BGH, Beschluss vom 12.09.2013 - I ZR 58/11
Fundstelle
openJur 2013, 44014
  • Rkr:
Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 24. Januar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist nicht begründet.

I. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivorbringens in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.). Den von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten und als übergangen gerügten Vortrag hat der Senat in vollem Umfang berücksichtigt.

II. 1. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, der Senat hätte den Rechtsstreit dazu, ob Werbung in überregionalen Medien beschränkt werden kann, an das Berufungsgericht zurückverweisen müssen, so dass die Klägerin nach einem richterlichen Hinweis Gelegenheit gehabt hätte, zu diesem von den Vorinstanzen nicht für relevant erachteten Gesichtspunkt vorzutragen. Auf einen entsprechenden Hinweis hätte die Klägerin geltend gemacht, bei einer Zurück-1 verweisung an das Berufungsgericht vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass in überregionalen Zeitschriften eine Beschränkung der Werbung auf bestimmte Wirtschaftsräume und die Ausklammerung von bestimmten Wirtschaftsräumen bei der Beilagenwerbung und der normalen Anzeigenwerbung technisch möglich, keineswegs unüblich und nicht mit einem nennenswerten wirtschaftlichen Mehraufwand für den Werbenden verbunden sei.

Zu einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um der Klägerin nach einem richterlichen Hinweis Gelegenheit zu geben, zur Werbung in bundesweit vertriebenen Medien und deren beschränkter Verbreitung vorzutragen, bestand kein Anlass. Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschutzes und des fairen Verfahrens es gebieten, das Berufungsurteil aufzuheben, um einer Partei Gelegenheit zu geben, zu einem Gesichtspunkt vorzutragen, wenn ein nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotener Hinweis unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 43 - Modulgerüst II; Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 18 = WRP 2011, 742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Davon kann im Streitfall aber keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Beklagte ein Interesse an der bundesweiten Präsentation ihres Unternehmens hat, weil sie in der Wahl und Ausgestaltung ihres Marketingkonzepts in den durch das Recht gezogenen Grenzen frei ist. Diese Annahme des Berufungsgerichts, die auch der Senat seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat die Klägerin nicht mit einer Gegenrüge angegriffen. Das war aber erforderlich, weil die Klägerin damit rechnen musste, dass der Senat in der Sache selbst entscheidet.

Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin sich mit einer Gegenrüge gegen die Annahme eines Interesses der Beklagten an einer bundesweiten Werbung wenden musste, bestand schon deshalb kein Anlass für eine Zurückverweisung 4 der Sache an das Berufungsgericht, weil die Frage, ob die Beklagte ein schützenswertes Interesse an einer bundesweiten Werbung hat, nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen zu den zentralen Fragen gehörte, zu denen die Parteien von sich aus - und nicht erst auf einen richterlichen Hinweis - vortragen mussten. Entsprechend ist die Beklagte in den Tatsacheninstanzen auch verfahren und hat für sich in Anspruch genommen, unter ihrem Unternehmenskennzeichen überregional werben zu dürfen. In Anbetracht dessen bedurfte es keines Hinweises an die Klägerin, zu einem fehlenden Interesse der Beklagten an einer bundesweiten Werbung vorzutragen.

2. Die Klägerin rügt, sie habe zur Zumutbarkeit einer Beschränkung der Werbung auf die Regionalteile der "Welt am Sonntag" vorgetragen. Die Aufwendungen für eine Werbung in den Regionen Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen seien niedriger als für eine bundesweite Werbung. Der Senat hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, das Vorbringen jedoch nicht für entscheidungserheblich erachtet.

Der Senat hat angenommen, es sei nichts dafür ersichtlich, dass eine Beschränkung der Werbung in bundesweit vertriebenen Medien auf den Wirtschaftsraum, in dem die Beklagte tätig sei, mit vertretbarem Aufwand und ohne Einschränkungen der Wirkung der Werbung möglich sei. Dem steht das Vorbringen der Klägerin nicht entgegen. Soweit sie auf die Möglichkeit der Werbung in den Regionalteilen Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen der "Welt am Sonntag" verweist, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Die Beklagte hat als großes Handelsunternehmen regelmäßig ein Interesse an einer bundesweiten Werbung. Die Beschränkung lediglich auf Regionalteile in drei Bundesländern steht dem nicht gleich.

Da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass der Beklagten eine räumliche Beschränkung bundesweiter Werbung zumutbar ist, kommt es nicht darauf an, 7 dass die Klägerin die Berücksichtigung dieses Umstands auch in anderem Zusammenhang vermisst.

III. 1. Die Klägerin rügt, der Senat habe den umfangreichen Vortrag der Klägerin zu dem Gutachten der I. GmbH von Juli 2007 nicht hinreichend berücksichtigt und damit das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Zudem habe der Senat die Gutachten B. und C. unberücksichtigt gelas- sen. Gleiches gelte für den Vortrag der Klägerin im Revisionsschriftsatz vom 1. Oktober 2012 und in den Schriftsätzen in den Instanzen, in denen die Klägerin auch die Einholung von Sachverständigengutachten beantragt habe.

Aus diesen Rügen folgt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin. Sie stehen im Zusammenhang mit der Frage, ob der in der Werbung der Beklagten angebrachte aufklärende Text den Anforderungen genügt, um einem unzutreffenden Verkehrsverständnis in ausreichendem Maße entgegenzuwirken. Dazu reicht es nach der Senatsrechtsprechung zum Recht der Gleichnamigen aus, dass die Verwechslungsgefahr auf ein hinnehmbares Maß verringert wird. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch die von der Klägerin angeführten Gutachten berücksichtigt. Er hat sie nur nicht als geeignet angesehen, um im Sinne der Klägerin zu der Schlussfolgerung zu gelangen, die aufklärenden Hinweise der Beklagten seien nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen unzureichend.

Der Senat hat das I. -Gutachten von Juli 2007 und den Vortrag der Klägerin hierzu zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen. Er hat allerdings das Ergebnis der Fragen P 2 bis P 5 des Gutachtens nicht als entscheidungserheblich angesehen. Für die Beantwortung der Frage, ob der von der Beklagten zur Aufklärung der Leser angebrachte Text mit Sternchen-Hinweis ausreicht, kommt es auf die Antworten auf diese Fragen des Meinungsforschungsgutachtens der I. GmbH nicht an. Für die Bedeutung des aufklä- 10 renden Hinweises ist es ohne Belang, ob etwa ein im Rahmen der Erstellung des Meinungsforschungsgutachtens Befragter nach Ansicht der Anzeige auf die Frage P 2 "Was war in der Anzeige zu sehen oder zu lesen? Nennen Sie mir bitte alles woran Sie sich erinnern können, auch wenn Sie meinen, es sei nicht so wichtig" auf den aufklärenden Hinweis eingeht. Gleiches gilt für die Frage P 3: "Haben Sie in dieser Anzeige auch eine besondere Information bemerkt, oder ist das nicht der Fall?" und die anschließenden Zusatzfragen P 4 und P 5. Die vorliegend zu beurteilende Anzeige betrifft eine Werbung für Hemden, die die Beklagte vertreibt, und in der sie das Testergebnis der Stiftung Warentest herausstellt. Entsprechend richten die Befragten ihre Antworten auf die gestellten Fragen ein. Die vorstehenden Fragen sind ungeeignet, um zu ermitteln, ob der Verkehr durch die Anzeige über das werbende Unternehmen irregeführt wird oder die aufklärenden Hinweise unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen ausreichend sind. Vielmehr ist - wenn überhaupt - von Bedeutung die Frage P 6 des Gutachtens ("Haben Sie diesen Block bemerkt und gelesen, oder ist er Ihnen nicht aufgefallen?"). Hier haben lediglich 24,9% der angesprochenen Verkehrskreise - das sind die an Mode und Bekleidung Interessierten - angegeben, dass ihnen der Textblock nicht aufgefallen ist oder sie nicht wussten, dass dieser zur Anzeige gehört. Alle anderen haben den Block bemerkt. Darauf, ob sie den Text ganz, halb, wenig, fast nicht oder nicht gelesen haben, kommt es nicht entscheidend an. Erforderlich ist nur, dass der Text leicht erkennbar, deutlich lesbar, inhaltlich zutreffend, seinem Sinn nach ohne weiteres erfassbar und geeignet ist, dem unzutreffenden Eindruck in ausreichendem Maße zu begegnen.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herausgestellten Zusammenfassung des I. -Gutachtens. Diese beruht auf den Ant- worten auf die für die Entscheidung nicht maßgeblichen Fragen oder stellt - zu Unrecht - bei der Frage P 6 auf alle Befragten und darauf ab, ob diese den Text gelesen haben. Maßgeblich ist stattdessen, dass nur 24,9% der angesproche-13 nen Verkehrskreise den Textblock übersehen oder der Anzeige nicht zugerechnet haben.

Die dem Gutachten C. zugrundeliegende Werbung "Mode für Mei- len" enthält - anders als die im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehende Werbung - keinen Hinweis darauf, dass es zwei unabhängige Unternehmen Peek & Cloppenburg mit Hauptsitz in Düsseldorf und Hamburg gibt. Dieser Unterschied ist für das Verständnis des aufklärenden Textes von entscheidender Bedeutung. Das Gutachten B. verhält sich im ersten Abschnitt zur Wirkung der Werbung mit Beiheftern in überregionalen Zeitschriften und regionalen Abonnementzeitungen. Darum geht es in diesem Zusammenhang nicht. Soweit im zweiten Abschnitt des Gutachtens B. die Störung von Kun- denbeziehungen durch eine bundesweite Werbung untersucht wird, ist dem Gutachten entweder nicht zu entnehmen, dass die dort beschriebene Werbung mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Werbung vergleichbar ist, oder es wird auf die im Gutachten C. wiedergegebene Werbung Bezug genom- men, deren Beurteilung für den vorliegenden Fall unergiebig ist.

2. Die Klägerin rügt, der Senat habe ihren im Revisionsschriftsatz vom 1. Oktober 2012 und ihren weiteren durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag zur Verbraucherwahrnehmung unberücksichtigt gelassen.

Das trifft nicht zu. Maßgeblich für die Frage, ob die aufklärenden Hinweise ausreichten, ist die Wahrnehmung der fraglichen Anzeigen durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH, Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 100/11, GRUR 2013, 631 Rn. 64 = WRP 2013, 778 - AMARULA/Marulablu). Zur Beurteilung der Sichtweise des Durchschnittsver-14 brauchers bedarf es im Regelfall - so auch vorliegend - keiner Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens. Vielmehr kann grundsätzlich der mit der Sache befasste Richter die Verkehrsauffassung der Anzeige, die sich an das allgemeine Publikum richtet, beurteilen. An Anträge zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ist das Gericht nicht gebunden. Diese Entscheidungspraxis steht in Einklang mit den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - C- 210/96, Slg. 1998, I-4657 = GRUR Int. 1998, 795 Rn. 30 bis 35 - Gut Springenheide und Tusky; Urteil vom 8. September 2009 - C-478/07, Slg. 2009, I-7721 = GRUR 2010, 143 Rn. 89 - American Bud II) und ist durch eine gefestigte Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 255 - Marktführerschaft; Urteil vom 17. September 2009 - I ZR 103/07, GRUR 2010, 365 Rn. 15 = WRP 2010, 531 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften II; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 32 - Biomineralwasser). Dass vorliegend ein Ausnahmefall gegeben ist, in dem dies anders zu beurteilen ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.

Weiterhin ist die Frage, ob die aufklärenden Hinweise ausreichen, auch mit rechtlichen Erwägungen nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen verknüpft. Durch die kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage der Parteien sind diese nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Betätigung, sondern auch in dem Umfang, in dem sie kennzeichenrechtliche Ansprüche gegen den Namensgleichen geltend machen können, Beschränkungen unterworfen, die die Parteien im Verhältnis zu Dritten nicht hinnehmen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2010 - I ZR 174/07, GRUR 2010, 738 Rn. 28 bis 33 = WRP 2010, 880 - Peek & Cloppenburg I; Urteil vom 14. April 2011 - I ZR 41/08, GRUR 2011, 623 Rn. 39 ff. = WRP 2011, 886 - Peek & Cloppenburg II).

Bornkamm Pokrant Büscher Koch Löffler Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 09.04.2009 - 327 O 533/08 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.03.2011 - 3 U 69/09 - 17