KG, Beschluss vom 24.10.2013 - Verg 11/13
Fundstelle
openJur 2013, 44496
  • Rkr:

1) a) In Fällen, in denen - wie vorliegend - nicht erkennbar ist, dass die Vergabestelle bei ihrer Kostenschätzung sachfremde Erwägungen angestellt hat, ist die Entscheidung der Vergabestelle, die Ausschreibung nach den Regeln einer Oberschwellenvergabe durchzuführen, für den weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens sowie das sich ggf. anschließende Vergabenachprüfungsverfahren im Hinblick auf § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 3 VgV bindend, auch wenn das Auftragsvolumen sowohl des Angebots der im Vergabenachprüfungsverfahren beigeladenen Bestbieterin als auch des Angebots der Antragstellerin deutlich unter 5.000.000 EUR liegt.

b) Für das Fehlen sachfremder Erwägungen spricht u.a., dass die Auftragsvolumina der Angebote anderer, nicht beigeladener Bieter die Schwelle von 5.000.000 EUR überschreiten.

2) Sehen die Vergabebestimmungen vor, dass Angebote nur für eines von zwei Losen zulässig ist und bewerben sich zwei Bietergemeinschaften, deren beteiligte Unternehmen z.T., aber nicht vollständig personenidentisch sind, dergestalt, dass die eine Bietergemeinschaft ein Angebot für das eine Los abgibt und die andere Bietergemeinschaft ein Angebot für das andere Los, so sind die Bietergemeinschaften jedenfalls dann vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn die Unternehmen die beiden verschiedenbesetzen Bietergemeinschaften erkennbar zum Zwecke der Umgehung der Vergabebestimmung gebildet haben (sachverhaltliche Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.05.2013, VII - Verg 8/03).

3) Geht der Erteilung des Zuschlags kein ihm begründeter Vergabevermerk der Vergabestelle voraus, ist auf den Vergabenachprüfungsantrag einen nichtzuschlagsfavorisierten Bieters das Vergabeverfahren bis mindestens zu dem Zeitpunkt aufzuheben, der unmittelbar vor der Angebotsabsage liegt.

4) a) Das Eingehen einer Bietergemeinschaft erfüllt ohne weiteres den Tatbestand einer Abrede bzw. Vereinbarung im Sinne von § 1 GWB.

b) Das Ausnutzen von Synergiepotenzialen als Grund für das Eingehen einer Bietergemeinschaft lässt den Verstoß gegen § 1 GWB nicht entfallen.

c) Für die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens wegen der Vergaberechtswidrigkeit des Eingehens einer Bietergemeinschaft fehlt dem Mitwettbewerber regelmäßig die Antragsbefugnis i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB.

5) Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB hat das Interesse des Antragstellers an einem rechtmäßigem Ablauf des Vergabeverfahrens im Falle der Erfolgsaussicht seines Vergabenachprüfungsantrags regelmäßig den Vorrang vor dem Interesse der Vergabestelle an einer alsbaldigen Zuschlagserteilung.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin vom 26. Juni 2013 gegen den - wegen fruchtlosen Ablaufs der gesetzlichen Entscheidungsfrist gemäß § 116 Abs. 2 GWB fingierten - nachprüfungsantragsablehnenden Beschluss der Vergabekammer des Landes Berlin, 2. Beschlussabteilung (VK-B2-03/13), wird bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache verlängert.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu 200.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1.

Der Antrag ist gemäß § 118 Abs. 2 GWB begründet.

Denn die sofortige Beschwerde hat Aussicht auf Erfolg und die Abwägung der Interessen der Beteiligten gebietet es nicht, dass der Vergabezuschlag aufschublos erteilt werden kann. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a)

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

So ist die am 26.6.2013 beim Kammergericht eingereichte sofortige Beschwerde gemäß § 116 Abs. 2 GWB statthaft und wurde gemäß § 117 Abs. 1 GWB fristgerecht eingelegt. Denn die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 21.6.2013 den Parteien mitgeteilt, dass sie ihre Amtstätigkeit im Zuständigkeitsbereich der vorliegend geschäftsplanmäßig zuständigen 2. Beschlussabteilung mangels personeller Besetzung für absehbare Zeit eingestellt habe und deshalb die Entscheidungsfrist gemäß § 113 Abs. 1 GWB für den am 5.2.2013 eingereichten Vergabenachprüfungsantrag nicht verlängern werde (Bl. 348 der Akte der Vergabekammer). Der Umstand, dass es Grundsätzen ordnungsgemäßer, rechtsstaatlicher Verwaltung widerspricht, Vergabenachprüfungsverfahren einer Beschlussabteilung zuzuweisen, die die Landesregierung personell auf absehbare Zeit unbesetzt lässt, ändert nichts daran, dass die Frist des § 113 Abs. 1 GWB verstreicht und so der Weg zu den Gerichten eröffnet wird.

b)

Die sofortige Beschwerde ist - nach derzeitigem Sach- und Streitstand - auch begründet. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa)

Der Vergabenachprüfungsantrag ist zulässig. Hierzu im Einzelnen:

(1.)

Der Schwellenwert von 5.000.000 EUR, dessen Erreichen gemäß § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 3 VgV vorliegend erforderlich ist für die Anwendbarkeit der §§ 102 ff. GWB, ist erreicht.

Denn der Antragsgegner hat das Auftragsvolumen für das streitgegenständliche Los 2 per 11.2.2013 auf deutlich über 5.000.000 EUR geschätzt (Bl. 1481-1484 der Vergabeakte) und hat auf Grundlage seiner Kostenschätzung eine europaweite Ausschreibung nach den Regeln einer Oberschwellenvergabe durchgeführt. Zwar lag das Auftragsvolumen sowohl des Angebots der Beigeladenen zu 1) als auch des Angebots der Antragstellerin deutlich unter 5.000.000 EUR (Bl. 1485 der Vergabeakte). Dieser Umstand ist jedoch unerheblich. Denn in Fällen, in denen - wie vorliegend - nicht erkennbar ist, dass die Vergabestelle bei ihrer Kostenschätzung sachfremde Erwägungen angestellt hat, ist die Entscheidung der Vergabestelle, die Ausschreibung nach den Regeln einer Oberschwellenvergabe durchzuführen, für den weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens sowie das sich ggf. anschließende Vergabenachprüfungsverfahren bindend (ebenso VK Hessen, Beschl. v. 21.3.2013, 69d VK 1/2013, Rdnr. 39 zit. nach Juris). Dafür spricht zum einen der allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsatz der Bindung der Verwaltung an ihre eigenen Entscheidungen und zum anderen das vergaberechtliche Gebot der Transparenz des Vergabeverfahrens. Ferner dafür spricht § 3 VgV. Denn nach dieser Vorschrift ist die Frage des Erreichens der Schwellenwerte anhand einer „Schätzung“ des Auftragswertes zu beantworten. Die Schätzung ist naturgemäß durch die Vergabestelle vorzunehmen, nicht aber durch die - erst sehr viel später eingreifende - Vergabenachprüfungsinstanz. Ob anders im umgekehrten Falle zu entscheiden ist, in dem die Vergabestelle irrtümlich ein zu niedriges Auftragsvolumen schätzt und deshalb keine Ausschreibung nach den Regeln einer Oberschwellenvergabe durchführt (vgl. hierzu OLG München, Beschl. v. 11.4.2013, Verg 3/13), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls unterscheidet sich diese Fallgestaltung von der vorliegenden Fallgestaltung insofern, als die irrtümliche Nichtdurchführung eines Oberschwellenverfahrens die Rechte der Bieter einschränkt und daher strenger zu betrachten ist als die irrtümlich Durchführung eines Oberschwellenverfahrens. Im Übrigen spricht für die Annahme eines Oberschwellenverfahrens vorliegend, dass die Auftragsvolumina der Angebote anderer Bieter die Schwelle von 5.000.000 EUR überschritten, z.T. sogar deutlich (Bl. 1485 der Vergabeakte).

Dahinstehen kann daher, ob bei der Berechnung Auftragswertes gemäß § 3 Abs. 7 VgV auch das Auftragsvolumen betreffend das Los 1 einzubeziehen ist.

(2.)

Der Antragsteller hat jedenfalls im Hinblick auf die Rüge der ausschreibungswidrigen Doppelbewerbung der beiden Beigeladenen die Fristen des § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GWB gewahrt.

Denn die Antragstellerin erlangte erstmals mit Zugang des Angebotsspiegels vom 8.1.2013 Kenntnis von der Bewerbung beider Beigeladenen und rügte diesen Umstand sodann unverzüglich mit Schreiben vom 10.1.2013 (Bl. 30 der Akte der Vergabekammer; Anlage ASt 4 zum Vergabenachprüfungsantrag vom 5.2.2013). Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 24.1.2013 die Rüge zurückwies (Bl. 33 der Akte der Vergabekammer; Anlage ASt 7 zum Vergabenachprüfungsantrag vom 5.2.2013) stellte die Antragstellerin innerhalb von 15 Kalendertagen am 5.2.2013 den Vergabenachprüfungsantrag.

Dahinstehen kann folglich, ob der Vergabenachprüfungsantrag auch wegen der Rüge des Zusammenschlusses der Unternehmen der Beigeladenen zu 1) zu einer Bietergemeinschaft zulässig ist. Denn der Vergabenachprüfungsantrag ist bereits wegen der Rüge der Doppelbewerbung begründet, wie sogleich auszuführen sein wird (s.u., zu bb.). Der Senat wird allerdings - im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren - nachfolgend auch näher zu den übrigen Rügen ausführen (s.u., zu cc.).

bb)

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Denn die Erteilung des Zuschlages zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) verstößt gegen das Vergaberecht jedenfalls insofern, als das Angebot der Beigeladenen zu 1) hätte gemäß §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b), 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssen wegen Nichtbeachtung von Ziffer VI.3., Punkt II.1.9 der Auftragsbekanntmachung vom 16.11.2012 (Bl. 22 der Akte der Vergabekammer; Anlage ASt 1 zum Vergabenachprüfungsantrag vom 5.2.2013) sowie Ziffer 6 der „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ vom 19.11.2012 (Bl. 26 der Akte der Vergabekammer; Anlage ASt 2 zum Vergabenachprüfungsantrag vom 5.2.2013). Dies ergibt sich aus Folgendem:

(1.)

Nach Ziffer VI.3., Punkt II.1.9 der Auftragsbekanntmachung und Ziffer 6 der „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ war es für einen und denselben Bieter nicht zulässig, ein Angebot sowohl für das Los 1 als auch für das - streitgegenständliche - Los 2 abzugeben.

Dies folgt aus dem Wortlaut von Ziffer VI.3., Punkt II.1.9 der Auftragsbekanntmachung („Angebote sind nur für ein separates Los [Los 1 oder Los 2] zulässig. Mehrfachangebote sind nicht zulässig“). Aus dem Wortlaut der Ziffer 6 der „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ vom 19.11.2012 („Aufteilung in Lose: Ja, Angebote können abgegeben werden für ein Los“) kann Gegenteiliges nicht geschlossen werden, auch wenn er etwas weicher formuliert ist. Denn die Bestimmung in Ziffer 6 der „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ vom 19.11.2012 wäre jedenfalls im Lichte der Ziffer VI.3., Punkt II.1.9 der Auftragsbekanntmachung einschränkend auszulegen. Im Übrigen folgt aus dem Umstand, dass in Ziffer VI.3., Punkt II.1.9 der Auftragsbekanntmachung die formularmäßig vorhandene Option „mehrere Lose“ nicht abgekreuzt wurde, dass diese Möglichkeit gerade nicht bestehen sollte.

(2.)

Die Beigeladene zu 1), die ein Angebot für das - streitgegenständliche - Los 2 abgegeben hat, und die Beigeladene zu 2), die ein Angebot für das Los 1 abgegeben hat, sind für die Zwecke der vorgenannten Vergabebestimmung als ein und derselbe Bieter anzusehen.

Dafür spricht zum einen der Zweck der Vergabebestimmung. Denn dieser ist es offenbar zu verhindern, dass ein Unternehmen nicht sowohl auf dem Baustellenbereich des Loses 1 (Untergeschoss bis 3. Obergeschoss sowie Treppenhaus des zu sanierenden Gebäudes) als auch auf dem Baustellenbereich des Loses 2 (Regel- und Technikgeschosse des zu sanierenden Gebäudes) tätig wird. Dem mag u.a. das Interesse des Antragsgegners zu Grunde gelegen haben, einer personellen Überforderung des Auftragnehmers bei möglichst zügiger Auftragsdurchführung vorzubeugen. Im Falle der Zuschlagerteilung zu Gunsten der Beigeladenen sowohl hinsichtlich des Loses 1 als auch hinsichtlich des Loses 2, wäre aber der genannte Zweck vereitelt. Denn dann würde in der Person der K... S... GmbH und in der Person der L... I... und I... GmbH doch ein und dasselbe Bauunternehmen in beiden Baustellenbereichen tätig. Daran ändert der Umstand nichts, dass vertrags- und gesellschaftsrechtlich gesehen, nicht diese beiden Bauunternehmer Auftragnehmerinnen wären, sondern nur die betreffende Beigeladene. Im Übrigen wäre bei formaler, vertrags- und gesellschaftsrechtlich Betrachtung immerhin auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) ausweislich ihrer Bietergemeinschaftserklärungen vom 19.12.2012 betreffend das Los 2 (Bl. 151 der Vergabeakten) und die Beigeladene zu 2) ausweislich deren Bietergemeinschaftserklärungen vom 19.12.2012 betreffend das Los 1 (Bl. 995 der Vergabeakten) sich erst im Auftragsfalle zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts formieren wollten.

Für das hier gefundene Ergebnis spricht zum anderen die Vorgehensweise und Motivlage der Beigeladenen, wonach die Nichtbeteiligung der S... S... GmbH am Angebot der Bietergemeinschaft betreffend das Los 2 eine bloße Umgehung der vorgenannten Vergabebestimmung darstellt. Denn die Beigeladene zu 1) teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 17.1.2013 (Bl. 12 der Vergabeakte) mit, dass zwar ursprünglich alle drei Unternehmen ein Angebot als Bietergemeinschaft für das gesamte Bauvorhaben abgeben wollten, dass aber nach Vorliegen der Leistungsbeschreibung zum Los 2 die S... S... GmbH erklärt habe, sich an einer Bietergemeinschaft zu diesem Los nicht beteiligen zu wollen, weil sie nicht bereit sei, „die mit den für sie ‘fremden’ Leistungen im Bereich der Fassade verbundenen Gewährleistungsrisiken zu übernehmen“; das weitere Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 23.1.2013 (Bl. 35-37 der Vergabeakte) bringt inhaltlich nichts Zusätzliches. Die Begründung der Beigeladenen, warum sich die S... S... GmbH an dem Angebot der Bietergemeinschaft betreffend das Los 2 nicht beteiligte, ist jedoch offenkundig vorgeschoben. Denn das Geschäftsfeld der S... S... GmbH ist ausweislich ihres Internetauftritts („www.s... .com“) die Schadstoffsanierung und nach Ziffer II.1.5 der Auftragsbekanntmachung umfasste das Los 2 ausschließlich Schadstoffsanierungsarbeiten. Diese Arbeiten betreffen zwar - in einem offenbar kleinerem Umfang - auch die Gebäudefassade („Austausch von Brüstungselementen [ca. 2.500 Stück]“). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass das Geschäftsfeld der S... S... GmbH auf Schadstoffsanierungen im Gebäudeinnenbereich beschränkt wäre. Im Gegenteil: Dem Internetauftritt der S... S... GmbH ist zu entnehmen, dass die Gesellschaft u.a. Dachdecker beschäftigt; und Referenzschreiben, die in den Internetauftritt eingestellt sind, lassen erkennen, dass die S... S... GmbH vormals auch Schadstoffsanierungen im Gebäudeaußenbereich zur Zufriedenheit von Auftraggebern durchgeführt hat.

Gegen das hier gefundene Ergebnis spricht nicht die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 28.5.2003 (VII-Verg 8/03). Denn diese Entscheidung hatte einen Fall zum Gegenstand, in dem das Angebot des Bieters sich - anders als vorliegend - entweder auf die gesamte Baumaßnahme beziehen musste oder auf eines von zwei Losen (vgl. Rdnr. 17 der Entscheidung, zit. nach Juris). Wiewohl dem Senat der Zweck dieser Vergabebestimmung unklar ist, war es jedenfalls nicht ihr Zweck - anders als vorliegend - zu verhindern, dass ein Bauunternehmen auf dem gesamten Baustellenbereich tätig würde. Folgerichtig mag das OLG Düsseldorf in seinem Fall die Doppelbewerbung zweier gesellschaftsrechtlich leicht unterschiedlich zusammengesetzter Rechtspersonen zugelassen haben. Übertragbar auf die vorliegende Fallgestaltung ist diese Entscheidung jedoch nicht.

cc)

Der Vergabenachprüfungsantrag hat zum Teil auch in anderer Hinsicht Erfolg:

(1.)

Der Zuschlag zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) verstieße nach derzeitigem Sachstand gegen §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c), 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/B bzw. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B.

Denn die Selbstauskunft der K... S... GmbH, die dem Angebot der Beigeladenen zu 1) beigefügt war, enthielt auf dem Formblatt „Nachweis der Eignung gem. § 6 Abs. 3 Nr. 2 lit. A) bis i) VOB/A“ nicht die geforderten Angaben dazu, in welchem Umfang die Umsätze der letzten Jahre „Eigenleistungen“ der K... S... GmbH waren (Bl. 193 der Vergabeakte; vgl. demgegenüber die vollständige Selbstauskunft der L... I... und I... GmbH: Bl. 210 der Vergabeakte). Zwar mag es sich bei den hier geforderten Angaben um Erklärungen im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B handeln und es mag die Nichtangabe keine Änderung der Vergabeunterlagen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/B darstellen. Jedoch hätte der Antragsgegner selbst in diesem Falle zunächst die geforderten Angaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 VOB/B nachfordern müssen und hätte erst im Falle der fristwahrenden Nachreichung den Zuschlag an die Beigeladenen zu 1) erteilen dürfen. Diese Zuschlagsvoraussetzung ist derzeit nicht erfüllt.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass dem Angebot der Beigeladenen zu 1) die geforderte Liste an Referenzen beilag (vgl. für die K... S... GmbH: Bl. 195 der Vergabeakte; für die L... I... und I... GmbH: Bl. 216 ff. der Vergabeakte). Die diesbezügliche rüge der Antragstellerin geht daher ins Leere.

(2.)

Der Zuschlag zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) verstieße nach derzeitigem Sachstand ferner gegen § 20 Abs. 1 VOB/A.

Denn es ist der beabsichtigten Zuschlagerteilung nicht der nach § 20 Abs. 1 VOB/A erforderliche, bieterschützende Vergabevermerk der Vergabestelle (Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 20 VOB/A Rdnr. 3, 10) vorausgegangen. Zwar hat der Antragsgegner einen Vergabevermerk gefertigt. Dieser datiert jedoch vom 25.2.2013 (vgl. den rückwärtigen, nichtfoliierten Teil der Akte der Vergabekammer: Anlage ASt 1 zum Vergabenachprüfungsantrag vom 5.2.2013) und liegt daher zeitlich deutlich vor dem Abschluss der Angebotswertung durch den Antragsgegner im Mai 2013 (Bl. 58 d.A.; Seite 4 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 11.7.2013, unten). Damit existiert kein Vergabevermerk, in dem abschließend die Gründe für die Angebotsabsage gegenüber der Antragstellerin vom 23.5.2013 dargelegt sind.

Die Rechtsfolge hiervon dürfte - neben der derzeitigen Unzulässigkeit der Zuschlagserteilung - sein, dass zum einen das Vergabeverfahren bis mindestens zu dem Zeitpunkt aufzuheben ist, der unmittelbar vor der Angebotsabsage vom 23.5.2013 liegt, und dass zum anderen dem Antragsgegner aufzugeben ist, seine abschließende Angebotswertung gemäß § 20 Abs. 1 VOB/B durch einen Vergabevermerk zu dokumentieren und sodann auf dieser Grundlage weiter zu verfahren (vgl. Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 20 VOB/A Rdnr. 10 f.; Summa/Zeiss in Heiermann/Zeiss/Blaufuß, Vergaberecht, 3. Aufl. 2011, § 32 SektVO Rdnr. 1, 9). Eventuell wäre dem Antragsgegner auch aufzugeben, innerhalb seiner Verwaltung ein personell vollständig anders besetztes Gremium mit der Angebotswertung zu befassen (vgl. Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 20 VOB/A Rdnr. 11, m.N.). In diesem Falle wäre auch die bisherige Angebotswertung aufzuheben.

(3.)

Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, dass der Antragsgegner nur die Angebotspreise bei der Entscheidung über den Zuschlag berücksichtigt habe.

Denn nach der Bewertungsmatrix, die der Antragsgegner seinem Informationsschreiben vom 23.5.2013 beifügte (Bl. 270 der Akte der Vergabekammer; Anlage AG 2 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 27.5.2013), sind neben dem Angebotspreis auch die fachlich-technische Bewertung sowie weitere Gesichtspunkte in die Gesamtwertung eingeflossen.

(4.)

Im Ergebnis wohl nicht mit Erfolg rügt die Antragstellerin schließlich, dass sich die K... S... GmbH und die L... I... und I... GmbH zu einer Bietergemeinschaft zusammengeschlossen haben. Hierzu im Einzelnen:

(a.)

Zwar ist das Angebot der Beigeladenen zu 1) gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) VOB/A i.V.m. § 1 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen. Das ergibt sich aus Folgendem:

(aa.)

Das Eingehen einer Bietergemeinschaft erfüllt ohne weiteres den Tatbestand einer Abrede bzw. Vereinbarung Im Sinne von § 1 GWB. Auch ist die naturgemäße Folge des Eingehens einer Bietergemeinschaft, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft jedenfalls in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftrag nicht wettbewerblich untereinander verhalten. Die Voraussetzungen des § 1 GWB sind damit im Regelfall erfüllt. Allenfalls dann, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammen einen nur unerheblichen Marktanteil haben oder wenn sie erst durch das Eingehen der Gemeinschaft in die Lage versetzt werden, ein Angebot abzugeben und somit am Wettbewerb teilzunehmen, ist eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB zu verneinen (so schon Senat, Beschl. 21.12.2009, 2 Verg 11/09, Rdnr. 26 zit. nach Juris; zustimmend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2011, Verg 35/11, Rdnr. 23 zit. nach Juris; ebenso: OLG Koblenz, VergabeR 2005, 527; OLG Frankfurt, NZBau 2004, 60).

(bb.)

Die genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausnahme sind vorliegend nicht gegeben.

Denn zum einen nennt die Beigeladene zu 1) in ihrem Schreiben vom 17.1.2013 (Bl. 35 der Vergabeakte) lediglich das Ausnutzen von Synergiepotenzialen als Grund für das Eingehen der Bietergemeinschaft. Dieser Umstand lässt den Verstoß gegen § 1 GWB nicht entfallen. Zwar ist das Ausnutzen von Synergiepotenzialen für sich genommen nicht zu beanstanden und hat volkswirtschaftlich möglicherweise gewisse Vorteile. Jedoch ist das Ausnutzen von Synergiepotenzialen die regelmäßige, angestrebte Folge einer Vereinbarung zweier Unternehmen derselben Marktstufe, zusammen zu arbeiten. Da eine solche Zusammenarbeit zugleich regelmäßig den Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen beschränkt und der Gesetzgeber in § 1 GWB genau dieses untersagt, ist zu folgern, dass das Ziel der Unternehmen, Synergiepotenzialen auszunutzen, gerade nicht vom Verbot des § 1 GWB befreit ist.

Zum anderen ist nicht anzunehmen - und wird von der Beigeladenen zu 1) auch nicht geltend gemacht -, dass die K... S... GmbH und die L... I... und I... GmbH als einzelne Unternehmen nicht in der Lage gewesen wären, vorliegend ein Angebot zu unterbreiten. Beide Unternehmen haben ausweislich ihres Internetauftritts eine erhebliche Größe; die L... I... und I... GmbH beschäftigt immerhin 5.092 Mitarbeiter.

(b.)

Auch dürfte die Antragstellerin die Nichtbeachtung der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) VOB/A i.V.m. § 1 GWB durch den Antragsgegner rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt haben.

Denn die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge setzt u.a. die Kenntnis des Rügenden von sämtlichen Tatsachen voraus, die den Vergaberechtsverstoß begründen (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 107 Rdnr. 40 m.w.N.). Eine solche Kenntnis, für die der Antragsgegner die Beweislast trägt (Dicks in Ziekow/Völlink, a.a.O.), ist vorliegend nicht gegeben. Denn zwar mag der Antragstellerin durch die Eröffnung der Angebote am 8.1.2013 bekannt geworden sein, dass sich eine Bietergemeinschaft bestehend aus den Unternehmen K... S... GmbH und L... I... und I... GmbH um den streitgegenständlichen Auftrag beworben hat. Die im Rahmen von § 1 GWB zudem relevanten Tatsachen, nämlich die Größe dieser Unternehmen und ihre Fähigkeit oder Unfähigkeit auch einzeln Angebote zu unterbreiten, waren der Antragstellerin jedoch zu diesem Zeitpunkt - soweit ersichtlich - nicht bekannt. Es ist daher unschädlich, dass sie die Bildung der Bietergemeinschaft nicht schon in ihrem Schreiben vom 10.1.2013 (Bl. 30 der Akte der Vergabekammer) rügte, sondern erst im Schreiben vom 25.1.2013 (Bl. 35 der Akte der Vergabekammer).

Dahin stehen kann daher die Frage, ob § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht steht. Ebenso kann dahin stehen, ob das Erfordernis der „Unverzüglichkeit“ der Rüge vorliegend deshalb großzügig auszulegen ist, weil die abschließende Wertung der Angebote durch den Antragsgegner erst im Mai 2013 erfolgte, so dass eine ein- oder zweiwöchige Verzögerung der Rüge im Januar 2013 unerheblich für die zügige Durchführung des Vergabeverfahrens war.

(c.)

Jedoch dürfte die Antragstellerin im Hinblick auf den hier erörterten Vergaberechtsverstoß nicht antragsbefugt im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB sein.

Denn es ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dass der Antragstellerin infolge dieses Vergaberechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist. Das wäre nämlich allenfalls dann anzunehmen, wenn die Antragstellerin bei vergaberechtskonformem Verhalten der K... S... GmbH und der L... I... und I... GmbH einen besseren Platz in der Angebotswertung erlangt hätte. Hätten sich diese beiden Unternehmen vergaberechtskonform verhalten, hätten sie auf die Bildung einer Bietergemeinschaft verzichtet und einzeln Angebote unterbreitet. Dies hätte indessen nur dann zu einer besseren Platzierung der Antragstellerin geführt, wenn die Einzelangebote - aus Sicht des Antragsgegners - schlechter gewesen wären als das Angebot der Bietergemeinschaft. Jedoch ist dies zum einen nicht ohne weiteres anzunehmen. Denn dem Wettbewerbsrecht liegt der Gedanke zu Grund, dass ein Mehr an Wettbewerb zu besseren Angeboten führt, nicht aber zu schlechteren. Es widerspräche daher der Grundannahme des Gesetzgebers in § 1 GWB, wenn der Senat davon ausginge, dass im Regelfall das Angebot einer gegen § 1 GWB verstoßenden Bietergemeinschaft besser wäre als die Einzelangebote der an der Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen. Zum anderen wäre dann, wenn im konkreten Fall nachgewiesen würde, dass das Angebot der Bietergemeinschaft ausnahmsweise besser war als die gedachten Einzelangebote der beteiligten Unternehmen, sehr zweifelhaft, ob tatsächlich von einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB durch die Bildung der Bietergemeinschaft auszugehen ist. Denn Ziel des von § 1 GWB geschützten Wettbewerbs ist die Verbesserung der Angebote, nicht deren Verschlechterung, und die Bildung der Bietergemeinschaft hätte in dem nachgewiesenen Ausnahmefall gerade zu einer Verbesserung der Angebote geführt.

c)

Die Abwägung der Interessen der Beteiligten ergibt folgendes Bild:

Auf der Seite der Antragstellerin ist deren Interesse an einem rechtmäßigem Ablauf des Vergabeverfahrens zu berücksichtigten. Dieses Interesse hat regelmäßig den Vorrang vor gegenläufigen Interessen anderer. Das folgt aus dem unionsrechtlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes im Vergabenachprüfungsverfahren. Denn dieses Gebot liefe für den in seinen Rechten verletzten Bieter im Regelfall leer, wenn die aufschiebende Wirkung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht verlängert würde und damit die Vergabestelle den Zuschlag - für den verletzten Bieter unabänderlich - erteilen könnte (ähnlich Losch in Ziekow/Völlink, Vergaberecht 2011, § 118 Rdnr. 38 ff.). Daneben wird der Vorrang auch in der Formulierung des § 118 Abs. 2 GWB kenntlich, wonach die Ablehnung des Verlängerungsantrags eine Ausnahme darstellt, die besonderer Begründung bedarf.

Auf der Seite des Antragsgegners wird vorliegend das Interesse geltend gemacht, dass ihm ein erheblicher Schaden - es werden 100.000 EUR monatlich genannt - dadurch entsteht, dass der Zuschlag nicht erteilt werden kann. Dem ist allerdings zum einen entgegen zu halten, dass der Antragsgegner selbst eine erhebliche Verzögerung des Vergabenachprüfungsverfahrens zu vertreten hat. Denn die Vergabekammer ist Teil seiner Verwaltung, die er personell unbesetzt ließ und es so hinnahm, wenn nicht gar wünschte, dass dort keine Sachbearbeitung stattfand. Zum anderen ließ der Antragsgegner das streitgegenständliche Gebäude schon seit dem Jahre 2007 unsaniert leerstehen. Er zeigte somit trotz der auch schon zu dieser Zeit monatlich auflaufenden Vermögenseinbußen selbst wenig Interesse an einer zügigen Sanierung; es ist nicht erkennbar, dass das Sanierungsbedürfnis heute dringlicher ist als in den Jahren zuvor. Im Übrigen hat der Antragsgegner die Angebotswertung erst im Mai 2013 vollständig abgeschlossen.

Insgesamt sind daher keine berechtigten Interessen des Antragsgegners erkennbar, die die berechtigten Interessen der Antragstellerin überwiegen und somit die Ablehnung ihres Antrags rechtfertigen würden.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (BGH, NZBau 2001, 151 [155]; Otting in Bechthold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 123 Rdnr. 2, m.w.N.).

3.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG, wobei sich der Senat an den Bruttoangebotssummen von Antragstellerin und Beigeladener zu 1) orientiert hat.