OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.10.2013 - 15 U 61/12
Fundstelle
openJur 2013, 44944
  • Rkr:

1. Da Unterhalt grundsätzlich nur als Geldleistung (§ 1612 BGB) geschuldet wird, kann die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Versagung persönlicher Pflege im Krankheitsfall gestützt werden.

2. Für eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht genügt nicht die bloße Leistungsverweigerung; diese muss vielmehr auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. Februar 2012verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel wird zurückgewiesen.

Das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 24.Februar 2012 wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits im Berufungsrechtszug zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Urteil sowie aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115% des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 %des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um etwaige Pflichtteilsansprüche der Klägerin.

Die 197… geborene Klägerin ist die Tochter des am … 2010 verstorbenen Erblassers E und dessen rechtskräftig geschiedener Ehefrau. Die Beklagte ist die testamentarische Alleinerbin des Erblassers. Der Erblasser und dessen geschiedene Ehefrau haben neben der Klägerin ein weiteres gemeinsames Kind, den im Jahre 197… geborenen Bruder der Klägerin A. Weitere Abkömmlinge des Erblassers existieren nicht.

Der Erblasser war im Jahre 199… bei einem fremdverschuldeten Unfall schwer verletzt worden und seither pflegebedürftig. Ein in diesem Zusammenhang geführter Rechtsstreit gegen den Unfallverursacher und dessen Haftpflichtversicherung endete im Jahr 2008 durch Klagerücknahme, nachdem die Versicherung aufgrund eines am … 2008 außergerichtlich geschlossenen Vergleiches eine (Rest-)Zahlung in Höhe von 830.000,00 €geleistet hatte. Hiervon legte der Erblasser einen Betrag in Höhe von 553.911,00 € auf seinen Namen bei der B Bank GmbH an und erteilte der Beklagten insoweit Kontovollmacht. Außerdem kaufte er für 100.000,00 € ein Flugzeug und beglich verschiedene Verbindlichkeiten.

Die Beklagte hatte den Erblasser im … 199…kennengelernt.

In der Folgezeit lebte die Beklagte, deren vorherige Beschäftigung als … bei der … zum Jahresende 1993ausgelaufen war, mit dem Erblasser zusammen und übernahm die verletzungsbedingt zunehmend und zuletzt nahezu rund um die Uhr erforderliche Betreuung und Pflege des Erblassers bis zu dessen Tod. Der Erblasser leitete das an ihn ausbezahlte Pflegegeld in Höhe von durchschnittlich 650,00 € pro Monat an die Beklagte weiter.

Die Klägerin ersteigerte im Jahr 2004 im Rahmen einer Zwangsversteigerung ein Wohnhaus.

In diesem Zusammenhang schloss sie gemeinsam mit dem Erblasser zwei Darlehensverträge mit der C ab, da sie alleine die zur Finanzierung der Immobilie erforderlichen Darlehen nicht erhalten hätte, vereinbarte mit dem Erblasser jedoch, dass sie die gesamtschuldnerisch eingegangene Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung im Innenverhältnis allein zu tragen habe.

Das handschriftliche Testament des Erblassers vom … 2007(Anlage K1, Bl. 84 Bd. I) lautet wie folgt:

"Mein ...2007Testamenthiermit vererbe ich E geb. ...50 in ..., einzig und allein alle Werte, Finanzen, Immaterielle und Materielle einzig und allein F geb. … in ... Sie soll absolut allein Erbin sein.Da meine Exfrau … sich nach dem Unfall, in 199…,strikt weigerte mir zu Helfen und/oder meine Pflege zu übernehmen.Auch die 2 Kinder A geb. ….7… in ... und K geb...7… in ... sollen nichts erben, da die Beiden mir auch die Hilfe und Pflege verweigerten.Alle haben nach BGB § 1611 jeglichen Unterhalt oder Erbschaft verwirkt. Allerdings müssen sich die Enterbten um verbliebene Schulden in vollem Umfang ausgleichen.E ...2007"

Die Beklagte hat auf Verlangen der Klägerin den Wert des Nachlasses u. a. durch notarielles Verzeichnis des Notars N1,Stadt1, vom 10. Dezember 2010 (Bl. 23 ff. Bd. I) wie folgt beziffert:

(vom Abdruck wurde abgesehen – die Red.)

Im notariellen Nachlassverzeichnis ist darüber hinaus ein Betrag von 147,00 € Zinsen aufgeführt, so dass sich ein Aktivnachlass im Wert von 542.418,72 € ergibt.

 

(vom Abdruck wurde abgesehen – die Redaktion)

Hinsichtlich der Passiva enthält das notarielle Nachlassverzeichnis folgenden Text:

"10.Frau F teilt mit, dass der Erblasser durch einen Verkehrsunfall im Jahre 199… schwer verletzt wurde. Er war in vollem Umfange pflegebedürftig. Die Pflege wurde fast ausschließlich nur von Frau F durchgeführt. Sie beansprucht Pflegekosten. Zum Beleg der Höhe der Kosten übergibt sie auszugsweise Fotokopie eines Schriftsatzes von 22.9.2007 in dem Rechtsstreit …/… u.a. (Az.:…). Ab Seite 19 des Schriftsatzes bis Seite 21 wurden die Pflegekosten dargestellt. Frau F versichert, dass sie diese Pflegekosten zu beanspruchen hat. Es ergibt sich ausweislich des in Kopie beigefügten Schriftsatzes ein Pflegekostenbetrag i.H.v.644.987,94 €.

Dieser Betrag bezieht sich auf den Zeitraum bis September 2007. Für die Zeit ab 01.10.2007 bis zum Todestag sind weitere Pflegekosten i.H.v.142.342,80 € entstanden.

11.Der Erblasser und seine Tochter K haben gemeinschaftlich zwei Darlehen bei der C aufgenommen. Zum Stichtag 30.04.2010 ergab sich gem. beigefügten Übersichtsseiten auf dem Kto.-Nr. 1 eine Darlehensschuld von 23.649,41 € und auf dem Darlehenskonto Nr.2 eine Schuld von 25.477,99 €.

12.Frau F legt verschiedene Belege vor, die dieser Urkunde in Kopie beigefügt werden. Es handelt sich um die Kosten der Beerdigung. Aus den Belegen ergibt sich ein Betrag von 4.721,35 €.

13.Frau F gibt an, auf die Pflegekosten eine Zahlung von 124.541,26€ erhalten zu haben.

14.Daraus ergeben sich Verbindlichkeiten des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes i.H.v. 715.758,38 €."

Auf den dem notariellen Nachlassverzeichnis in Kopie beigefügten S. 19 bis 21 des zur Höhe der Pflegekosten in Bezug genommenen Schriftsatzes heißt es:

"Aus diesem Grunde kann auch keine Billigpflege, wie von manchen Unternehmen angeboten wird, den tatsächlichen Pflege-und Betreuungsaufwand ersetzen. Ebenso wie der Kläger nicht darauf verwiesen werden kann, sich in einem Heim versorgen und pflegen zu lassen, kann man von ihm nicht verlangen, dass er sich von einer Firma mit wechselndem Personal rund um die Uhr betreuen lässt. Auch dies verbietet die Menschenwürde.

Der Haushaltsführungsschaden, der ihm im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse zusteht, wird deshalb nicht geltend gemacht,weil wir jeden Anschein der überzogenen Forderung vermeiden wollen.Wir unterstellen die Führung des Haushaltes durch die Zeugin Febenfalls den Pflegekosten in dem vorgenannten Umfang und befinden uns damit auf der sicheren Seite. Frau F erledigt den Haushalt nebenbei, indem sie sich mit dem Kläger unterhält oder aber auch in der Zeit, in der der Kläger (ein Krankenhaus – die Red.)aufsuchen muss. Dies geschieht 3 mal wöchentlich für mindestens 4Stunden. Auch diese Tatsache, dass für die Haushaltsführung kein zusätzlicher Anspruch geltend gemacht wird, rechtfertigt die jeweils in Ansatz gebrachte Stundenzahl.

Die Rechtsprechung legt für den Stundensatz der Pflegetätigkeit die Nettoentlohnung einer professionellen Pflegekraft zu Grunde.

Beweis:

Zeugin F, b.b.

Die Zeugin F betreut den Kläger mithin seit 1994ununterbrochen mit wenigen Ausnahmen, in denen sie aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Für diese Zeiträume wurde Verhindertenpflegegeld geleistet, wie es sich aus der nachstehenden Berechnung ergibt. Unter Zugrundelegung dieser Schilderung ergibt sich für die Berechnung der Pflege- und Betreuungskosten folgendes:

(Vom Abdruck wurde abgesehen – die Red.)

Die Klägerin begehrt im Wege der der Beklagten am 25. Februar 2011 zugestellten Teilklage ausgehend von den im Nachlassverzeichnis der Beklagten angegebenen Aktiva in Höhe von 542.271,72 € abzüglich der von der Beklagten angegebenen Kosten der Beerdigung in Höhe von 4.721,35 € einen Mindestpflichtteil in Höhe von 134.387,59 €. Die weiteren von der Beklagten angegebenen Passiva im Zusammenhang mit den beiden Darlehen sowie Pflegekosten bestünden nicht. Weder habe der Erblasser der Beklagten Zahlungen für erbrachte Pflege geschuldet noch handele es sich bei den genannten Darlehen „an K“um Verbindlichkeiten des Erblassers.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 134.387,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe schon deshalb keinen Anspruch, weil ihr in dem Testament des Erblassers vom … 2007 neben dem Erbe auch der Pflichtteil entzogen worden sei. Die Klägerin habe sich um den Erblasser in den letzten Jahren nicht gekümmert, ihn nicht versorgt oder gepflegt. Zudem sei der Nachlass überschuldet, wie sich bereits aus dem vorgelegten Nachlassverzeichnis ergebe, so dass auch aus diesem Grunde kein Pflichtteilsanspruch bestehe.

Sie behauptet, den Erblasser seit dem … 199… bis zu seinem Tod aufgrund eines mit diesem abgeschlossenen Dienstvertrages quasi rund um die Uhr betreut und gepflegt zu haben. Bereits im Januar 199… sei vereinbart worden, dass sie für ihre Pflegetätigkeit eine angemessene, der Höhe nach nicht näher festgelegte Vergütung erhalten solle. Da der Erblasser sie aus eigener Tasche nicht habe bezahlen können, sei vereinbart worden, dass sie für ihre Leistungen nachträglich bezahlt werde,wenn die bereits verklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners die dort geltend gemachten Pflegekosten bezahle.

Der Höhe nach ergebe sich der ihr vom Erblasser insoweit geschuldete Betrag aus der Berechnung der Pflegekosten durch Rechtsanwalt RA1 im Entwurf einer Klageerweiterung vom September 2007 an das Landgericht Kassel. Im Laufe des damaligen Rechtsstreits sei auf zunächst geltend gemachte Schadensersatzansprüche verzichtet worden, und der Erblasser habe lediglich noch die von Rechtsanwalt RA1 berechneten Pflegekosten in Höhe von 1.200.000 € sowie Schmerzensgeld in Höhe von 600.000€ verlangt. Später sei vereinbart worden, dass sie den gesamten von der Versicherung zu erwartenden Betrag erhalten solle.

Als die Haftpflichtversicherung sodann im Jahre 2008 insgesamt 830.000 € bezahlt habe, habe der Erblasser zunächst mit ihr zusammen ein gemeinsames Konto hierfür eröffnen wollen. Die von der C angebotenen Zinsen hätten dem Erblasser jedoch nicht ausgereicht,so dass er den Betrag letztlich auf seinen Namen bei der B Bank GmbH angelegt und ihr insoweit Kontovollmacht erteilt habe. Erst später sei darüber gesprochen worden, dass es besser sei, die Guthaben auf ein auf ihren Namen lautendes Konto zu transferieren.Deshalb hätten sie im Februar 2010 ein Konto auf ihren Namen eröffnet und der Erblasser habe in der Folgezeit insgesamt 124.541,26 € hierauf überwiesen. Weitere Beträge hätten wegen des täglichen Höchstbetrages von 25.000 € nicht mehr überwiesen werden können, weil der Erblasser schon wegen der mehrmals wöchentlich (Krankenhaus – die Red.) auch nicht jeden Tag hierfür Zeit gehabt hätte.

Hinsichtlich der im Nachlassverzeichnis enthaltenen Darlehensbeträge vertritt die Beklagte die Auffassung, dass diese solange als Erblasserschulden in Abzug zu bringen seien, als die Darlehen nicht vollständig durch die Klägerin getilgt seien, weil solange die Mitverpflichtung aus dem Darlehensvertrag auch gegen den Nachlass bestehe.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel hat mit dem angegriffenen Urteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 134.387,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2011 zu zahlen.

Zur Begründung hat die 4. Zivilkammer u. a. ausgeführt, dass eine wirksame Pflichtteilsentziehung nicht vorliege.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Nachlass auch nicht überschuldet. Es sei von dem von der Beklagten im Nachlassverzeichnis angegebenen Aktivbestand in Höhe von 542.271,72€ sowie von Passiva in Höhe der Beerdigungskosten von 4.721,35€ auszugehen. Weitere Nachlassverbindlichkeiten seien nicht zu berücksichtigen, denn die behaupteten Erblasserschulden im Zusammenhang mit erbrachter Pflege oder gewährter Darlehen seien nicht belegt.

Die Beklagte habe einen über die erhaltenen Beträge hinausgehenden Vergütungsanspruch gegen den Erblasser weder dem Grunde noch der Höhe nach hinreichend substantiiert dargetan und bewiesen.

So habe sie selbst keine konkrete Vergütungsvereinbarung behauptet, aus der sich ein Anspruch in der entsprechend der von Rechtsanwalt RA1 im vorgelegten Entwurf eines Schriftsatzes vorgenommenen Berechnung geltend gemachten Höhe ergäbe. Zwar habe sie behauptet, es sei von vornherein eine angemessene Vergütung vereinbart worden, die bis zur Zahlung durch die Versicherung gestundet gewesen sei, und die von Rechtsanwalt RA1 vorgenommene Berechnung ergebe eine solche angemessene Vergütung. Sie habe aber auch behauptet, dass im Laufe der Zeit eine Einigung dahingehend erfolgt sei, dass sie den gesamten Betrag, der seitens der Versicherung zur Auszahlung komme, erhalten solle, worin eine Änderung der ursprünglichen Vereinbarung zu erblicken wäre. Beides sei indes nicht glaubhaft und insbesondere nicht bewiesen.

Der Vortrag der Beklagten zur von Beginn an vereinbarten angemessenen Vergütung überzeuge nicht bzw. stehe im Widerspruch zu ihren eigenen Angaben. Auch die von der Beklagten insoweit benannten Beweismittel seien nicht geeignet, eine bestehende Vergütungsvereinbarung zu belegen. Eine derartige Vereinbarung ergebe sich nicht aus der als Anlage B2 vorgelegten außergerichtlichen Vollmacht an die von dem Erblasser im Jahr 2007mit der Weiterführung des Rechtsstreits beauftragte Kanzlei RA1 und Kollegen.

Auch aus der als Anlage B3 vorgelegten E-Mail des Erblassers an Rechtsanwalt RA1 ergebe sich nicht das Bestehen der behaupteten Vergütungsvereinbarung. Diese E-Mail habe im Zusammenhang mit einer geforderten Zahlung an Rechtsanwalt RA2 gestanden, welcher der Erblasser mit der Behauptung, die erhaltene Summe an die Beklagten „überschrieben" zu haben, weshalb er nicht mehr liquide sei, entgegen getreten sei. Die darin enthaltene Behauptung,„alles“ an die Beklagte überschrieben zu haben,entspreche bereits inhaltlich nicht den Tatsachen. Dass er der Beklagten insoweit Kontovollmacht erteilt habe, bedeute nicht, dass er ihr das Geld „überschrieben“ habe. Zum anderen tauge sie aber auch nicht zum Beweis einer der behaupteten „Überschreibung“ zugrunde liegenden Vergütungsvereinbarung aus dem Jahr 1994.

Auch der als Zeuge benannte Rechtsanwalt RA1 könne eine Vergütungsvereinbarung aus dem Januar 1994 nicht bekunden, denn dieser sei von dem Erblasser erst im Jahre 2007 mit dessen Vertretung gegenüber der Versicherung des Unfallverursachers beauftragt worden. Selbst wenn der Erblasser oder die Beklagte dem Rechtsanwalt RA1 sodann von einer bestehenden Vergütungsvereinbarung berichtet hätten, hätte dieser als Zeuge lediglich diesen Umstand, nicht aber das tatsächliche Zustandekommen einer Vergütungsvereinbarung selbst bestätigen können. Das Zeugnis des Rechtsanwalt RA1 sei daher ebenfalls kein geeignetes Beweismittel für die behauptete Vergütungsvereinbarung.

Soweit die Beklagte ihre eigene Parteivernehmung zum Beweis der behaupteten Vereinbarung angeboten hat, sei dem mangels Einverständnis der Gegenseite im Sinne von § 447 ZPO oder einer Anfangswahrscheinlichkeit für die behauptete Tatsache im Sinne von § 448 ZPO nicht zu folgen gewesen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte im Rahmen einer förmlichen Parteivernehmung andere Angaben gemacht hätte, als anlässlich ihrer Anhörung im Termin vom 21. Oktober 2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation der 4.Zivilkammer wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 28. Februar 2012zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 20. März 2012 eingelegten und mit Anwaltsschriftsatz vom 26. April 2012begründeten Berufung.

Mit der Berufungsbegründung rügt die Beklagte u. a., die 4.Zivilkammer sei durch eine fehlerhafte und lückenhafte Tatsachenfeststellung sowie unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen dieser und dem Erblasser kein Dienstvertrag nebst entsprechender Vergütungsvereinbarung für die erbrachten Pflegeleistungen geschlossen worden sei. Die 4. Zivilkammer habe den Wortlaut der als Anlage B 3 vorgelegten E-Mail vollkommen außer Acht gelassen und eine nicht zutreffende Auslegung vorgenommen. Auf die als Anlage B15 vorgelegte E-Mail des Erblassers an die Zeugin I sei die 4. Zivilkammer nicht eingegangen, so dass dieser Beweis bei der Urteilsfindung wohl überhaupt keine Berücksichtigung gefunden habe.Außerdem ergebe sich die Vergütungsvereinbarung auch aus der als Anlage B2 vorgelegten außergerichtlichen Vollmacht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 26. April 2012 (Bl. 15 ff. Bd. III) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kassel vom 24. Februar 2012aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat durch schriftliche Vernehmung des Zeugen RA1Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen vom 8. August 2013verwiesen (Bl. 112 ff. Bd. III).

II.

Die Berufung der Beklagten ist zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 134.387,59 € aus § 2303 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin ist neben ihrem Bruder A gesetzliche Erbin zu ½ (§1924 Abs. 1 und 4 BGB). Ihr Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte als testamentarische Alleinerbin (§ 1937 BGB) beläuft sich somit auf ¼ (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Eine wirksame Pflichtteilsentziehung liegt nicht vor.

Es kann dabei offen bleiben, ob der Erblasser der Klägerin in seinem Testament vom … 2007 über den Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge hinaus auch den Pflichtteil entziehen wollte (§ 2336 Abs. 1 BGB). Ebenso kann dahinstehen, ob der Grund der Entziehung (Verweigerung von Pflege und Hilfe) in der letztwilligen Verfügung hinreichend konkret angegeben worden ist (§ 2336 Abs. 2Satz 1 BGB). Es liegt nämlich jedenfalls keiner der in § 2333 BGBaufgezählten Pflichtteilsentziehungsgründe vor. § 2333 BGB findet hier in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung Anwendung.Gemäß Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB gelten nämlich für Erbfälle seit dem 1. Januar 2010 die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung, unabhängig davon, ob an Ereignisse aus der Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften angeknüpft wird. Daher steht einer Anwendung des §2333 BGB in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung hier auch nicht entgegen, dass der Erblasser das Testament bereits am 10. Mai 2007 errichtet hat (vgl. Weidlich, in: Palandt, BGB, 72. Aufl.2013, § 2333, Rdnr. 1).

Die Voraussetzungen der in § 2333 Abs. 1 BGB abschließend aufgezählten und nicht analogiefähigen Pflichtteilsentziehungsgründe (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1976 - IVZR 109/74, NJW 1977, 339, 340; Weidlich, in: Palandt, BGB, 72.Aufl. 2013, § 2333, Rdnr. 2) sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang, dass nicht jedes Fehlverhalten eines Kindes, das zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt, den Vorrang der Testierfreiheit rechtfertigt,da sonst das Pflichtteilsrecht der Kinder leer liefe und jede praktische Bedeutung verlöre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.04.2005- 1 BvR 1644/00 u. a., BVerfGE 112, 332, 355 f.).

Der von dem Erblasser im Testament angegebene Grund für seine letztwillige Verfügung, nämlich die Verweigerung von Pflege und Hilfe durch die Klägerin, erfüllt – wie von der 4.Zivilkammer zutreffend erkannt – schon deshalb nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB, weil weder behauptet noch anderweitig ersichtlich ist, dass die im Zeitpunkt des von dem Erblasser im Jahre 1991 erlittenen Unfalls erst 16-jährige Klägerin dem ohnehin nicht im Sinne des § 1602 Abs. 1BGB bedürftigen Erblasser gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet gewesen wäre. Da Unterhalt grundsätzlich nur als Geldleistung (§1612 BGB) geschuldet wird, kann überdies die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf Versagung persönlicher Pflege im Krankheitsfall gestützt werden (vgl. Joachim, in:Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Handbuch des Erbrechts, 2. Aufl. 2010,Kap. 4, Rdnr. 187; Mayer, in: Bamberger/Roth (Hrsg.),Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2013, § 2333,Rdnr. 17; Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, §2333, Rdnr. 16). Es kommt hinzu, dass für eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht die bloße Leistungsverweigerung nicht genügt, sondern diese auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen muss (vgl. etwa Joachim, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.),Handbuch des Erbrechts, 2. Aufl. 2010, Kap. 4, Rdnr. 187; Lange,in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 9, 6. Aufl. 2013, § 2333,Rdnr. 32; Mayer, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2013, § 2333, Rdnr. 17;Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2333, Rdnr.16). Entsprechende Anhaltspunkte fehlen hier.

Nach § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Der Bestand des Nachlasses ergibt sich dabei aus der Differenz von Aktiv- und Passivbestand.

Im Rahmen der vorliegenden Teilklage ist damit von dem von der Beklagten im Nachlassverzeichnis angegebenen Aktivbestand in Höhe von 542.271,72 € auszugehen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass davon als Passivposten die Beerdigungskosten in Höhe von 4.721,35 € in Abzug zu bringen sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen keine weiteren Nachlassverbindlichkeiten.

In diesem Zusammenhang hat die 4. Zivilkammer zu Recht die Auffassung vertreten, dass Rechtsverhältnisse, die – wie hier – infolge des Erbfalls durch Konfusion, also durch eine Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit, erloschen sind, für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs als nicht erloschen gelten (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1978 - IV ZR 181/76, MDR 1978, 649,650; Lange, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2311,Rdnr. 7; Weidlich, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 2311, Rdnr.2).

Die Klägerin hat jedoch zur Überzeugung des Senats (§ 286 Abs. 1ZPO) bewiesen (vgl. zur Beweislastverteilung in derartigen Fällen etwa BGH, Urteil vom 10.03.2010 - IV ZR 264/08, NJW-RR 2010, 1378,1379), dass der Erblasser mit der Beklagten weder bei Aufnahme der Pflegetätigkeit vereinbart hat, dass diese hierfür eine angemessene Vergütung erhalten soll, wenn die Versicherung des Unfallverantwortlichen eine Zahlung leiste, noch dass diese sich nach Fertigung des Entwurfs der Klageerweiterung vom 22. September 2007 durch den Zeugen RA1 in dem Verfahren … ./. … u.a. mit dem Erblasser darauf geeinigt hat, dass der Beklagten der in dem Klageentwurf errechnete Betrag für ihre Pflegeleistung zustehen solle.

Der Senat hat zwar keine Zweifel daran, dass die Beklagte viele Jahre lang den Erblasser aufopferungsvoll gepflegt hat. Es gibt auch eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür, dass der Erblasser überzeugt war, dass es nicht angeht, dass die jahrelange Pflege durch die Beklagte ohne jede Form der finanziellen Anerkennung bleibt.

In einer derartigen Fallkonstellation bestehen für den Gepflegten jedoch eine Vielzahl von Handlungs- und Gestaltungsoptionen. Er kann etwa testamentarisch die ihn pflegende Person zum Alleinerben bestimmen, er kann ihr zu Lebzeiten schenkweise Geld oder andere Wertgegenstände zuwenden, er kann einen entgeltlichen Pflegevertrag mit der Pflegeperson abschließen usw. Darüber hinaus kann der Gepflegte auch verschiedene dieser Gestaltungsoptionen miteinander kombinieren. Im vorliegenden Fall hat der Erblasser die Beklagte testamentarisch zu seiner Alleinerbin bestimmt. Allein dadurch hat er bereits Sorge dafür getragen, dass der Beklagten nach seinem Ableben ein auskömmliches Leben möglich ist, da der Nachlass – von den hier im Streit stehenden etwaigen Nachlassverbindlichkeiten abgesehen – sehr werthaltig war und ist. Es kommt hinzu, dass der Erblasser der Beklagten zum einen viele Monate nach Eingang der Zahlung der Versicherung Beträge in Höhe von insgesamt 124.541,26 €überwiesen hat. Zum anderen hat die Beklagte von dem Erblasser das von der Pflegekasse gezahlte Pflegegeld (54.674,46 € und 14.300,00 €) und damit insgesamt 193.515,72 € erhalten.Angesichts dieser Zahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe stellt der Umstand, dass der Erblasser überzeugt war, dass es nicht angeht, dass die jahrelange Pflege durch die Beklagte ohne jede Form der finanziellen Anerkennung bleibt, hier keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Erblasser und die Beklagte eine entgeltliche Pflegevereinbarung in der von dieser vorgetragenen Form abgeschlossen haben.

Der Senat hat vor diesem Hintergrund die Überzeugung gewonnen,dass der Erblasser – über die testamentarische Bestimmung der Beklagten als Alleinerbin und die Zahlungen in Höhe von 193.515,72€ hinaus – mit dieser nach Fertigung des Entwurfs der Klageerweiterung vom 22. September 2007 durch den Zeugen RA1 in dem o. g. Verfahren keine vertragliche Vereinbarung getroffen hat, dass ihr in jedem Falle der in dem Klageentwurf errechnete Betrag für ihre Pflegeleistung zustehen solle.

Die von der Beklagten insoweit angeführten Umstände können einen gegenteiligen Schluss weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau tragen.

Zwar könnte man etwa die Formulierung „x Jahre Vollzeitpflege müssen bezahlt werden“ in der E-Mail des Erblassers an den Zeugen RA1 (Bl. 81 Bd. III) vom 11. Februar 2010dahingehend deuten, dass der Erblasser von einer gegenüber der Beklagten bestehenden Verpflichtung ausging. Es bleibt aber bereits unklar, ob der Erblasser insoweit eine vertragliche und damit rechtliche oder aber vielmehr eine ethisch-moralische Verpflichtung meint. Ebenso unklar ist, ob der Erblasser insoweit nicht im gleichen Atemzug davon ausgeht, diese Verpflichtung bereits erfüllt zu haben, da er unmittelbar vor der zitierten Passage formulierte:„ich habe das gesamte Geld auf [die Beklagte]überschrieben“ (vgl. in diesem Sinne auch einige Zeilen weiter unten die Aussage: „[…] das Geld war zu wenig,ich musste erstmal die Pflege sichern und das ging nur in dem ich alles [der Beklagten] überschrieben habe. Ich bekomme nur 300 Euro Taschengeld im Monat“).

Die zitierte E-Mail des Erblassers an den Zeugen RA1 vom 11.Februar 2010 stellt aber noch aus einem zweiten Grund kein tragfähiges Indiz für die von der Beklagten behauptete Vereinbarung im Jahre 2007 dar. Hier wie in anderen Zusammenhängen wird deutlich, dass es der Erblasser zumindest in seinen E-Mails mit der Wahrheit nicht immer allzu genau genommen hat. So hat er etwa in einer E-Mail vom 18. August 2009 gegenüber einer Bank behauptet, er habe die „3,5 Millionen Schmerzensgeld […] in Kanada mit 5 % auf fünf Jahre festlegen lassen“, was in mehrfacher Hinsicht nachweislich unzutreffend ist. Ebenso wenig trifft es zu,dass er – wie in der zitierten E-Mail an den Zeugen RA1 vom 11. Februar 2010 behauptet – „das gesamte [von der Versicherung erhaltene] Geld auf [die Beklagte]überschrieben“ hatte. Auch die Behauptung des Erblassers in seiner E-Mail vom 11. März 2010 an seine Nichte, die Zeugin I (Bl.82 Bd. III), dass das Flugzeug nicht ihm, sondern „acht Piloten“ gehöre, ist nachweislich falsch. Vor diesem Hintergrund bestehen – über die oben skizzierten Einwände hinaus – bereits ganz grundsätzliche Bedenken, aus E-Mails des Erblassers an Dritte Rückschlüsse auf etwaige vertragliche Abreden des Erblassers mit der Beklagten zu ziehen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus der E-Mail des Erblassers an Frau I vom 11. März 2010 (Bl. 82 Bd. III, s. auch Anlage B15, Bl. 395 Bd. II) nicht der von der Beklagten präferierte Schluss ziehen. Überdies könnte man – wenn man die grundsätzlichen Vorbehalte gegen den Wahrheitsgehalt der E-Mails des Erblassers gedanklich einmal ausblendet – diese E-Mail vom 11. März 2010 auch als Anhaltspunkt dafür nehmen, dass der Erblasser damals davon ausging, die Beklagte für ihre Pflegetätigkeit bereits bezahlt zu haben, worauf die gewählte Zeitform hindeutet („F hat x Jahre Nachzahlung bekommen für ihre Pflegetätigkeit“).

Auch die von dem Zeugen RA1 zitierte E-Mail des Erblassers an ihn vom 23. Juli 2008 (s. Bl. 104 f. Bd. III) trägt nicht die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung im Jahre 2007. Darin heißt es u. a.: „[Die Beklagte] und ich sind zu dem Entschluss gekommen, dass unser letztes Angebot verfeinert und realisiert werden oder gerichtlich weiter vorgegangen werden muss. Noch einmal: 800Tausend Euro sofort ohne Abzüge an mich/uns überweisen!(400.000 € für [die Beklagte] Pflegekosten-Stundung/Zinsen und 400.000 € für mich als Schmerzensgeld und Verluste/Ausgaben/Zinsen)“. Allerdings könnte die Wendung „Pflegekosten-Stundung“ in der Tat darauf hindeuten,dass der Erblasser zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich davon ausging, dass er der Beklagten Pflegekosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 400.000,00 € schuldete. Zwingend ist ein solcher Schluss jedoch angesichts der bereits angesprochenen mangelnden Wahrheitsliebe des Erblassers in seinen E-Mails nicht. Insoweit ist nochmals auf die E-Mail des Erblassers an den Zeugen RA1 vom 11.Februar 2010 (Bl. 81 Bd. III) zu verweisen, in der selbst gegenüber seinem Rechtsanwalt, dem Zeugen RA1, nachweislich unwahre Behauptungen aufgestellt hat („das gesamte [von der Versicherung erhaltene] Geld auf [die Beklagte]überschrieben“). Gegen diese Deutung der Formulierung des Erblassers spricht ferner der Umstand, dass der Erblasser ausweislich der Bekundungen des Zeugen RA1 nach Eingang der Zahlung der Versicherung diesen anwies, 200.000,00 € an die Beklagte auszuzahlen, die diese nach ihrem Vortrag zur Tilgung von (gemeinsamen) Schulden eingesetzt hat. Wenn der Erblasser damals tatsächlich davon ausgegangen wäre, zur Zahlung von 400.000,00€ an die Beklagte rechtlich verpflichtet zu sein, wäre zu erwarten gewesen, dass er den Zeugen RA1 gemäß den Überlegungen aus der E-Mail vom 23. Juli 2008 angewiesen hätte, der Beklagten von der eingegangenen Versicherungssumme einen Betrag in Höhe von 400.000,00 € zu überweisen.

Die Existenz einer entgeltlichen Pflegevereinbarung im Sinne des Vortrags der Beklagten kann auch nicht aus der von dem Zeugen RA1zitierten E-Mail des Erblassers an ihn vom 14. September 2007 (s.Bl. 104 Bd. III) geschlussfolgert werden. Darin heißt es u. a.:„Was bleibt mir nach Abzug Ihres Vorschusses und Kosten[?] Es muss auch etwas mit der Krankenkasse und Bezahlung für [die Beklagte] passieren […]“. Insoweit bleibt bereits unklar, ob der Erblasser eine Bezahlung der Beklagten für bereits geleistete oder aber für noch zu leistende Pflege meint.

Auch die von der Beklagten als Anlage B2 vorgelegte außergerichtliche Vollmacht an die vom Erblasser im Jahr 2007beauftragte Kanzlei RA1 und Kollegen trägt nicht die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung im Jahre 2007. Mit dieser von dem Erblasser sowie zusätzlich mit dem Zusatz "i. V." von der Beklagten unterzeichneten Vollmacht vom 12. Juli 2007 hat nämlich der Erblasser das Anwaltsbüro RA1 & Partner „zu seiner außergerichtlichen Vertretung in der Angelegenheit .../…,und etwaige weitere Beteiligte … - … wegen Schadensersatz, Pflegekosten, Schmerzensgeld“ bevollmächtigt.Die Vollmacht umfasste auch die Entgegennahme von Zahlungen (Ziff.3). Ferner heißt es unter Ziff. 6: „Sämtliche anfallenden Kostenerstattungsansprüche gegenüber Behörden und Dritten werden hiermit nach Genehmigung durch die Vollmachtgeber, unwiderruflich an den / die Bevollmächtigten abgetreten. Diese Vollmacht gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren. Mehrere Vollmachtgeber haften als Gesamtschuldner“ und weiter: „Besondere Vereinbarung: Der gesamte Schriftverkehr muß im voraus dem Vollmachtgeber oder seiner Vertretung zur Kenntnis gebracht werden,durch Unterschrift bestätigt und genehmigt werden.

Alle Zahlungen der Gegenseite / Zahlungspflichtigen /Verurteilten müssen erst auf das Konto bei der C, des Vollmachtgebers E ... oder/und seiner Generalbevollmächtigten F..., eingehen, aus den eingegangenen Summen, wird dann die vereinbarte Verteilung/ Bezahlung erfolgen. Diese General-Vollmacht für Frau F gilt auch und insbesondere nach dem Tod von E“.

Daraus ergibt sich lediglich, dass der Erblasser die Rechtsanwälte RA1 und Kollegen mit seiner Vertretung beauftragt und diese in diesem Zusammenhang auch zur Entgegennahme von Zahlungen ermächtigt sowie Kostenerstattungsansprüche an diese abgetreten hat, dass aber dennoch sämtliche Zahlungen der Gegenseite zunächst auf das Konto des Erblassers oder der Beklagten erfolgen sollten,bevor die an die Rechtsanwälte RA1 und Kollegen abgetretenen Ansprüche erfüllt werden. Über eine zwischen dem Erblasser als Vollmachtgeber und der Beklagten als seiner die Vollmacht mitunterzeichnenden Vertreterin vereinbarte Verteilung eingehender Zahlungen besagt diese Vollmacht hingegen – wie bereits von der 4. Zivilkammer zutreffend erkannt – nichts. Der von der Beklagten bevorzugten Lesart, nach der sich die Wendung „vereinbarte Verteilung/ Bezahlung“ offenbar auf das Innenverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten beziehen soll, steht bereits entgegen, dass mit einer Vollmacht üblicherweise allein bestimmte Rechtsbeziehungen zwischen Anwalt und Mandant geregelt werden. Dass damit – en passant –auch noch eine Vereinbarung zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffen werden sollte, erscheint bereits vor diesem Hintergrund fernliegend.

Auch die Bekundungen des Zeugen RA1 tragen nicht die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung im Jahre 2007. Dieser hat im Rahmen der ergänzenden Beweisaufnahme durch den Senat (§ 538 Abs. 1ZPO) bekundet, er habe mit dem Erblasser in mehreren Telefonaten die Frage der Höhe der Entlohnung für die Beklagte erörtert. Er – der Zeuge RA1 – habe dem Erblasser vorgeschlagen,dass dieser der Beklagten für die Vergangenheit wenigstens 500.000,00 € zahle und mit ihr für die Zukunft eine Vereinbarung treffe. Diese Lösung habe der Erblasser für gut gehalten und erklärt, er werde dies „im Rahmen eines Gesamtkonzepts für seine finanzielle Absicherung“entsprechend regeln. Mit dieser Bekundung des Zeugen RA1 ist mitnichten gesagt, dass der Erblasser und die Beklagte eine entsprechende Vereinbarung im Jahr 2007 (oder später) abgeschlossen haben, sondern allein, dass der Beklagte diese Fragen mit seinem damaligen Rechtsanwalt erörtert hat und diese „im Rahmen eines Gesamtkonzepts für seine finanzielle Absicherung“regeln wollte.

Indiziell gegen die Annahme einer entgeltlichen Pflegevereinbarung in der Form, wie sie von der Beklagten vorgetragen worden ist, spricht schließlich der gewichtige Umstand,dass es schlechterdings unerklärlich ist, warum die Beklagte und der Erblasser – wenn es denn eine solche Vereinbarung gegeben hat – diese nicht in der gebotenen Eindeutigkeit schriftlich fixiert haben. Zwar kann eine solche Vereinbarung auch mündlich getroffen werden. Gerade angesichts des schlechten Gesundheitszustandes des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und der Höhe der in Rede stehenden Summen hätte es hier jedoch mehr als nahegelegen, eine derartige Vereinbarung – ihre Existenz vorausgesetzt – schriftlich zu Papier zu bringen. Dies gilt hier umso mehr, als zum einen der Erblasser offenbar gleich mehrere Rechtsstreite geführt hat und sich daher der Bedeutung von schriftlichen Beweisen für den Ausgang eines Rechtsstreits bewusst gewesen sein muss. Entsprechendes gilt für die – promovierte – Beklagte, die in den mündlichen Verhandlungen vor dem Senat, aber auch in den aus der Gerichtsakte ersichtlichen Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG deutlich gemacht hat, dass sie ihre Interessen durchaus sachgerecht zu artikulieren weiß. Es kommt hinzu, dass dem Erblasser bewusst gewesen ist, dass es nach seinem Ableben zu Streitigkeiten über den Nachlass kommen kann. Dies belegt etwa seine von dem Zeugen RA1 vorgelegte E-Mail vom 28. Mai 2008 (Bl. 114 Bd. III) an diesen, in welcher der Erblasser davon spricht, dass die Beklagte „selbst bei gesetzlichen Ansprüchen [seiner] Nachkommen einen lebenslangen Einsitz behalten“ muss.

Aus den genannten Gründen hat der Senat auch die Überzeugung gewonnen, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Erblasser auch nicht zu einem früheren Zeitpunkt – etwa im Jahre 199… – abgeschlossen worden ist.

In diesem Zusammenhang begegnet es keinen Bedenken, dass die 4.Zivilkammer hinsichtlich der von der Beklagten vorgetragenen Vereinbarung(en) von einer Vernehmung der Beklagten als Partei abgesehen hat. Zum einen lag das Einverständnis der Gegenseite im Sinne von § 447 ZPO nicht vor. Zum anderen ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Beklagte im Rahmen einer förmlichen Parteivernehmung andere Angaben gemacht hätte, als anlässlich ihrer Anhörung im Termin vom 21. Oktober 2011. Bei dieser Sachlage kann von einer Parteivernehmung abgesehen werden, da der Beweiswert einer Anhörung einer Partei gemäß § 141 Abs. 1 ZPO nicht geringer ist als der einer Parteivernehmung gemäß § 447 oder § 448 ZPO (vgl.BGH, Beschluss vom 25.09.2003 - III ZR 384/02, NJW 2003, 3636;Urteil vom 27.09.2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63;Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 448, Rdnr.4).

Hinsichtlich der im Nachlassverzeichnis aufgeführten Positionen „Darlehen an K“ in Höhe von 23.216,20 € und „Zweites Darlehen an K“ in Höhe von 25.031,75 €handelt es sich – wie von der 4. Zivilkammer zutreffend erkannt – nicht um von dem Erblasser der Klägerin hergegebene Darlehen, sondern vielmehr um der Klägerin von der C gewährte Darlehen, bei denen der Erblasser gesamtschuldnerisch mithaftender Darlehensnehmer war, die jedoch im Innenverhältnis allein von der Klägerin zurückzuzahlen waren. Im Falle einer derartigen gesamtschuldnerischen Mithaftung des Erblassers mit anderen ist für den Passivbestand des Nachlasses auf das Innenverhältnis der Gesamtschuldner abzustellen und (nur) der danach den Erblasser treffende Anteil zu berücksichtigen (vgl. etwa Lange, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 9, 6. Aufl. 2013, § 2311, Rdnr. 14; Haas,in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2311, Rdnr. 38). Dies hat zur Folge, dass der Nachlass nicht belastet ist und die Verbindlichkeit bei der Bewertung des Nachlasses nicht berücksichtigt wird, wenn der neben dem Erblasser gesamtschuldnerisch Verpflichtete im Innenverhältnis allein haftet (vgl. etwa Lange, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 9, 6. Aufl.2013, § 2311, Rdnr. 14; Haas, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2311, Rdnr. 38). Hier haftet nach der Abrede zwischen dem Erblasser und der Klägerin im Innenverhältnis allein die Klägerin.Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Czwischenzeitlich einmal mit einer Zahlungsaufforderung an die Beklagte gewandt hat. Entscheidend sind nämlich insoweit die zwischen den Parteien unstreitigen Umstände, dass die Klägerin im Innenverhältnis alleine haftet und die Beklagte folgerichtig auch keine Zahlungen auf die Darlehensschulden geleistet hat.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1Satz 2 BGB.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils gründet sich auf die §§ 708 Nr. 10 Satz 2,711 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils findet seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 - 1 BvR 2587/06, NJW 2009,572, 573; Beschluss vom 27.05.2010 - 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010,1235, 1236; Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 2649/06, juris; BGH,Beschluss vom 04.07.2002 - V ZB 16/02, NJW 2002, 3029; Ball, in:Musielak (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 10. Aufl. 2013, § 543 ZPO,Rdnr. 5; Heßler, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 543, Rdnr. 11;Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.04.2013, § 543, Rdnr. 19).Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. Senat, Urteil vom 13.08.2013 - 15 U 8/12, ZInsO 2013, 1957, 1960; BVerfG, Beschluss vom 19.07.2007 - 1 BvR 650/03, NJW-RR 2008, 26, 29; Beschluss vom 27.05.2010 - 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; Heßler, in:Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012, § 543, Rdnr. 11). Hat der Bundesgerichtshof eine Rechtsfrage bereits geklärt, kann sich weiterer Klärungsbedarf ergeben, wenn nicht nur einzelne Instanzgerichte oder Literaturstimmen der Auffassung des Bundesgerichtshofes (weiterhin) widersprechen oder wenn neue Argumente ins Feld geführt werden, die den Bundesgerichtshof zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl.BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 - 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572,573; Beschluss vom 27.05.2010 - 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235,1236; Ball, in: Musielak (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 10. Aufl.2013, § 543 ZPO, Rdnr. 5a).

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles geprägte Einzelfallentscheidung.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage nicht an, ob der Einzelrichter im Berufungsverfahren die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zulassen kann (diese Frage grundsätzlich bejahend BGH, Urteil vom 16.07.2003 - VIII ZR 286/02,NJW 2003, 2900, 2901).

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl.BGH, Beschluss vom 04.07.2002 - V ZR 75/02, NJW 2002, 2295;Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1945;Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 543, Rdnr. 4b;Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.04.2013, § 543, Rdnr. 26).

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.