OLG Bamberg, Beschluss vom 01.10.2013 - 3 Ss 84/13
Fundstelle
openJur 2013, 45317
  • Rkr:

Ein Schuldspruch wegen Betrugs setzt beim Tatvorwurf der in Bereicherungsabsicht erschlichenen Darlehenshingabe gegen den mit dem potentiellen Tatopfer im fraglichen Tatzeitpunkt durch ein Liebesverhältnis verbundenen Tatverdächtigen hinreichend-konkrete tatrichterliche Feststellungen zu den von § 263 Abs. 1 StGB verlangten (objektiven) Tatbestandsmerkmalen voraus. Aufgrund der durch das (ehemalige) Näheverhältnis gekennzeichneten Opfer-Täter-Beziehung versteht sich insbesondere die Annahme einer täuschungsbedingten Irrtumserregung sowie einer durch den Irrtum bedingten Vermögensverfügung nicht von selbst (Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.03.2001 - 1 StR 28/01 = StV 2002, 132 f. = BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 12).

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 7. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 06.08.2012 wegen Betrugs in 4 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das Landgericht mit Urteil vom 07.03.2013 verworfen hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte unter Vorspiegelung seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit die Zeugin R., die sich in ihn verliebt hatte, ihm im Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2007 in vier Fällen Geldbeträge (9.000 €, 2.900 €, 1.900 € und 1.000 €) darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Mit seiner gegen das Urteil des Landgerichts eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Revision ist auf die Sachrüge begründet.

1. Die Verurteilung wegen Betrugs in vier Fällen wird von den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts nicht getragen. Diese erweisen sich vielmehr als lückenhaft. Im angefochtenen Urteil ist weder ein Hinweis auf einen Irrtum des „Opfers“ enthalten, noch verhält sich das Urteil zur Frage der Kausalität zwischen Irrtum und Vermögenverfügung.

a) Das Landgericht geht – freilich ohne deutliche Differenzierung – unter Zugrundelegung von darlehensweisen Geldhingaben durch die Zeugin R. an den Angeklagten davon aus, dass der Angeklagte sowohl über seine (künftige) Rückzahlungsfähigkeit als auch –willigkeit getäuscht habe.

b) Bei einer darlehensweisen und ungesicherten Hingabe von Geldbeträgen kann zwar eine Täuschung entweder unter dem Gesichtspunkt fehlender Leistungsfähigkeit oder nicht gegebener Leistungswilligkeit des Angeklagten in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 08.03.2001 – 1 StR 28/01 = StV 2002, 132 f. = BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 12). Den Urteilsgründen lässt sich indessen eine dementsprechende Irrtumserregung bei der Zeugin R. nicht entnehmen. Auch die Beweiswürdigung verhält sich hierzu nicht.

aa) Da Betrug seinem Wesen nach nur bei einer unbewussten Selbstschädigung des Getäuschten in Frage kommt, muss dem Opfer der vermögensschädigende Charakter seines Verhaltens verborgen bleiben (Schönke/Schröder-Cramer/Perron StGB 28. Aufl. § 263 Rn. 41 m.w.N.). Es versteht sich indessen keineswegs von selbst, dass die Zeugin R. – unterstellt es habe tatsächlich eine Rückzahlungsvereinbarung gegeben – überhaupt davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte rückzahlungsfähig sein werde.

bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts war es vielmehr gerade so, dass sich der Angeklagte offensichtlich über einen längeren Zeitraum in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben muss, was gerade Anlass dafür war, dass ihm die Zeugin die Geldbeträge überlassen hatte. Die Zeugin wusste dies und war trotzdem – oder sogar gerade deswegen – bereit, den Angeklagten über einen längeren Zeitraum mehrfach mit finanziellen Zuwendungen zu unterstützen. Geht aber ein Darlehensgeber mit der Geldhingabe in Kenntnis einer in hohem Maße zweifelhaften Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bewusst ein entsprechendes Risiko ein oder nimmt er dieses in Kauf, so ist er insoweit – vorbehaltlich des Vorliegens besonderer Umstände – nicht getäuscht und irrt nicht (BGH a.a.O.; vgl. auch BGH wistra 2008, 151).

cc) Anders kann es sich verhalten, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch deshalb minderwertig ist, weil der Darlehensnehmer den Darlehensgeber über einen für die Beurteilung seiner künftigen Leistungsfähigkeit wichtigen Umstand bewusst falsch informiert und so täuscht (BGH StV 2002, 132 f.). In der gegebenen Situation wäre mithin ein Irrtum der Zeugin nur denkbar, wenn der Angeklagte, der ganz offensichtlich auf die hingegebenen Geldbeträge angewiesen war, dieser gegenüber plausibel vorgespiegelt hätte, dass er sich zur künftigen Rückzahlung im Stande fühle, etwa weil er in der Zukunft konkret Geldeingänge zu erwarten hätte. Gerade zu diesem entscheidenden Punkt enthält das angefochtene Urteil aber keine Feststellungen.

c) Soweit das Landgericht (auch) - allerdings ohne dies im Rahmen der Beweiswürdigung hinreichend zu belegen - auf die fehlende Rückzahlungswilligkeit des Angeklagten abgestellt hat, ist ebenfalls ein entsprechender Irrtum der Zeugin nicht dargetan. Vor allem aber hat es übersehen, dass die Kausalität zwischen einem (etwaigen) Irrtum der Darlehensgeberin über die (möglicherweise nicht vorhandene) Rückzahlungswilligkeit des Angeklagten und der Darlehenshingabe jedenfalls dann nicht bejaht werden kann, wenn der Zeugin klar war, dass die Rückzahlung der Beträge nach Lage der Dinge in jedem Falle an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Angeklagten scheitern würde oder zumindest in hohem Maße zweifelhaft war (vgl. BGH a.a.O.). Im Übrigen handelte es sich auch nicht etwa um eine Geldhingabe zwischen Fremden, sondern um eine finanzielle Unterstützung durch die Zeugin R., die sich ausweislich der Urteilsgründe in den Angeklagten verliebt hatte. In dieser Situation ist es nicht auszuschließen und keineswegs lebensfremd, dass eine (liebende) Partnerin ihrem (finanziell notleidenden) Partner auch dann Geld zur Verfügung gestellt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass dieser zur Rückzahlung gar nicht in der Lage sein würde. Wenn dem aber so gewesen sein sollte, so wäre ein etwaiger Irrtum über den fehlenden Rückzahlungswillen mangels Kausalität für die Vermögensverfügung ebenfalls ohne Bedeutung.

2. Darüber hinaus genügt die Beweiswürdigung nicht den in der hier gegebenen Konstellation „Aussage gegen Aussage“ geltenden strengen Anforderungen (vgl. etwa BGH NJW 1998, 3788; NStZ-RR 2008, 254). Sie weist Lücken auf und hält deshalb rechtlicher Prüfung nicht stand. In einem Fall, in dem – wie hier – Aussage gegen Aussage steht, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und auch in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 148 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil nicht gerecht.

a) Das Landgericht folgt mit einer äußerst knappen und letztlich nicht plausiblen Begründung den Angaben der Zeugin R. Es fehlt an einer tragfähigen Argumentation, warum das Gericht der Zeugin, nicht aber dem Angeklagten Glauben schenkt. Die Beweiswürdigung erschöpft sich im Wesentlichen in floskelhaften Begriffen („emotional angegriffen“; kein „übermäßiger Belastungseifer“), ohne die tatsächlichen Umstände, auf welche diese Wertungen gestützt werden, im Einzelnen herauszuarbeiten und darzulegen, sodass der Senat die Richtigkeit der gezogenen Schlussfolgerungen nicht überprüfen kann. Auch unterliegt die Beweiswürdigung einem Zirkelschluss, wenn das Landgericht die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin in Bezug auf die behauptete Rückzahlungsvereinbarung mit der „glaubhaften Versicherung“ der Zeugin begründet.

b) Demgegenüber werden Kriterien, die für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage von ganz maßgeblicher Bedeutung sein können, außer Acht gelassen. Das angefochtene Urteil verhält sich etwa nicht zu der in diesem Zusammenhang ganz wesentlichen Aussagegenese (vgl. hierzu etwa BGHR StGB

§ 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 16 [Gründe]). Hierzu hätte insbesondere schon deswegen besonderer Anlass bestanden, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass als mögliches und nach den Umständen nicht fernliegendes Motiv für die belastende Aussage auch die Beendigung der persönlichen Beziehung in Betracht zu ziehen ist. Ferner werden die für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit ganz entscheidenden Fragen des Detailreichtums der Aussage und der Konstanz relevanter Aussageinhalte (vgl. hierzu etwa BGH StV 2011, 525 m.w.N.) nicht thematisiert.

III.

Wegen der aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil aufgehoben (§ 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich noch auf Folgendes hin: Sollte die Strafkammer erneut zu einer Verurteilung wegen Betrugs gelangen, wird sie sich mit der Frage der Schadenshöhe eingehender auseinanderzusetzen haben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG NJW 2012, 907). Die Feststellung im angefochtenen Urteil, das den Schaden in Höhe der Summe der hingegebenen Geldbeträge beziffert, ist zu kurz gegriffen. Es kommt – bei angenommener Darlehenshingabe – zunächst nicht darauf an, in welcher Höhe ein Forderungsausfall letztlich eintritt. Entscheidend ist vielmehr, wie hoch der Rückzahlungsanspruch der Darlehensgeberin im Zeitpunkt der Vermögensverfügung (vgl. hierzu BGH NStZ 2009, 150; NStZ 2013, 472) zu bewerten war. Bei Beurteilung dieser Frage kann freilich der weiteren Entwicklung durchaus indizielle Bedeutung zukommen (BGH wistra 2013, 311). Bei fehlender Bonität des Schuldners ist mithin zu klären, mit welchem Forderungsausfall im Zeitpunkt der Darlehenshingabe zu rechnen ist, was – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe - nach bilanziellen Grundsätzen zu erfolgen hat (BGH wistra 2012, 306). Hiervon kann allerdings dann Abstand genommen werden, falls die Strafkammer zu der Überzeugung gelangen sollte, dass der Angeklagte von Anfang an zur Rückzahlung (auch) nicht willens war (BGH wistra 2012, 438).