LG Bonn, Beschluss vom 11.10.2013 - 6 T 184/13
Fundstelle
openJur 2013, 45131
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 13.08.2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Vergütung für die vorläufige Sachwalterschaft wird auf 83.230,23 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt zu 73 % der Beschwerdeführer, im Übrigen fallen sie der Insolvenzmasse zur Last.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Höhe der Vergütung des Beschwerdeführers für seine Tätigkeit als vorläufiger Sachverwalter.

Auf den Eigenantrag der Schuldnerin ordnete das Amtsgericht am 24.01.13 die vorläufige Eigenverwaltung an; der Beschwerdeführer wurde auf Vorschlag der Schuldnerin und der Gläubiger als vorläufiger Sachwalter eingesetzt und hatte auftragsgemäß zunächst ein Liquiditätsgutachten zu erstatten, das ihm allerdings schon gesondert bezahlt worden ist. Das Amtsgericht erteilte nach Rücksprache mit dem Sachwalter zudem in mehreren Beschlüssen der Schuldnerin die Erlaubnis zur Eingehung von Verbindlichkeiten im Rahmen der Unternehmensfortführung, allerdings mit Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters.

Dieser hatte bereits am 23.01.13 eine "Kurzanalyse" überreicht, die er zuvor im Auftrag von Dritten (Gläubigern) gefertigt hatte.

Auf der Basis seines im Auftrag des Insolvenzgerichts erarbeiteten Gutachtens regte der Sachwalter am 26.02.13 an, das Insolvenzverfahren zu eröffnen und die Eigenverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt beizubehalten. So beschloss es das Amtsgericht am 01.03.2013.

Der Sachwalter/Beschwerdeführer reichte zunächst unter dem Datum von 14.05.2013 seine Vergütungsrechnung für die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter in Höhe von rund 152.000 € und unter dem gleichen Datum eine Rechnung für die Tätigkeit als (endgültiger) Verwalter in Höhe von rund 192.000 € ein. Auf den Hinweis des Insolvenzgerichts, dass die Tätigkeit des endgültigen Sachwalters noch nicht beendet sei und zudem in der Rechnung für die vorläufige Tätigkeit immaterielle Wertansätze für die Firmenfortführung nicht enthalten sein sollten, hat der Sachwalter die Rechnung für seine vorläufige Tätigkeit unter dem Datum vom 06.06.2013 auf rund 149.000 € vermindert. Diese Rechnung Bl. ... ff.) ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechnung geht von einer (vom Amtsgericht akzeptierten) Berechnungsgrundlage von 6.328.208,19 € und von einem fiktiven Sachwalterhonorar von 92.588,50 € (60 % der Insolvenzverwaltervergütung) aus. Hiervon werden für die vorläufige Tätigkeit 25 % geltend gemacht, die das Amtsgericht als Regelhonorar auch zugesprochen hat. Der Verwalter hat allerdings auf den Prozentsatz von 25 % weitere 110 % als Zuschlag hinzugerechnet und kommt so zu einem Honorar für die vorläufige Tätigkeit von 135 % des fiktiven Sachwalterhonorars, mithin zu einem Betrag von 124.994,47 € netto, zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer auf insgesamt 149.338,42 €.

Demgegenüber hat das Amtsgericht die Prozentsumme der Zuschläge von 110 % nicht von dem fiktiven Sachwalterhonorar berechnet, sondern lediglich von dem Regelhonorar für den vorläufigen Sachwalter und ist so zu lediglich 58.439,66 € brutto gelangt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Sachwalters, der seine Berechnungsmethode für richtig hält.

II.

Die am 22.08.2013 eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss vom 13.08.2013 ist nach §§ 274 Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs.3 InsO statthaft und fristgerecht erhoben worden.

Sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

Mit dem Amtsgericht und dem Beschwerdeführer kann davon ausgegangen werden, dass Berechnungsgrundlage der Betrag von 6.328.208,19 € (inkl. Überschuss aus der Betriebsfortführung) und sich das Regelhonorar des vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 10, 11 InsVV auf 25 % des fiktiven Honorars des endgültigen Sachwalters zu belaufen hat. Dessen Regelhonorar wiederum bemisst sich auf der Basis von 60 % desjenigen des Insolvenzverwalters (§ 12 InsVV).

Soweit der Beschwerdeführer die grundsätzliche Berechnungsmethode des Amtsgerichts hinsichtlich der Zuschläge kritisiert, ist dies berechtigt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH ZinsO 2004, 265 ff.; BGH ZInsO 2006,257 ff.) gilt für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, dass die Zuschläge nicht auf den Regelbruchteil (von 25 %) für den vorläufigen Verwalter zu beziehen sind, sondern dass dieser Regelbruchteil entsprechend den Verhältnissen des konkreten Einzelfalles angemessen zu verändern ist (vgl. insbesondere BGH ZinsO 2006, 257 ff, Randz. 17). Bei entsprechender Anwendung der Vorschriften für den vorläufigen Insolvenzverwalter darf auch beim vorläufigen Sachwalter nichts anderes gelten. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Prozentsatz von 25 % angemessen zu erhöhen ist, soweit bestimmte Umstände einen Zuschlag rechtfertigen.

Auch wenn das Amtsgericht die Prozentzahl für die Zuschläge vom Beschwerdeführer übernommen hat, bedeutet es keine unzulässige Verschlechterung des Beschwerdeführers, wenn die Kammer diese Prozentzahlen in Anwendung der richtigen Bezugsmethode nach unten verändert. Denn das Amtsgericht hat diese Prozentzahlen ja nur insoweit als angemessen erachtet, als sie sich nach seiner unzutreffenden Ansicht auf das Regelhonorar des vorläufigen Sachwalters beziehen sollten, also als Zuschlag 110 % von rund 23.000 €. Die Kammer ist deshalb dazu berufen, ihr eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Amtsgerichts zu setzen, wobei lediglich im Ergebnis keine Verschlechterung des Beschwerdeführers eintreten darf.

Grundsätzlich gilt hinsichtlich der nach § 3 InsO vorzunehmenden Zuschläge, dass die Orientierung nach einzelnen Prozentsätzen für besondere Erschwernisse nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist; jedoch darf keine schematische Addition solcher Prozentsätze stattfinden, wie es bei den Vergütungsrechnungen häufig vorzufinden ist. Sie sind nur Hilfsmittel für eine Gesamtabwägung bei der Bemessung des angemessenen Gesamthonorars (BGH ZInsO 2006, 642 ff.). Aus ihnen ist ersichtlich, weshalb und mit welcher Intensität ein Zuschlag für einzelne Bearbeitungsabschnitte gemacht wird. Sie ersetzen die Gesamtschau der Abwägung nicht. Insbesondere ist es nicht rechtens, sachlich überschneidende Bemühungen in jeden Zuschlagskomplex einzustellen und dann die Prozentsätze zu addieren. Dies würde dazu führen, dass dem Insolvenzverwalter für ein und dieselbe Erschwernis mehrfach ein Zuschlag gewährt wird.

In zeitlicher Hinsicht kann es hier nur um die Bemühungen in dem Zeitraum 24.01. bis 01.03.2013 gehen.

Mit dieser Maßgabe gilt:

Der Beschwerdeführer macht Zuschläge geltend für die Fortführung des Betriebes (45 %), für mehr als 10, nämlich 284 Arbeitnehmer (15 %), hohe Anzahl von 750 Gläubigern (10 %) und für eine umfangsmäßige Tätigkeit gleich einem Insolvenzverwalter (40 %).

Letzterer Gesichtspunkt darf nach Auffassung der Kammer jedoch nicht zum Tragen kommen, weil er letztlich darauf hinausliefe, dass der Ansatz von 60 % für das Regelhonorar des Sachwalters gegenüber dem Insolvenzverwalter vollständig und ohne nähere Differenzierung unterlaufen würde. Zudem würde dadurch der Mehraufwand, der unter dem Gesichtspunkt der Betriebsfortführung schon zum Tragen kommen kann, doppelt vergütet.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Geschäften, zum Teil größeren Umfangs im monatlichen Millionenbereich durch die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 24.01.2013 (Bl. ...#) und vom 04.02.2013 (Bl. ...#) mit dem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters versehen worden sind, ebenso mit Beschluss vom 08.02.2013 eine Darlehensaufnahme über 500.000 €.

Bei dieser großzügigen Anhebung nach § 12 Abs. 2 InVV kann die Betriebsfortführung selbst keinen zusätzlichen Ansatz mehr erhalten. Denn an sich setzt die Eigenverwaltung mit Sachwalterbetreuung schon eine Betriebsfortführung voraus; die Eigenverwaltung dient dazu, insolvenzantragsverpflichteten Schuldnern den Schritt in das gerichtlich kontrollierte Insolvenzverfahren durch fortbestehende Handlungsfähigkeit und Verfügungsberechtigung zu erleichtern (Haarmeyer/Wutzke/Förster, 4.Aufl., Randnr. 2 zu § 12 InsVV). Die Aufgabe des Sachwalters besteht darin, die dem Schuldner grundsätzlich erhaltene Verfügungsbefugnis zu beaufsichtigen und dem Insolvenzgericht zu berichten. Soweit durch den Zustimmungsvorbehalt eine tiefergehende Mitwirkung des Sachwalters erwartet wird, rechtfertigt dies die Erhöhung, wie es für den endgültigen Sachwalter schon in § 12 Abs.2 InsVV bestimmt ist. Dies ist aber stets gerade eine Folge der Betriebsfortführung während der Eigenverwaltung.

Nur geringe Bedeutung kommt nach Auffassung der Kammer der Zahl von 284 Arbeitnehmern zu. Es ist einerseits richtig, dass sich eine besonders hohe Zahl von Arbeitnehmern auf die Vergütung eines Insolvenzverwalters auswirken kann. Andererseits ist es ja gerade bei einer Eigenverwaltung so, dass der Sachwalter mit den Arbeitnehmern keine bis wenig Berührungspunkte hat. Im vorliegenden Fall ging es insoweit nur um die Mitarbeiterversammlung und die Erläuterung der Insolvenzgeldvorfinanzierung, wobei dies im Vorfeld schon von den Rechtsberatern der Schuldnerin abgeklärt worden war (S. # GA).

Zusammenfassend führt eine Gesamtabwägung somit dazu, dass der Ansatz von 25 % Regelhonorar für den vorläufigen Sachwalter im vorliegenden Fall verdreifacht werden sollte. Das bedeutet, dass dem Beschwerdeführer ein Honorar von 75 % des fiktiven Regelhonorars eines endgültigen Sachwalters (§ 12 Abs.1 InsVV) zusteht.

Eine Erhöhung dieses fiktiven Honorars nach § 12 Abs.2 InsVV kommt - auch in Betracht des Zustimmungsvorbehalts - nicht in Betracht. Denn dieser Aspekt ist schon bei der Erhöhung von 25 auf 75 % voll und maßgeblich eingeflossen.

An dieser Stelle ergibt sich die Frage, ob nicht statt der Erhöhung des 25 % Regelsatzes im Hinblick auf § 12 Abs.2 InsVV vorher der fiktive Regelsatz von 60 % angemessen zu erhöhen wäre, was u.U. zu einem anderen Honorar für den vorläufigen Sachwalter führen würde. Die Kammer meint allerdings trotz des missverständlichen Leitsatzes zur BGH-Entscheidung vom 12.01.2006, wo von einem "Zuschlag zum Regelbruchteil der fiktiven Insolvenzverwaltervergütung" die Rede ist, dass der Regelsatz für den vorläufigen Sachwalter (25 %) zu erhöhen ist. Denn in den Entscheidungsgründen (Randz.17) hat der BGH ja gerade beanstandet, dass die Zuschläge auf den fiktiven Satz für den endgültigen Insolvenzverwalter vorgenommen worden sind. So ergibt sich dies auch aus der in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 18.12.2003. Dort hat der BGH ergänzend ausgeführt, dass die Tätigkeiten der Verwalter zum einen für das vorläufige Verfahren und zum anderen für das anschließenden Hauptverfahren einer unterschiedlichen Zuschlagspraxis unterliegen können, will heißen, es ist auf den jeweiligen Zeitraum der Tätigkeit abzustellen (BGH a.a.O. Randnr.7).

Demnach ergibt sich abschließend folgende Berechnung für das Honorar des vorläufigen Sachwalters:

Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters 154.314,16 €

hiervon 60 % für den Sachwalter (§ 12 InsVV) 92.588,50 €

hiervon wiederum 75 % für den vorl. Sachwalter 69.441,37 €

Auslagenpauschale nach § 8 InsVV

Höchstbetrag für 2 Monate + 500,00 €

Gesamthonorar netto 69.941,37 €

Gesamthonorar brutto (19 % Umsatzst.) 83.230,23 €

Da Einigkeit besteht, dass die Honorarvorschriften für den vorläufigen Insolvenzverwalter auch für den vorläufigen Sachwalter gelten und der BGH zudem in den zitierten Entscheidungen die Berechnungsmethode vorgegeben hat, bedarf es keiner Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Beschwerdewert: 90.899,16 €.