Der Kläger könne mit seiner Familie in der Türkei leben. Er sei dort nicht auf sich allein gestellt.

Dagegen erhob der Kläger Klage, die im Urteil des erkennenden Gerichts vom 21.06.2006 - 6 A 3691/03 - zur Verpflichtung zur Neubescheidung führte. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht änderte die Entscheidung mit Urteil vom 27.09.2007 - 11 LB 69/07- und wies die Klage ab. Im Revisionsverfahren (1 C 40.07) hob das Bundesverwaltungsgericht am 27.01.2009 das Urteil auf und wies das Verfahren im Hinblick auf die Prüfung des § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und die noch fehlende Prüfung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zur erneuten Entscheidung an das Nds. OVG zurück.

Die Beteiligten schlossen am 07.07.2010 einen Vergleich, aufgrund dessen der Kläger die Klage zurücknahm. Das Gerichtsverfahren wurde vom Nds. OVG am 09.08.2010 eingestellt und die vorausgegangenen gerichtlichen Entscheidungen für unwirksam erklärt. Für den Fall der Einhaltung der im Vergleich genannten Vorgaben war dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis im Rahmen einer Härtefallentscheidung nach § 23a AufenthG zugesagt worden. Zu einem Härtefallersuchen an das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport kam es aufgrund der zwischenzeitlich bekannt gewordenen erneuten Straffälligkeit des Klägers im Hinblick auf die Nötigung der Lehrerin seiner Kinder am G. nicht.

Mit Antrag vom 30.08.2011 begehrte der Kläger vom Beklagten das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf den Aufenthaltsbefugnis-Verlängerungsantrag vom 09.04.2001. Durch Vorlage des DNA-Gutachtens der AB. - vom 24.03.2011 sei nunmehr belegt, dass der türkische Registerauszug vom 07.08.2001 falsch sei oder er jedenfalls nicht seine Familie betreffe. Hiernach sei AC. - sein Vater - nicht der Bruder von AD., wie es aber in dem türkischen Registerauszug vom 07.08.2001 vermerkt sei. Dadurch sei bewiesen, dass der Registerauszug keinen Beweiswert habe, sodass die türkische Staatsangehörigkeit für ihn - den Kläger - zu verneinen sei. Er habe auf der Grundlage des Niedersächsischen Bleiberechtserlasses vom 18.10.1990 einen Anspruch auf Verlängerung des Aufenthaltstitels gehabt. Ihm und seinen Familienangehörigen sei im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruchs rückwirkend eine Aufenthaltsbefugnis bzw. ab dem 01.01.2005 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte lehnte nach vorheriger Anhörung den Antrag mit Bescheid vom 16.11.2011 ab. Dazu führte er aus, der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei nur dann begründet, wenn sich aus den Darlegungen ergebe, dass nachträglich eine andere Entscheidung getroffen werden müsste. Hiervon sei nicht auszugehen. Dazu verwies er auf den Familienregisterauszug des AE. vom 07.08.2001 (Mardin-Savur-Ückavak, Cilt Z., Hane AA.), in den als Kinder von AF. und von U. die 9 Kinder AG., AH., AI., AJ., AK., AL., AM., AN. und AO. eingetragen seien. Auch lägen weitere Registerauszüge der Kinder vor. Ausweislich des vom Landgericht Bückeburg eingeholten DNA-Gutachtens sei praktisch erwiesen, dass AP. (Tante des Klägers) und sein Vater AQ. Vollgeschwister seien (Wahrscheinlichkeit 99,99994 %). AR. (Onkel des Klägers) sei laut Gutachten mit dem Geschwisterpaar nicht voll verschwistert. Es bestehe aber eine enge Verwandtschaft zwischen AN. und AP.. Diese habe im Rahmen eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens angegeben, die Brüder AS., AT., AU., AV. und die Schwestern AW., AX. und AY. zu haben. Der Vater des Klägers, O., habe im Rahmen einer Anhörung bei der Ausländerbehörde des Beklagten am 19.09.2001 angegeben, er habe neben seinem verstorbenen ältesten Bruder weitere Brüder, nämlich AZ., AT., BA. und die Schwestern AI. und AW., AL. und AK. (auch: BB., BC.). O. und auch BD. hätten übereinstimmend die Namen der Eltern mit T. (auch: BE.) und BF. angegeben. Das Nds. OVG habe aus diesem hohen Maß an Übereinstimmung der Angaben seines Vaters mit den in verschiedenen Registerauszügen aufgeführten Kindern von T. und BF. geschlossen, dass die Annahme des Beklagten, O. sei identisch mit dem Vater des Klägers namens N., gerechtfertigt sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass AP. als Ehefrau des BG. mit gemeinsamen Kindern in einem weiteren Familienregister der Familie Önder in Ückavak, Hane AA., registriert sei. Deren Sohn R. sei bei seiner Einreise ins Bundesgebiet im Besitz eines türkischen Passes gewesen. Er habe als „BH.“ im Landkreis Northeim gelebt und sei Vater von 8 Kindern, worunter sich BI., die Ehefrau des nach muslimischem Ritus verheirateten Klägers befinde.

Die aufgrund des DNA-Gutachtens unwahrscheinliche Vollgeschwisterschaft von BJ. zu den erwiesenen Vollgeschwistern AM. und BD. (BK.) führe nicht dazu, dass die Unrichtigkeit des Registers erwiesen sei in Bezug auf den Vater des Klägers. Eine mögliche fehlerhafte Eintragung in Bezug auf AN. (BL.) habe keine Auswirkungen auf die übrigen im Register aufgeführten Personen. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der in Stadthagen lebende BM. mit dem im Familienregisterauszug aufgeführten BJ. identisch sei. Die Eintragung in das Personenstandsregister habe nach türkischem Recht den Charakter einer öffentlichen Urkunde. Zwar seien Registereintragungen nach türkischem Recht dem Gegenbeweis zugänglich. Hierfür reiche es aber nicht aus zu behaupten, der Vater des Klägers habe zum Zeitpunkt der Eintragung in das Familienregister im Jahr 1975 bereits im Libanon gelebt. Der Aufenthalt im Libanon schließe die Eintragung von Angaben zum Personenstand im türkischen Personenstandsregister nicht aus. Eine mangelnde Plausibilität einzelner Daten gebe keinen Anlass, die inhaltliche Richtigkeit des Registerauszugs insgesamt in Frage zu stellen. Daraus folge, dass es auf eine bestehende oder nicht bestehende biologische Verwandtschaft zwischen dem Vater des Klägers und AD. nicht ankomme. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Klägers oder ein Beweismittel, das eine günstigere Entscheidung rechtfertige, liege nicht vor. Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen komme nicht in Betracht. Gründe, die eine Durchbrechung der Bestandskraft durch Aufhebung der Entscheidung rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Der Bescheid wurde am 21.11.2011 zugestellt.

Der Kläger hat - zusammen mit seinen Familienangehörigen, deren Klageverfahren abgetrennt wurde und nicht Gegenstand dieser Entscheidung ist - am 21.12.2011 Klage erhoben. Er trägt vor, der türkische Registerauszug sei nachweisbar unrichtig. Einträge in türkische Personenstandsregister seien, so das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom BN. - BO., nicht verlässlich. Sie könnten auch von Dritten vorgenommen oder veranlasst werden. Viele Personen seien in der Türkei offiziell gemeldet, obwohl sie nicht in der Türkei gelebt hätten. Die ursprüngliche Nichtverlängerung der Aufenthaltsbefugnis sei rechtswidrig gewesen. Nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 01.01.2005 hätte gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG die Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis verlängert werden müssen, auch wenn der Bleiberechtserlass vom 18.10.1990 bei den Übergangsvorschriften nicht ausdrücklich erwähnt sei. Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sei angesichts der erheblichen Folgen für das Familienleben und insbesondere das Kindeswohl sowie aufgrund der Folgenbeseitigungslast abzusehen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 16.11.2011 auf seinen Antrag vom 09.04.2001 mit Wirkung ab dem 15.04.2001 eine Aufenthaltsbefugnis und ab dem 01.01.2005 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid. Der Kläger sei gegenwärtig nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie sicherzustellen. Auch die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stünden der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Gerichtsakten Az. 6 A 3691/03 und 6 B 3692/03, ferner auf die Gerichtsakte des Vaters des Klägers Az. 6 A 3853/03 verwiesen. Des Weiteren wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A - O) Bezug genommen

Gründe

Die Wiederaufnahmeklage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist unzulässig.

Dem Kläger steht ein Rechtschutzbedürfnis für das Wiedergreifen des Verwaltungsverfahrens betreffend den von ihm seinerzeit gestellten Antrag vom 09.04.2001 auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis rückwirkend ab dem 15.04.2001 nicht zur Seite. Zwar kann die rückwirkende Erteilung eines Aufenthaltstitels beansprucht werden, wenn hieran ein schutzwürdiges Interesse besteht (ständ. Rspr. d. BVerwG, vgl. U. v. 09.06.2009 - 1 C 7/08 -, juris, Rdnr. 17 m. w. N;, Nds. OVG, B. v. 24.07.2012 - 2 LB 278/11 -, juris). Auch ist anerkannt, dass eine Ausländerbehörde ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wieder aufgreifen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine neue Sachentscheidung treffen kann bzw. muss. Auch in diesem Falle ist die Klage auf die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aber nur dann zulässig, wenn hieran ein schutzwürdiges Interesse besteht (VG Stuttgart, U. v. 29.03.2012 - 11 K 4541/11 -, juris, Rdnr. 30). Das ist im Falle des Klägers nicht der Fall, da er nach § 102 Abs. 2 AufenthG aufgrund der ihm seit 2001 gewährten Duldungen hinsichtlich des Erwerbs eines Daueraufenthaltsrechts nicht schlechter gestellt war als er gestellt gewesen wäre, wenn die ihm bis zum 15.04.2001 gewährte Aufenthaltsbefugnis laufend verlängert worden wäre (BVerwG, U. vom 27.01.2009 - 1 C 40.07 -, juris, Rdnr. 10: betr. das Verfahren des Klägers). Die Aufenthaltsgenehmigung wurde nach dem AuslG 1990 bei Vorliegen humanitärer Gründe als Aufenthaltsbefugnis erteilt. Sie führte nach § 35 AuslG 1990 frühestens nach 8 Jahren zu einem Daueraufenthalt, wobei aber die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 AuslG 1990 gegeben sein mussten, d. h. unter anderem kein Ausweisungsgrund vorliegen durfte. Dieses Kriterium erfüllte der Kläger bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes nicht. Die Aufenthaltsbefugnis galt, wenn keine Niederlassungserlaubnis erteilt werden konnte, gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG als befristete Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22 - 26 AufenthG fort. Einen Daueraufenthalt hätte der Kläger folglich 2005 nicht erlangen können. Neben Aufenthaltsbefugnissen wurden aber auch Duldungen nach der Fortgeltungsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG auf die siebenjährige Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG als Voraussetzung einer Niederlassungserlaubnis angerechnet. Sämtliche Zeiten des Besitzes einer Duldung sind anzurechnen, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach dem AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis qualifizieren (Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 9. A., § 102 Rdnr. 35). Da der Kläger durch die Duldungserteilung keine Rechtsnachteile erlitten hatte, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine rückwirkende Aufenthaltsbefugniserteilung daher nicht gegeben.

Davon abgesehen ist die Klage aber auch unbegründet.

Der Beklagte hat die Wiederaufnahme des mit erfolgter Rücknahme der Klage 6 A 3691/03 bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltstitels, das der Kläger mit Antrag vom 09.04.2001 eingeleitet hatte, mit Bescheid vom 16.11.2011 zu Recht abgelehnt. Streitgegenstand der Klage ist die Verpflichtung des Beklagten auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, wie es seinen bestandskräftigen Abschluss gefunden hatte, mithin der Bescheid des Beklagten vom 08.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der früheren Bezirksregierung Hannover vom 30.07.2003. Erst wenn der Kläger einen Anspruch auf Wiederaufgreifen hätte, wäre die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis näher zu prüfen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 13. Aufl. 2012, § 51 Rdnr. 53 f). Das Gericht vermag nach § 1 Abs. 2 Nds. VwVfG. i. V. m. § 51 VwVfG Abs. 1 VwVfG - Wiederaufgreifen im engeren Sinne - nur den dargelegten Wiederaufgreifensgrund zu prüfen, wobei für im Klageverfahren nachgeschobene Wiederaufgreifensgründe jeweils ebenfalls die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG seit Kenntnisnahme einzuhalten ist (BVerwG, u. v. 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, juris, Rdnr. 3). Die darin liegende Beschränkung der Überprüfbarkeit des Ergebnisses des Erstverfahrens ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; sie stellt eine unbedenkliche Begrenzung des Rechtsschutzanspruchs aus den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie dar (BVerfG, B. v. 19.06.1986 - NVwZ 1987, 487) Kopp/Ramsauer, a. a. O., VwVfG, § 51 Rdnr. 16a).

Dafür, dass unter Zugrundelegung der vom Landgericht Bückeburg in dem Strafverfahren gegen BM. eingeholten DNA-Analyse der BP. vom 24.03.2011 sich nachträglich die Sachlage zugunsten des Klägers geändert hat i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, ist nichts ersichtlich.

Wird - wie es hier der Fall ist - gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG das Vorliegen eines neuen Beweismittels geltend gemacht, das eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, ist der Antrag nur begründet, wenn feststeht, dass das Beweismittel tatsächlich eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (BVerwG, U. v. 21.04.1982 - 8 C 75/80 -, NJW 1982, 2204-2205 und juris, Rdnr. 13). Ist es nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise unmöglich, dass das Beweismittel eine andere Entscheidung herbeigeführt hätte, ist im wieder aufgenommenen Verfahren unter Berücksichtigung des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts die abschließende Sachentscheidung zu treffen (BVerwG, U. v. 15.09.1992, - 9 B 18/12 -, NVwZ-RR 1993, 667 und juris, Rdnr. 3, 13, 14). Das Beweismittel, wozu ein Sachverständigengutachten zählt, muss für sich allein oder in Verbindung mit anderen, wenn auch schon bekannten Beweismitteln geeignet sein, der Behörde die Überzeugung zu vermitteln, dass sie damals von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und bei Kenntnis der wirklichen Tatsachen zugunsten des Betroffenen anders entschieden hätte.

Nach Maßgabe dieser rechtlichen Grundsätze lässt die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frist von drei Monaten (§ 51 Abs. 3 VwVfG) wurde bei Stellung des Wiederaufgreifensantrags vom 30.08.2011 eingehalten. Der Kläger beruft sich auf die DNA-Analyse der BP. vom 24.03.2011, die er noch vor der förmlichen Beantragung des Wiederaufgreifens am 23.06.2011 dem Nds. Innenministerium vorgelegt hatte. Das Gutachten stellt zwar ein neues Beweismittel i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dar, führt aber unter keiner denkbaren Betrachtungsweise zur Verpflichtung des Beklagten zur Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens.

Das Gericht verweist zunächst auf die Ausführungen in dem den Kläger betreffenden Urteil des Nds. OVG vom 27.09.2007 - 11 LB 69/07-, das zwar aufgehoben wurde bzw. unwirksam ist. Die Entscheidung enthält aber eine überzeugende Beweiswürdigung, die auch in dem den Vater des Klägers betreffenden rechtskräftigen Berufungsurteil vom gleichen Tage - 11 LB 130/07 - (S. 10 - 13) enthalten ist.

Auf S. 17 heißt es:

„Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist deshalb von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Nachforschungen des Beklagten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Vater des Klägers türkischer Staatsangehöriger (gewesen) ist. Als Kind eines türkischen Staatsangehörigen hat der Kläger kraft Gesetzes  durch Geburt die türkische Staatsangehörigkeit erworben (Art. 1 des Türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 v. 11.2.1964 - tStAG -). Allerdings wurde der Vater des Klägers am 7. Mai 2001 wegen Nichtableistung des Wehrdienstes aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen. Dies führt aber nicht zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit des Ehegatten und der Kinder (vgl. Art. 32 und 34 tStAG).

Der Beklagte stützt seine Überzeugung, der Vater des Klägers sei bis zu seiner Ausbürgerung türkischer Staatsangehöriger gewesen, auf mehrere ihm vorliegende Auszüge aus dem türkischen Personenstandsregister und weitere Beweistatsachen. Diese durch Fakten untermauerte Überzeugungsbildung hält einer Überprüfung anhand der allgemeinen Grundsätze zu Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung und des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung stand.

Der Beklagte beruft sich auf einen ihm vorliegenden Auszug vom 7. August 2001 aus dem türkischen Personenstandsregister für das Dorf Ückavak, Provinz Mardin, Hane AA. (= kleinste Organisationseinheit im türkischen Personenstandswesen), in dem unter der laufenden Nr. 9 eine Person mit dem Namen O., geb. am 1. Januar 1945, verzeichnet ist. Nach den Untersuchungen des Beklagten handelt es sich bei dieser Person um den Vater des Klägers, der den Namen O., geb. am 1. Januar 1945, führt. Die Annahme einer Personenidentität stützt der Beklagte auf Aussagen, die der Vater des Klägers im Rahmen einer Anhörung zu der Absicht, ihn auszuweisen, am 19. September 2001 in den Räumen der Ausländerbehörde  des Beklagten  gemacht hat. Der Vater des Klägers erklärte, seine Eltern hätten die Namen „T.“ und „BF.“. Ferner benannte der Vater als Geschwister namentlich die Brüder AZ., AT. und BA. sowie die Schwestern AI., AJ., AL. und AK.. 9 Personen mit diesen Vornamen sind in dem 12 Namen umfassenden, oben erwähnten Registerauszug der Familie G. namentlich (T., BF., AJ., AI., AL. und AK.) oder jedenfalls in ähnlicher bzw. abgewandelter Schreibweise (BQ. statt AZ., AO. statt AT., und AG. statt BA.) aufgeführt. Dieses hohe Maß an Übereinstimmung rechtfertigt die Annahme des Beklagten, bei O. handele es sich um den Vater des Klägers.

Dass die Eintragungen in dem Personenstandsregister nicht in vollem Umfang mit den Angaben des Vaters des Klägers deckungsgleich sind, beeinträchtigt den Beweiswert dieser Urkunde nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Vater des Klägers nicht sieben - wie von dem Kläger im Klageverfahren angegeben -, sondern neun Geschwister hat bzw. hatte. Der Vater des Klägers hat selbst in seiner Anhörung vom 19. September 2001 neben den sieben namentlich benannten Geschwistern einen weiteren Bruder erwähnt, diesen aber nicht namentlich benannt, sondern lediglich ausgeführt, es handele sich um seinen ältesten Bruder, der bereits verstorben sei. Insoweit besteht bereits ein Widerspruch zu den Angaben in der Klagebegründung, wonach der Vater des Klägers lediglich sieben Geschwister habe. Abgesehen davon hat der Beklagte zu Recht angenommen, dass es sich bei dem von dem Vater des Klägers nicht namentlich benannten Bruder um den im Registerauszug aufgeführten BR. handelt. BR. ist das älteste von neun Kindern der Großeltern des Klägers T. und BF.. Er wurde am 1. Januar 1926 geboren. Für die Annahme des Beklagten spricht auch, dass BR. nach einer Auskunft  des Auswärtigen Amtes vom 16. Dezember 2004 an den Beklagten bereits verstorben ist.“

Hinzu kommt, dass sowohl der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.10.2001 als auch der Widerspruchsbescheid der früheren Bezirksregierung vom 30.07.2003, auf dessen Fassung maßgeblich abzustellen ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), nicht allein darauf gestützt waren, dass sämtliche vom Vater des Klägers angegebenen Vornamen seiner Geschwister in dem Familienregisterauszug vom 07.08.2001 von Mardin-Savur-Ückavak, Hane AA., den das Türkische Generalkonsulat in Hannover dem Beklagten zukommen lassen hatte, enthalten waren. Vielmehr waren etliche weitere Beweistatsachen Grundlage der Feststellung, dass der in dem Registerauszug als Sohn von T. und BF. bezeichnete O. mit der Person des Vaters des Klägers, der sich im arabischem Sprachraum N. nennt, identisch ist. So haben die in Wilhelmshaven wohnende BS. und der Vater des Klägers, die nach den Erkenntnissen aus dem DNA-Gutachten der BP. vom 24.03.2011 mit dem Prädikat „praktisch erwiesen“ als Vollgeschwister anzusehen sind, im Hinblick auf ihre Eltern übereinstimmende Angaben gemacht hatten. Die Schwester hatte - so der Widerspruchsbescheid - gleichfalls angegeben, dass ihre Eltern T. und BF. heißen und - worauf im Bescheid des Beklagten vom 16.11.2011 hingewiesen wird, im Rahmen des Strafverfahrens  gegenüber dem Amtsgericht Wilhelmshaven (BT.) mitgeteilt, die Brüder AS., AT., AU., AV. und die Schwestern AW., AX. und AY. zu haben. Die Namen haben lediglich Unterschiede in der Schreibweise. Es ist aber offensichtlich, dass sie mit denjenigen im türkischen Registerauszug vom 07.08.2001 übereinstimmen. Damit sind die von den Geschwistern genannten Kinder von T. und U. identifizierbar. Ausweislich des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom BU. (BT.) hatte die Schwester des Vaters des Klägers in der Strafverhandlung eingeräumt, als Kurdin in der Türkei geboren zu sein und im Alter von etwa 15 Jahren in den Libanon gekommen zu sein. Das Amtsgericht war aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte, wie im Personenstandsregister vom 07.08.2001 vermerkt, am 17.04.1937 in Ückavak (Türkei) geboren ist und BD. heißt. Sie hatte, so das Amtsgericht, falsche Personalien angegeben, nämlich dass sie unter dem Namen BK. am 01.01.1940 in Beirut/Libanon geboren sei. Dies sei erfolgt, um der Rückführung in die Türkei zu entgehen.

Im Widerspruchsbescheid wurde des Weiteren berücksichtigt, dass der Sohn von BS. laut Widerspruchsbescheid unstreitig Q. heißt und der Vater der nach islamischem Ritus mit dem Kläger verheirateten P. ist. Q., der seit 2006 in der Türkei lebt, war mit seiner Ehefrau Menci am 15.05.1988 über den Flughafen Frankfurt/Main eingereist. Sie hatten türkische Pässe bei sich. Unter dem Namen Q., geb. am 10.03.1955 in Ückavak/Türkei, hatte er mit seinen Familienangehörigen am 24.05.1988 einen Asylantrag gestellt (und am 27.06.1988 einen weiteren Asylantrag gestellt unter dem Namen BV., geb 1958 in Tyr/Libanon mit dem Vortrag, er und seine Familie seien staatenlose palästinensische Flüchtlinge). Des Weiteren wurde im Widerspruchsbescheid die Registrierung von X., der Tochter BW., des ältesten Bruders des Klägers, unter Ückavak Hane AA., als Beweisanzeichen benannt. Diese und mehrere im Widerspruchsbescheid und im Urteil des Nds. OVG vom 27.09.2007 genannte  weitere Beweistatsachen untermauern die Richtigkeit der Annahme des Beklagten, dass eine Personengleichheit des Vaters des Klägers mit der im Registerauszug genannten Person O., geb. am 01.01.1945 in Ückavak/Türkei, vorliegt.

Die Ergebnisse des DNA-Gutachtens der BP. vom 24.03.2011 stellen diese Feststellungen in keiner Weise in Frage. Hieraus folgt, dass BS. und AC. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99994 % (S. 6 und S. 14) und damit mit dem verbalen Prädikat „praktisch erwiesen“ als Vollgeschwister anzusehen sind. Die Verwandtschaft zwischen AK. und dem im Personenstandsregisterauszug als Bruder aufgeführten AN., geb. am 01.01.1950 in Ückavak, wurde mit „höchstwahrscheinlich“ im Hinblick auf die Konstellationen „Halbbruder oder Neffe“, „Halbbruder und Halbvetter“, sowie mit „sehr wahrscheinlich“ im Hinblick auf die Konstellationen „Halbbruder und Vetter“ und „Halbneffe oder Vetter“ bewertet. Dass es sich um einen Bruder der AK. handeln kann, ist möglich (ohne verbales Prädikat, 68,84 %). Die Wahrscheinlichkeit für eine Vollgeschwisterschaft zwischen AC. und AD. liegt hingegen bei nur 7,07 % und ist damit mit „unwahrscheinlich“ (S. 14) bewertet. Eine Verwandtschaft in der väterlichen Erblinie wird in der DNA-Analyse aber bejaht. AN. kann ein Halbbruder oder Neffe oder Halbvetter und Neffe des Vaters des Klägers sein. Die Verwandtschaft kann sehr eng oder aber auch sehr weitläufig sein (S. 8).

Dass eine Vollgeschwisterschaft zwischen AC. und AD. als ausgeschlossen anzusehen ist, kann zahlreiche Gründe haben. Möglicherweise bestand nur zu einem der im Registerauszug genannten Elternteile eine Verwandtschaft in direkter Linie. Das DNA-Gutachten schließt diese Möglichkeit nicht aus (S. 8, 14). Auch kann AN. als ein Kind von T. und U. ins Register eingetragen worden sein, obwohl er in Wirklichkeit ein (naher) Verwandter war, vielleicht, weil er mit den Geschwistern aufgewachsen ist oder aber aus anderen Gründen. Darüber zu spekulieren, welche weiteren Gründe für die fehlende Vollgeschwisterschaft in Betracht kommen könnten, ist müßig, da derartige Erwägungen für ein In-Zweifel-ziehen der übrigen Registereintragungen in keiner Weise geeignet sind. Dem in dem abgeschlossenen Verwaltungsverfahren eingeführten Reisebericht „Staatenlose Kurden aus dem Libanon“ von BX. vom 20.04.2001 ist zu entnehmen, dass Nüfus-Behörden in früheren Zeiten Eintragungen in den Registern auf einfachen Antrag vorgenommen hätten. Dabei seien Fälle vorgekommen, in denen Kinder bei registrierten Familien (fehlerhaft) als deren Kind eingetragen worden seien. Die Anzahl der Kinder in den jeweiligen Haushalten (Hane) habe von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichen können. Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund einer möglichen unrichtigen Eintragung alle Eintragungen in dem Personenstandsregister falsch sind, bestehen aus diesem Grunde aber nicht und wurden auch nicht konkret dargetan.

Gerade die erwiesene Vollgeschwisterschaft zwischen AC. und BY., die laut Widerspruchsbescheid übereinstimmend ihre Eltern mit „T. und BF.“ benannt hatten und gegenüber verschiedenen offiziellen Stellen Geschwister gleichen Namens, wenngleich mit unterschiedlicher Schreibweise aufgezählt hatten, erweist, dass die im Registerauszug genannten Personen übereinstimmen mit den vom Vater des Klägers gegenüber der Ausländerbehörde aufgezählten Familienmitgliedern. Aufgrund der Vielzahl der übereinstimmenden Namen der Geschwister ist eine Zufälligkeit ausgeschlossen. Das zeigt zusammen mit den zahlreichen übrigen Beweisanzeichen auf, dass der Vater des Klägers mit dem im Familienregisterauszug vom 07.08.2001 aufgeführten, 1945 in Ückavak geborenen O. identisch ist und eine mögliche Unregelmäßigkeit im Familienregisterauszug im Hinblick auf den dort genannten BJ. sich auf dieses Verfahren nicht auswirkt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht Bückeburg BM. im Berufungsurteil vom BN. - BZ. von dem Vorwurf des Erschleichens von Aufenthaltstiteln in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung freigesprochen hat. Für eine Bestrafung bedarf es der Überzeugungsgewissheit, d. h. es reichen bereits geringe Zweifel an der Schuld eines Angeklagten für einen Freispruch. Hierfür reichte der durch die DNA-Analyse erbrachte Nachweis einer Unregelmäßigkeit im Personenstandsregister im Hinblick auf die Person des Angeklagten aus. Soweit das Gericht darüber hinaus auf der Grundlage der Zeugenvernehmung des Mitverfassers des vorgenannten Reiseberichts Ausführungen dazu gemacht hat, dass das türkische Personenstandsregister in früheren Jahren nicht immer fehlerfrei geführt wurde, ist dieser Umstand - wie ausgeführt - durchaus bekannt. Die Einschätzung des Landgerichts Bückeburg, wonach der Beweiswert des türkischen Personenstandsregisters insgesamt zweifelhaft sein soll, teilt das Verwaltungsgericht nicht. Nicht zuletzt die vorgenannten Übereinstimmungen zeigen auf, dass Unregelmäßigkeiten vorkommen mögen, dass diese die Richtigkeit des türkischen Registerwesens insgesamt aber nicht in Frage stellen (so in einem vergleichbaren Fall auch Nds OVG, U. v. 16.06.2010 - 11 LA 169/09 -, juris, Rdnr. 11). Eintragungen im Personenstandsregister der Türkischen Republik beweisen in der Form eines Strengbeweises nach Art. 38 tStAG Nr. 403 v. 11.902.1964 die türkische Staatsangehörigkeit. Die Behörde kann eine Berichtigung oder Änderung vornehmen bei sachlichen Irrtümern (Art. 44). Solange diese nicht veranlasst wurde, beweist die Eintragung des Vaters des Klägers im türkischen Personenstandsregister von Mardin-Savur-Ückavak dessen (erst wegen Nichtableistung des Wehrdienstes im Jahr 2001 erloschene) türkische Staatsangehörigkeit mit der Folge, dass auch der Kläger als ein (in oder) außerhalb der Türkei von einem türkischen Vater gezeugtes Kind von Geburt an nach Art. 1 A) tStAG türkischer Staatsangehöriger ist.

Die vom Landgericht Bückeburg im Berufungsurteil vom BN. angedeutete rechtliche Einschätzung, wonach der Umstand, dass eine Person lange Zeit außerhalb der Türkei gelebt haben könnte oder aber nicht selbst die erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgte Registereintragung veranlasst haben könnte, bereits dazu führen könnte, dass er nicht als türkischer Staatsangehöriger anzusehen wäre, teilt das Gericht im Hinblick auf die Regelung in Art. 1 A) tStAG in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (wie bereits zitiert: Nds. OVG, Urteile v. 27.09.2007 - 11 LB 130/07 - und 11 LB 69/07 -; vgl. insoweit auch BVerwG, U. v. 27.01.2009, a.a.O., juris, Rdnr. 12) nicht.

Der Beklagte hat geprüft, ob dem Kläger nach §§ 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG im Ermessenswege rückwirkend die beantragte Aufenthaltsbefugnis und nach Maßgabe des AufenthG 2004 ab dem 01.01.2005 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Er hat sich darauf berufen, dass Anhaltspunkte für eine Fehlentscheidung nicht ersichtlich sind. Diese Ermessensgesichtspunkte tragen die ablehnende Entscheidung. Erst recht liegen Gesichtspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine Verpflichtung zur rückwirkenden Aufenthaltstitelerteilung nicht vor. Ein derartiger Rechtsanspruch wird bejaht, wenn die Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich wäre und unzumutbare Nachteile zur Folge hätte (BVerwG, U. v. 30.01.1974, BVerwGE 44, 333, 336). Dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Dem Kläger steht ein Wiederaufgreifensanspruch im Hinblick auf die rückwirkende Erteilung der am 09.04.2001 beantragten Aufenthaltsbefugnis nach Maßgabe des Nds. Bleiberechtserlasses vom 18.10.1990 und der Folgeerlasse offensichtlich nicht zu. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem den Kläger betreffenden Urteil vom 27.01.2009 (a.a.O, juris, Rdnr. 11 ff) Bezug genommen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 AufenthG bzw. nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hätte der Kläger möglicherweise in dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.01.2009 an das Nds. OVG zurückverwiesenen Berufungsverfahren erstreiten können, wenngleich dessen erneute Straffälligkeit dem wohl entgegengestanden hätte. Der Kläger war jedenfalls nicht ohne grobes Verschulden gehindert, alle für eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechenden Gesichtspunkte in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).

Der Kläger hat die Klage ausdrücklich beschränkt auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Die hilfsweise Prüfung eines Aufenthaltsanspruchs aus humanitären Gründen auf der Grundlage der gegenwärtigen Sachlage, z. B. nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. ein diesbezüglicher Neubescheidungsanspruch ist ausdrücklich nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Da der Beklagte nach § 79 Abs. 2 AufenthG berechtigt ist, ein derartiges Verwaltungsverfahren im Hinblick auf die gegen den Kläger laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auszusetzen, wäre eine derartige Prüfung derzeit auch nicht erfolgversprechend. Es dürfte sachdienlich sein, neben der Beendigung der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch die Tilgung der im behördlichen Führungszeugnis des Klägers zur Zeit noch enthaltenen Straftaten abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Abs. 11, 711 VwGO.

Gründe, gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.