VerfGH für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2013 - VerfGH 13/11
Fundstelle
openJur 2013, 45614
  • Rkr:

1. § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW regelt eine in den Jahren 2011 bis 2019 zeitlich gestreckt wirksam werdende Vorteilsabschöpfung bei Kreisen und kreisfreien Städten, die in den Jahren 2007 bis 2009 von einer gleichheitswidrigen Verteilung von Finanzzuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen profitiert haben.

2. Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot ist nicht verletzt, weil die betroffenen Kommunen auf den Fortbestand der ursprünglichen Verteilungsregelung zu keinem Zeitpunkt vertrauen konnten.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Beschwerdeführer - sieben kreisfreie Städte und zehn Kreise in Nordrhein-Westfalen - wenden sich gegen § 7a Satz 2 bis 4 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 2010 (GV. NRW. S. 692). Diese Regelungen sehen eine Vorteilsabschöpfung bei Kommunen vor, die in den Jahren 2007 bis 2009 von einer gleichheitswidrigen Verteilung der finanziellen Entlastung des Landes bei den Wohngeldzahlungen profitiert haben. Während den benachteiligten Kommunen in § 7a Satz 1 AG-SGB II NRW ein sofortiger, vom Verfassungsgerichtshof (OVGE 53, 264) geforderter Nachteilsausgleich gewährt wird, soll der den begünstigten Kommunen entstandene finanzielle Vorteil dadurch ausgeglichen werden, dass die gleichheitswidrig überhöhten Zuweisungsbeträge jeweils zu einem Achtel von den künftigen Zuweisungen in den Jahren 2011 bis 2018 abgezogen werden. Soweit ein vollständiger Ausgleich bis dahin nicht möglich ist, wird im Jahr 2019 eine Schlussabrechnung vorgenommen.

I.

1. a) Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ("Hartz IV", BGBl. I S. 2954) sind die staatlichen Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit Wirkung vom 1. Januar 2005 zu einer einheitlichen Leistung, der Grundsicherung für Arbeitssuchende ("Arbeitslosengeld II"), zusammengeführt worden. Den kommunalen Trägern (Kreisen und kreisfreien Städten) obliegen insbesondere die Aufwendungen für die Unterbringung der Empfänger der neuen Leistung (Kosten für Unterkunft und Heizung). Für die Kreise und kreisfreien Städte haben sich im Vergleich zu der früheren Rechtslage teils finanzielle Entlastungen bei den zu erbringenden Leistungen und teils neue Belastungen ergeben. Um eine jährliche Netto-Entlastung der Kommunen von bundesweit 2,5 Mrd. € sicherzustellen, beteiligt sich der Bund an den kommunalen Leistungen für Unterkunft und Heizung (vgl. ausdrücklich § 46 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung und BT-Drs. 16/162, S. 1, 6). § 46 Abs. 6 SGB II a. F. sah vor, dass die Höhe der Bundesbeteiligung zum 1. März 2005 und 1. Oktober 2005 zu überprüfen und gegebenenfalls rückwirkend für das Jahr 2005 entsprechend anzupassen war. Im Hinblick darauf verständigten sich die kommunalen Spitzenverbände in Abstimmung mit den Bundesländern zum Jahresbeginn 2005 bundesweit darauf, eine Datenerhebung zu den Belastungen und Entlastungen der kommunalen Träger durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt durchzuführen (Kommunale Datenerhebung 2005). Dabei wurden in Bezug auf die Entlastungen einmalig bestimmte Werte auf der Basis der Bestandsdaten zum 31. Dezember 2004 erhoben.

b) Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt war begleitet von einer Reform des Wohngeldrechts, die zu einer Reduzierung der Länderausgaben für das Wohngeld führte. Für den Landeshaushalt NRW wurde eine Entlastung von 405 Mio. € erwartet, die dauerhaft den Kommunen zu Gute kommen sollte. Ab dem Haushaltsjahr 2006 wurde die Verteilung der finanziellen Entlastung des Landes bei den Wohngeldzahlungen auf die kommunalen Träger im AG-SGB II NRW vom 16. Dezember 2004 (GV. NRW. S. 821) geregelt. § 7 Abs. 7 AG-SGB II NRW i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung von Regelungen des Sozialgesetzbuchs vom 27. Juni 2006 (GV. NRW. S. 292) bestimmte, dass das Verteilungssystem zum Stichtag 1. Oktober 2006 mit dem Ziel zu überprüfen war, einen Verteilungsmaßstab festzulegen, der die Be- und Entlastungen der kommunalen Träger im Zuge der Umsetzung des SGB II berücksichtigte. Bezweckt war eine Überprüfung anhand der Daten aus den amtlichen Statistiken und dem laufenden Verwaltungsvollzug. Der Verteilungsmaßstab sollte zu einem Zeitpunkt festgelegt werden, an dem mit den kommunalen Spitzenverbänden in Nordrhein-Westfalen Einvernehmen über die zugrunde zu legenden Daten erzielt worden war (vgl. Landtag - LT - NRW, Drs. 14/1072, S. 11).

c) Im April 2007 brachte die Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AG-SGB II NRW in den Landtag ein (LT NRW, Drs. 14/4208), mit dem u. a. der vorerwähnten Überprüfungsklausel Rechnung getragen werden sollte. Im Vorfeld hatte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen die Kreise und kreisfreien Städte darüber informiert, dass der Ermittlung der Be- und Entlastungsdaten die Ergebnisse der Kommunalen Datenerhebung 2005 zugrunde gelegt werden sollten. Die kommunalen Träger waren gebeten worden, die sie betreffenden Zahlen zu überprüfen und etwaige Abweichungen mitzuteilen.

Der Gesetzentwurf sah ein zweistufiges Verfahren zur Ermittlung des neuen Verteilungsmaßstabs vor (§ 7 Abs. 3). Auf der ersten Stufe waren die kommunalen Entlastungsdaten gemäß Anlage A des Gesetzentwurfs (zuzüglich eines Betrags für die jeweilige Bundesbeteiligung) von den kommunalen Belastungsdaten gemäß Anlage B (bzw. ab 2008 gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 AG-SGB II NRW) abzuziehen. Verblieb danach bei einem kommunalen Träger ein Belastungswert, war dieser vorab aus der Gesamthöhe der Zuweisungen (Basisbetrag: 303.666.000 €) auszugleichen. Auf der zweiten Stufe wurde dann der Restbetrag auf die kommunalen Träger entsprechend ihrem Anteil an den Leistungen für Unterkunft und Heizung verteilt. Für den Fall, dass die Gesamthöhe der Zuweisungen nicht ausreichte, um die eingetretenen Belastungen auszugleichen, war der Verteilungsmaßstab proportional anzupassen (LT NRW, Drs. 14/4208, S. 18 ff.).

Die Anlage A wies für jeden kommunalen Träger einen Gesamtentlastungswert aus, der sich aus den jeweiligen kommunalen Entlastungswerten für die Bereiche "Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)", "Krankenhilfe", "Hilfe zur Arbeit (HzA)" sowie "Personal und Verwaltung" zusammensetzte. Die Werte für die ersten beiden Bereiche beruhten auf den von den Kommunen gemeldeten Daten. Für die beiden übrigen Entlastungskomponenten legte der Gesetzgeber Landeswerte zugrunde. Der Verteilungsschlüssel zur Bestimmung der einzelnen kommunalen Werte ergab sich aus dem Anteil der - in der Anlage A zahlenmäßig festgesetzten - kommunalen Bedarfsgemeinschaften zum Jahresende 2004 (in %) an der Gesamtzahl der Bedarfsgemeinschaften in NRW.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales führte im Mai 2007 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durch, in der sich u. a. die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie verschiedener kommunaler Träger äußerten (LT NRW, Ausschussprotokoll - APr - 14/427). Diese kritisierten die dem Gesetzentwurf zugrunde gelegten Entlastungsdaten als nicht nachvollziehbar bzw. fehlerhaft. Sie rügten eine uneinheitliche Datenerhebung zu den Entlastungseffekten und eine fehlende Plausibilität der von den kommunalen Trägern gemeldeten Daten (vgl. LT NRW, Stellungnahmen 14/1130, S. 5; 14/1135, S. 5; 14/1136, S. 9; APr 14/427, S. 17, 43). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde das Datenmaterial teilweise korrigiert und der Gesetzentwurf entsprechend berichtigt. Die Änderungen bei den Entlastungsdaten der Anlage A beruhten im Wesentlichen darauf, dass einige Kommunen rechnerische Korrekturen gemeldet hatten. Dabei handelte es sich überwiegend um Erhöhungen der Entlastungswerte (vgl. LT NRW, APr 14/432, S. 14 ff.; APr 14/444, S. 2, 7; Drs. 14/4499, S. 8, 13).

Am 14. Juni 2007 verabschiedete der Landtag in zweiter Lesung das Erste Gesetz zur Änderung des AG-SGB II NRW in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Juni 2007 (LT NRW, Drs. 14/4499) mit den berichtigten Anlagen A und B (LT NRW, Plenarprotokoll 14/65, S. 7370). Es ist am 29. Juni 2007 zunächst ohne Abdruck der Anlagen A und B verkündet worden (GV. NRW. S. 207) und, soweit es (u. a.) § 7 AG-SGB II NRW betrifft, am selben Tag in Kraft getreten (Art. 2 des Gesetzes). Am 4. Juli 2007 wurde der Abdruck der Anlagen A und B in Gestalt einer Gesetzesberichtigung nachgeholt (GV. NRW. S. 237).

d) In den Haushaltsjahren 2007, 2008 und 2009 verteilte das Land den Betrag der eingesparten Wohngeldausgaben auf der Grundlage der genannten, seinerzeit geltenden Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW auf die Kreise und kreisfreien Städte. Die zuständigen Bezirksregierungen setzten die Zuweisungsbeträge für die Jahre 2007, 2008 und 2009 durch - soweit ersichtlich - bestandskräftig gewordene Bescheide gegenüber den kommunalen Trägern fest.

e) Mit Urteil vom 26. Mai 2010 - VerfGH 17/08 -, OVGE 53, 264, erklärte der Verfassungsgerichtshof auf eine von mehreren Kreisen und kreisfreien Städten erhobene Verfassungsbeschwerde die damalige Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG‑SGB II NRW für unvereinbar mit dem Recht der Beschwerdeführer auf kommunale Selbstverwaltung. Sie verstoße gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot, weil das dem Verteilungsschlüssel zugrunde liegende Datenmaterial aufgrund von Plausibilitätsmängeln und teils fehlerhaften Daten nicht hinreichend valide sei. Dies lasse besorgen, dass einige Kreise und kreisfreie Städte höhere Finanzzuweisungen erhielten als ihnen auf Basis valider Daten zustünden, während die Zuweisungen für andere Kommunen infolge des unzureichenden Datenmaterials zu gering ausfielen. Die Unvereinbarkeit der Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW mit der Landesverfassung bestehe seit Inkrafttreten der Vorschrift. Der Gesetzgeber werde für einen Ausgleich der durch die verfassungswidrige Regelung verursachten Nachteile zu sorgen haben.

2. Im September 2010 brachten die Fraktionen der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des AG-SGB II NRW in den Landtag ein (LT NRW, Drs. 15/215). Damit sollte u. a. die Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW auf der Basis der amtlichen Jahresrechnungsstatistik neu gefasst (vgl. dazu § 7 des Gesetzentwurfs) und der vom Verfassungsgerichtshof geforderte Nachteilsausgleich hinsichtlich der verfassungswidrigen, früheren Anlage A geregelt werden. Dieser Nachteilsausgleich war in § 7a Satz 1 AG-SGB II NRW für diejenigen Kreise und kreisfreien Städte vorgesehen, bei denen sich für die Jahre 2007 bis 2009 aufgrund der Neuberechnung nach § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW unter Verwendung der neu gefassten Anlage A ein höherer Zuweisungsbetrag ergab. Er sollte nach der Entwurfsbegründung noch im Haushaltsjahr 2010 durch Nachzahlung des Differenzbetrags aus Landesmitteln über die Bezirksregierungen erfolgen (LT NRW, Drs. 15/215, S. 16). Zur Gegenfinanzierung und um dem interkommunalen Gleichbehandlungsgebot voll Rechnung zu tragen, wurde in § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW ein entsprechender Vorteilsausgleich vorgesehen (LT NRW, Drs. 15/215, S. 2 und 16). Danach sind die Zuweisungsbeträge der Landesersparnis bei den Wohngeldausgaben an diejenigen Kreise und kreisfreien Städte, die unter Zugrundelegung der neu gefassten Anlage A in den Jahren 2007 bis 2009 zu hohe Zahlungen erhalten haben, für die Jahre 2011 bis 2018 um jeweils ein Achtel des zu viel erhaltenen Gesamtbetrags zu kürzen.

§ 7a AG-SGB II NRW war im Wortlaut wie folgt vorgesehen:

¹Auf der Grundlage der mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen neu gefassten Anlage A zu § 7 Abs. 3 führt das zuständige Ministerium einen Nachteilsausgleich für die Kreise und kreisfreien Städte für die Jahre 2007 bis 2009 durch, die aufgrund der bisherigen Fassung der Anlage A geringere Zuweisungen nach § 7 Abs. 1 erhalten haben. ²Soweit sich unter Zugrundelegung der neu gefassten Anlage A ergibt, dass einzelne Kreise und kreisfreie Städte zu hohe Zuweisungen nach § 7 Abs. 1 für die Jahre 2007 bis 2009 erhalten haben, wird die Differenz der Zuweisungsbeträge für die Jahre 2007 bis 2009 und der Zuweisungsbeträge auf der Basis der neu gefassten Anlage A jeweils zu einem Achtel von dem Zuweisungsbetrag der Landesersparnis bei den Wohngeldausgaben nach § 7 Abs. 3 für die Jahre 2011 bis 2018 abgezogen. ³Führt der Abzug bei einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten gemäß Satz 2 zu einem Negativbetrag, so ist dieser auf das Folgejahr übertragbar. 4Soweit ein vollständiger Ausgleich aufgrund zu geringer Zuweisungsbeträge nach § 7 Abs. 3 an die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte nicht möglich ist, erfolgt im Jahr 2019 eine Schlussabrechnung durch das zuständige Ministerium, nach der der jeweilige Kreis oder die kreisfreie Stadt den noch ausstehenden Betrag dem Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten hat.

Zur Begründung der Sätze 2 bis 4 führte der Entwurf aus (LT NRW, Drs. 15/215, S. 16 f.):

Mit Satz 2 wird die Rechtsgrundlage zur Korrektur der finanziellen Folgen der jeweils zu hoch festgesetzten Zuweisungen nach § 7 Abs. 1 für die Jahre 2007 bis 2009 durch Verrechnung zu je einem Achtel mit dem Zuweisungsbetrag bei der Landesersparnis bei den Wohngeldausgaben nach § 7 Abs. 3 in den Jahren 2011 bis 2018 geschaffen. Das Vertrauen der zu Unrecht begünstigten Kommunen auf einen Fortbestand der bisherigen Anlage A ist nicht schutzwürdig, da die verfassungswidrige Anlage A im Wesentlichen auf von den Kreisen und kreisfreien Städten gemeldeten Daten beruht und ihre Validität bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 2007 angezweifelt wurde. Die lange Abzugsfrist von acht Jahren berücksichtigt die finanziellen Interessen der jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte.

Satz 3 bestimmt, dass im Falle eines negativen Betrages nach Bildung der Differenz von Zuweisungsbetrag nach § 7 Abs. 3 und Verrechnungsbetrag nach Satz 2 eine Übertragung in das Folgejahr, letztmalig in das Jahr 2018, erfolgt. Soweit ein vollständiger Ausgleich aufgrund zu geringer Zuweisungsbeträge nach § 7 Abs. 3 an die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte nicht möglich ist, erfolgt nach Satz 4 im Jahr 2019 eine Schlussabrechnung durch das zuständige Ministerium, nach der der jeweilige Kreis oder die kreisfreie Stadt den noch ausstehenden Betrag dem Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten hat.

Nach Art. 2 des Gesetzentwurfs sollten die hier interessierenden Regelungen (neugefasste Anlage A zu § 7 Abs. 3 und § 7a AG-SGB II NRW) bereits zum 1. Dezember 2010 in Kraft treten, damit schon ab dem Jahr 2010 Rechtsgrundlagen für die Durchführung des Nachteilsausgleichs nach § 7a und für die Berechnung der Verteilung und Auszahlung der Landesersparnis bei den Wohngeldausgaben nach § 7 vorhanden seien (LT NRW, Drs. 15/215, S. 17).

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales stellte dem federführenden Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration ein erläuterndes "Argumentationspapier" zur Verfügung. In einer darin enthaltenen tabellarischen Übersicht wurde der jeweilige neue Zuweisungsbetrag jeder Kommune für die einzelnen Jahre 2007 bis 2009 ausgewiesen; zugleich wurde für alle Kommunen fallscharf die voraussichtliche Gesamtsumme der Rückforderung bzw. des Nachteilsausgleichs festgestellt (LT NRW, Vorlage 15/71, S. 5).

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration führte am 27. Oktober 2010 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durch (LT NRW, APr 15/42), in der u. a. die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie verschiedener kommunaler Träger zu Wort kamen. Sie machten geltend, dem geplanten Vorteilsausgleich stünden die Bestandskraft der Bescheide und der Vertrauensschutz der betroffenen Kommunen entgegen. Ohne vorherige Rücknahme der Bescheide liege ein verrechenbarer Rückerstattungsanspruch des Landes nicht vor. Die für den Nachteilsausgleich erforderlichen Mittel seien daher aus dem Landeshaushalt aufzubringen (LT NRW, Stellungnahmen 15/16, S. 5; 15/18, S. 4 f.; 15/20, S. 1, 4 f.). Der Sachverständige Prof. Dr. Wahrendorf hielt die Regelung dagegen für rechtlich vertretbar. Er führte aus, die Neuregelung des § 7a Satz 2 AG-SGB II NRW sei als unechte Rückwirkung zu qualifizieren, die auf moderate Art dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit Rechnung trage und der kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Kommunen entgegenstehe. Der Gesetzgeber komme damit dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofs nach. Die in der Vergangenheit erlassenen Bewilligungsbescheide stellten keinen Rechtsgrund für ein Behaltendürfen mehr dar, weil sie sich durch die für verfassungswidrig erklärte Regelung des § 7 AG-SGB II NRW a. F. erledigt hätten. Das Gesetz enthalte eine originäre Erstattungsregelung (LT NRW, Stellungnahme 15/31, S. 2 f.; APr 15/42, S. 16, 18).

Der Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen erstellte im Auftrag des federführenden Ausschusses ein Gutachten (LT NRW, Information 15/55, S. 21 ff.), das unter anderem Rechtsfragen betreffend die Umsetzung des Nachteilsausgleichs behandelte. Soweit der Verfassungsgerichtshof einen Ausgleich der Nachteile gefordert habe, sei damit im Sinne interkommunaler Gleichbehandlung der Ausgleich nach beiden Seiten gemeint. Die rückwirkende Feststellung der Unvereinbarkeit der Rechtsgrundlage mit Verfassungsrecht ermögliche dem Gesetzgeber eine Rückabwicklung in beide Richtungen. Nicht mehr anfechtbare Verwaltungsakte blieben davon allerdings in ihrem Bestand unberührt. Sie blieben somit Rechtsgrund für die von ihnen bewirkten Vermögensverschiebungen und schlössen einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch zunächst aus. Die Festsetzungsbescheide könnten aber gemäß § 48 VwVfG NRW innerhalb eines Jahres nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010 zurückgenommen werden, da sie als von Anfang an rechtswidrig anzusehen seien. Auf einen entgegenstehenden Vertrauensschutz könnten sich Träger öffentlicher Verwaltung - Selbstverwaltungskörperschaften eingeschlossen - von vornherein nicht berufen. Die rückwirkende Rücknahme und Neufestsetzung der Zuweisungen für die Jahre 2007 bis 2009 setze die Anwendung der neuen Anlage A für die Vergangenheit voraus. Insoweit handele es sich um eine echte Rückwirkung. Diese sei in Ausnahmefällen zulässig. Der Gesichtspunkt, dass das Land bei unzulässiger Rückwirkung den Nachteilsausgleich aus seinem Etat bestreiten müsste, könne einen überwiegenden, zwingenden Grund des Gemeinwohls darstellen, der eine echte Rückwirkung rechtfertige. Ein schutzwürdiges Vertrauen stehe dieser jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil der Gesetzgeber eine verfassungswidrige Regelung durch eine verfassungsgemäße ersetzt habe. Nachdem schon das Gesetzgebungsverfahren selbst mit Kritik der Gemeinden behaftet gewesen sei, hätten von Anfang an Zweifel an der Rechtmäßigkeit der alten Anlage A bestanden. Denkbar sei schließlich auch, dass die gesetzliche Regelung selbst die Bestandskraft der Altbescheide teilweise aufhebe und die rückwirkende Neufestsetzung für die Jahre 2007 bis 2009 vornehme. Dies genüge dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz aber nur, wenn das Gesetz selbst, zumindest aber die Begründung ausdrücklich und eindeutig klarstelle, dass die Altbescheide hinsichtlich der Überzahlung durch das Gesetz aufgehoben werden sollten. Einen solchen Regelungswillen lasse der Entwurf bisher nicht eindeutig erkennen.

In der anschließenden Aussprache des federführenden Ausschusses hielten die Vertreter der Fraktionen von SPD und Grünen an dem Entwurf, soweit er § 7a AG-SGB II NRW betraf, fest; auch die FDP-Fraktion verneinte einen Vertrauensschutz der betroffenen Kommunen. Die übrigen Fraktionen plädierten dagegen dafür, im Interesse des Vertrauensschutzes auf eine Vorteilsabschöpfung ganz (CDU) oder jedenfalls bei überschuldeten Kommunen (DIE LINKE) zu verzichten (LT NRW, APr 15/65).

Am 15. Dezember 2010 verabschiedete der Landtag das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen mit den Stimmen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in zweiter Lesung. Es wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 28. Dezember 2010 verkündet (GV. NRW. S. 692). Die Entwurfsfassung des § 7a AG-SGB II NRW trat damit unverändert rückwirkend zum 1. Dezember 2010 in Kraft. Die abschließende Zustimmung der CDU hatte der Abgeordnete Preuß in der Beratung unter anderem damit begründet, die Frage, ob sich eine bestimmte Kommune auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen dürfe, könne nur im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geklärt werden, in dem es um die Rückforderungen gehe. Derartige Einzelfallentscheidungen seien nicht Sache des Parlaments (LT NRW, Plenarprotokoll 15/19, S. 1631).

Die Gesamtsumme der Überzahlungen bzw. des Nachteilsausgleichs beläuft sich landesweit auf rund 237,8 Mio. €. Die im Einzelfall höchste Überzahlung ist mit rund 65,3 Mio. € von der Stadt Düsseldorf (Beschwerdeführerin zu 5.) auszugleichen.

II.

1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW verletze ihr Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 78 der Landesverfassung (LV NRW). Die Regelungen verstießen gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, die das Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitprägten.

Die Beschwerdeführer beantragen,

festzustellen, dass § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 2010, GV. NRW. S. 692, mit ihrem Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 78 Abs. 1 LV NRW unvereinbar und daher nichtig ist.

Zur Begründung tragen sie vor:

Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die Beschwerdeführer seien durch die gesetzliche Neuregelung in § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW individuell und unmittelbar betroffen. Der Vorteilsausgleich begründe eine Rückzahlungsverpflichtung der Beschwerdeführer für diejenigen in den Jahren 2007 bis 2009 vereinnahmten Zuweisungsbeträge, die sie nicht erhalten hätten, wenn die neue Anlage A damals schon gegolten hätte.

Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Die angegriffenen Regelungen verletzten die rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

a) Sie verstießen zunächst gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Bestandskraft. Die gesetzlich angeordnete Rückzahlungsverpflichtung der Kommunen setze sich über die bestandskräftigen Festsetzungsbescheide hinweg. Das Vertrauen auf den Fortbestand bestandskräftiger behördlicher Entscheidungen sei verfassungsrechtlich geschützt. Dies gelte auch im Verhältnis der Kommunen zum Land, weil die gemeindliche Selbstverwaltung gerade in finanzieller Hinsicht Planungssicherheit erfordere. Die Festsetzungsbescheide bildeten den Rechtsgrund nicht nur für den Erhalt, sondern auch für das Behaltendürfen der gewährten Finanzzuweisungen. Sie stünden daher - solange sie Bestand hätten - jeder Rückforderung durch das Land entgegen, gleichgültig, ob diese unmittelbar oder über den Umweg einer Kürzung späterer Ansprüche der Empfänger erfolge.

Die bestandskräftigen Festsetzungsbescheide seien weder aufgehoben worden noch sei dies nach bestehender Rechtslage möglich. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010 habe ihre Wirksamkeit gemäß § 13 Abs. 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes (VerfGHG NRW) i. V. m. § 183 VwGO nicht berührt. Sie seien auch nicht unmittelbar durch § 7a AG-SGB II NRW aufgehoben worden. Insoweit fehle es an einer eindeutigen gesetzlichen Anordnung. Eine Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit könne nur ausdrücklich erfolgen. Zudem würden durch die Annahme einer konkludenten Aufhebung die rechtsstaatlichen Regelungen zum Vertrauensschutz - insbesondere § 49 Abs. 2 und 6 sowie § 43 Abs. 2 VwVfG - umgangen, ohne dass der Gesetzgeber, der um die existierenden Verwaltungsakte gewusst habe, sich eindeutig geäußert habe.

b) Die gesetzlich angeordnete Rückforderung von in vergangenen Haushaltsjahren an die Kommunen geleisteten Finanzzuweisungen verstoße zudem gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für die Fälle rückwirkender Gesetze entwickelt worden seien.

aa) Es handele sich um eine sogenannte echte Rückwirkung. Die Rechtsfolgen des Gesetzes sollten für schon vor dem Zeitpunkt seiner Verkündung abgeschlossene Sachverhalte gelten. Denn das Land verlange von den Kommunen Beträge zurück, die diese in den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits abgeschlossenen Haushaltsjahren 2007 bis 2009 vereinnahmt hätten. Der Einordnung als echte Rückwirkung stehe nicht entgegen, dass die Rückzahlungsverpflichtung der Kommunen erst in den Jahren 2011 bis 2019 zu erfüllen sei.

Die Auffassung der Landesregierung, es würden bloß künftige Zuweisungsansprüche "modifiziert", treffe demgegenüber nicht zu. Das Gesetz selbst gehe erkennbar davon aus, dass dem Land hinsichtlich der in den Jahren 2007 bis 2009 überhöht festgesetzten Zuweisungen ein Rückforderungsanspruch gegen die betroffenen Kommunen zustehe. § 7a Satz 2 AG-SGB II NRW modifiziere auch nicht den Verteilungsmaßstab für künftige Zuweisungen, der sich aus der neuen Anlage A ergebe, sondern nehme eine Aufrechnung zweier wechselseitiger Ansprüche vor.

bb) Die echte Rückwirkung von Gesetzen sei grundsätzlich unzulässig. Ein Ausnahmefall sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Rückwirkung für die betroffenen Kommunen unzumutbare Folgen habe. Der Gesetzgeber müsse bei seiner Entscheidung, ob und inwieweit er eine Rückabwicklung bereits abgeschlossener Haushaltsperioden überhaupt in Betracht ziehe, insbesondere auch die finanziellen Interessen der für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf eine ausreichende Finanzausstattung angewiesenen Kommunen berücksichtigen. Dabei komme dem Gesichtspunkt der verlässlichen und kalkulierbaren Haushalts- und Finanzwirtschaft besondere Bedeutung zu.

Die beschwerdeführenden Kreise verfügten über die ihnen zugeflossenen Zuweisungen nicht mehr. Sie hätten diese durchweg über eine Senkung der Kreisumlage oder durch Sonderzahlungen an ihre kreisangehörigen Gemeinden weitergegeben. Nach geltendem Haushaltsrecht seien sie nicht in der Lage, die Finanzmittel von den Gemeinden - etwa über eine Erhöhung der Kreisumlage in den Jahren 2011 bis 2019 - zurückzuerlangen. In diesen Jahren entstehe den Kreisen nämlich kein Aufwand, den sie im Rahmen der Festsetzung der Kreisumlage berücksichtigen könnten. Seit der Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) orientiere sich die Bemessung der Kreisumlage allein am Aufwand und Ertrag einer Kommune und nicht mehr an bloßen Zahlungsströmen. Ein bloßer Liquiditätsabfluss ermögliche nach der Rechtsprechung des OVG NRW keine Umlageerhöhung. § 11 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung NRW (GemHVO NRW) verlange, Aufwendungen in ihrer voraussichtlichen Höhe in dem Haushaltsjahr zu veranschlagen, dem sie wirtschaftlich zuzurechnen seien. Maßgebliches Kriterium für die wirtschaftliche Zurechnung eines Aufwands sei der Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung. Die Rückzahlungsverpflichtungen aus § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW seien "wirtschaftlich verursacht" mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 28. Dezember 2010. Die achtjährige Abzugsfrist sei eine bloße Fälligkeitsregelung, durch die die Erfüllung der gesetzlich bereits begründeten und damit entstandenen Rückzahlungsverpflichtung gestundet werde und ratenweise zu erfüllen sei.

Für die kreisfreien Städte unter den Beschwerdeführern habe die Rückzahlungsverpflichtung ebenfalls unzumutbare Folgen. Zwei von ihnen seien bereits überschuldet (Duisburg) oder von der Überschuldung unmittelbar bedroht (Solingen). Ihnen werde es spürbar erschwert, diesen Haushaltsstatus zu verlassen und zu einer eigenverantwortlichen Haushaltsführung zurückzukehren. Führe eine rückwirkende gesetzliche Regelung dazu, dass die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung ernstlich in Gefahr gerate, begründe dies einen der Rückwirkung entgegenstehenden Vertrauensschutz der Kommune.

cc) Für den Fall, dass es sich um eine unechte Rückwirkung handeln sollte, machen die Beschwerdeführer geltend: Sie hätten in schutzwürdiger Weise darauf vertraut, die in den Jahren 2007 bis 2009 vereinnahmten Zuweisungen insgesamt behalten zu können. Der Grundsatz, wonach sich niemand auf ein Vertrauen auf den Fortbestand von Gesetzen berufen könne, betreffe lediglich den Fortbestand eines gesetzlichen Standards für die Zukunft. Darum gehe es hier nicht. Die frühere Anlage A sei durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010 nicht für nichtig, sondern nur für mit der Landesverfassung unvereinbar erklärt worden. Die Unvereinbarerklärung berühre den Bestand der Norm nicht. Die neue Anlage A habe die frühere auch nicht mit Wirkung für die vergangenen Jahre 2007 bis 2009 abgelöst; sie sei erst mit Wirkung vom 1. Dezember 2010 in Kraft getreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur rückwirkenden Änderung haushaltswirtschaftlich bedeutsamer Normen stehe regelmäßig das Interesse an einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und einem gleichmäßigen Verwaltungsvollzug der Rückwirkung einer Neuregelung entgegen. Auch der Verfassungsgerichtshof habe in früheren Urteilen keine rückwirkende Korrektur verfassungswidriger Mittelverteilungen im Bereich der finanzausgleichsrelevanten Gesetzgebung verlangt.

Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kommunen entfalle auch nicht deshalb, weil schon im Gesetzgebungsverfahren zur Altregelung Zweifel an der Validität der Daten geäußert worden seien. Das Bundesverfassungsgericht verneine einen Vertrauensschutz auf die Gültigkeit eines Gesetzes nur dann, wenn der Gesetzesadressat zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung beziehe, mit einer rückwirkenden Neuregelung habe rechnen müssen. Dieses "Rechnenmüssen" könne nicht bereits zu einem Zeitpunkt einsetzen, in dem vom Gesetzgeber überhaupt keine Veranlassung gesehen wurde, eine Neuregelung auch nur in Erwägung zu ziehen. Selbst wenn die Kommunen aber mit einer Neuregelung schon zu einem früheren Zeitpunkt hätten rechnen müssen, hätten sie seinerzeit überhaupt nicht absehen können, ob und in welcher Höhe sie empfangene Zuweisungen würden erstatten müssen.

2. Der Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Sie trägt im Wesentlichen vor:

a) Die angegriffene Regelung bedeute keineswegs eine rechtsstaatswidrige Missachtung der Bestandskraft der in den Jahren 2007 bis 2009 ergangenen Festsetzungsbescheide. Unstreitig ordne § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW die Aufhebung dieser Festsetzungsbescheide gerade nicht an. Die Regelung lasse die bestandskräftige Gewährung von Wohngeldentlastungsmitteln für die Jahre 2007 bis 2009 unberührt und nehme keine Rückforderung bereits gewährter Mittel vor. Vielmehr werde allein der Verteilungsmaßstab für die nachfolgenden Jahre 2011 bis 2018 so modifiziert, dass die in den Jahren 2007 bis 2009 zu Unrecht gewährten Zuweisungen von den Zuweisungen in den späteren Jahren abgezogen würden. Die etwa für das Jahr 2011 ergangenen Festsetzungsbescheide nähmen dementsprechend keine (Teil-)Aufhebung der Festsetzungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2009 vor, sondern träfen Festsetzungen allein für das Jahr 2011.

Die Festsetzungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2009 regelten lediglich, dass der jeweilige Adressat einen bestimmten Zuweisungsbetrag für das jeweilige Jahr erhalte. Sie enthielten keine Regelung in Bezug auf dem Adressaten in späteren Jahren zustehende Zuweisungsbeträge, auch nicht in Bezug auf die mögliche Reduktion dieser späteren Zuweisungen mit Rücksicht auf eine - fehlerhafte - Höhe der Zuweisungen in 2007 bis 2009.

b) § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW verstoße nicht gegen den rechtsstaatlich begründeten Vertrauensschutz.

aa) Eine echte Rückwirkung liege nicht vor. Echte Rückwirkung habe eine Rechtsnorm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten solle. Eine derartige Rückbewirkung von Rechtsfolgen nehme die angegriffene Regelung nicht vor. Die maßgebliche Rechtsfolge des Gesetzes liege in der Begründung des Anspruchs auf Zuweisungsbeträge aus der Wohngeldentlastung. Dieser Anspruch stehe den Kreisen und kreisfreien Städten nach § 7 Abs. 1 AG-SGB II jährlich zu. § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW lasse die in den Jahren 2007 bis 2009 ergangenen Festsetzungsbescheide - wie dargelegt - unberührt. Die angegriffenen Vorschriften hätten auch in der Sache nicht nur eine "Korrektur" der Zuweisungen für 2007 bis 2009 vorgenommen, sondern eine näher ausgeformte, eigenständige Regelung für die künftigen Jahre 2011 bis 2018 (ggf. auch 2019) getroffen. Diese stelle die vom Vorteilsausgleich betroffenen Kommunen im Ergebnis günstiger, als sie stünden, wenn die zugleich neu geregelte Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW bereits von 2007 an gegolten hätte.

bb) § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW sei jedoch wie eine unechte Rückwirkung am rechtstaatlich begründeten Vertrauensschutz zu messen. Denn materiell betrachtet beruhe der vorgesehene Abzug von den nach § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW i. V. m. der neuen Anlage A ermittelten Zuweisungsbeträgen gerade darauf, dass der den betroffenen Kommunen in den Jahren 2007 bis 2009 gleichheitswidrig zugeflossene finanzielle Vorteil nicht dauerhaft bei ihnen verbleiben solle; insoweit solle eine nachträgliche, in den Jahren ab 2011 zu vollziehende Korrektur stattfinden.

Eine unechte Rückwirkung sei grundsätzlich - so auch hier - zulässig. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gebe es regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen in den unveränderten Fortbestand einer einmal getroffenen (finanzwirksamen) gesetzlichen Regelung. Nur ausnahmsweise könne aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls die Gewährung von Vertrauensschutz geboten sein. Hier sei ein Vertrauen der Beschwerdeführer darauf, dass sie die 2007 bis 2009 vereinnahmten Wohngeldentlastungsbeträge endgültig behalten dürften, jedenfalls nicht schutzwürdig. Die angegriffene Regelung diene der Korrektur der Folgen eines verfassungswidrigen Gesetzes. Die zu verrechnenden Zuweisungsbeträge hätten den Beschwerdeführern von Verfassungs wegen nicht zugestanden. Dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Vertrauensschutz stehe deshalb hier das rechtsstaatliche Anliegen der Herstellung materiell verfassungsgemäßer Zustände entgegen, da das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung durchgesetzt werde.

Zudem hätten die Beschwerdeführer schon vor Inkrafttreten der früheren Anlage A nicht auf den Fortbestand dieser Regelung setzen können, sondern die Zweifel an der Validität der dieser zugrunde gelegten Daten kennen und mit der Möglichkeit ihrer Fehlerhaftigkeit rechnen müssen. Ausweislich des Urteils des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010 habe es schon frühzeitig deutliche Hinweise auf die Fehleranfälligkeit der von den Kommunen gemeldeten Daten und die damit mögliche Unrichtigkeit der Anlage A gegeben. An der fehlenden Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens ändere auch der Umstand nichts, dass die Festsetzungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2009 ohne Vorbehalt erlassen worden seien.

Ungeachtet dessen habe sich der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die finanziellen Interessen der betroffenen Kommunen für eine schonende Ausgestaltung des Ausgleichs zwischen den nach Anlage A zu § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW a. F. zunächst verfassungswidrig benachteiligten und den verfassungswidrig begünstigten Kommunen entschieden, indem er zwar den Nachteilsausgleich unmittelbar angeordnet (§ 7a Satz 1 AG-SGB II NRW), jedoch die Vorteilsabschöpfung erst zeitlich gestreckt in den Jahren 2011 bis 2018, evtl. 2019 vorgesehen habe.

Zu keinem anderen Ergebnis führe der Vortrag der beschwerdeführenden Kreise, sie hätten nunmehr Finanzmittel zurückzuzahlen, die ihren kreisangehörigen Gemeinden zugeflossen seien und die sie von diesen auch nicht zurückverlangen könnten. Soweit die überhöhten Landeszuweisungen richtigerweise in die Bedarfsberechnung für die Kreisumlage eingegangen seien, könnten sie auch nach Maßgabe von § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW mit den künftigen Zuweisungen an die Kreise verrechnet werden: Die geringer ausfallenden Landeszuweisungen der Jahre 2011 bis 2018 flössen dann ebenfalls in die Bedarfsberechnung für die Kreisumlagen gemäß § 56 Abs. 1 der Kreisordnung NRW (KrO NRW) ein und beeinflussten deren Höhe. Der angestrebte Ausgleich nach § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW erfolge auf der Grundlage jahresbezogener Festsetzungsbescheide durch Verrechnung mit den Zuweisungsbeträgen der Jahre 2011 bis 2018, ggf. 2019. Die Belastung entstehe jeweils jährlich in diesen Jahren, in denen der gesetzliche Tatbestand erst erfüllt werde. Ein Widerspruch zu den Regeln des Neuen Kommunalen Finanzmanagements liege somit nicht vor.

Der Hinweis auf die schwierige Haushaltslage einiger Beschwerdeführer gehe schon im Ansatz fehl. Primärer Maßstab für die Verteilung der Wohngeldentlastung durch den Landesgesetzgeber sei der korrekte, nach Möglichkeit realitätsnahe Ausgleich der durch die Hartz IV-Reformen bewirkten Be- und Entlastungen, nicht die allgemeine Finanzsituation der Kommunen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß Art. 75 Nr. 4 der Landesverfassung (LV NRW), § 52 Abs. 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes (VerfGHG NRW) statthaft und am 23. Dezember 2011 fristgerecht erhoben worden. Tritt die zur Überprüfung gestellte Rechtsvorschrift rückwirkend in Kraft, beginnt die Jahresfrist des § 52 Abs. 2 VerfGHG NRW erst mit dem Zeitpunkt der Verkündung (vgl. VerfGH NRW, OVGE 51, 272 = juris, Rn. 41, m. w. N.), hier also am 28. Dezember 2010.

Die Beschwerdeführer sind auch beschwerdebefugt. Sie sind durch die angegriffenen Regelungen in § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Alle Beschwerdeführer müssen aufgrund des angegriffenen Vorteilsausgleichs seit 2011 finanzielle Einbußen hinnehmen. Ihrer unmittelbaren Betroffenheit steht nicht entgegen, dass die angegriffenen Regelungen in den Jahren 2011 bis 2019 durch Festsetzungsbescheide umgesetzt werden. Kommunen können nicht darauf verwiesen werden, zunächst Vollziehungsakte, die der Umsetzung oder sonstigen Konkretisierung der Rechtsnorm dienen, abzuwarten und gegen diese im Verwaltungsrechtsweg vorzugehen. Denn solche Akte könnten sie nicht mehr mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angreifen, weil diese nur als Rechtssatzverfassungsbeschwerde zulässig ist (§§ 12 Nr. 8, 52 Abs. 1 VerfGHG NRW, vgl. auch BVerfGE 76, 107, 113).

Die Beschwerdeführer können geltend machen, durch die angegriffenen Normen in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 78 LV NRW verletzt zu sein. Eine Verletzung des von diesem Recht umfassten Anspruchs auf eine rechtsstaatliche Ausgestaltung von Regelungen, die die kommunale Finanzausstattung beeinträchtigen, erscheint nach dem Beschwerdevorbringen möglich.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Seinem Regelungsinhalt nach modifiziert § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW zukünftige Zuweisungsansprüche der Beschwerdeführer nach § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW i. V. m. der geänderten Anlage A (dazu I.1.). Gemessen an den bei der Verteilung von Finanzmitteln an die kommunalen Träger zu beachtenden Rechtsgrundsätzen (dazu I.2.) verletzt er das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführer aus Art. 78 LV NRW nicht (dazu II.).

I.

1. § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW modifiziert eine Regelung zur Verteilung sachlich begrenzter, außerhalb des obligatorischen kommunalen Finanzausgleichs im Sinne von Art. 79 Satz 2 LV NRW gewährter Landesmittel auf Kreise und kreisfreie Städte, um eine zuvor gleichheitswidrige Verteilung dieser Mittel wieder auszugleichen. Den Kreisen und kreisfreien Städten sollen die Vorteile, von denen sie wegen der verfassungswidrigen Verteilung in den Jahren 2007 bis 2009 profitiert haben, nicht belassen werden. Die betroffenen Kommunen erhalten deshalb in den Jahren 2011 bis 2018 infolge des vorgesehenen Abzugs im Ergebnis geringere Zuweisungen als ihnen in diesen Jahren aufgrund des Verteilungsmaßstabs nach § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW i. V. m. der geänderten Anlage A eigentlich zustünden. Gegebenenfalls müssen sie im Jahr 2019 einen durch diese Abzüge noch nicht ausgeglichenen Teil der Überzahlung dem Land erstatten.

Diese Abschöpfung erlangter Vorteile stellt die - zeitversetzt wirkende - Entsprechung zu dem durch § 7a Satz 1 AG-SGB II NRW angeordneten Nachteilsausgleich dar. Mit der Regelung zum Ausgleich der Nachteile, die durch die verfassungswidrige Verteilung in den Jahren 2007 bis 2009 verursacht wurden, hat der Gesetzgeber der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Mai 2010 Rechnung getragen (vgl. OVGE 53, 264, 275). Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, auch die in diesem Zeitraum von anderen kommunalen Trägern verfassungswidrig erlangten Vorteile rückabzuwickeln bzw. auszugleichen, folgt indes daraus nicht. Die Entscheidung darüber war dem Gesetzgeber innerhalb der durch die Verfassung gezogenen Grenzen überlassen worden. Das entspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken aus § 79 Abs. 2 BVerfGG, § 183 VwGO sowie § 157 FGO, wonach bestandskräftige Verwaltungsakte von der Nichtig- bzw. Verfassungswidrigerklärung ihrer Rechtsgrundlage unberührt bleiben, es sei denn, der Gesetzgeber trifft eine abweichende Regelung (vgl. BVerfGE 94, 241, 266 f.; 100, 104, 136 f.; 111, 115, 146; Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 183 Rn. 13, 15, 22 f., 53; Heußner, NJW 1982, 257, 258).

2. Die Verfassung räumt dem Gesetzgeber bei der Verteilung von Finanzmitteln auf die Gemeinden einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Grenzen dieses Spielraums ergeben sich aus solchen Grundsätzen des Landesverfassungsrechts, die geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitzubestimmen (VerfGH NRW, OVGE 49, 271, 275; 53, 264, 270). Hierzu zählen insbesondere das interkommunale Gleichbehandlungsgebot sowie die rechtsstaatlichen Anforderungen der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot verbietet es dem Gesetzgeber, bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände auf Grund sachlich nicht vertretbarer Differenzierungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Finanzzuweisungen nach einheitlichen und sachlich vertretbaren Maßstäben auf die einzelnen Kommunen zu verteilen. Weicht er von einem selbstbestimmten System ab, kann das einen Gleichheitsverstoß indizieren. Ein solcher liegt nicht vor, wenn es für die Abweichung plausible Gründe gibt (VerfGH NRW, OVGE 49, 271, 275, m. w. N.; 50, 306, 313; 51, 272, 283 f.; 53, 264, 270).

Auch müssen sich die Gemeinden nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Interesse einer verlässlichen und kalkulierbaren Haushalts- und Finanzwirtschaft jedenfalls grundsätzlich auf die Beständigkeit finanzieller Zuweisungen verlassen können. Nur dann, wenn die Kommunen nicht zu befürchten haben, dass ihnen nachträglich die Grundlagen ihres Handelns entzogen und damit ihre Dispositionen entwertet werden, können sie ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen (vgl. VerfGH NRW, OVGE 38, 301, 311 f.; 48, 271, 278 f.; 49, 271, 275 f.; Rh.-Pf. VerfGH, NVwZ-RR 2008, 435 ff.; VerfG Bbg., DVBl. 2000, 981, 990; MVVerfG, LKV 1999, 319, 322; Bay. VerfGH, NVwZ 1993, 163, 166; VerfG LSA, LKV 2010, 477).

Belastungen oder Beeinträchtigungen der gemeindlichen Finanzausstattung sind ferner an dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Sie sind abzuwägen mit den dafür maßgeblichen, dem öffentlichen Wohl verpflichteten sachlichen Gründen (VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 254).

II.

Gemessen daran ist § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Bestandskraft der in den Jahren 2007 bis 2009 ergangenen Festsetzungsbescheide steht dem gesetzlich angeordneten Vorteilsausgleich nicht entgegen (dazu unten 1.). Die angegriffenen Regelungen befinden sich mit dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung im Einklang (dazu unten 2.). Sie genügen auch den rechtsstaatlichen Anforderungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (dazu unten 3.). Die mit dem Vorteilsausgleich bewirkte Einschränkung der Finanzausstattung der betroffenen Kreise und kreisfreien Städte erweist sich aufgrund der schonenden Ausgestaltung auch als verhältnismäßig (dazu unten 4.).

1. Dem in § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW geregelten Vorteilsausgleich steht die Bestandskraft der in den Jahren 2007 bis 2009 ergangenen Festsetzungsbescheide nicht entgegen. Er steht nicht im Widerspruch zum Fortbestand dieser Bescheide. Die verfassungswidrig erlangten Vorteile sollen in der Zukunft zeitlich gestreckt und überwiegend im Wege der Verrechnung ausgeglichen werden. Die angegriffenen Regelungen enthalten damit keine echte und unmittelbare Rückforderung der in den Jahren 2007 bis 2009 verfassungswidrig überhöhten Zuweisungen. Eine Rückabwicklung im engen Sinn, wie sie als Folge einer Aufhebung von Zuweisungsbescheiden eintritt, ist durch eine sofortige Erstattungspflicht der jeweils erhaltenen Gesamtbeträge sowie eine Pflicht zur Verzinsung gekennzeichnet (vgl. für Aufhebungen im Verwaltungswege § 49a VwVfG NRW). Beide Pflichten bestehen nach § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW nicht. Der Zinsvorteil verbleibt vielmehr zu Lasten des Landeshaushalts den betroffenen Kommunen. Durch diese schonende Ausgestaltung unterscheidet sich die angegriffene Vorteilsausgleichsregelung hinreichend von einer in abgewickelte Haushaltsjahre eingreifenden Rückforderung.

2. § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW entspricht dem Verfassungsgebot interkommunaler Gleichbehandlung. Zwar erhalten die vom Vorteilsausgleich betroffenen Kreise und kreisfreien Städte wegen des in § 7a Satz 2 und 3 AG-SGB II NRW vorgesehenen Abzugs im Ergebnis geringere Zuweisungen als ihnen in diesen Jahren aufgrund des Verteilungsmaßstabs nach § 7 Abs. 3 AG-SGB II NRW i. V. m. der geänderten Anlage A eigentlich zustünden. Sie werden damit ungleich im Verhältnis zu den anderen Kommunen des Landes behandelt, die in vollem Umfang an der Entlastung des Landes beteiligt werden. Diese Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Sie soll die Gleichbehandlung der Kommunen im Gesamtzeitraum von 2007 bis 2019 gewährleisten. Die 2007 bis 2009 von einem Teil der Kreise und kreisfreien Städte gleichheitswidrig erlangten Vorteile werden in den Jahren 2011 bis 2019 durch Verrechnung bzw. Erstattung abgeschöpft. So hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass am Ende des Jahres 2019 alle Kommunen unter Beachtung des Gebots interkommunaler Gleichbehandlung an der mit der Wohngeldreform verbundenen Entlastung des Landes teilhaben.

3. § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW genügt auch den Anforderungen des im Gewährleistungsbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu berücksichtigenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Zwar entfalten die Regelungen in der Sache rückwirkende Kraft [dazu sogleich unter a)]. Diese Rückwirkung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden [dazu b) und c)].

a) § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW ist am Maßstab des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zu messen. Der gesamte § 7a AG-SGB II NRW ist ein Reparaturgesetz, mit dem die Folgen einer verfassungswidrigen Verteilungsregelung in der Vergangenheit korrigiert werden sollen. Die angegriffenen Regelungen bewirken zwar erst in den Jahren 2011 bis 2019 und damit nach ihrem Inkrafttreten Rechtsfolgen. Diese Rechtsfolgen erklären sich aber - ebenso wie der damit korrelierende Nachteilsausgleich gemäß § 7a Satz 1 AG-SGB II NRW - allein aus Sachverhalten vor ihrem Inkrafttreten. Die ihrerseits am interkommunalen Gleichbehandlungsgebot ausgerichtete Verteilung der Zuweisungen für die Jahre 2011 bis 2018 wird modifiziert, weil den Kreisen und kreisfreien Städten, die in den Jahren 2007 bis 2009 von der verfassungswidrigen Anlage A profitiert haben, der gleichheitswidrig erlangte Vorteil jedenfalls dem Nennbetrag nach nicht endgültig verbleiben soll. Die Differenz zwischen den tatsächlich erhaltenen Zuweisungsbeträgen für die Jahre 2007 bis 2009 und den geringeren Zuweisungsbeträgen, die diese Kommunen auf der Basis der neugefassten Anlage A in diesem Zeitraum erhalten hätten, ist von ihnen über die Jahre 2011 bis 2019 verteilt auszugleichen. Die Höhe der zukunftsbezogenen Zuweisungen bzw. einer etwaigen Zahlung der Kommunen im Jahr 2019 wird somit u. a. an eine - fiktive - Neuberechnung der Zuweisungen für die Jahre 2007 bis 2009 unter Anwendung der erst zum 1. Dezember 2010 in Kraft getretenen neuen Anlage A geknüpft.

b) Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot enthält für verschiedene Fallgruppen unterschiedliche Anforderungen. Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfGE 72, 200, 242; 97, 67, 79; 127, 1, 17; BVerfG, NJW 2013, 145, 146). Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 95, 64, 86; 122, 374, 394 f.; BVerfG, NJW 2013, 145 ff. - stRspr).

Eine echte Rückwirkung ist dagegen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Auch in diesem Fall sind jedoch Ausnahmen anerkannt. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt dort nicht, wo sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der Regelungen rechnen konnten (vgl. BVerfGE 88, 384, 404; 122, 374, 394). Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn eine ungültige bzw. verfassungswidrige Norm durch eine rechtlich unbedenkliche Norm mit gleichem Regelungsziel ersetzt wird. Zwar entspricht der Pflicht der Bürger - und auch der Kommunen -, gültige Gesetze zu beachten, grundsätzlich die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens auf die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die "mit dem Rechtsschein der Verfassungsmäßigkeit" versehen sind (BVerfGE 20, 230, 235 f.; 53, 115, 128). Der bloße Umstand, dass das auf dem Prüfstand stehende Gesetz der Korrektur der Folgen einer verfassungswidrigen Rechtslage dient, entbindet daher für sich allein noch nicht von der Beachtung des Verbots echter Rückwirkung (vgl. etwa BVerfGE 99, 69, 83). Es hängt vielmehr von der Besonderheit des Einzelfalls ab, ob die Normadressaten darauf vertrauen können, von einer entsprechenden Regelung für den Zeitraum dieses Rechtsscheins verschont zu bleiben (vgl. BVerfGE 13, 261, 272; BVerfG, NVwZ 2010, 313, 314; siehe auch VerfG LSA, LKV 2010, 477, 478; sowie Maurer, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 79 Rn. 47 und 56 f.). Selbst eine Rückabwicklung bereits abgeschlossener Haushaltsperioden scheidet dabei nicht stets im Hinblick auf eine verlässliche und kalkulierbare Haushalts- und Finanzwirtschaft aus. Über diese Frage hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden (vgl. VerfGH NRW, OVGE 46, 262, 278; 48, 271, 279).

Liegt in diesem Sinne ein Grund vor, der es von Verfassungs wegen rechtfertigt, das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zu durchbrechen, so darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von dem Eingriff betroffen ist (vgl. BVerfGE 97, 67, 80; 72, 200, 258). Das gilt entsprechend für die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in ihrer Ausprägung als Finanzausstattungsgarantie. Insoweit muss jedenfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein (vgl. etwa VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 254, dazu nachfolgend gesondert unter 4.).

c) § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Regelungen eine echte oder unechte Rückwirkung entfalten, weil die Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt auf den Fortbestand der für die Anwendung des Verteilungsmaßstabs wesentlichen Daten der Anlage A zu § 7 Abs. 3 in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AG-SGB II NRW vom 19. Juni 2007 vertrauen konnten. Sie mussten von vornherein mit der Möglichkeit einer für sie nachteiligen Änderung auch mit Wirkung für vergangene Zeiträume rechnen. Denn der begrenzte Umfang der zu verteilenden Mittel und die daraus folgenden Auswirkungen einer Änderung des Verteilungsmaßstabs [dazu aa)] waren ebenso wie die Fehleranfälligkeit der in der Anlage A verwendeten Daten [dazu bb)] zu jedem Zeitpunkt erkennbar.

aa) Der Gesetzgeber wollte ersichtlich nur einen von vornherein begrenzten, nach feststehenden Sachkriterien ermittelten und jeweils gesetzlich bestimmten Gesamtbetrag jährlich den Kreisen und kreisfreien Städte nach einem sach- und gleichheitsgerechten Maßstab zur Verfügung stellen. Diese Absicht kam bereits in § 7 Abs. 1 bis 3 AG-SGB II NRW in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung von Regelungen des Sozialgesetzbuchs vom 27. Juni 2006, GV. NRW. S. 292, unmissverständlich zum Ausdruck. Zweck dieser Zuweisungen war es von Beginn an, den durch die Reform des Wohngeldrechts erlangten finanziellen Vorteil des Landes (abzüglich des sogenannten interkommunalen Entlastungsausgleichs, siehe sogleich) an die Kommunen weiterzugeben. Damit wurde der politischen Vereinbarung entsprochen, wonach die Länder ihre Entlastung im Zuge der Hartz IV-Reform an die kommunalen Haushalte weiterleiten sollten (vgl. LT NRW-Drs. 13/4680, S. 4 f. der Anlage; Kaltenborn/Schiwarov, Blickpunkt Arbeit und Wirtschaft 7/2006, 1, 2; siehe auch BT-Drs. 16/3269, S. 4; BT-Drs. 17/41, S. 6). Der Gesamtbetrag ergab sich dabei gemäß § 7 Abs. 2 AG-SGB II NRW aus der Bruttoersparnis des Landes bei den Wohngeldzahlungen abzüglich des Finanzierungsanteils des Landes an den Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen gemäß § 11 Abs. 3a Finanzausgleichsgesetz, d. h. des interkommunalen Entlastungsausgleichs zugunsten der Kommunen der neuen Länder, der seiner Zielrichtung nach von der kommunalen Ebene der alten Länder zu tragen ist (vgl. LT NRW, Vorlage 14/1118, S. 2 f. der Anlage 2; LT NRW, Drs. 13/4860, S. 4 der Anlage). Für das Jahr 2008 war die daraus resultierende Gesamthöhe der Zuweisungen sogar betragsmäßig im Gesetz festgelegt. Im weiteren Zeitverlauf wird sie lediglich an die Entwicklung der jahresdurchschnittlichen Anzahl der Bedarfsgemeinschaften angepasst, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 3 bis 6 AG-SGB II NRW in der ab dem 29. Juni 2007 geltenden Fassung. Gegenstand der Verteilung war und ist somit eine jährlich neu ermittelte, sachlich begrenzte und jeweils feststehende Gesamtsumme. Darüber hinausgehende Zuweisungen aus dem allgemeinen Landeshaushalt standen zu keinem Zeitpunkt in Rede.

Unter diesen Umständen führt die Beseitigung eines Fehlers der Verteilungsregelung zu Gunsten verfassungswidrig benachteiligter Kommunen für andere Kreise und kreisfreie Städte zu niedrigeren Zuweisungen. Es gehört daher zu den in der Natur der Sache liegenden und dementsprechend den betroffenen Kommunen grundsätzlich als vorhersehbar anzulastenden Risiken, dass sich ihre Zuweisungsansprüche bei einer fehlerhaften Mittelverteilung auch für die Vergangenheit verringern können (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation BVerwGE 67, 129, 132; BVerwG, DVBl. 1989, 678 ff.). Sie mussten damit rechnen, in diesem Fall möglicherweise rückwirkend geringere Zuweisungsbeträge zuerkannt zu erhalten oder den erlangten Vorteil - wie im angegriffenen Gesetz vorgesehen - zumindest nachträglich ausgleichen zu müssen. Das für den Gesetzgeber bei der Verteilung ganz im Vordergrund stehende Gebot interkommunaler Gleichbehandlung kann nur dadurch ohne Abstriche verwirklicht werden, dass neben verfassungswidrig erlittenen Nachteilen auch die damit unmittelbar korrelierenden Vorteile ausgeglichen werden. Die Finanzierung eines erforderlichen Nachteilsausgleichs aus dem allgemeinen Landeshaushalt liefe dem erkennbaren Gesetzeszweck zuwider. Schon aus diesen Gründen gab es für die Kommunen wenig Anlass zu der Annahme, das Land könnte die zu verteilende Summe aus seinem Haushalt weiter aufstocken, um einen etwaigen Verteilungsmangel für die vergangenen Zeiträume (nur) zugunsten der bisher benachteiligten Kommunen - d. h. unvollkommen - zu beheben.

bb) Ein Vertrauen konnte sich unter derartigen Umständen jedenfalls deshalb nicht bilden, weil für die Betroffenen von Anfang an Anhaltspunkte für eine mögliche Verfassungswidrigkeit der ursprünglichen Verteilungsregelung bestanden haben. Die der Verteilungsregelung zugrunde liegende unsichere Datenlage war bei Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des AG-SGB II NRW vom 19. Juni 2007 bekannt. Der Verteilungsmaßstab knüpfte an Daten an, denen in Form der damaligen Anlage A Gesetzesrang verliehen worden war, obwohl sie bereits im Gesetzgebungsverfahren als fehlerträchtig bezeichnet worden waren. Die kommunalen Spitzenverbände hatten ausdrücklich angemerkt, dass die Berechnungsgrundlagen (Kommunaldatenerhebung 2005) noch nicht ausreichend abgesichert waren. Sie hatten auf Datenerfassungsfehler und Datenungenauigkeiten verwiesen und eine weitere Überprüfung angemahnt (LT NRW, Stellungnahme 14/1136, S. 9; APr 14/427, S. 17, 43). Eine Validierung in dem auch von den Kommunen für erforderlich gehaltenen Umfang war anschließend aber nicht mehr erfolgt. Das Datenmaterial war nur teilweise berichtigt und der Gesetzentwurf entsprechend korrigiert worden, nachdem einzelne Kreise und kreisfreie Städte rechnerische Korrekturen gemeldet hatten. An dem Grundansatz des Gesetzgebers, auf eine umfassende Überprüfung der von den Kommunen gemeldeten Daten zu verzichten, war jedoch festgehalten worden (vgl. auch LT NRW, Plenarprotokoll 14/65, S. 7369).

4. Die mit der Vorteilsabschöpfung bewirkte Einschränkung der Finanzausstattung der betroffenen Kreise und kreisfreien Städte erweist sich schließlich als verhältnismäßig. Der umstrittene Vorteilsausgleich in § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW war zur Wiederherstellung interkommunaler Verteilungsgerechtigkeit bei gleichzeitiger Schonung des Landeshaushalts geeignet und erforderlich. Die Regelung ist unter Berücksichtigung der rücksichtsvollen Ausgestaltung verhältnismäßig im engeren Sinne; sie wahrt insbesondere die Grenze der Zumutbarkeit. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

a) Das Land war angesichts seiner ohnehin angespannten Finanzsituation verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Kosten des ihm aufgegebenen Nachteilsausgleichs vollumfänglich aus dem allgemeinen Landeshaushalt zu bestreiten. Zwar belasten die Regelungen einige kommunale Haushalte erheblich. Im Vergleich zu einem Eingriff in abgeschlossene Haushaltsperioden geschieht dies jedoch in deutlich abgemilderter Weise. Begründet werden keine sofortigen Rückzahlungspflichten; vielmehr werden die verfassungswidrig erhaltenen Überzahlungen lediglich auf die nächsten acht Jahre verteilt von künftigen Zuweisungen abgezogen. Gegebenenfalls ist erst im neunten Jahr ein Schlussbetrag zu entrichten. Mit dieser langen Abzugsfrist hat der Gesetzgeber auf die finanziellen Interessen der vom Vorteilsausgleich betroffenen Kommunen Rücksicht genommen (vgl. LT-Drs. 15/215, S. 16). Eine Verzinsungspflicht, wie sie bei einem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch nach Beseitigung der Festsetzungsbescheide entstehen würde, entfällt ganz. Im Regelfall entsteht somit keine Zahlungspflicht, sondern nur eine Kürzung künftiger Ansprüche. Zwar ist es auch möglich, dass einer Kommune in den Jahren 2011 bis 2018 keine Zuweisungsbeträge mehr zustehen, die einen Abzug ermöglichten, so dass sie den überzahlten Betrag im Jahr 2019 in einer Summe erstatten müsste. Auch in diesem Fall federt aber der gewährte langjährige Zahlungsaufschub unter Verzicht auf Zinsen die Belastung hinreichend ab. Über die gesamte Zeit betrachtet bleiben die vom Vorteilsausgleich betroffenen Kreise und kreisfreien Städte damit sogar - zu Lasten des Landeshaushalts - finanziell bevorzugt, weil sie die ihnen bei verfassungsmäßiger Verteilung insgesamt zustehenden Zuweisungen zu einem erheblichen Teil vorzeitig erhalten haben. Soweit diese Mittel noch vorhanden sind, was namentlich bei den kreisfreien Städten denkbar ist, profitieren diese von den Zinsen. Soweit sie verbraucht wurden, wurden gegebenenfalls Kreditaufnahmen in entsprechender Höhe erspart. Derartige Kredite hätten auch die folgenden Haushalte belastet.

b) Für die Kreise unter den Beschwerdeführern ergibt sich eine unverhältnismäßige Belastung nicht daraus, dass sie die zu viel erhaltenen Zuweisungen über eine Senkung der Kreisumlage (§ 56 KrO NRW) wirtschaftlich betrachtet an die kreisangehörigen Gemeinden weitergegeben haben mögen. Diese Umlage wird durch die Kreise von ihren kreisangehörigen Gemeinden erhoben, soweit die sonstigen Erträge des jeweiligen Kreises die entstehenden Aufwendungen nicht decken. Sie ist für jedes Haushaltsjahr neu festzusetzen (§ 56 Abs. 1 und 2 KrO NRW).

Die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des Vorteilsausgleichs ermöglicht es den Kreisen prinzipiell, die Mindereinnahmen in den Jahren 2011 bis 2018 sowie die gegebenenfalls in 2019 eintretende (Rest-)Zahlungspflicht jeweils durch eine entsprechende Erhöhung der Kreisumlage zu kompensieren (zu rechtlichen Grenzen vgl. etwa OVG NRW, OVGE 53, 61, 66 ff.; VerfGH NRW, OVGE 54, 255, 262 ff.; enger wohl BVerwG, DVBl. 2013, 858 ff.). Die jeweiligen Zuweisungen in den Jahren 2011 bis 2018 fließen - wie von den Beschwerdeführern nach eigener Darstellung bereits praktiziert - nur in dem gemäß § 7a Satz 2 und 3 AG-SGB II NRW gekürzten Umfang als Erträge in die Bedarfsberechnung für die Kreisumlage ein und vergrößern so die umlagefähige Spanne zwischen Erträgen und Aufwendungen des Kreises. Entsprechendes gilt für eine gegebenenfalls im Jahr 2019 festgesetzte Restzahlung, die in diesem Jahr als Aufwendung in die Bedarfsberechnung einzustellen wäre.

Ein Verstoß gegen den ressourcenorientierten Ansatz des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) ist darin nicht zu erkennen. Mit der Einführung des NKF im Jahr 2005 wurde das kommunale Haushaltsrecht von einem "Geldverbrauchskonzept" auf ein "Ressourcenverbrauchskonzept" umgestellt. Darin stellen die die Veränderungen des kommunalen Eigenkapitals abbildenden "Erträge" und "Aufwendungen" die zentralen Steuerungsgrößen dar (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über ein Neues Kommunales Finanzmanagement für Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen [Kommunales Finanzmanagementgesetz NRW - NKFG NRW], LT NRW, Drs. 13/5567, S. 165 ff.). Erträge und Aufwendungen sind in ihrer voraussichtlichen Höhe in dem Haushaltsjahr zu veranschlagen, dem sie wirtschaftlich zuzurechnen sind. Werden Erträge und Aufwendungen in einem Leistungsbescheid festgesetzt, ist die Veranschlagung nach dem Erfüllungszeitpunkt vorzunehmen (vgl. § 53 Abs. 1 KrO NRW i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 GemHVO NRW). Der letztgenannte Satz wurde durch das Erste Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen vom 18. September 2012 (1. NKF-Weiterentwicklungsgesetz - NKFWG, GV. NRW. S. 432) in § 11 Abs. 2 GemHVO NRW mit Wirkung vom 29. September 2012 eingefügt. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtslage nicht geändert, sondern nur eine Klarstellung vorgenommen, nach welchen Kriterien die wirtschaftliche Zuordnung bei Erträgen und Aufwendungen vorzunehmen ist, die ohne Gegenleistung der Gemeinde bzw. des Kreises entstehen (LT NRW, Drs. 16/47, S. 55; LT NRW, Vorlage 15/24, S. 33). Die Regelung stellt auf den auch nach den kaufmännischen Grundsätzen zu Grunde zu legenden, im Bescheid festgesetzten Erfüllungszeitpunkt ab (vgl. ebenda).

Die oben dargestellte Vorgehensweise der Kreise entspricht diesen Erfordernissen. Bereits der gesetzliche Tatbestand des § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW ordnet die einzelnen, nach den dortigen Vorgaben zu bestimmenden Abzugsbeträge sowie die etwaige Restzahlung unmittelbar dem jeweiligen Jahr 2011 bis 2019 zu, in dem sie zudem jeweils im Rahmen entsprechender Festsetzungsbescheide festgesetzt werden. Nur als Berechnungsfaktor wird in den Festsetzungsbescheiden stets auch der Gesamtbetrag des vom Adressaten zu erbringenden Vorteilsausgleichs erwähnt. Dieser Betrag wird darin hingegen nicht insgesamt in der Art festgesetzt, dass eine entsprechend hohe Zahlungspflicht begründet würde.

c) Der Hinweis auf die besonders angespannte Haushaltslage zweier Beschwerdeführer führt ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit des angegriffenen Vorteilsausgleichs. Gewisse Härten in Einzelfällen sind bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und grundsätzlich hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist nichts Ausreichendes dafür dargetan, dass der vorgesehene Vorteilsausgleich wegen der besonderen Finanzlage in einzelnen Kommunen unverhältnismäßig wäre.

Eine Verletzung des vom Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände auf Selbstverwaltung (Art. 78 LV NRW) umfassten Anspruchs auf eine angemessene Finanzausstattung (vgl. VerfGH NRW, OVGE 54, 255, 261 f.) kann im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden. Die Funktion, die auf speziellen Regelungen des Bundes- und Landesrechts - hierzu zählt auch § 7 AG-SGB II NRW - beruhende Finanzausstattung der kommunalen Ebene durch ergänzende Zuweisungen auf ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügendes Mindestniveau zu heben, kommt primär dem obligatorischen kommunalen Finanzausgleich nach Art. 79 Satz 2 LV NRW zu (vgl. VerfGH NRW, OVGE 54, 255, 265). Dieser ist Gegenstand der jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetze. Im Übrigen ist auch in diesem Rahmen regelmäßig maßgeblich, ob den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach den in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entwickelten Maßstäben insgesamt ein ausreichendes Finanzausgleichsvolumen zur Verfügung gestellt und dieses in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Gemeinden verteilt wird. Ist dies der Fall, kommt eine

Verletzung der Finanzausstattungspflicht des Landes gegenüber einer einzelnen Gemeinde grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. VerfGH NRW, OVGE 54, 255, 267 f.).

Dr. Brandts Riedel Paulsen

Prof. Dr. Löwer Prof. Dr. Wieland Prof. Dr. Dauner-Lieb Dr. Nedden-Boeger