LG Duisburg, Urteil vom 22.08.2013 - 8 O 22/13
Fundstelle
openJur 2013, 44798
  • Rkr:

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur durch eine Rechtshandlung des zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Handlung materiell Berechtigten gehemmt werden; dies kann auch der gewillkürte Prozessstandschafter sein.

Allein aus der Rechten- und Pflichtenstellung des Verwalters einer WEG kann dieser das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse nicht herleiten. Daher wird durch ein vom Verwalter im eigenen Namen geführtes selbständiges Beweisverfahren, das mögliche Ansprüche der WEG gegenüber Dritten zum Gegenstand hat, die Verjährung dieser Ansprüche grundsätzlich nicht gehemmt."

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die frühere Klägerin ist Verwalterin der Klägerin. Der Beklagte zu 1. ist Eigentümer des Nachbargrundstücks der Klägerin.

Als Bauherr gab der Beklagte zu 1. bei der Beklagten zu 2. im Jahr 2004 eine Baumaßnahme in Auftrag, die von dieser als Generalunternehmerin durchgeführt wurde. Dabei wurde am 22. Oktober 2004 mit den Ausschachtungsarbeiten an einer Baugrube begonnen, die bis an das Grundstück der Klägerin grenzte.

Die frühere Klägerin hat am 9. März 2006 bei der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagten beantragt, das Risse an den Außenwänden des Gemeinschaftseigentums der Klägerin zum Gegenstand hatte (1 OH 102/06). Dieser Antrag ist den Beklagten am 21. März 2006 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 hat das Landgericht die Einholung eines Ergänzungsgutachtens mit der Begründung abgelehnt, dass das selbständige Beweisverfahren beendet sei, weil erst mehr als 6 Monate nach Zugang des 2. Ergänzungsgutachtens am 12. September 2011 eine Ergänzung beantragt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des selbständigen Beweisverfahrens wird auf die beigezogenen Verfahrensakten und dabei insbesondere auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. E vom 3. Juli 2009 und seine Ergänzungsgutachten vom 10. März 2010 und 24. August 2011 Bezug genommen.

Nachdem zunächst die frühere Klägerin die Beklagte wegen der im selbständigen Beweisverfahren gegenständlichen Rissbildung auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Juli 2012 erklärt, nunmehr Klägerin dieses Rechtsstreits zu sein. Die frühere Klägerin hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2013 erklärt, aus diesem Rechtsstreit ausscheiden zu wollen.

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten geltend, dass infolge der nicht nach den anerkannten Regeln der Technik durchgeführten Aushubarbeiten die bereits während der Baumaßnahme sichtbaren Risse entstanden seien, und verlangt insoweit als Schadensersatz den Nettobetrag der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. E im Gutachten vom 3. Juli 2009 geschätzten Beseitigungskosten.

Sie beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilten, an die Klägerin 19.748 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2012 zu zahlen.

Die Beklagten haben einem Parteiwechsel widersprochen und beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie berufen sich gegenüber der Klageforderung auf die Einrede der Verjährung.

Gründe

I.

Klägerin ist aufgrund eines wirksamen Parteiwechsels nicht mehr die H mbH, sondern die Wohnungseigentumsgemeinschaft C-straße 0, 0 Duisburg.

Die neue Klägerin hat mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013, der den Beklagten am 8. Juli 2013 zugestellt worden ist, erklärt, nunmehr (allein) als Klägerin in diesem Rechtsstreit agieren zu wollen, die frühere Klägerin ihr Ausscheiden aus dem Rechtsstreit mitgeteilt. Einer Einwilligung der Beklagten in diesen Parteiwechsel bedurfte es nicht, weil die bisherigen Parteien noch nicht zur Sache verhandelt hatten, wie sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 269 Abs. 1 ZPO ergibt. Vielmehr kam es nur darauf an, ob der angestrebte Parteiwechsel als sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO anzusehen ist (vgl. zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Klägerwechsel auch Zöller-Greger, 29. Aufl. § 263 Rn. 29 ff). Dies ist der Fall, weil die frühere Klägerin als Prozessstandschafterin für die jetzige Klägerin deren angeblichen Schadenersatzanspruch wegen der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums durch die Beklagten geltend machen wollte.

II.

Die jetzige Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin parteifähig gemäß § 50 Abs. 1 ZPO, weil sie - bezogen auf den geltend gemachten gesetzlich begründeten Anspruch wegen der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums - rechtsfähig ist und folgerichtig auch klagen kann, § 10 Abs. 6 Satz 2, 1, 5 WEG.

III.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin kann einen Anspruch auf Schadensersatz, der sich in Ermangelung vertraglicher Beziehung mit den Beklagten im Zusammenhang mit deren Baumaßnahme im Jahr 2004 nur aus unerlaubter Handlung ergeben könnte, jedenfalls nicht mehr durchsetzen, nachdem sich die Beklagten auf die Einrede der Verjährung berufen haben, § 214 Abs. 1 BGB.

Folgerichtig kann dahin stehen, dass die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1. als Bauherren bislang nicht schlüssig dargelegt hat, weil sie weder dargelegt hat, welches eigene Verhalten der Beklagten zu 1. eine deliktische Haftung nach sich ziehen sollte, noch, inwieweit die Beklagte zu 1. für ein deliktisches Handeln des Beklagten zu 2. zur Haftung herangezogen werden könnte.

Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB sind seit dem Ablauf des 31.12.2007 verjährt.

1.

Die dreijährige (§ 195 BGB) Verjährung begann hier gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2004. Sollte das Gemeinschaftseigentum nämlich beim Aushub der Baugrube im Oktober 2004 beschädigt worden sein, wäre ein sich hieraus ergebender Schadensersatzanspruch im Jahr 2004 entstanden, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Klägerin hätte überdies, da sich die Risse bereits bei der Durchführung der Aushubarbeiten gezeigt haben, auch noch im Jahre 2004 von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners - nach dem Verständnis des Klägerin ihres Nachbarn und der bauausführenden Person - Kenntnis erlangt.

2.

Die Verjährung ist nicht seit dem Eingang des danach "demnächst" zugestellten Antrags der früheren Klägerin im selbständigen Beweisverfahren am 9. März 2006 gemäß §§ 167 ZPO, 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt gewesen. Dieser Antrag hat zu keiner Hemmung der Verjährung von Ansprüchen der Klägerin geführt, weil die Klägerin selbst am selbständigen Beweisverfahren nicht beteiligt war.

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur durch eine Rechtshandlung des zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Handlung materiell Berechtigten gehemmt werden. "Berechtigt" in diesem Sinne sind zwar nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur der ursprüngliche Forderungsinhaber und sein Rechtsnachfolger, sondern auch der gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafter (BGH NJW 2010, 2270 m.w.N.). Unzweifelhaft liegt kein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft vor. Die frühere Klägerin kann aber auch nicht als gewillkürte Prozessstandschafterin der neuen Klägerin angesehen werden. Eine gewillkürte Prozessstandschaft erfordert neben der Ermächtigung des Forderungsinhabers ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Prozessstandschafters an der Geltendmachung des fremden Anspruchs im eigenen Namen (allgemeine Meinung, vgl. Zöller-Vollkommer, 29. Aufl., Vor § 50 ZPO Rn. 44 m.w.N.). An einem solchen Eigeninteresse fehlt es.

a)

Allein aus ihrer Rechten- und Pflichtenstellung als Verwalterin konnte die frühere Klägerin dieses schutzwürdige Eigeninteresse nicht herleiten.

Der Bundesgerichtshof ist zwar bis zu seiner grundlegenden Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 2. Juni 2005 (V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061) davon ausgegangen, dass das selbständige Beweisverfahren die Verjährung von Ansprüchen der Wohnungseigentümer hemmt, wenn der Verwalter diese in Prozessstandschaft für die Eigentümer mit deren Ermächtigung durchgeführt hat (BGH NJW 2003, 3196). Dem lag das damalige Verständnis zugrunde, dass die Eigentümergemeinschaft als solche nicht rechtsfähig sei und Ansprüche in Ansehung des Gemeinschaftseigentums von allen Eigentümern gemeinsam geltend gemacht müssten. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist deshalb vor der Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiges Rechtssubjekt von einem Interesse sowohl der Wohnungseigentümer, als auch der Schuldner und von einem erheblichen praktischen Bedürfnis ausgegangen, Ansprüche der Eigentümer über das Rechtsinstitut der gewillkürten Prozessstandschaft zu bündeln. Das für eine gewillkürte Prozessstandschaft neben der Ermächtigung des Forderungsinhabers erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Verwalters wurde aus der Pflicht hergeleitet, die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (vgl. die Nachweise im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10 -, BGHZ 188, 157 = NJW 2011, 278).

Mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2005, dem der Gesetzgeber durch die WEG-O mit Wirkung vom 1. Juli 2007 Rechnung getragen hat - sind diese Erwägungen aber hinfällig geworden, weil weder ein Interesse, noch ein praktisches Bedürfnis mehr für eine gewillkürte Prozessstandschaft des Verwalters bestand, um die Ansprüche aller Eigentümer zu bündeln. Diese Bündelung ist nämlich seither, soweit sie teilrechtsfähig ist, in der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden (Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 45/10, BGHZ 1888, 157 = NJW 2011, 1361), dass das für eine Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse nicht aus der Wahrnehmung seiner ihm gegenüber den Eigentümern obliegenden Aufgaben hergeleitet werden kann. Vielmehr trifft ihn seit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG die Pflicht, einer effektiven Anspruchsdurchsetzung dadurch Sorge zu tragen, dass der rechtsfähige Verband seine Rechte selber durchsetzt.

b)

Die Klägerin hat - ebenso wie die frühere Klägerin im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens - keine anderen Gründe aufgezeigt, aus denen sich ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Antragstellung im eigenen Namen ergeben könnte, sondern sich nur auf den Auftrag der Eigentümer berufen, im eigenen Namen ein selbständiges Beweisverfahren einzuleiten (vgl. auch schon Antragsschrift der früheren Klägerin vom 7. März 2006, Seite 3, I.). Solche Umstände, die etwa dann gegeben sein können, wenn sich der Verwalter sich selbst schadensersatzpflichtig gemacht hat und er zur Schadensminderung ermächtigt wird, auf eigene Kosten einen (zweifelhaften) Anspruch gegen Dritte durchzusetzen (vgl. BGH NJW 2011, 1361 [1362]), sind bei der Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen wegen der Beschädigung des Gemeinschaftseigentums durch Dritte auch nicht anderweitig ersichtlich - wie nicht zuletzt der vollzogenen Parteiwechsel zeigt, mit dem frühere und jetzige Klägerin gerade dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2011 Rechnung tragen wollten.

3.

Die Klägerin kann - auch in Ansehung der Rechtsausführungen im Schriftsatz vom 15. August 2013 - keine günstigeren Rechtsfolgen daraus ableiten, dass das selbständige Beweisverfahren zwischen der früheren Klägerin und den Beklagten tatsächlich durchgeführt worden ist. Insoweit geht es nicht um die Frage, ob der damalige Antrag unzureichende Angaben enthielt (vgl. hierzu BGH NJW 1983, 1901; NJW 1998, 1305 [1306] zu § 212 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) oder überhaupt unzulässig war, wobei überdies zu berücksichtigen wäre, dass das für die Zulässigkeit des Antrags im selbständigen Beweisverfahren notwendige rechtliche Interesse bereits dann besteht, wenn die begehrte Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, § 485 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Vielmehr geht es um die nach materiellem Recht zu entscheidende Frage, ob durch das nicht von ihr selbst durchgeführte selbständige Beweisverfahren die Verjährung eines Anspruchs der Wohnungseigentümergemeinschaft gehemmt wurde. Dies ist aus den bereits angeführten Gründen nicht der Fall, weil die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahren durch einen Nichtberechtigten, der auch kein Prozessstandschafter des Berechtigten ist, die Verjährung ebenso wenig hemmt wie die Klage eines Nichtberechtigten (hierzu: Palandt-Ellenberger, 72. Aufl., § 204 BGB Rn. 9 m.w.N.).

4.

Die Klage durch die jetzige Klägerin konnte schließlich die Verjährung des Anspruchs nicht mehr hemmen, weil die Verjährung bei Zustellung des Schriftsatzes vom 2. Juli 2013 bereits vollendet war.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1, 2 ZPO. Einer Kostenentscheidung im Hinblick auf die frühere Klägerin bedurfte es nicht mehr, nachdem diese bereits am 9. Juli 2013 anlässlich ihres Ausscheidens aus dem Rechtsstreit ergangen ist (vgl. hierzu OLG Hamm MDR 2007, 1447).

Streitwert: 19.748 EUR.