BGH, Urteil vom 20.11.2002 - VIII ZR 65/02
Fundstelle
openJur 2010, 9081
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2002 aufgehoben und das Urteil der Kammer 18 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 16. Mai 2001 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger war von Juni 1969 bis Ende 1999 Tankstellenverwalter der Beklagten. Im Jahr 1984 übernahm er eine Tankstelle, die die Beklagte auf einem gemieteten Grundstück in O. betrieb. Durch dreiseitigen Vertrag vom 9. August/26. September 1984 trat der Kläger anstelle der Beklagten in deren Mietvertrag mit dem Grundstückseigentümer ein. Durch einen Kaufvertrag gleichen Datums erwarb der Kläger von der Beklagten das dieser gehörende Tankstellengebäude sowie alle Betriebseinrichtungen einschließlich der "Oberflächenbefestigung"; ausgenommen waren bestimmte "Verkaufs-und Werbeeinrichtungen", die im Eigentum der Beklagten verblieben, darunter insbesondere die Kraftstofftanks und Zapfsäulen. Ferner schlossen die Parteien einen formularmäßigen "Tankstellenvertrag", wonach der Kläger auf der Tankstelle die Lagerung und als Handelsvertreter der Beklagten in deren Namen und für deren Rechnung den Verkauf ihrer Markenkraftstoffe und -motorenöle übernahm.

Unter dem 3. Mai/5. Juni 1989 einigten sich die Parteien auf einen neuen "Tankstellenvertrag", der bis Ende 1999 laufen und sich danach um jeweils fünf Jahre verlängern sollte, wenn er nicht sechs Monate vor Ablauf von einer der Parteien gekündigt wurde. § 6 Nr. 2 des Vertrages lautet:

"Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, gehen die Kosten für Einbau und Instandhaltung der E. -eigenen Lager-und Abgabeeinrichtungen ... zu Lasten der E. [= Beklagte], ebenfalls die Kosten des Ausbaus, sofern der Vertrag nicht infolge des Verschuldens des TV [= Tankstellenverwalter = Kläger] vorzeitig endet."

Zugleich schlossen die Parteien einen "Tankstellen-Vergütungsvertrag", wonach der Kläger "unabhängig von der Provision aufgrund des Tankstellenvertrages als Entgelt für die Bereitstellung dieser Tankstelle zum ausschließlichen Verkauf der E. Produkte" von der Beklagten eine Vergütung erhielt.

Mit Verfügung vom 3. April 1997 forderte der Oberkreisdirektor des Landkreises O. den Kläger unter Berufung auf näher bezeichnete Umweltschutzvorschriften auf, bis zum 31. Dezember 1997 die Tankstelle nachzurüsten, und zwar die Lagertanks mit einem Gaspendelsystem auszustatten, die Fahrbahn im Bereich der Zapfsäulen abzudichten sowie eine Abscheideanlage einzubauen, und vor Durchführung dieser Maßnahmen ein Bodengutachten vorzulegen. Daraufhin erklärte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 23. Mai 1997 die Kündigung zum 31. Dezember 1997. Zur Begründung verwies er darauf, daß der erforderliche Kostenaufwand von 150.000 DM im Hinblick auf den Ablauf des Vertrages am 31. Dezember 1999 unvertretbar sei. Die Beklagte widersprach der vorzeitigen Kündigung mit Schreiben vom 4. Juni 1997, schlug dem Kläger eine Vertragsverlängerung von zehn Jahren vor und erklärte sich zur Übernahme der Kosten für die Nachrüstung der Lagertanks bereit. Eine Einigung kam auch nach weiterem Schriftwechsel nicht zustande. Durch Ordnungsverfügung vom 8. Dezember 1997 untersagte der Oberkreisdirektor dem Kläger ab dem 1. Januar 1998 den Verkauf von Kraftstoffen. Für den Fall der Vorlage eines Bauantrags bis zum Jahresende verlängerte er die Umrüstfrist bis zum 30. Juni 1998. Bis zu diesem Zeitpunkt ließ der Kläger die flüssigkeitsdichte Fahrbahn und die Abscheideanlage herstellen und das Bodengutachten anfertigen. Die Beklagte unternahm es ihrerseits, die Lagertanks nachzurüsten. Der Kläger kündigte der Beklagten fristgemäß zum 31. Dezember 1999. Anschließend verkaufte er die Tankstelle.

In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten Erstattung seiner Aufwendungen für die Herstellung der flüssigkeitsdichten Fahrbahn und der Abscheideanlage sowie -anteilig -für die Anfertigung des Bodengutachtens. Insgesamt verlangt er Zahlung von 127.135,59 DM nebst Prozeßzinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der -zugelassenen -Revision.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei aus positiver Vertragsverletzung der Beklagten begründet. Die Vertragsauslegung ergebe allerdings, daß die streitigen Kosten dem Kläger zur Last fielen. In § 6 Nr. 2 des Tankstellenvertrages seien die von der Beklagten zu tragenden Kosten abschließend geregelt. Die Kosten einer flüssigkeitsdichten Fahrbahn und einer Abscheideanlage gehörten nicht dazu. Wegen dieser Kostenlast sei der Kläger jedoch gemäß § 89 a HGB zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Ihm sei ein Festhalten am Vertrag über die von der Behörde gesetzte Umrüstfrist hinaus nicht zumutbar gewesen. Die Kosten von mehr als 100.000 DM seien in der Restlaufzeit des Vertrages bis Ende 1999 nicht zu amortisieren gewesen. Zu einer Verlängerung des Vertrages sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Mit Schreiben vom 23. Mai 1997 habe er die Kündigung ausgesprochen. Der Widerspruch der Beklagten im Antwortschreiben vom 4. Juni 1997 sei unberechtigt gewesen. Sie habe pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt. Daß die Investitionen unrentabel gewesen seien, habe auf der Hand gelegen. Der Beklagten sei bewußt gewesen, daß sie auf eine Vertragsverlängerung, die die Investitionen vielleicht rentabel gemacht hätte, keinen Anspruch gehabt habe. Adäquate Folge ihres Verhaltens sei gewesen, daß der Kläger "sich in sein Schicksal geschickt" und die Investitionen vorgenommen habe. Die unstreitigen Kosten hierfür seien sein Schaden. Anrechenbare Vorteile des Klägers seien nicht dargetan. Ein anspruchsminderndes Mitverschulden treffe den Kläger nicht.

II.

Diese Ausführungen halten in dem entscheidenden Punkt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihm durch die Herstellung der flüssigkeitsdichten Fahrbahn und der Abscheideanlage sowie die Anfertigung des Bodengutachtens entstanden sind, aus dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten bejaht.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die vorgenannten Kosten nach dem Tankstellenvertrag der Parteien vom Kläger zu tragen sind. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revisionserwiderung sind nicht begründet. Der Senat kann die Auslegung des Berufungsgerichts unbeschränkt nachprüfen, da davon auszugehen ist, daß die bundesweit tätige Beklagte das dem Tankstellenvertrag der Parteien zugrundeliegende Vertragsformular auch bundesweit einsetzt (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2001 -VIII ZR 208/00, WM 2001, 2008 unter II 2 a m.w.Nachw.).

a) Offenbleiben kann, ob § 6 Nr. 2 des Tankstellenvertrages, wonach die Kosten für Einbau, Instandhaltung und Ausbau der Lager-und Abgabeeinrichtungen der Tankstelle -von näher bezeichneten Ausnahmen abgesehen -zu Lasten der Beklagten gehen, eine abschließende Regelung ist, wie das Berufungsgericht gemeint hat. Dies erscheint deswegen fraglich, weil der Kläger in diesem Fall auch etwaige Kosten für Einbau, Instandhaltung und Ausbau der Werbeeinrichtungen hätte tragen müssen, die nach dem Kaufvertrag der Parteien vom 9. August/26. September 1984 im Eigentum der Beklagten verblieben sind. Dafür ist eine Rechtfertigung nicht ersichtlich.

Unabhängig davon ergibt sich jedenfalls aus § 6 Nr. 2 des Tankstellenvertrages der Wille der Vertragsparteien, daß die Beklagte nur die Kosten für Einbau, Instandhaltung und Ausbau derjenigen Einrichtungen der Tankstelle zutragen hat, die in ihrem Eigentum stehen. Das folgt zum einen daraus, daß in der Vertragsbestimmung ausdrücklich von den "E. -eigenen" Lager-und Abgabeeinrichtungen die Rede ist. Der Hinweis auf das Eigentum der Beklagten ist als Begründung dafür zu verstehen, warum ihr die genannten Kosten obliegen sollen. Zum anderen spricht für diese Auslegung, daß die ausdrückliche Belastung der Beklagten mit den Kosten für Einbau, Instandsetzung und Ausbau ihrer eigenen Lager-und Abgabeeinrichtungen unverständlich und überflüssig wäre, wenn der Wille der Vertragsparteien dahin gegangen wäre, die Beklagte solle die entsprechenden Kosten hinsichtlich aller Einrichtungen der Tankstelle einschließlich der dem Kläger gehörenden tragen. Schließlich erscheint die Belastung des Klägers mit den Kosten, die an den ihm gehörenden Einrichtungen der Tankstelle entstehen, auch deswegen gerechtfertigt, weil er nach dem "Tankstellen-Vergütungsvertrag" der Parteien vom 3. Mai/5. Juni 1989 von der Beklagten eine gesonderte Vergütung erhalten hat, die ausdrücklich als Entgelt für die Bereitstellung der Tankstelle zum ausschließlichen Verkauf der Produkte der Beklagten bezeichnet ist. Damit steht der Kostenlast des Klägers eine Gegenleistung der Beklagten gegenüber.

b) Danach hat nicht die Beklagte, sondern der Kläger die streitigen Kosten zu tragen. Die flüssigkeitsdichte Fahrbahn und die Abscheideanlage sind entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht Teil der im Eigentum der Beklagten verbliebenen Lager-und Abgabeeinrichtungen. Diese bestehen ausweislich des Kaufvertrages der Parteien vom 9. August/26. September 1984 lediglich aus mehreren Tanks und Zapfsäulen nebst Bedienungsgeräten. Die flüssigkeitsdichte Fahrbahn ist vielmehr Teil der Oberflächenbefestigung, die der Kläger durch den vorbezeichneten Kaufvertrag ausdrücklich von der Beklagten erworben hat. Hierzu gehört auch die Abscheideanlage, in der das von der Fahrbahn abfließende Regenwasser von darin enthaltenen Kraft-und Schmierstoffen gereinigt wird.

2.

Obliegen mithin die hier streitigen Kosten nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien dem Kläger, kann er sie entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung mangels Führung eines fremden Geschäfts auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes für eine Geschäftsbesorgung (§§ 670, 675 BGB) oder für eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 679, 683 BGB) von der Beklagten ersetzt verlangen.

3.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, die Beklagte sei dem Kläger wegen der Zurückweisung seiner Kündigung vom 23. Mai 1997 durch Schreiben vom 4. Juni 1997 aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet.

Keiner Entscheidung bedarf in diesem Zusammenhang, ob die Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, der Kläger sei wegen der ihm obliegenden Kosten für die flüssigkeitsdichte Fahrbahn, die Abscheideanlage und das Bodengutachten berechtigt gewesen, den Tankstellenvertrag gemäß § 89 a HGB aus wichtigem Grund vorzeitig zu kündigen. Selbst wenn das zugunsten des Klägers als richtig unterstellt wird, kann in der danach unberechtigten Zurückweisung der Kündigung durch die Beklagte keine positive Vertragsverletzung gesehen werden. Das gilt auch dann, wenn der Widerspruch der Beklagten ernsthaft und endgültig gewesen sein sollte, was deswegen zweifelhaft erscheint, weil das Angebot der Beklagten, den Vertrag zu verlängern und die Kosten für die Nachrüstung der Tanks zu übernehmen, Verständnis für die vom Kläger angeführten Kündigungsgründe erkennen ließ.

Der Widerspruch der Beklagten gegen die Kündigung des Klägers stellt jedenfalls deswegen keine Vertragsverletzung dar, weil er für die Wirksamkeit der Kündigung ohne rechtliche Bedeutung ist. Die Kündigung eines Vertrages ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung einer Vertragspartei. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es nicht der Annahme durch die andere Vertragspartei. Demgemäß ist auch deren Widerspruch in rechtlicher Hinsicht unerheblich. Dieser stellt lediglich die Äußerung der Rechtsauffassung dar, daß die Kündigung nicht berechtigt sei. Diese Rechtsauffassung mag falsch sein. Auch daraus ergibt sich jedoch gegebenenfalls keine Vertragsverletzung. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Äußerung der Rechtsauffassung -wie hier -nicht mit der Ausübung unzulässigen Drucks verbunden ist. Eine allgemeine Vertragspflicht, die richtige Rechtsansicht zu vertreten, ist nicht anzuerkennen. Dessen bedarf es auch nicht. Die Vertragsparteien können ihren Streit gerichtlich entscheiden lassen. Hier hätte es dem Kläger freigestanden, die Wirksamkeit seiner Kündigung im Wege der Feststellungsklage zu klären. Indem er sich statt dessen "in sein Schicksal geschickt" hat, hat er zudem, wie der Senat selbst feststellen kann, konkludent auf die Rechte aus seiner Kündigung verzichtet. Ein solcher Verzicht ist in gleicher Weise rechtlich möglich wie der Verzicht auf die Ausübung des Kündigungsrechts selbst.

Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die unberechtigte Kündigung eines Vertrages einen Schadensersatzanspruch des Gekündigten aus positiver Vertragsverletzung begründen kann (vgl. z.B. Senatsurteil BGHZ 89, 296, 301 f. zum Mietvertrag und zuletzt Senatsurteil vom 30. Mai 2001 -VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010 unter II zum Handelsvertretervertrag, jew. m.w.Nachw.). Die unberechtigte Kündigung ist eine Vertragspflichtverletzung, weil darin der Mißbrauch eines Gestaltungsrechts liegt, wodurch der Bestand des Vertrages gefährdet wird. Das trifft auf den unberechtigten Widerspruch gegen eine Kündigung schon deswegen nicht zu, weil ihm -wie vorstehend dargelegt -eine rechtliche Bedeutung für die Wirksamkeit der Kündigung nicht zukommt.

4. Nach alledem steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte nicht zu. Daher kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Da es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf, der Rechtsstreit mithin zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Demgemäß sind auf die Rechtsmittel der Beklagten die vorinstanzlichen Urteile, durch die der Klage zu Unrecht stattgegeben worden ist, aufzuheben bzw. abzuändern und die Klage abzuweisen.