SG Landshut, Urteil vom 06.11.2013 - S 10 R 5003/11
Fundstelle
openJur 2013, 44070
  • Rkr:

I. Die wirtschaftliche Inaktivität führt nicht dazu, dass eine juristische Person nicht mehr parteifähig im Sinne von § 70 Nr. 1 SGG ist.II. Wird ein ausländischer Firmenmantel (hier: tschechische s.r.o.) alleine zum Schein genutzt, um in der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeiten einer insolventen deutschen Einzelfirma fortzusetzen, findet grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung.III. Die Regelung des § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV verpflichtet den prüfenden Rentenversicherungsträger trotz Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber eigene Ermittlungen hinsichtlich der möglichen Versicherungs und Beitragspflicht bzw. der Beitragshöhe anzustellen, soweit diese ohne verhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand betrieben werden können.IV. § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stellt den Erlass eines Summenbeitragsbescheids (kann) in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Die ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens ist auch in Rechtsstreitigkeiten des sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungsrechts überprüfbar.

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2010 wird insoweit aufgehoben, als darin über die Beigeladenen zu 1) bis 5) hinaus, für weitere Personen Sozialversicherungsbeiträge gefordert werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel.

III. Der Streitwert wird auf 18.470,52 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 18.470,52 € für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.08.2008.

Die Klägerin firmiert als tschechische s.r.o. Dies ist die tschechische Bezeichnung für die Rechtsform einer haftungsbeschränkten Gesellschaft in der tschechischen Republik (deutsch: GmbH). Die Gesellschaft wurde im Jahre 2002 gegründet und angemeldet. Unternehmensgegenstand war laut Gewerbeschein des Stadtamts P... die Produktion von Baustoffen und Bauerzeugnissen. Einziger Gesellschafter war zunächst Herr W. W. Ursprüngliche Geschäftsführerin war Frau A. A.. Am 26.02.2007 wurde diese als Geschäftsführerin abberufen und Herr R. W. als Geschäftsführer benannt. Der einzige Geschäftsanteil wurde an seinen Sohn T. W. übertragen.

Herr R. W. war bis zum 30.07.2007 auch Inhaber der Einzelfirma W. Gala Bau (Garten-Landschaftsbau) mit Sitz ...straße ..., A-Stadt/X. Am 29.03.2007 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Einzelfirma gestellt. Herr W. W. führte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Arbeiten im Garten und Landschaftsbau über die klägerische Firma R. W. Th. s.r.o. S ... ..., ... P... in der Bundesrepublik Deutschland aus. Hierfür wurde bei der Verwaltungsgemeinschaft A-Stadt eine Betriebsstätte der tschechischen Firma unter der Wohn- und Geschäftsadresse des Herrn W. W. zum 01.03.2007 angemeldet. Letzte Arbeitsgenehmigungen für die "Fa. W." für ausländische Saisonarbeitskräfte wurden im Jahre 2005 erteilt.

Am 26.07.2007 ging bei der Ermittlungsstelle I-Stadt ein anonymer Hinweis über illegale Ausländerbeschäftigungen bei der Fa. W. Gala Bau über die Polizeiinspektion E... ein. Am 23.10.2007 erreichte die FKS I-Stadt ein weiterer Hinweis auf illegale Ausländerbeschäftigung der Fa. W. auf Baustellen in M... . Vorermittlungen des Hauptzollamts ergaben, dass bei der "Fa. W." zum maßgeblichen Zeitpunkt keine ausländischen Saisonarbeitnehmer zur Sozialversicherung angemeldet gewesen waren. Ein Auskunftsersuchen bei der Agentur für Arbeit in J-Stadt erbrachte Erkenntnisse, dass für die maßgeblichen Zeiträume keine Arbeitsgenehmigungen für Saisonarbeitnehmer beantragt wurden.

Nach einem erneuten anonymen Anruf wurde wegen des Hinweises auf einen Verkehrsverstoß ein Lkw der Fa. W., von der Polizeiinspektion E... am 05.07.2007 kontrolliert. Bei der Kontrolle wurde der slowakische Staatsangehörige C., geb. ...1954, überprüft. Im Fahrzeug befanden sich drei weitere Mitfahrer, deren Personalien aber nicht festgehalten wurden. Eine Abfrage beim Verband der Rentenversicherungsträger erbrachte, dass zum Kontrolltag lediglich ein Arbeitnehmer (A..., D...) bei der klägerischen Firma angemeldet war.

Am 14.11.2007 wurde gegen Herrn W. W. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Am 20.08.2008 wurde Herr W. W. in der G... Str. 31, ... M..., einer Verkehrskontrolle unterzogen. Auf der Ladefläche des Lkw (MAN, ..-..-...) befanden sich ein Bagger sowie mehrere Asphaltbrocken. Die weiteren Fahrzeuginsassen waren die Beigeladenen 4) und 5):

* Herr G., geb. ...1980, in G-Stadt/Tschechien* und Herr F., geb. ...1982, in Plzen/Tschechien.

Der Lkw war auf die Fa. W.R.W.TH. s.r.o. zugelassen.

Am 05.03.2008 wurden die Wohn- und Geschäftsräume von Herrn W. W. durchsucht. Es wurden insbesondere Stundenaufzeichnungen für "Arbeitnehmer" (nur Vornamen) sichergestellt; ein Abgleich ergab, dass Arbeitnehmer mit diesen Vornamen in den festgestellten Zeiträumen nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren.

Ferner stellte sich heraus, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3), die früher über mehrere Jahre für die Einzelfirma W. Gala Bau als abhängige Beschäftigte tätig waren, ihre Tätigkeiten mittlerweile auf Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit ausländischen Gewerbeanmeldungen durchgeführt haben.

Mit Schreiben vom 20.04.2009 bat das Hauptzollamt Landshut die Beklagte um Bearbeitung des Vorgangs und um Zuleitung einer Schadensberechnung.

Mit Strafbefehl vom 12.05.2010 wurde Herr R. W. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt rechtskräftig zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz wurde auf 10,- € festgesetzt. Die Gesamtgeldstrafe betrug somit insgesamt 1.500,- €.

Der gegen die Vorgängerfirma der W. Gala Bau erlassene Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 17.05.2010 wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 26.03.2010 wurde die Klägerin von der Beklagten zu einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 18.470,52 € incl. Säumniszuschläge für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.08.2008 angehört.

Mit Bescheid vom 26.05.2010 setzte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 18.470,52 € fest. Dabei stützt sich die Beklagte bezüglich der Sachverhaltsermittlung ausschließlich auf die Auswertungen des Ermittlungsergebnisses des Hauptzollamts. Dabei kam die Beklagte dann zu dem Ergebnis, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) als scheinselbständige Subunternehmer einzustufen seien. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit sei bei den drei betroffenen Subunternehmern C., D. und E. eindeutig von einer Arbeitnehmereigenschaft auszugehen. Alle Auftragnehmer hätten ausschließlich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und übten arbeitnehmertypische Hilfsarbeiten aus. Alle drei seien bereits früher bei der Klägerin bzw. bei der Vorgängerfirma abhängig beschäftigt gewesen. Das gesamte Material und die Arbeitsgeräte wurden von der Klägerin gestellt. Soweit vom I. - FKS I-Stadt - außerdem festgestellt worden sei, dass einige Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung gemeldet wurden und ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt gewesen seien, bestehe für diese Personen Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung für die jeweiligen Zeiträume.

Danach seien für folgende Personen Beschäftigungszeiten festgestellt worden:

* "Emil"...        ...23.10.2007 - 18.12.2007* "Erik"...        ...18.12.2007 - 18.12.2007* "Kamil"...        ...19.06.2007 - 21.06.2007, 10.11.2007 - 10.11.2007* "Karl"...        ...19.06.2007 - 19.06.2007* "Laci"...        ...19.06.2007 - 27.06.2007, 22.10.2007 - 18.12.2007* "L..."...        ...10.07.2007 - 10.07.2007* "Marek"...        ...23.10.2007 - 18.12.2007* "Milan"...        ...20.06.2007 - 10.07.2007, 24.10.2007 - 09.11.2007* "Miro"...        ...19.06.2007 - 27.06.2007, 22.10.2007 - 18.12.2007* "Stano"...        ...22.10.2007 - 10.11.2007* "Tomas"...        ...19.06.2007 - 27.06.2007, 22.10.2007 - 18.12.2007* D. Vladimir ..        ...01.08.2008 - 31.08.2008* K. Jiri ...        ...01.07.2008 - 31.08.2008* C. Tomas ...        ...01.05.2007 - 31.05.2007Für die Ermittlung der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte wurden bei den betroffenen Arbeitnehmern entweder die aufgefundenen Nettolöhne zur weiteren Berechnung herangezogen oder die geleisteten Stunden mit dem Nettostundenlohn von 8,- € multipliziert.

Gegen den Betriebsprüfungsbescheid vom 26.05.2010 legte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten am 04.06.2010 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2010 zurückwies.

Am 13.01.2011 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut: Die durch das Hauptzollamt durchgeführten Ermittlungen seien lückenhaft und unzureichend. Von den vermeintlichen Scheinselbständigen sei im Verwaltungsverfahren durch das Hauptzollamt nur der Zeuge E. vernommen worden. Insbesondere der Zeuge C., der ausweislich des Ermittlungsberichts doch am längsten als Subunternehmer für die Klägerin tätig gewesen sei, gebe es keine Zeugeneinvernehmung. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum alleine mit Subunternehmern zusammengearbeitet. Insbesondere seien auch Herrn W. W., dem Geschäftsführer der Klägerin, die bei der Durchsuchung festgestellten Stundenaufzeichnungen und die dort vermerkten Vornamen nicht bekannt.

Die Klägerin beantragt,

den Betriebsprüfungsbescheid vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine eigenen Anträge.

Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 26.05.2010 und im Widerspruchsbescheid vom 13.12.2010.

Zum 26.01.2013 wurde die deutsche Betriebsstätte der klägerischen Firma im Gewerberegister der Verwaltungsgemeinschaft A-Stadt X abgemeldet.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte, auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, auf die Akte der Staatsanwaltschaft Landshut sowie auf die Protokolle des Erörterungstermins vom 09.11.2012 und der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2013 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2010 ist insoweit rechtswidrig als über die Beigeladenen zu 1) bis 5) hinaus, Beiträge für weitere nur mit dem "Vornamen" bekannte Personen erhoben wurden. Ein Summenbeitragsbescheid nach § 28f SGB IV bzw. ein Betriebsprüfungsbescheid, der Elemente eines Summenbeitragsbescheid enthält, ist nur dann möglich, wenn der Rentenversicherungsträger zuvor erfolglos eigene Ermittlungen bezüglich personenbezogener Feststellungen unternommen hat. Eine "ungeprüfte" Übernahme der Ermittlungen des Zolls reicht nicht aus. Insoweit ist der Bescheid vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2010 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 5) jedoch zu Recht als abhängige Beschäftigung beurteilt und insoweit einen Gesamtsozialversicherungsbeitrag festgesetzt.

I. Trotz Sitzes der Klägerin in S ... ..., ... P..., Tschechische Republik, ist das Sozialgericht Landshut nach § 57 Abs. 3 SGG für die Klage örtlich zuständig.

II. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin noch parteifähig nach § 70 Nr. 1 SGG, da nach dem unstreitigen Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin eine Vollbeendigung der Gesellschaft noch nicht eingetreten ist (Löschung im Handelsregister + Vermögenslosigkeit). Alleine die wirtschaftliche Inaktivität führt nicht dazu, dass eine juristische Person nicht mehr parteifähig ist (vgl. LAG Hamm, Urteil v. 01.03.2013 - 10 Sa 1175/12).

III. Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber. Inhalt und Umfang der Prüfung ergeben sich insbesondere aus den Vorschriften bezüglich der Meldepflichten des Arbeitgebers nach § 28a SGB IV, Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e SGB IV i.V.m. § 28d SGB IV, den Aufzeichnungspflichten und der Einreichung der Beitragsnachweise nach § 28f SGB IV. Darüber hinaus bestimmt § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV, dass von der Prüfung die Lohnunterlagen erfasst werden, für die Beiträge nicht bezahlt wurden. Inhalt der Betriebsprüfung ist insbesondere die von den Arbeitgebern vorgenommene Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse. Im Rahmen einer Betriebsprüfung ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die beim oder für den zu prüfenden Betrieb Beschäftigten der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Hierbei ist zu beurteilen, ob sie nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 16.11.2011 - L 9 AL 26/09).

In der gesetzlichen Rentenversicherung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI). Nach dem Recht der Arbeitsförderung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, SGB III). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats v. 20.05.1996 - 1 BvR 21/96). Seit dem 01.01.1999 sind im Gesetz als Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung aufgeführt: eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. zu den identischen Abgrenzungskriterien eines Arbeitsverhältnisses BAG, Urteil v. 20.01.2010 - 5 AZR 99/09, Rz. 13 - zitiert nach juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R, Rz. 17 - zitiert nach juris). Dagegen geht eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung praktizierte Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung nur vor, soweit eine, zumal formlose, Abbedingung rechtlich überhaupt möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, Urteil v. 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Rz. 25 - zitiert nach juris).

Indizien für eine Beschäftigung sind der Abschluss eines Arbeitsvertrags, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, Arbeitsplätze in den Räumen des Arbeitgebers, Arbeitszeit nach Vorgaben des Arbeitgebers, fehlende eigene Betriebsmittel, bezahlter Urlaub, feste gleich bleibende Vergütung, Verbuchung als Lohnsteuer, wirtschaftliche Abhängigkeit und der Wille der Vertragspartner. Für eine selbständige Tätigkeit sprechen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials, die Verbuchung der Einnahmen mit Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, die eigene Gewerbeanmeldung, das Unternehmerrisiko, das Vergütungsrisiko (vgl. Segebrecht, JurisPK SGB IV, 2. Aufl. § 7 Rn. 117).

1. Ausgehend von oben genannten Grundsätzen stellt sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 5) nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nach ihren Gesamtumständen als Fall einer abhängigen Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV dar.

a) Beigeladene zu 1) bis 3)

aa) Prüfungsmaßstab sind zunächst die schriftlichen Geschäftsbesorgungsverträge. Diesbezüglich deuten bereits die äußeren Umstände des Abschlusses der jeweiligen inhaltlich identischen Geschäftsbesorgungsverträge nicht auf ein weisungsfreies Auftragsverhältnis hin. Die Geschäftsbesorgungsverträge wurden einseitig vom Geschäftsführer der Klägerin den Beigeladenen zu 1) bis 3) vorgelegt, ohne dass diese auf die Regelungen Einfluss nehmen konnten.

Aber auch der Inhalt der Geschäftsbesorgungsverträge spricht nicht zwangsläufig für ein selbständiges Auftragsverhältnis:

* So ist der jeweilige Auftragnehmer nach Ziffer II. 3. bei der Durchführung der Arbeiten an die Anweisungen des Auftraggebers gebunden.

* Nach Ziffer II 4 und 6 war der Auftraggeber verpflichtet, Material und Arbeitswerkzeug zur Verfügung zu stellen.

Dies sind Elemente, die in der Regel typisch sind für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

bb) Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland alleine für die beiden Firmen des Herrn W. tätig. Weitere Auftraggeber gab es nicht. Sie waren jeweils über mehrere Jahre als abhängige Beschäftigte für die Vorgängerfirma, W. Gala Bau, tätig. Nach Vortrag der Beigeladenen zu 1) bis 3) in der mündlichen Verhandlung unterschied sich die Tätigkeit als "Selbständige" von ihrer bisherigen Tätigkeit als "Beschäftigte" nicht. Sie führten im Wesentlichen weiterhin Pflasterarbeiten - Beigeladene zu 1) und 2) - bzw. Schlosserarbeiten - Beigeladener zu 3) - aus. Eine Statusänderung bei im Wesentlichen gleichbleibender Tätigkeit und gleichen Rahmenbedingungen ist grundsätzlich nicht bzw. nur mit gewichtigen Gründen möglich (vgl. in diesem Zusammenhang auch BayLSG, Urteil v. 23.04.2009 - L 4 KR 229/07). Ferner wurden verschiedene Hilfsarbeiten verrichtet. Bei einfachen, typischen Arbeitnehmer-Verrichtungen, die der Beschäftigte ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübt, spricht eine Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis (vgl. dazu ausdrücklich: BSG, Urteil v. 18.05.1983 - 13 RK 41/81). Vorliegend erklärten sowohl die Beigeladenen zu 1) bis 3), als auch der Zeuge H., dass Herr W. bzw. die jeweiligen Vorarbeiter den "ausländischen Saisonarbeitskräften" entsprechende Anweisungen gaben. Bezeichnenderweise sprachen die Beigeladenen zu 1) bis 3) in der mündlichen Verhandlung von Herrn W. als "Chef".

cc) Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren auch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Sie verrichteten im Wesentlichen dieselben Tätigkeiten wie in den früheren Jahren für die Einzelfirma W. Gala Bau. Sie arbeiteten mit den anderen von der Klägerin beauftragten Mitarbeitern zusammen. Das Arbeiten "Hand in Hand" mit anderen Beschäftigten des Auftraggebers und das Angewiesensein auf deren Mitarbeit und Mitwirken sprechen für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und damit für eine abhängige Beschäftigung. Die Klägerin war auch vertraglich verpflichtet, den Beigeladenen zu 1) bis 3) Material und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Über eigene Betriebsmittel verfügten sie nicht. Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht nach Ansicht der Kammer auch, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) auf dem Firmengelände der Klägerin (Betriebsstätte A-Stadt) unentgeltlich - alleine Strom und Wasser musste bezahlt werden - gewohnt haben.

dd) Die Beigeladenen zu 1) bis 3) trugen schließlich auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko, was nach Ansicht der Kammer ein besonders gewichtiges Entscheidungskriterium darstellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.04.2013 - L 4 R 2078/11; v. 22.03.2013 - L 4 KR 3725/11). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil v. 25.04.2012 - B 12 KR 24/10 R ; in juris). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr wurde den Beigeladenen zu 1) bis 3) erfolgs-unabhängig ein fester und garantierter Stundensatz bzw. ein Fixpreis bezahlt. Unabhängig davon, dass die Höhe des vereinbarten Stundensatzes nicht dem "typischen" Stundenlohn eines Selbständigen entspricht, hat den Beigeladenen zu 1) bis 3) weder ein Verlust von Arbeitskraft noch ein Verlust eigenen Kapitals gedroht. Vielmehr war es ihnen vertraglich versprochen, für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen eine im Voraus vorhersehbare und berechenbare Vergütung zur Finanzierung ihrer Lebensunterhalte zu erhalten.

Das Gesamtbild der Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) bis 3) in der Zeit von 01.05.2007 bis 31.03.2008 stellt sich als typischer Fall eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses dar.

b) Beigeladene zu 4) und 5)

Nach Überzeugung der Kammer sind auch die Beigeladenen zu 4) und 5) als abhängige Beschäftigte nach § 7 Abs. 1 SGB IV für den Zeitraum Juli/August 2008 bzw. August 2008 zu qualifizieren.

Im Rahmen der polizeilichen Vernehmung am 20.08.2008 erklärte der Beigeladene zu 4), Herr F., dass er sich in Deutschland "Geld dazuverdienen wollte". Deshalb habe er seit ca. vier Wochen für die Klägerin gearbeitet. Mit dem Geschäftsführer der Klägerin sei vereinbart worden, dass er 1.000,- €/Monat verdienen und unentgeltlich auf dem Firmengelände wohnen könne. Neben Holzsägen, anderen Hausmeistertätigkeiten übte er z. B. bei Straßenarbeiten in M... Hilfstätigkeiten aus. Ähnliche Aussagen tätigte der Beigeladene zu 5) bei der polizeilichen Vernehmung am 20.08.2008.

Merkmale einer selbständigen Tätigkeit liegen nicht vor. Vielmehr wurden reine Hilfstätigkeiten ausgeübt. Bei einfachen, typischen Arbeitnehmer-Verrichtungen, die der Beschäftigte ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübt, spricht eine Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis (vgl. dazu ausdrücklich: BSG, Urteil v. 18.05.1983 - 13 RK 41/81).

c) Die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge bezüglich der Beigeladenen zu 1) bis 3) - auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 2 SGB IV - erfolgte in rechtmäßiger Weise auf Basis der am 15.12.2007 und am 16.12.2007 ausgestellten Rechnungen bzw. an Hand der aufgefundenen Verträge. Die Berechnung bzgl. der Beigeladenen zu 1) bis 3) wurde auch nicht in gerügt bzw. in sonstiger Weise in Frage gestellt.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge bezüglich der Beigeladenen zu 4) und 5) zu berücksichtigen sei, dass diese möglicherweise in einem geringeren Zeitraum und somit mit einem geringeren Entgelt nach § 14 SGB IV tätig gewesen seien, trifft diese die Beweislast. Der Rentenversicherungsträger ist insoweit - noch - von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgegangen (vgl. Angaben der Beigeladenen zu 4) und 5) bei der polizeilichen Vernehmung). Soweit die Klägerin diese Berechnung angreift, kann sie hiermit nicht durchdringen. Macht der Arbeitgeber geltend, es sei von einer niedrigeren Summe als der zu Grunde gelegten auszugehen, liegt die Beweislast bei ihm (SG Düsseldorf, Beschluss v. 19.02.2013 - S 27 R 2401/12 ER; Kasseler Kommentar-Seewald, a.a.O. Rn. 10a).

d) Auf die Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 1) bis 5) findet auch deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung. Das ergibt sich aus dem in § 3 Nr. 1 SGB IV niedergelegten Territorialitätsprinzip, wonach die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen gelten, die im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschäftigt sind. Danach streitet eine Vermutung dafür, dass bei Vollzug von Beschäftigungsverhältnissen im Inland unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Beschäftigten oder ihrer Arbeitgeber deutsches Sozialversicherungsrecht gilt, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen der Einstrahlung nach § 5 SGB IV vorliegen.

Gemäß § 5 SGB IV gelten die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs des Sozialgesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Einstrahlung setzt nämlich voraus, dass während der inländischen Beschäftigung das ausländische Vertragsverhältnis fortbesteht (BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr 9). Davon kann nur ausgegangen werden bei fortbestehender hinreichender Intensität der tatsächlichen und rechtlichen Bindung zu dem entsendenden Unternehmen (BSG SozR 3-2400 § 5 Nr 2). Liegt der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses dagegen im Inland, liegt keine Einstrahlung vor (BSG aaO). Davon ist auszugehen, wenn die Arbeitsleistung einem inländischen (Teil-)Betrieb mit eigener Wirtschaftsführung sowie eigener Gewinn- und Verlustrechnung zugerechnet wird, der das Arbeitsentgelt zahlt und als Betriebsausgabe absetzt (BSG aaO). Vorliegend fehlt es bereits an einer Grundvoraussetzung der Entsendung, nämlich ein Beschäftigungsverhältnis mit Schwerpunkt im Ausland bei zeitweiliger, vorübergehender Tätigkeit für dieses Unternehmen im Inland. Dies setzte etwa voraus, dass die Beschäftigung aufgrund von Weisungen des ausländischen Arbeitnehmers schwerpunktmäßig im Ausland erfolgt und im Rahmen der arbeitsvertraglichen Pflichten lediglich vorübergehend im Inland ausgeübt wird, etwa aufgrund vertraglicher Beziehungen ausländischen Beschäftigungsunternehmens beim Vertragspartner im Inland. So liegt der Fall aber hier gerade nicht. Denn alle maßgeblichen Vereinbarungen sind im Inland durch den Geschäftsführer der Klägerin getroffen worden. Die ausländischen Saisonarbeitskräfte führten ihre Tätigkeiten für die Klägerin alleine im Inland aus.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend weder aus über- noch aus zwischenstaatlichem Recht, § 6 SGB IV. Unabhängig davon, ob vorliegend der zeitliche, personelle und sachliche Anwendungsbereich der EWG-Verordnung 1408/71 bzw. der EG Verordnung Nr. 883/2004 eröffnet ist - so gelten u. a. beide Verordnungen erst seit dem 01.05.2010 - vertritt die Kammer die Ansicht, dass der tschechische Firmenmantel alleine zum "Schein" genutzt wurde, um im Inland die Tätigkeiten der insolvent gegangen Einzelfirma W. Gala Bau fortzuführen. Die Anwendung deutschen Rechts muss jedoch erst recht gelten, wenn von vorneherein beabsichtigt war, die unternehmerische Tätigkeit ausschließlich im Inland zu entfalten (vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 17.01.2005 - L 2 B 9703 KR ER).

e) Gegen die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 1 SGB IV bestehen keine durchgreifenden Einwände

2.) Soweit mit Bescheid der Beklagten vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2010 über die Beigeladenen zu 1) bis 5) hinaus, für weitere, lediglich mit Vornamen bezeichnete Personen, Beiträge erhoben werden liegen die Voraussetzungen eines sog. "Summenbeitragsbescheids" nach § 28f Abs. 2 SGB IV nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BayLSG (vgl. nur Beschluss v. 21.10.2013 - L 5 R 605/13 B ER; Beschluss v. 19.02.2013 - L 5 R 933/12 B ER), der sich die Kammer anschließt, sind personenbezogene Feststellungen auch dann zu treffen, wenn diese nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwands erreichbar sind. Ferner verlangt der Wortlaut des § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV eine "Ermessensausübung" des Rentenversicherungsträgers.

a) Rechtsgrundlage für den Summenbescheid der Beklagten ist § 28 f Abs. 2 SGB IV. Nach dessen Satz 1 "kann" - nicht muss - der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Welchen Anforderungen die Aufzeichnungen des Arbeitgebers zu genügen haben, ergibt sich aus § 28 f Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach hat der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren Lohnunterlagen im Geltungsbereich dieses Gesetzes in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Einzelheiten dieser Pflicht ergeben sich aus § 2 der Beitragsüberwachungsverordnung. Danach hat der Arbeitgeber in den Lohnunterlagen über den Beschäftigten u.a. den Familien- und Vornamen (Nr. 1), die Anschrift (Nr. 3), den Beginn und das Ende der Beschäftigung (Nr. 4), das Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV (Nr. 7) sowie das beitragspflichtige Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (Nr. 8) aufzunehmen. Derartige Aufzeichnungen hat die Klägerin unstreitig nicht vorgelegt. Sie hat demnach ihre Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an (BSG SozR 3-2500 § 28 f Nr. 3).

Dem Erlass eines Summenbescheides stand aber hier § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV entgegen. Danach gilt § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Nach dem Wortlaut von § 28f Abs. 2 Satz SGB IV sind die Summenbeitragsbescheide somit lediglich als letzte Maßnahme im Rahmen einer Betriebsprüfung zulässig ("ultima ratio" vgl. dazu bereits Puchner/Eibl, Die Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung, 2001, S. 48). Die prüfenden Rentenversicherungsträger müssen also vor Erlass eines Summenbescheides trotz Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber entsprechend den Grundsätzen der §§ 20 und 21 SGB X Ermittlungen anstellen, soweit diese das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Verwaltungshandelns nicht verletzen (Vgl. LSG Berlin, Urteil v. 25.08.2004 - L 9 KR 63/02). Nach Ansicht der Kammer müssen die "Beschäftigten" in der Regel - vergleichbar der notwendigen Beiladung im Gerichtsverfahren nach § 75 Abs. 2 SGG - bereits im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB X beteiligt werden.

Die Beklagte stützt ihren Bescheid im Hinblick auf die weiteren als beitragspflichtig angesehene Personen ausschließlich auf die strafverfahrensrechtlichen Ermittlungen des Hauptzollamtes im Rahmen von § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Die Beklagte unterstützte hierbei gemäß § 2 Abs 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz die Zollverwaltung. Eine sozialverfahrensrechtliche Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV hat sie selbst nicht durchgeführt, jedenfalls wurden keine eigenen Ermittlungen im Sinne von § 20 SGB X eingeleitet, Betroffene angehört oder nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB X beteiligt.

Bei Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich nicht um Abgaben im Sinne einer Steuer, vielmehr steht den Sozialversicherungsbeiträgen ein konkreter Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber, bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auch die gesetzlich garantierten Leistungen zu erhalten (vgl. BayLSG, Beschluss vom 30.07.2012 - L 5 R 267/12 B ER; Beschluss v. 21.10.2013 - L 5 R 605/13 B ER). So hängt beispielsweise der Anspruch und die Höhe von Arbeitslosengeld von dem vorangegangenen Versicherungspflichtverhältnis (§ 147 SGB III) und dem erzielten Entgelt ab (§ 149 SGB III). Ebenso errechnet sich das Krankengeld aus dem erzielten Entgelt (§ 47 SGB V). Auch die Höhe einer späteren Rente aus Beitragszeiten hängt von den gezahlten Beiträgen ab (§ 55 SGB VI). Wenn aber die Beitragssummen den Arbeitnehmern nicht zugeordnet werden, hat dies zur Auswirkung, dass den Betroffenen keine oder zumindest geringeren Leistungsansprüche erwachsen. Deshalb ist ein Summenbescheid über die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur dann zulässig, wenn die Zuordnung der Beiträge zu den einzelnen Personen nicht möglich ist (BSG, Urteil v. 31.10.2012 - B 12 R 1/11 R).

Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und der Beitragshöhe ist, vor allem zur Sicherung von Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer, von solchem Gewicht, dass sie grundsätzlich auch dann erfolgen muss, wenn das mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist. Auch wenn es, was im vorliegenden Fall denkbar ist, wegen einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht oder sogar aufgrund von Manipulationen des Arbeitgebers unmöglich sein sollte, bei einigen, vielleicht sogar der Mehrzahl der Arbeitnehmer genaue Feststellungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht sowie zur Beitragshöhe zu treffen, ist es im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, bei denen sich die erforderlichen Tatsachen noch ermitteln lassen, nicht gerechtfertigt, das Erfordernis der personenbezogenen Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Arbeitnehmer preiszugeben (BayLSG, Beschluss v. 19.02.2013 - L 5 R 933/12 B ER).

§ 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV verpflichtet den prüfenden Rentenversicherungsträger somit trotz Verletzung der Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber eigene Ermittlungen hinsichtlich der möglichen Versicherungs- und Beitragspflicht bzw. der Beitragshöhe anzustellen, soweit diese ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand betrieben werden können.

Maßstab für die Verhältnismäßigkeit ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag; dabei können die Zahl der zu ermittelnden Fälle, der im Einzelfall geringe Betrag und dessen geringe Bedeutung für den einzelnen Versicherten, aber auch aufwendige Feststellungen die Unverhältnismäßigkeit begründen. Darüber hinaus wird auch zu berücksichtigen sein, dass die in § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV geforderten Ermittlungen nicht zuletzt dazu dienen sollen, den aus der Beitragserhebung Begünstigten zu ermitteln (vgl. auch BT-Drs. 11/2221 S. 23; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung; LSG Berlin, Urteil v. 25.08.2004 - L 9 KR 63/02).

An diesen Grundsätzen gemessen, hätten sich aus Sicht des Gerichts u. a. folgende Ermittlungen aufgedrängt:

* Befragung des Arbeitgebers

* Befragung namentlich bekannter Vorarbeiter wie z. B. dem Zeugen H.

* Befragung namentlich bekannter ausländischer Arbeitskräfte wie z. B. die Beigeladenen zu 1) bis 3)

* Abgleich der Vornamen mit früheren bei Herrn W. beschäftigten und angemeldeten ausländischen Arbeitskräften.

* Anfrage beim zuständigen Meldeamt

Vorliegend fehlt jeder Ansatz von weiteren Ermittlungen nach § 20 SGB X seitens des beklagten Rentenversicherungsträgers. Dieser übernahm vielmehr ungeprüft die Vorermittlungen des Zolls. Bereits die mündliche Verhandlung zeigte, dass die festgestellten Entgelte bzw. Zeiten zum Teil durchaus bestimmten Personen zugeordnet hätten werden können.

Bereits aus diesen Gründen ist der streitgegenständliche Bescheid insoweit rechtswidrig und war aufzuheben. Der Beklagten steht es jedoch anheim - aufbauend auf den Hinweisen in der mündlichen Verhandlung - und der Durchführung eigener Ermittlungen sowie unter Beachtung verwaltungsverfahrensrechtlicher Grundsätze einen weiteren Beitragsbescheid zu erlassen.

b) Soweit der streitgegenständliche Bescheid als Summenbeitragsbescheid erlassen wurde, fehlt es vorliegend an einer Ermessensausübung nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV.

§ 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stellt den Erlass eines Summenbeitragsbescheides in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers ("kann"), d.h. der Rentenversicherungsträger muss nicht jeder Aufzeichnungspflichtverletzung mit einem Summenbeitragsbescheid begegnen. Mithin ist die Ausübung des Ermessens (insbesondere bei Ermessensfehlgebrauch, Übermaßverbot) gerichtlich überprüfbar (vgl. Brand NZS 2013, 641 (645); W. in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 28f Rn. 55; Wehrhahn, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 78. Ergänzungslieferung 2013, SGB IV, § 28f SGB Rn. 8a). Vorliegend ging die Beklagte nach ihren Ausführungen im Bescheid vom 26.05.2010 davon aus, dass ein Summenbeitragsbescheid zu erlassen ist. Es liegt somit ein Ermessensnichtgebrauch vor, der nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt; zumindest soweit dieser Elemente eines Summenbeitragsbescheids enthält. Selbst für den Fall, dass die Auslegung von § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV ergibt, dass vom Gesetzgeber eine sog. "intendierte Entscheidung" gewollt ist d. h. dass für den Regelfall eine bestimmte Entscheidung vorgegeben ist, so hätte die Beklagte zumindest prüfen müssen, ob ein "atypischer Fall" vorliegt. Die Beklagte legt jedoch § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV in ständiger Verwaltungspraxis als "Muss-Vorschrift" aus.

Damit liegt nach Ansicht der Kammer ein Ermessensfehler vor, der insoweit zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids führt.

Aus oben genannten Gründen war die Klage zum Teil erfolgreich.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG und trägt dem teilweisen Obsiegen bzw. Unterligen Rechnung.

V. Die Festsetzung des Streitwerts folgt den §§ 63 Abs. 1, 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 197a SGG.