Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.10.2013 - 9 C 12.2431
Fundstelle
openJur 2013, 44514
  • Rkr:

Infektionsschutzrecht; Streitwertbeschwerde eines (teilweise) kostenpflichtigen Verfahrensbeteiligten; (fehlende) Beschwer der (teilweise) obsiegenden Partei für Erhöhung des Streitwerts; keine Umdeutung in eine Beschwerde des Prozessbevollmächtigten

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin erstrebt im vorliegenden Fall im Wege einer Streitwertbeschwerde die Erhöhung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts.

Die Antragstellerin betreibt in München eine chirurgische Privatklinik. Aufgrund des Ergebnisses einer infektionshygienischen Überprüfung durch Vertreter der Regierung von Oberbayern und des Bayer. Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in der Operationsabteilung der Klinik erließ die Antragsgegnerin am 20. September 2011 einen Bescheid, in dem sie – unter Bestätigung einer entsprechenden mündlichen Anordnung vom 12. September 2011 – der Antragstellerin u.a. aufgab, Gelenkersatzverfahren/Endoprothetik mit sofortiger Wirkung ausschließlich im Operationssaal 6 durchzuführen und in die Operationssäle 1 bis 5 innerhalb von sechs Monaten (automatische) OP-Türen einbauen zu lassen (Nr. I.1 und I.2 des Bescheids). Für den Fall eines Verstoßes gegen die genannten Anordnungen wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 20.000 Euro angedroht.

Die Antragstellerin erhob gegen diesen Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte ferner die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage bezüglich der Nrn. I.1 und I.2 des Bescheids wiederherzustellen. Nach ihren Angaben im Antragsverfahren ist ihr durch die streitgegenständlichen Anordnungen und die Presseberichterstattung hierüber bislang ein Schaden von schätzungsweise drei Millionen Euro entstanden. In der Klinik seien ca. 550 Operationen weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum durchgeführt worden.

Mit Beschluss vom 8. März 2012 stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin bezüglich der ihr in Nr. I.1 und I.2. des Bescheids auferlegten Verpflichtungen unter der Auflage wieder her, dass die Antragstellerin vor Wiederaufnahme der untersagten Operationstätigkeit dem Gericht die Bestätigung eines anerkannten Sachverständigen für Gesundheits- und Hygienetechnik vorlegt. In der Kostenentscheidung überbürdete es der Antragstellerin 1/5 und dem Antragsgegner 4/5 der Verfahrenskosten. Den Streitwert setzte es auf 5.000 Euro fest. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass unter der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Anordnungen überwiege. Die Kostenentscheidung stützte es auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; sie berücksichtige, dass die Antragstellerin aufgrund der vom Gericht angeordneten Auflage mit ihrem Antrag nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sei. Die Streitwertfestsetzung ergebe sich aus § 52 Abs. 2 GKG. Von einer Halbierung des Streitwerts für das Eilverfahren gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs sah das Gericht ab, da die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag im Ergebnis dasselbe begehre wie in der Hauptsache – nämlich die Möglichkeit, in ihren Operationssälen wieder uneingeschränkt operieren zu dürfen. Im Klageverfahren (Az. M 18 K 11.4896) hatte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Oktober 2011 den Streitwert im Wege der vorläufigen Streitwertfestsetzung ebenfalls auf 5.000 Euro festgesetzt.

Mit (rechtskräftigem) Urteil vom selben Tag, der Antragstellerin zugestellt am 5. April 2012, hob das Verwaltungsgericht die am 12. September 2011 ausgesprochenen mündlichen Anordnungen in der Fassung der Nummern I.1, I.2 und I.4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. September 2011 auf und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf.

Mit der am 5. November 2012 „namens und im Auftrag der Klägerin“ beim Verwaltungsgericht eingelegten Streitwertbeschwerde wird zuletzt (siehe Schriftsatz vom 5.12.2012) beantragt,

den Streitwert auf jedenfalls nicht weniger als 2,602 Mio. Euro festzusetzen.

Unter Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung gegen die Festsetzung des Streitwerts im Hauptsacheverfahren (Az. 9 C 12.2434) wird u.a. vorgetragen, der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert entspreche nicht den Vorschriften des GKG (§ 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG) und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Antragstellerin habe von Anfang an klargestellt, dass es ihr mit ihrer Klage zum Einen um die Aufhebung der angefochtenen Anordnungen als solche gegangen sei, weil damit für sie „unmittelbare“ erhebliche wirtschaftliche Nachteile verbunden gewesen seien. Darüber hinaus sei es ihr aber auch darum gegangen, durch die erstrebte Gerichtsentscheidung die verbindliche Feststellung zu bekommen, dass der von der Antragsgegnerin erhobene Vorwurf, in der Klinik der Antragstellerin herrschten hygienisch unzuträgliche Zustände, falsch sei. Sie habe deshalb bereits in ihrem Eilantrag vom 8. November 2011 darauf hingewiesen, dass sich der ihr durch die angefochtenen Anordnungen entstandene Schaden bisher – also nur ca. sechs Wochen nach Erlass des Bescheids vom 20. September 2011 – auf einen Betrag von ca. 1,2 Mio. Euro belaufe. Aus der von ihr im November 2012 erhobenen Amtshaftungsklage gegen die Antragsgegnerin ergebe sich bezüglich der Anordnung in Nr. I.1 des Bescheids ein Schaden in Höhe von 2.486.000 Euro. Der von der Antragsgegnerin ferner geforderte Einbau automatischer OP-Türen in den Operationssälen 1 bis 5 verursache Kosten in Höhe von 111.919 Euro; dieser Betrag sei auch für die Streitwertfestsetzung maßgeblich. Jedenfalls sei insoweit gemäß der Regelung in Nr. 1.6.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Streitwert von 100.000 Euro (5 OP-Türen x 20.000 Euro/Tür) festzusetzen.

Das Verwaltungsgericht half der Beschwerde nicht ab.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht sei zu Recht vom Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG ausgegangen.

II.

Die ausdrücklich namens und im Auftrag der Antragstellerin eingelegte Beschwerde mit dem Ziel, den vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert von 5.000 Euro auf 2.602.000 Euro zu erhöhen, ist mangels Beschwer der Antragstellerin unzulässig. Die Antragstellerin hat kein anerkennenswertes Rechtsschutzbedürfnis an der von ihr begehrten Erhöhung des Streitwerts.

Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Da sich die Höhe der Gerichtsgebühren (§ 3 Abs. 2 GKG) und der Rechtsanwaltskosten (§ 11 RVG) nach dem festgesetzten Streitwert richten, kann ein Verfahrensbeteiligter durch die Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert zu hoch festgesetzt ist. Sein Beschwerdebegehren kann im Allgemeinen schutzwürdig nur auf eine Herabsetzung des Streitwerts gerichtet sein, um die ihm auferlegte Kostenlast zu mindern, nicht jedoch darauf, den Prozessgegner mit höheren Kosten zu belasten. Bei einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung ist regelmäßig nur der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert, der dann aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Beschwerde führen kann (vgl. Sächs. OVG, B.v. 3.9.2010 – 3 E 32/10 – juris Rn. 2).

Ein schutzwürdiges Interesse des nicht kostenpflichtigen Verfahrensbeteiligten an einer Streitwerterhöhung kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann vorliegen, wenn der im Verfahren obsiegende und daher kostenerstattungsberechtigte Beteiligte mit seinem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen hat, die von einem höheren als dem gerichtlich festgesetzten Streitwert ausgeht. In diesem Fall kann er nämlich bei einer höheren Streitwertfestsetzung von seinem Prozessgegner einen höheren Betrag liquidieren und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der Vergütungsvereinbarung mindern (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, B.v. 15.1.2013 – 1 O 103/12 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.5.1996 – 2 C 96.526 NVwZ-RR 1997, 195). Zum Bestehen einer derartigen Honorarvereinbarung ist hier indes nichts vorgetragen.

Auch sonstige besondere Umstände, aus denen sich ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin an einer Erhöhung des Streitwerts ergeben könnte, sind nicht dargelegt. Im Gegenteil spricht nach den hier gegebenen Umständen vieles dafür, dass die Antragstellerin keinerlei Interesse an einer Erhöhung des Streitwerts haben kann, weil diese Erhöhung sie kostenmäßig zusätzlich belasten würde. Denn ihr Rechtsschutzbegehren hatte zwar überwiegend Erfolg, zum Teil ist sie damit aber nicht durchgedrungen mit der Folge, dass sie nach der Kostenentscheidung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses 1/5 der Verfahrenskosten zu tragen hat. Die mit der Beschwerde begehrte Erhöhung des Streitwerts würde daher auch den von ihr zu tragenden Anteil der Verfahrenskosten ganz erheblich erhöhen. Letztlich käme die begehrte Streitwerterhöhung wohl allein ihrem anwaltlichen Bevollmächtigten zugute.

Eine vom anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG aus eigenem Recht erhobene Streitwertbeschwerde liegt hier nicht vor. Denn die Beschwerde wurde ausdrücklich „namens und im Auftrag der Klägerin (gemeint: Antragstellerin)“ eingelegt. Auch im Schriftsatz vom 5. Dezember 2012, in dem das Erhöhungsbegehren gegenüber dem ursprünglichen Beschwerdeantrag um ca. 700.000 Euro reduziert wurde, wird der Antrag vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ausdrücklich „namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin“ und nicht im eigenen Namen gestellt. Angesichts dieses klaren und eindeutigen Wortlauts besteht für eine Auslegung dahingehend, dass es sich in Wahrheit um eine vom Bevollmächtigten der Antragstellerin im eigenen Namen erhobene Beschwerde nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG handeln solle, kein Raum (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.1976 – 273 VIII 74 – juris).

Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren erübrigen sich, da dieses Verfahren nach § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 GKG).