VG Köln, Urteil vom 08.10.2013 - 14 K 6985/11.A
Fundstelle
openJur 2013, 44967
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Dezember 2011 wird insoweit aufgehoben, als darin in Ziffer 3 festgestellt wird, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vorliegt und in Ziffer 4 die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wird. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, hat die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2013 entschieden werden, obwohl seitens der Beklagten niemand zum Termin erschienen ist. Denn in der form- und fristgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Der Antrag der Klägerin ist sachdienlich dahingehend auszulegen, dass vorrangig die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte, hilfsweise die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weiter hilfsweise zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG, äußerst hilfsweise nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Afghanistan begehrt wird.

Vgl. in diesem Zusammenhang VG München, Urteil vom 7. März 2013 - 15 K 12.30965 -, juris Rn. 18 m.w.N.

Die zulässige Verpflichtungsklage ist - entsprechend der Entscheidungsformel - im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) nur mit dem zweiten Hilfsantrag begründet, so dass im Übrigen über den äußerst hilfsweise gestellten weiteren Klageantrag nicht mehr zu entscheiden war.

Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes ist daher hinsichtlich Ziffer 1 rechtmäßig und unterliegt insoweit nicht der Aufhebung (§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).

Keiner Entscheidung bedarf, ob der Anspruch (entsprechend der im Ablehnungsbescheid geäußerten Auffassung des Bundesamtes) bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen ist.

Vgl. zu dieser Fragestellung VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 - 5a K 1525/11.A -, juris Rn. 30 ff.

Denn die (materiellen) Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor.

Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin wegen eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe - und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit - gelten.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, juris und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515,1827/89 -, juris.

Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen. Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, juris.

Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus. Nachfluchtgründe können nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, wie sich im einzelnen aus § 28 Abs. 1 AsylVfG ergibt.

Selbst bei Vorliegen sämtlicher der genannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1991 - 9 C 105.90 -, juris Rn. 13.

Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d.h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint. Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.

Vgl. zusammenfassend und m.w.N. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, juris Rn. 9.

Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, juris Rn. 15 ff.

Unter diesen Voraussetzungen ist eine politische Verfolgung der Klägerin nicht festzustellen.

Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, vorverfolgt ausgereist zu sein.

Sie hat sinngemäß vorgetragen, keine Schwierigkeiten mit Behörden und Polizei gehabt und ausdrücklich erklärt, sich nicht politisch betätigt zu haben.

Unabhängig von der Frage, inwieweit dem afghanischen Staat - dessen Hilfe die Klägerin wohl nicht gesucht hat und dessen tatsächliche Möglichkeiten der Schutzgewährung angesichts des von den Klägern aller Verfahren konkret vorgetragenen Gefährdungsszenarios auch fraglich wären - die angeführten Verfolgungshandlungen zuzurechnen sein könnten, können den Klägern der insoweit insgesamt in den Blick zu nehmenden Verfahren die in erster Linie geltend gemachte Verfolgungsmaßnahmen wegen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht abgenommen werden.

Der diesbezügliche Vortrag des Klägers im Verfahren 14 K 1601/11.A ist gänzlich unsubstantiiert und trägt die pauschale Behauptung der Todesgefahr nicht. In Bezug auf ihn sind Bedrohungssituationen nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Insbesondere ist nicht glaubhaft, dass der Kläger in Bezug auf seine Person Drohbriefe der Taliban erhalten haben soll. So hat er auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass in Bezug auf seine Person keine Drohbriefe eingegangen seien. Die Klägerin im Verfahren 14 K 1928/11.A hat davon abweichend in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass auch der Name des Klägers in den Drohbriefen enthalten gewesen sei. Dies begründet im Übrigen erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Kläger in Bezug auf die angeblich erhaltenen Drohbriefe. Diese beruhen auch darauf, dass die Klägerin im Verfahren 14 K 1601/11.A sinngemäß angegeben hat, die erhaltenen Drohbriefe zwar der Schulleiterin aber nicht der Polizei gezeigt zu haben, wohingegen die Klägerin im Verfahren 14 K 1928/11.A in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sie habe auch der Polizei den Brief gezeigt, was im Übrigen im Widerspruch zu ihrer ausdrücklich gegenteiligen Angabe in der Anhörung beim Bundesamt steht.

Auf der Grundlage des Vortrags der Kläger aller Verfahren des Familienverbandes kann das Gericht desweiteren nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Klägerinnen als Lehrerinnen an der Mädchenschule Bibi Fatema gearbeitet und im Hinblick auf diese Tätigkeit asylerheblicher Verfolgung ausgesetzt waren. Ihr Vortrag ist insoweit schon in sich vage und - nicht nur in Bezug auf die angeblich erzielten Einkünfte - unstimmig. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Vortrags aller Kläger in sämtlichen Anhörungen ist er in nicht mehr aufzulösender Weise widersprüchlich. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger aufgrund ihres Bildungsstandes durchaus in der Lage sind, erlebte Sachverhalte anschaulich und nachvollziehbar darzustellen, muss das Gericht an dieser Stelle davon ausgehen, dass der gesamte Vortrag zu ihrer beruflichen Tätigkeit als Ausreiseanlass nicht zutrifft und die vorgelegten Bescheinigungen über die Lehrerinnentätigkeit entweder unecht oder unwahr sind. Für letztere Einschätzung spricht im Übrigen auch, dass jedenfalls die Bescheinigung für die Klägerin imVerfahren 14 K 1601/11.A schon in sich nicht schlüssig ist: In ihr wird bescheinigt, dass sie 2008 wieder als Lehrerin eingesetzt worden sei und sieben Jahre gearbeitet habe, um im Jahre 2009 das Land zu verlassen; das aber ist offensichtlich schon rechnerisch unmöglich. Der Vortrag der Klägerin im Verfahren 14 K 1601/11.A ist in Bezug auf ihre berufliche Tätigkeit auch äußerst oberflächlich. Sie konnte keine Auskunft geben, wieviele Schülerinnen insgesamt an der Schule unterrichtet worden seien, was einer Lehrerin nach mehrjähriger Tätigkeit aber regelmäßig möglich sein müsste. Ihre Angabe, die Schule gehe bis zur 12. Klasse und jede Klasse habe 30 - 40 Schülerinnen, ist jedenfalls nicht ohne weiteres vereinbar mit den Angaben der Klägerin im vorliegenden Verfahren, dass es in jeder Klasse bis zu 30 Schülerinnen und insgesamt auf der Schule 300 - 350 Schülerinnen gegeben habe. Der Bericht der Klägerin im Verfahren 14 K 1601/11.A über die angeblich erlebten bedrohlichen Situationen ist gänzlich pauschal gehalten. Dies spricht dafür, dass die Klägerin nicht selbst Erlebtes berichtet hat. Denn insbesondere im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt betreffend die Einzelheiten ihrer Ausreise hat die Klägerin gezeigt, dass sie durchaus in der Lage ist, anschaulich und detailreich Sachverhalte darzustellen. Der Kläger im Verfahren 14 K 1601/11.A hat im Übrigen von Drohbriefen in Bezug auf seine Frau nichts berichtet, was ebenfalls kaum nachvollziehbar wäre, wenn diese doch für sie für die Ausreise eine ganz entscheidende Rolle gespielt haben.

Der Vortrag ihrer Töchter weist diverse Widersprüche auf - untereinander und jeweils im Vergleich mit den Anhörungen beim Bundesamt. So hat die Klägerin im Verfahren 14 K 1928/11.A erklärt, die Schule sei mit Bomben zerstört worden. Die Klägerin im Verfahren 14 K 6985/11.A hat dagegen angegeben, die Schule sei nie bombardiert sondern lediglich einmal mit einer Handgranate beschossen worden. Die Klägerin im Verfahren 14 K 1928/11.A war nicht in der Lage, anzugeben, wieviele Schülerinnen an der Schule unterrichtet wurden. Nach ihren Angaben begann die Schule morgens um 7 Uhr und dauerte bis 12 oder 13 Uhr. Das Schulgebäude habe zwei oder drei Etagen gehabt. Sie habe Mathe und Physik in allen Klassen unterrichtet - beim Bundesamt hatte sie sich (allein) als Physiklehrerin bezeichnet. Auf die Frage, wieviele Lehrerinnen dort tätig gewesen seien, hat sie ausweichend angegeben, sie "denke über zehn Lehrerinnen". Ihre Schwester habe Englisch und Mathe unterrichtet. Eine weitere Kollegin sei eine gewisse Manijeh gewesen. Wer noch Englisch unterrichtet habe, wisse sie nicht. Ein Onkel von ihr habe aber dort Matheunterricht erteilt. Die Klägerin im Verfahren 14 K 6985/11.A hat hingegen erklärt: Sie habe (sinngemäß: nur) Englisch unterrichtet (was auch ihren Angaben beim Bundesamt entspricht). Eine Kollegin mit Namen Manijeh habe es nicht gegeben. Das Schulgebäude habe - ganz sicher - nur eine Etage gehabt. Der Unterricht habe von 7:30 bis 13:00 Uhr gedauert. 25 Lehrerinnen hätten an der Schule gearbeitet, nur Frauen, keine Männer; aus ihrer Familie nur ihre Mutter und ihre Schwester, sonst niemand.

Auch der besonders einschneidende Vorfall, bei dem Kolleginnen und Schülerinnen getötet bzw. verletzt worden sein sollen, wird von den beiden Töchtern in nicht nachvollziehbarer Weise unterschiedlich und mit angesichts der Bedeutung des Vorgangs absolut lebensfremden Unsicherheiten dargestellt: Die Klägerin im Verfahren 14 K 1928/11.A hat erklärt, es seien zwei Lehrerinnen vor der Schule erschossen und Schülerinnen verletzt worden; beim Bundesamt hatte sie angegeben, es seien auch Schüler erschossen worden. Sie hätten nach Schulschluss die Schule verlassen, als zwei Motorräder gekommen seien und geschossen worden sei. Sie sei dabei gewesen und habe alles gesehen. Dann sei die Polizei gekommen und die Schule für mehrere Tage geschlossen worden. Nach Zögern hat die Klägerin angegeben, die getöteten Lehrerinnen seien "Nafise" und "Saide" gewesen; dessen sei sie sich jedoch nicht sicher. Der Vorfall sei 2010, wenige Monate vor der Ausreise (beim Bundesamt: einen Monat vor der Ausreise) gewesen. Insoweit sei angemerkt, dass die Klägerin nach der von ihr vorgelegten Bescheinigung der Generaldirektion des Schulamtes nur von 2008-2009 Lehrerin an der Schule gewesen sein soll. Die Klägerin war auch nicht in der Lage, mit Bestimmtheit zu sagen, ob sich Ihre Schwester während des Vorfalls bei ihr befunden habe: Die verletzten Menschen habe die Schwester gesehen, die Schießerei "vielleicht nein". Die Klägerin im Verfahren 14 K 6985/11.A hingegen hat erklärt, die Schule sei nie geschlossen gewesen. Einmal sei ein Motorrad mit zwei Passagieren gekommen und habe zwei Lehrerinnen erschossen. Schülerinnen seien nie verletzt oder getötet worden. Im Gegensatz dazu hatte sie beim Bundesamt erklärt: Sie sei Augenzeugin des Vorfalls gewesen, bei dem eine Lehrerin und zwei Schülerinnen erschossen worden seien. Die getöteten Lehrerinnen hätten die Namen Raziehe und Mina getragen. Während des Vorfalls habe sie im Lehrerzimmer gesessen und es gehört. Dann sei sie rausgekommen und habe die Leichen von den Lehrerinnen gesehen. Ihre Mutter sei auch anwesend gewesen, ihre Schwester hingegen nicht.

Bei dieser Sachlage drängte es sich dem Gericht auch nicht auf, entsprechend der Anregung des Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Auskunft über eine evtl. Tätigkeit der Klägerinnen bei der Schule in Logar einzuholen. Vor diesem Hintergrund kommt es desweiteren nicht darauf an, ob der Vortrag der Kläger betreffend die Tätigkeit der Klägerinnen als Lehrerinnen auch schon deshalb unglaubhaft ist, weil sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Pressemitteilung vom 8. Februar 2009 ergibt, dass Schulleiter der Bibi Fatima Girls Highschool damals Nafisa Baha war und die Kläger von dem Gegenstand des Artikels, der Neueröffnung eines Schulgebäudes, in ihren Ausführungen nicht berichtet haben. Vielmehr war auffallend, dass sämtliche Kläger bemüht waren, in Bezug auf die - ihnen nach dem Eindruck des Gerichts unbekannte - Person Nafisa Baha möglichst ausweichend zu antworten. Ebensowenig kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die angegebenen Berufe jedenfalls den vorgelegten Dokumenten betreffend den Kläger und die Klägerin des Verfahrens 14 K 1601/11.A nicht zu entnehmen waren, wo "Selbständiger" bzw. "Hausfrau" eingetragen war.

Andere Vorverfolgungen der Kläger selbst sind weder ansatzweise substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die geltend gemachten Verfolgungshandlungen gegen die jeweiligen Brüder der Eltern der Klägerin, für die überdies schon allein aufgrund Zeitablaufs nicht ersichtlich ist, weshalb sie fluchtauslösend gewesen sein sollten.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht - ausgehend von der vorstehenden Sachverhaltswürdigung - auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

In Bezug auf Verfolgungsmaßnahmen wegen ihrer beruflichen Tätigkeit gilt das bereits deswegen, weil ihr diesbezüglicher Vortrag unglaubhaft ist und in der Folge nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin nach Rückkehr als Lehrerin an der fraglichen Mädchenschule arbeiten wird. Hinzu kommt, dass jedenfalls nach dem Inhalt der von Klägerseite vorgelegten Drohbriefe der Taliban, einschließlich deren Inhaltswiedergabe durch die Klägerin des Verfahrens 14 K 1601/11.A in der mündlichen Verhandlung, Drohungen gegen die Kläger nur für den Fall ausgesprochen wurden, dass diese das in den Briefen inkriminierte Verhalten fortsetzen.

Die Klägerin hat nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) auch keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist daher auch hinsichtlich der Feststellung in Ziffer 2 nicht rechtswidrig und auch insoweit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).

Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung der GFK nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutz (ABl. EU Nr. L 304, S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon bisher an der GFK orientiert hat.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 -2 BvR 502/86-, BVerfGE 80, 315.

Der Anwendungsbereich des Flüchtlingsschutzes geht über den Schutz des Asylgrundrechts teilweise hinaus. So begründen - nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylVfG - auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.

Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, InfAuslR 1990, 344.

Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (§ 60 Abs. 1 AufenthG) ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nach dem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist,

vgl. zu Art. 16a GG: BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341 (360), und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315 (344 f.), BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308, und vom 16. Februar 2010 - 10 C 7.09 -, juris Rn. 21,

finden unter Geltung der QRL auf § 60 AufenthG keine Anwendung. Nach Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5, Abs. 11 AufenthG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller "tatsächlich Gefahr läuft", an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr ("real risk") orientiert,

vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06, -Saadi-, NVwZ 2008, 1330,

und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 20 ff. m.w.N.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, juris Rn. 14 m.w.N.

Dies zugrundegelegt, sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1, 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin nicht erfüllt.

Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Ablehnung der Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte verwiesen werden. Es sind keine Sachverhalte glaubhaft gemacht worden, hinsichtlich derer es sich auswirkt, dass der Anwendungsbereich des Flüchtlingsschutzes über den Schutz des Asylgrundrechts teilweise hinausgeht.

Es bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan als alleinstehende Frau mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer an ihr Geschlecht anknüpfenden, konkret auf ihre Person zielenden Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bedroht werden wird. Welchen Gefahren bzw. Verfolgungsmaßnahmen afghanische Frauen wegen ihres Geschlechts ausgesetzt sind, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Vielmehr sind bei der Beurteilung die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zwar ist nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen zur Situation der Frauen in der afghanischen Gesellschaft davon auszugehen, dass trotz der Stärkung der Rechte der Frauen in der afghanischen Verfassung und Gesetzgebung Frauen und Mädchen nach wie vor in der afghanischen Gesellschaft sowie von der Polizei und Justiz schwer benachteiligt werden. Dies betrifft insbesondere alleinstehende Frauen und Frauen ohne männlichen Schutz.

Vgl. Urteil der Kammer vom 27. Februar 2013 - 14 K 2177/11.A -, juris Rn. 35 m.w.N.

Auch vor diesem Hintergrund kann jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts angenommen werden, dass die Klägerin im Rahmen einer gebotenen realitätsnahen Beurteilung ihrer Rückkehrsituation geschlechtsspezifischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin im gesamten Familienverband und damit auch in Begleitung ihres Vaters nach Afghanistan zurückkehren und dort in nicht unerheblichem Umfang Angehörige ihrer Großfamilie vorfinden würde.

Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 RL 2004/83/EG, so dass es im Übrigen einer Entscheidung über § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG nicht bedarf.

Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz neu eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (QRL 2011). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf einen Teil des Staatsgebietes erstreckt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198.

Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 und das Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 (ZP II) heranzuziehen. Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt hingegen nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c QRL 2011 nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen und eine bestimmte Größenordnung erreichen.

So zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O. und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360.

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehrt. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ihm Schutz gewähren soll.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22/12 - und Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -; zur Frage der "tatsächlichen Zielregion" OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 13 A 2010/12.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.

Nach der vorzitierten Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr Zweck der Schutzgewährung von Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des BVerwG das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c QRL 2011 nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss.

Bei der Prüfung, ob eine "erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben" i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. eine entsprechende "ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt" i.S.v. Art. 15 Buchst. c QRL 2011 vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Personen ausgeht, die nach dem Erwägungsgrund Nr. 26 der QRL allein nicht ausreichend ist, individuell so verdichten kann, dass sie die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c QRL 2011 erfüllt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des BVerwG kann eine solche individuelle Verdichtung ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne des Art. 15 Buchst. c QRL 2011 ausgesetzt zu sein. Eine derartige Verdichtung bzw. Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.

Vgl. BVerwG, vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.

Bei der Ermittlung des erforderlichen Niveaus willkürlicher Gewalt i.S.v. Art 15 Buchst. c QRL 2011 in einem bestimmten Gebiet sind nicht nur solche Gewaltakte der Konfliktparteien zu berücksichtigen, die gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts verstoßen, sondern auch andere Gewaltakte der Konfliktparteien, durch die Leib oder Leben von Zivilpersonen wahllos und unbeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden.

Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 -Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, NVwZ 2009, 705; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O.

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der QRL.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 20.

Der Grad willkürlicher Gewalt kann umso geringer sein, je mehr der Antragsteller zu belegen vermag, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation von dem Konflikt spezifisch betroffen ist.

Vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, Rs. C-465/07, Elgafajii, Slg. 2009, I-921, Rn. 39.

Gefahrerhöhende Umstände sind in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinn der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden.

Vgl. zu diesen Kriterien auch BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 -13a B 10.30394 -, juris Rn. 20 ff.

Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Zur Frage, wann von dem Ausländer "vernünftigerweise erwartet werden kann", dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sein muss, was er unter persönlich zumutbaren Bedingungen sichern können muss. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 S. 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 -, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - und Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, UA Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klägerin aufgrund der gegebenen Besonderheiten ihres derzeit im Klageverfahren befindlichen Familienverbandes als Angehörige der Zivilbevölkerung bei einer Rückkehr in die Provinz Logar einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt.

Insoweit kann offen bleiben, ob den Klägern die Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 QRL zugute kommt. Ein Vorschaden aufgrund eines bereits im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger im Jahre 2010 stattfindenden innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Provinz Logar ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Allerdings ist in Teilen der Rechtsprechung die Gefahr, einen Schaden im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu erleiden, für die Provinz Logar in den Vorjahren und somit auch bei Ausreise der Kläger aus Afghanistan als dann beachtlich wahrscheinlich angenommen worden, wenn gefahrerhöhende persönliche Umstände vorgelegen haben.

Vgl. HessVGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A - sowie VG Würzburg, Urteil vom 16. Februar 2012 - 2 K 11.30330 - , juris Rn. 58; im Allgemeinen kein § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Rückkehr in die Zentralregion wurde hingegen angenommen etwa von BayVGH, Beschluss vom 13. August 2013 - 13a ZB 13.30216 -, juris Rn. 4 m.w.N. und VG Berlin, Urteil vom 14. August 2013 - 9 K 52.13 -, juris Rn. 34.

Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisquellen ist - wie auch vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid nicht ausgeschlossen - davon auszugehen, dass in der Herkunftsregion der Kläger ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im vorgenannten Sinn stattfindet.

Dies ergibt sich für das Gericht nachvollziehbar aus den umfangreichen Darlegungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 25. August 2011 - 8 A

1657/10.A - sowie des Verwaltungsgerichts Würzburg im Urteil vom 16. Februar 2012 - 2 K 11.30330 -,

beide dokumentiert bei juris,

denen das Gericht nach Überprüfung der die dortigen Einschätzungen tragenden wesentlichen Erkenntnisquellen folgt.

Vgl. insbesondere Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 3. Dezember 2010, Stellungnahme von Amnesty international vom 20. Dezember 2010, Gutachten von Dr. Mostafa Danesch vom 7. Oktober 2010.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass seitdem so wesentliche Änderungen der Sicherheitslage zu verzeichnen wären, dass diese Einschätzung auch gegenwärtig in Bezug auf Logar nicht aufrechtzuerhalten wäre.

Amnesty International berichtet in seinem Report Afghanistan 2013, dass nach wie vor Tausende Zivilpersonen unter gezielten und wahllosen Angriffen oppositioneller Gruppen litten und internationale und afghanische Sicherheitskräfte für Todesopfer und Verletzte in der Zivilbevölkerung verantwortlich gewesen seien.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 3. September 2012 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2012 - S. 4 ff.) unter anderem aus, dass die Gewalteskalation in 2012 erstmals zurückgegangen sei. Die Konfliktstruktur habe sich jedoch nicht verändert, und beide Seiten befänden sich nach wie vor in einer "Patt-Situation". Die Deeskalation der regierungsfeindlichen Gruppierungen sei eine taktische Reaktion und reflektiere keinesfalls einen Verlust an operationeller Fähigkeit. Militärische Präsenz und Schlagkraft demonstrierten sie 2011 und 2012 mit einer Serie spektakulärer, immer komplexer werdender Anschläge auf Regierungsinstitutionen, Militärstützpunkte sowie mit der Ermordung prominenter Persönlichkeiten selbst im gut gesicherten Herzen Kabuls. Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung gingen weiterhin von vier Quellen aus: Von regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen (insbesondere Taliban), von regionalen Kriegsherren und Kommandierenden der Milizen, von kriminellen Gruppierungen und von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere Bombardierungen. 2011 habe die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung ihren Höchststand erreicht. Insbesondere sei es in der zweiten Hälfte 2011 zu signifikant mehr Opfern in den südöstlichen, östlichen und nördlichen Provinzen des Landes gekommen. Experten seien der Ansicht, dass die afghanischen Sicherheitskräfte noch weit davon entfernt seien, die volle Verantwortung übernehmen zu können. Die Taliban seien inzwischen als landesweite Bewegung zu betrachten und hätten in den von ihnen kontrollierten Gebieten gut etablierte, regierungsähnliche Strukturen. Ihr Kampfeswille sei ungebrochen. Die meisten zivilen Opfer fordere weiterhin der Einsatz von Sprengsätzen. Selbstmordattentate seien komplexer geworden und hätten 2011 landesweit 495 Personen gezielt umgebracht. Mit Anschlägen an öffentlichen Plätzen, wie Moscheen oder Märkten, seien äußerst viele zivile Opfer in Kauf genommen worden. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen sei es 2011 in über 80 % des Landes gekommen. Im Zentrum des Landes sei zwischen Juli und Dezember 2011 ein rasanter Anstieg ziviler Opfer zu verzeichnen gewesen. Kein wesentlich anderes Bild ergibt sich aus dem Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2013, S. 4 ff.). Die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen seien 2012 bei sehr hoch bleibendem Gewaltlevel um 25 % zurückgegangen. Dies habe aber ausgereicht, die zahlenmäßig durch den Rückzug bereits stark reduzierten internationalen Sicherheitskräfte weiterhin herauszufordern. Im Frühjahr 2013 sei es erneut zu einer Trendwende gekommen: Die Anschläge der regierungsfeindliche Gruppierungen seien im Vergleich zum Vorjahr wieder um 47 % angestiegen und könnten leicht das Niveau von 2011 oder 2009 erreichen. Zudem sei eine Zunahme militärischer Konfrontationen zwischen regierungsfeindliche Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften zu verzeichnen, in denen vermehrt Zivilisten ums Leben gekommen seien.

Die UNHCR Eligibility guidelines for assessing the international protection needs of asylumseekers from Afghanistan vom 6. August 2013 (UNHCR Guidelines 2013) sehen Afghanistan nach wie vor von einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt betroffen (S. 5, 10). Gestützt u.a. auf die Berichte von ANSO und UNAMA wird ausgeführt, der Konflikt, der sich zuvor vor allem im Süden und Osten konzentriert gehabt habe, habe nunmehr auch weitgehende andere Teile des Landes ergriffen (S. 14). Die Zahl ziviler Opfer sei zwischen 2007 und 2011 stetig angestiegen. Nach einem Rückgang in der ersten Jahreshälfte 2012 sei in der zweiten Jahreshälfte wieder ein Anstieg zu verzeichnen gewesen, der sich bislang in 2013 fortzusetzen scheine, mit der Tendenz, wieder zu Höchstzahlen wie in 2011 zu gelangen. Anders als in anderen Gegenden des Landes habe es 2012 im Vergleich zu 2011 unter anderem in der Provinz Logar einen Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle gegeben (S. 18). Ergänzend erläutert UNHCR in einer Stellungnahme an das Verwaltungsgericht Schwerin zum Az. 5 A 1261/10 vom 26. Juli 2013, dass sich die Natur des Konfliktes verändert habe. Regierungsfeindliche Elemente attackierten in erster Linie afghanische Ziele, statt sich wie bisher auf die internationalen Truppen zu konzentrieren.

Die Provinz Logar wird in den Jahresberichten von ANSO für die Jahre 2011 und 2012 ebenso wie im Quartalsbericht Q1 für 2013 in die dritthöchste Gefahrenstufe eingeordnet.

UNAMA weist im Midyear report 2013 vom Juli 2013 u.a. darauf hin, dass 74 % der zivilen Toten und Verletzten auf oppositionelle Kräfte, 9 % auf regierungstreue Kräfte und 12 % auf Kämpfe zwischen beiden zurückgingen (S. 1). In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 sei es zu einem Anstieg von 42 % bei den zivilen Opfern infolge der Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien (Kategorie: "ground engagement") gekommen; 207 Tote und 764 Verletzte. Auch die Zahl der zivilen Opfer oppositioneller Gruppen sei 2013 angestiegen; 1038 Tote, 1825 Verletzte. In der ersten Jahreshälfte 2013 seien 312 Tote und 131 Verletzte die Folge von 262 gezielten Tötungsangriffen seitens oppositioneller Kräfte gewesen, was einen Anstieg von 29 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum darstelle (S. 3 f.). Der Bericht enthält eine repräsentative Fallstudie in Bezug auf derartige gezielte Tötungsmaßnahmen in der Provinz Logar. Danach ist es in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 zu 14 zivilen Toten in zehn unterschiedlichen Anschlägen in der Provinz gekommen. Dies stelle einen Anstieg von 367 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dar. 2013 habe die Präsenz von ISAF und ANSF in der Provinz Logar zugenommen, um die dort traditionell bestehende Vorherrschaft regierungsfeindlicher Gruppen zu bekämpfen (S. 20). Der Bericht nennt mehrere Beispiele für Vorkommnisse mit zivilen Opfern insbesondere in der Provinz Logar (S. 36, 43, 71, 73, 74, 75). Bereits im Jahresbericht für 2012 der UNAMA, vom Februar 2013, wird auf 2754 zivile Todesopfer und 4805 zivile Verletzte hingewiesen. In den vergangenen sechs Jahren hätten 14.728 afghanische Zivilisten in dem bewaffneten Konflikt ihr Leben verloren (S. 1). Für die Provinz Logar dokumentiert der Bericht insbesondere einen Drohnen-Angriff vom 20. Oktober 2012, durch den vier Kinder zwischen elf und 13 Jahren getötet worden seien.

Dr. Mostafa Danesch führt in einer Stellungnahme vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Provinzen Logar und Wardak logistische Basen für die Taliban, gleichsam deren Tor nach Kabul, seien. Nach dem Abzug der Sondertruppen der US-Armee hätten die Taliban ihre dortigen Basen aufgestockt und seien massiv vertreten. Sie schleusten Tag für Tag ihre Krieger aus dem Süden und Osten Afghanistans über diese beiden Provinzen nach Kabul ein. Sie hätten dort ihre Stützpunkte ausgebaut und unterhielten dort Rekrutierungsnetzwerke (S. 1 f.). Nach seiner Auffassung müsse man im Übrigen die für Gesamtafghanistan genannten Zahlen an zivilen Opfern mit drei multiplizieren (S. 11).

Allerdings erreicht die Gefahr in der Provinz Logar nach den - jedoch nur eingeschränkt belastbaren - vorliegenden Erkenntnissen nicht einen so hohen Grad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Die Provinz Logar hat auf einer Fläche von ca. 3.879 qkm eine Bevölkerungszahl von geschätzt ca. 380.000 Einwohnern und gehört zur Zentralregion um Kabul.

Vgl. Daten vom Central Statistics Office Afghanistan, abrufbar unter: http://www.geohive.com/cntry/afghanistan.aspx?levels.

Nach dem ANSO Quartalsbericht 4/2012 wurden in der Provinz Logar im Jahr 2012 476 Anschläge/Vorfälle registriert. Bezogen auf die Einwohnerzahl ereignete sich in Logar im Jahr 2012 ein Angriff je 798 Einwohner.

Für die Provinz Logar selbst sind konkrete Opferzahlen den Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Jedoch kann für die westliche Regionen in Afghanistan davon ausgegangen werden, dass von den landesweit 2.038 zivilen Toten 12% in der Zentregion mit den Provinzen Bamyan, Daykundi, Kabul, Kapisa, Logar, Panjshir, Parwan und Wardak gestorben sind.

Vgl. ANSO Quartalsbericht 4/2012 (Dezember 2012).

Wenn man berücksichtigt, dass von den insgesamt für die Zentralprovinz für das Jahr 2012 registrierten 2.490 Anschlägen 476 Anschläge auf die Provinz Logar (also ca. 19 %) entfielen,

vgl. ANSO, Quartalsberichte 4/2012,

dürfte die Zahl der Toten in der Provinz Logar - grob geschätzt - bei etwa 46 gelegen haben. Damit liegt in der Provinz Logar das Verhältnis der Toten zur Gesamtbevölkerung infolge des bewaffneten Konflikts etwa bei 1:8.260 pro Jahr.

Ähnliche Werte ergeben sich unter Berücksichtigung des UNAMA Annual Report 2012.

Vgl. UNAMA, Annual Report 2012; abrufbar unter: http://unama.unmissions.org/LinkClick.aspx?fileticket=K0B5RL2XYcU%3D, Seite 1.

Danach wurden für das Jahr 2012 2.754 zivile Tote und 4.805 Verwundete ermittelt. Eine regionale Unterscheidung erfolgt hingegen nicht. Auf die Zentralregion entfielen etwa 12% der Todesopfer (s.o.). Geht man von einem annähernd gleichen Prozentsatz an Verletzten dort aus, so betrug die Zahl der zivilen Opfer in dieser Region im Jahr 2012 etwa 907 Personen, was einem prozentualen Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts zu werden, von 0,014% (1:7143) entspricht.

Hiervon ausgehend bestand bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände 2012 im Allgemeinen keine individuell verdichtete ernsthafte Gefahr, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als Zivilist in der Provinz Logar allein des Aufenthaltes wegen Opfer eines Anschlags der regierungsfeindlichen Gruppierungen oder von militärischen Aktionen der nationalen und internationalen Sicherheitskräfte zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13/10-, welches eine derartige Gefahrendichte auch bei einem Verhältnis von 1:800 abgelehnt hat.

Dies gilt angesichts der ermittelten Zahlen auch unter Einbeziehung der im gesamten Land unzureichenden medizinischen Versorgungslage.

So auch BayVGH, Urteil vom 1. März 2013 - 13a B 12.30205 -, Rn. 26 und VG Berlin, Urteil vom 14. August 2013 - 9 K 52.13.A -, juris Rn. 33. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Nw. bei VGH BW, Urteil vom 14. August 2013 - 11 S 688/13 - UA S. 23 und Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 18.

Ohne dass insoweit eine wirklich verlässliche Aussage möglich wäre, spricht nach Auswertung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen wenig dafür, dass gegenwärtig eine Situation eingetreten wäre, in der sich die Gefahrendichte in Logar im Allgemeinen auf ein Verhältnis unterhalb des Wertes von 1:800 erhöht hätte.

So ist dem Quartalsbericht von ANSO für das 1. Quartal 2013 sogar ein Absinken um 25% in Bezug auf den Vorjahreszeitraum hinsichtlich der registrierten Anschläge zu entnehmen. Bei der Einstufung in die Gefahrenstufe "moderately insecure" - entsprechend der beiden Vorjahre - ist es indes geblieben. Angesichts der oben dargestellten, insgesamt in 2013 sich offenbar verschlechternden Sicherheitslage kann daraus aber auch keine verlässlich positive Entwicklung abgeleitet werden, zumal es bei der strategischen Bedeutung der Provinz ausweislich des bereits angeführten Gutachtens von Dr. Danesch aus 2013 geblieben ist. Nach Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg,

Urteil vom 24. Juli 2013 - 11 S 697/13 -, juris Rn. 97 ff.,

ist für die Quartale 2 und 3 von 2013 insgesamt wieder eine Zunahme der Anschläge und damit der zivilen Opfer zu verzeichnen. Die weitere Entwicklung im laufenden Quartal und der zweiten Jahreshälfte sei derzeit in keiner Richtung abschätzbar.

Die Familie, der die Klägerin angehört und die wegen Art. 6 Abs. 1 GG auch insgesamt in den Blick zu nehmen ist,

vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 - 5a K 1525/11.A - juris Rn. 148,

weist jedoch besondere persönliche Umstände auf, die sich im Rahmen des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Logar als gefahrerhöhend auswirken können und die dazu führen, dass die Kläger potentiell eher in die dort drohenden Gefahrensituationen geraten können als jeder durchschnittliche Bewohner der Region. Bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung erweisen sich diese Umstände zwar nicht unbedingt jeweils für sich aber doch gleichsam in der Summe als ausreichend, um die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch für die für Logar im Allgemeinen festgestellte Dichte willkürlicher Gewalt zu bejahen. Für diese Einschätzung ist insbesondere maßgeblich, dass nach dem bereits Ausgeführten zunehmend auch und gerade mit gezielten Übergriffen in der weitgehend von Aufständischen beherrschten Provinz Logar zu rechnen ist.

Vgl. hierzu bereits HessVGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A - UA Seite 30.

So gehören die Kläger nach Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit als Schiiten und Sabaten in der von Paschtunen dominierten Provinz Logar,

vgl. Gutachten von Dr. Danesch an den HessVGH vom 7. Oktober 2010, S. 4,

einer Minderheit an. Soweit ersichtlich, handelt es sich bei der Volksgruppe der Sadat um eine Untergruppe der Hazara.

Vgl. Bundesamt, Glossar islamische Länder, Bd. 1 August 2008, Stichwort "Hazaras" und VG München, Urteil vom 7. März 2013 - 15 K 12.30965 -, juris Rn. 37.

Auch wenn afghanischen Staatsangehörigen der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure droht,

vgl. mit weiteren Nachweisen VG München, Urteil vom 7. März 2013 - 15 K 12.30965 -, juris Rn. 37 f. und VG Gelsenkirchen, - 5a K 1907/11.A -, juris Rn. 37 ff., dazu, dass allein der pauschale Hinweis auf die Zugehörigkeit zu den Hazara nicht die Annahme besonderer gefahrerhöhender Umstände rechtfertigt vgl. VGH BW, Urteil vom 14. August 2013 - 11 S 688/13 - UA S. 11,

und auch Schiiten im Allgemeinen in Afghanistan keiner bekenntnisgebundenen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind,

vgl. VG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2011 - 14 K 6478/09.A -, juris Rn. 39 ff.,

hindert dies nicht daran, diese als gefahrerhöhende Umstände in hiesigen Zusammenhang heranzuziehen.

Vgl. HessVGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A - UA Seite 30; VG Würzburg, Urteil vom 16. Februar 2013 - 2 K 11.30330 -, juris Rn. 58. Zur Lage der Hazara vgl. auch UNHCR Guidelines 2013, Seite 67 und Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 9 f. sowie 37 und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2012, S. 17. Zur Lage der Schiiten, Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 10 und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2012, S. 18 und 2013, S. 18.

Auch wenn Logar nicht zu den Provinzen in den höchsten Gefahrenstufen gehört, ist zu berücksichtigen, dass nach einer Abschiebung nach Kabul der Weg in die Provinz Logar wenigstens auch über die besonders von Anschlägen betroffenen Hauptverkehrsstraßen führen dürfte,

vgl. zu diesem Aspekt VG Ansbach, Urteil vom 11. Juli 2013 - 11 K 13.30299 -, juris Rn. 32,

die überdies nach den oben ausgewerteten Erkenntnissen gerade im Fall der Provinz Logar besonders sicherheitssensible Orte darstellen dürften, weil von dort aus die Taliban den Zugang nach Kabul finden, um dort Anschläge zu verüben. Hinzu kommen die Gefahren durch die von Taliban und Hezbe-Islami betriebenen illegalen Checkpoints, u.a. an der Hauptstraße zwischen Kabul und Gardez. Dort kommt es offenbar immer wieder zu Überfällen an Straßen, und Bomben werden am Straßenrand gezündet.

Vgl. Amnesty International, Auskunft an den HessVGH vom 20. Dezember 2010, S. 3.

Eine weitere, die konkrete Gefährdungslage der Kläger verschärfende Besonderheit ist die Zusammensetzung des von der Abschiebung betroffenen Familienverbandes. Die Eltern der Klägerin sind schon altersbedingt - beide sind mehr als zehn Jahre älter als die durchschnittliche Lebenserwartung in Afghanistan -,

vgl. dazu Amnesty International, Report 2012 und Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 18,

nur erschwert in der Lage, sich Gefahrensituationen zu entziehen und von evtl. Verletzungen zu genesen. Die Klägerin und ihre Schwester werden kaum in der Lage sein, insoweit nennenswerten Schutz zu vermitteln, zumal sie, nicht zuletzt aufgrund ihres aus dortiger Sicht eher "verwestlichten Erscheinungsbildes", ggf. sogar Anlass zu Problemen mit islamistisch gesonnenen Kräften bieten könnten. Auch die fehlende Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen infolge mehrjähriger Abwesenheit wird sich nicht günstig für die Bewältigung der Sicherheitsproblematik auswirken.

Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Angehörigen des Familienverbandes aus beruflichen Gründen potentiell erhöht gefährdet sind. Aufgrund der insoweit unglaubhaften Angaben kann zwar nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass sie im Fall einer Rückkehr ihre angeblichen früheren Tätigkeiten wieder aufnehmen werden. Angesichts ihres Bildungsstandes und der diesbezüglichen Bedürfnislage auf dem afghanischen Arbeitsmarkt spricht jedoch viel dafür, dass sie - die Eltern der Klägerin schon altersbedingt - ihren Lebensunterhalt nicht mit "unverfänglichen" Hilfsarbeiten werden bestreiten können sondern eher im Bereich Verwaltung und Bildung unterkommen könnten, zumal etwa der Lehrerberuf bei entsprechendem Schulabschluss ohne spezifische Berufsausbildung ergriffen werden kann,

vgl. Bundesasylamt, Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, Dezember 2010, S. 60,

und qualifiziertes Lehrpersonal fehlt,

vgl. Bundesasylamt, Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, Dezember 2010, S. 36, 59 f. und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2013, S. 21,

ebenso wie sich für die wenigen hochqualifizierten (auch) Afghaninnen der Zugang zu adäquaten Tätigkeiten bei der Regierung verbessert hat.

Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10. Januar 2012, S. 22; vgl. auch Bundesasylamt, Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, Dezember 2010, S. 35.

Gerade derartige Tätigkeiten sind indes erwiesenermaßen und nach den vorliegenden Erkenntnisquellen insbesondere auch in der Provinz Logar deutlich gefahrbelastet, zumal wenn sie von Frauen ausgeübt werden,

für Regierungsbedienstete vgl. UNHCR Guidelines 2013 S. 16, 37 und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2012, S. 16 und 2013, S. 17; für Lehrer vgl. UNHCR Guidelines 2013 S. 16, 21 f., 33, 37, 61, 62 und Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 12 sowie UNAMA, Midyear report 2013, S. 66 und annual report 2012 S. 12, 57, 65, außerdem Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update 2012, S. 16 f. und 2013, S. 18; für Logar im besonderen vgl. UNHCR Guidelines 2013 S. 33 und Bundesasylamt, Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, Dezember 2010, S. 59 sowie Amnesty International, Report 2012, Rubrik "Recht auf Bildung” am Ende und UNAMA, Midyear report 2013, S. 58, vgl. insgesamt auch VG Würzburg, Urteil vom 16. Februar 2012 - 2 K 11.30330 -, juris Rn. 48,

die im Übrigen in zunehmendem Maße vom Konflikt betroffen sind.

Vgl. UNAMA, Midyear report 2013, S. 65.

Die Kläger können schließlich nicht gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL auf einen internen Schutz in einem anderen Teil ihres Herkunftslandes Afghanistan verwiesen werden.

Nach Einschätzung des UNHCR kommt eine interne Schutzalternative grundsätzlich nur dann als zumutbare Alternative in Betracht, wenn Schutz durch die eigene erweiterte Familie, durch die Gemeinschaft oder durch den Stamm des Betroffenen in dem für die Neuansiedlung vorgesehenen Gebiet gewährleistet ist. Alleinstehende Männer und Kernfamilien können unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft in städtischen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben.

Vgl. UNHCR Guidelines 2013, S. 76.

Für das Auswärtige Amt (Lagebericht vom 9. Februar 2011, S. 26, vgl. auch Lagebericht vom 4. Juni 2013, S. 5) hängt die Möglichkeit des Ausweichens einer Person vor möglicher Gefährdung auf andere Landesteile maßgeblich von dem Grad der sozialen Vernetzung sowie der Verwurzelung im Familienverband oder Ethnie ab. Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Update 2011, S. 20) bildet die Familien- und Gemeindestruktur in Afghanistan auch heute noch das wichtigste Netz für Sicherheit und das ökonomische Überleben. Ohne diese sei ein Überleben kaum möglich.

Diese Voraussetzungen sind für die - wie ausgeführt - für afghanische Verhältnisse sehr betagten Eltern der Klägerin in anderen Landesteilen Afghanistans, insbesondere im Bereich der Hauptstadt Kabul, angesichts der dortigen katastrophalen Versorgungslage und der angespannten Arbeitssituation nicht gegeben. Daran ändert weder etwas, dass diese - vor ca. 10 Jahren - in Kabul gelebt haben, noch dass es dort offenbar Verwandtschaft gibt. Denn es ist nicht ersichtlich, wie dadurch gewährleistet sein soll, dass der Familienverband mit zwei alten Menschen und zwei unverheirateten Töchtern nicht nur überleben sondern sich auch eine ausreichende Existenzgrundlage aufbauen und sichern kann. Erst recht gilt dies für andere mitunter angeführte interne Schutzalternativen wie Masare-Sharif,

vgl. etwa VGH BW, Urteil vom 14. August 2013 - 11 S 688/13 - UA S. 12,

zu der Kontakte der Klägerin und ihrer Familie nicht bekannt geworden sind.

Aufgrund der positiven Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes ist auch die unter Ziffer 4 des Bescheides erfolgte Zielstaatsbezeichnung Afghanistan in der Abschiebungsandrohung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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