LG Bochum, Beschluss vom 01.07.2013 - 7 T 141/13
Fundstelle
openJur 2013, 45598
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Amtsgericht - Richter - wird angewiesen, über den Antrag des Gläubigers vom 18.03.2013 unter Abstandnahme von den bisherigen Bedenken zu entscheiden.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gem. §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, da ein Zwangsvollstreckungsantrag durch das Vollstreckungsgericht zurückgewiesen wurde (Zöller-Stöber, ZPO, 28. Auflage, § 793, Rn. 2). Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig beim Amtsgericht eingegangen (§ 569 Abs. 1 ZPO). Der angefochtene Beschluss wurde dem Gläubiger am 04.04.2013 förmlich zugestellt. Die sofortige Beschwerde ging am 08.04.2013 beim Amtsgericht Recklinghausen ein. Das Amtsgericht hat das Verfahren dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Der Antrag des Gläubigers vom 18.03.2013 ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zulässig.

Die Nichtbefolgung des Formularzwanges gem. § 758 a Abs. 6 ZPO steht der Zulässigkeit des Antrages des Gläubigers vom 18.03.2013 nicht entgegen. Nach § 758 a Abs. 6 Satz 1 ZPO wird der Bundesjustizminister ermächtigt, durch Rechtsverordnung Formulare für den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 758 a Abs. 1 ZPO einzuführen. Soweit danach Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller dieser Formulare bedienen (§ 758 a Abs. 6 Satz 2 ZPO). Mit der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung, ZVFV) vom 23.08.2012 hat der Bundesjustizminister - neben solchen für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse - ein Formular für den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsordnung eingeführt. Gem. § 3 ZVFV sind die so eingeführten Formulare vom 01.03.2013 an verbindlich zu nutzen. Der Gläubiger hat nicht das von der ZVFV eingeführte Formular genutzt, sondern, wie bisher üblich, einen selbst formulierten Antrag verwendet.

Der Antrag des Gläubigers ist dennoch nicht unzulässig. Die Vollstreckung erfolgt vorliegend nach § 287 Abs. 4 Abgabenordnung und nicht nach § 14 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW. Vollstreckt wird vorliegend nämlich ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Der Formularzwang für den Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung nach § 758 a Abs. 6 Satz 2 ZPO i.V.m. § 3 ZVFV gilt bei einer solchen Vollstreckung nach § 287 Abgabenordnung nicht.

Diese Frage, die sich nach Einführung der Formulare zum 01.03.2013 neu stellt, ist in Rechtsprechung und Literatur soweit ersichtlich bisher nicht aufgegriffen worden. Die Auffassung der Kammer, dass § 758 a Abs. 6 ZPO im Rahmen des § 287 Abgabenordnung nicht gilt, ergibt sich jedoch aus Systematik und Sinn der §§ 287 Abgabenordnung und 758 a Abs. 6 i.V.m. der ZVFV. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die verfahrensrechtliche Regelungen bezüglich der richterlichen Durchsuchungsanordnung in § 287 Abgabenordnung - abgesehen von der Zuständigkeit des Amtsgerichts zu deren Erlass - unvollständig sind. Insoweit weist das Amtsgericht zu Recht darauf hin, dass das Verfahrensrecht der ZPO für die Erteilung dieser Durchsuchungsanordnung anzuwenden ist (vgl. Zöller-Stöber, a.a.O., § 758 a, Rn. 43). Diese Umstände zwingen jedoch nicht zu der Annahme, dass insoweit nun sämtliche verfahrensrechtlichen Regelungen in der ZPO einschließlich § 758 a Abs. 6 ZPO zur Ausfüllung heranzuziehen wären. § 287 Abgabenordnung und § 758 a ZPO sind inhaltlich sinngemäß gleichlautend formulierte Grundnormen für das Verwaltungszwangsverfahren der Finanzbehörde einerseits und die zivilrechtliche Vollstreckung andererseits. § 287 Abgabenordnung steht im Zusammenhang mit weiteren Regelungen zur Verwaltungsvollstreckung in der Abgabenordnung, nach denen die Verwaltungsbehörde z.B. auch selbst Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlässt. Das Verwaltungszwangsverfahren nach der Abgabenordnung ist dementsprechend eigenständig ausgestaltet und grundsätzlich unabhängig von den Vorschriften der ZPO durchzuführen. Die Abgabenordnung nimmt nur vereinzelt Regelungen der ZPO in Bezug. So enthält § 287 Abgabenordnung, anders als § 6 Justizbeitreibungsordnung, keinen ausdrücklichen Verweis auf § 758 a ZPO. In § 284 Abgabenordnung hingegen sind einzelne Neuregelungen der ZPO zur Vermögensauskunft in Bezug genommen. Insoweit wurde das Verwaltungszwangsverfahren auf die Neuregelung des Pfändungs- und Auskunftsverfahrens der ZPO abgestimmt. Auch die Einführung der Formulare zum 01.03.2013 steht im zeitlichen, aber auch im sachlichen Zusammenhang mit der Neuregelung der Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher zum 01.01.2013 (§§ 802 a ff. ZPO). Mit den neuen Regelungen in §§ 802 a ff. ZPO werden ebenso wie mit § 758 a Abs. 6 i.V.m. der ZVFV erhöhte Rechtssicherheit und Verfahrensvereinfachungen erstrebt. Hätte der Gesetzgeber im Zuge dieser Reform auch den Finanzbehörden die Verwendung von Formularen vorschreiben wollen, hätte nichts näher gelegen, als dies - ebenso wie bei den Bezugnahmen in § 284 Abgabenordnung - auch in § 287 Abgabenordnung durch Bezugnahme auf § 758 a Abs. 6 ZPO deutlich zu machen.

Gegen eine Geltung des Formularzwanges auch im Rahmen des § 287 Abgabenordnung spricht - anders als vom Amtsgericht angenommen - auch dessen Sinn. Die Verwendung von einheitlichen Formularen soll sicherstellen, dass die verschiedenen Vollstreckungsgläubiger des Zivilrechts, bei denen Rechtskenntnisse und Geschäftsgewandtheit in sehr unterschiedlichem Maße vorhanden sind, alle Umstände für die Rechtfertigung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung vollständig angeben. Die Finanzbehörden handeln jedoch auch im Rahmen der Vollstreckung durch spezialisiertes Fachpersonal, welches für die ausnahmsweise erforderlichen Anträge an das Amtsgericht in der Regel bewährte eigene Vordrucke verwendet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, auch die Finanzbehörden dem Formularzwang zu unterwerfen. Die bereits zur Justizbeitreibungsordnung vorhandene Rechtsprechung, nach der dort auch der Formularzwang gem. § 758 a Abs. 6 ZPO gilt (Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 16.04.2013, 804c M 125/13, zitiert nach Juris), ist hier demnach nicht einschlägig. Wie oben bereits ausgeführt, verweist § 6 Justizbeitreibungsordnung ohne Einschränkungen auf § 758 a ZPO, was bei § 287 Abgabenordnung gerade nicht der Fall ist.

Der Zulässigkeit des Antrages auf richterliche Durchsuchungsanordnung steht also nicht entgegen, dass das in der ZVFV vorgesehene Formular nicht verwendet wurde. Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Dem Amtsgericht ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO die weitere Prüfung und Entscheidung bezüglich des gestellten Antrages - unter Abstandnahme von den bisherigen Bedenken - zu übertragen, um den Beteiligten insoweit die erste Instanz nicht zu nehmen.

Eine Kostenentscheidung und eine Wertfestsetzung sind nicht veranlasst.